Verleumdungen und Ehrabschneidungen in einer Privatrechtsordnung

28.8.2017 – von Michael Ladwig.

Michael Ladwig

Dem Ludwig von Mises Institut Deutschland sei Dank, werden die Vorträge der Seminare und Konferenzen stets aufgezeichnet, um das vermittelte Wissen auch für alle nichtteilnehmenden Interessierten zugänglich zu machen. So auch beim diesjährigen Ludwig von Mises Seminar in Kronberg, bei dem die Zuhörer-Fragerunde für mich – abgesehen von den Vorträgen natürlich – besonders erhellend war.

Hier der Link zur Fragerunde: Ludwig von Mises Seminar 2017 – Fragen an die Referenten 2. Seminartag

Sehr interessant fand ich die Frage eines Teilnehmers zum Umgang mit Verleumdungen oder ehrverletztenden Äußerungen und wie diese in einer Privatrechtsgesellschaft (ab Min 15:20) reguliert würden. Ebenfalls von Interesse waren auch die Äußerungen von Professor Thorsten Polleit (ab Min 23:35) und Professor Jörg Guido Hülsmann (ab Min 22:40 und 25:30) dazu.

Hülsmanns Bemerkung, mehr Duelle könnten die Anzahl der Beleidigungen wieder auf ein geringeres Maß zurückführen, sorgte natürlich für Erheiterung, ist aber nicht von der Hand zu weisen. Er ist der Auffassung, dass durch Ausschaltung der persönlichen Verantwortung durch den Staat die Verleumdungen sprunghaft zugenommen haben. Der Staat tat dies mit dem Verbot der Duelle. Vor 300 und mehr Jahren waren verbale persönliche Angriffe gegen eine Person oft mit dem Austragen eines Duells (zuletzt mit Schusswaffen) verbunden. Der Ehr-Verletzte hatte das Recht auf Herausforderung desjenigen, der die öffentlich ehrverletzende Bemerkung geäußert hatte. Persönliche Angriffe konnten eben damals harte Konsequenzen nach sich ziehen. Vermutlich waren die Menschen vor Jahrhunderten vorsichtiger mit dem, was sie über eine andere Person im öffentlichen Raum sagten. Das geflügelte Wort „Hüte deine Zunge” hatte in diesem Zusammenhang ernsteren Hintergrund und tatsächlich befriedende Wirkung und war als gutgemeinte Warnung zu verstehen.

Dass eine Rufschädigung den Tod zur Folge haben konnte, änderte sich, als König Friedrich II. Duelle verbot. Nun waren die Duelle zwar illegal und sie fanden noch statt, aber bald waren sie ganz verschwunden und die Gerichte wurden geflutet mit Klagen über Verleumdungen aller Art.

Auf Hülsmanns wertvollen Hinweis zu Professor Hans-Hermann Hoppes Versicherungstheorie sei hier noch kurz eingegangen. Hoppe vermutet eine stark steigende Versicherungsprämie für Personen, die landauf landab ihre Mitmenschen mit Beleidigungen überziehen. Warum? Die Versicherer registrieren statistisch eine hohe Opfer-Wahrscheinlichkeit ihrer Versicherten, sollten diese sich Beleidigungen ihrer Mitmenschen zum Lebensmotto gemacht haben. Wie sich jeder vorstellen kann, wird nicht jeder Mensch gelassen auf eine Beleidigung reagieren, sondern auch – natürlich rechtswidrig – zum Mittel der Gewalt greifen. Dies hat jedoch steigende Versicherungsprämien zur Folge. Diese könnten demnach ein adäquater Ersatz für blutige Duelle sein und eine Disziplinierung der potentiellen Beleidiger zur Folge haben.

Polleit nimmt zum Rechtsverständnis von Murray Rothbard (1926 – 1995) und sagt einen sehr klugen Satz, der es noch einmal wert ist, aufgegriffen und näher beleuchtet zu werden. Er macht deutlich, wie Beleidigungen überhaupt entstehen. Eine Beleidigung wird erst zu einer, wenn die beleidigte Person daraus eine macht oder anders ausgedrückt: Es liegt an ihrem subjektiven Werturteil, wie eine Meinungsäußerung zu verstehen ist.

Was heißt das? Nun, der Beleidigte könnte eine Äußerung auch „belustigend“ finden, wie Polleit feststellt. Ich gehe noch einen Schritt weiter und schlage vor, sogenannte Beleidigungen gar nicht erst ernst zu nehmen bzw. sie einfach zu „überhören“. Sie verfehlen damit gänzlich ihre Wirkung. Sollten sie in großer Öffentlichkeit ausgesprochen worden sein, so sagt eine Beleidigung mehr über den Beleidiger aus als über den Beleidigten. Wenn Ihnen das zu buddhistisch ist, dann wenden Sie sich der Duell-Theorie von Hülsmann zu bzw. durchdenken diese bitte bis ins letzte Detail.

Wie eine Äußerung zu werten ist, obliegt jedem Menschen in seiner einzigartigen Charakteristik und Wertungsmatrix selbst und wer anders soll ein Werturteil über eine Meinung fällen?

Eine physische Verletzung von Eigentumsrechten findet in diesem Fall nicht statt und kann damit nicht justiziabel sein.

In einer auf privaten Verträgen fußenden Rechtsordnung kann die Sanktionierung von verletzenden Handlungen nur über erkennbare Verletzungen vorgenommen werden. Erkennbar heißt: für jeden sichtbar. Verletzungen des materiellen Eigentums sind feststellbar. Verletzungen des Körpers sind auch erkennbar. Hierüber lässt sich nicht streiten und ein Richter/Gutachter/Arzt kann demzufolge über diese Einschränkungen der Eigentumsrechte befinden und urteilen.

Verletzungen der Ehre oder Rufschädigungen bleiben der objektiven Einschätzung verschlossen und obliegen subjektiven Ansichten. Dazu zählen alle möglichen und unmöglichen Meinungen, so sehr man sie auch teilt oder ablehnt. Polleit weist darauf hin, dass Rothbard eben sagte, dass das Seelenleben eines Menschen als „undurchsichtig“ zu charakterisieren ist.

Die Thymologie (wie Ludwig von Mises sie nannte) ist die Lehre der Gemütszustände, sie ist keine exakte Wissenschaft und damit bleibt jedem Menschen (auch Psychologen, die teilweise von einander abweichende Diagnosen zum Verhalten einer Person oder deren Beweggründen erstellen können) die Reaktionshandlung bzw. Wertungsbeurteilung eines anderen Menschen auf ewig verschlossen.

In der Privatrechtsordnung kann aus dem Gekränktwerden/-sein demnach keine Entschädigung ermittelt werden. Wie beziffert man den Wert des Leumundes eines Handwerksmeisters oder einer Mutter von vier Kindern?

Nun, darüber lässt sich trefflich streiten, aber das wollen wir in einer Privatrechtsordnung gerade nicht. Derartige „beleidigende“ Äußerungen bleiben hier ungesühnt, kommen aber auch vermutlich wesentlich weniger vor.

Mit diesen Ausführungen soll die verletzende Wirkung von gehässig ausgestoßenen Worten natürlich nicht geleugnet werden. Ganz im Gegenteil. Ich bin mir vollends über diese Tatsache bewusst, aber ich rufe dazu auf, sein eigenes Seelenleben zu durchleuchten und die Ursachen ehrverletzend wahrgenommener Worte zu ergründen und an deren Beseitigung zu arbeiten, dann können Ihnen bösartige Worte nichts mehr anhaben.

Es bleiben dann eben nur mehr Worte. Warme Luft, ausgestoßen aus der oralen Kommentaröffnung eines anderen Menschen – nicht mehr und nicht weniger.

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Michael Ladwig ist Finanzbuchhalter, Controller und »Misesianer«. Er ist 1978 im größten Freiluftgefängnis der Welt – der Deutschen Demokratischen Republik geboren. Nach dem Abitur, Wehrdienst, BWL-Studium und Familiengründung, hat er sich bereits seit dem Crashjahr 2008 mit den Ursachen großer Verwerfungen im Finanzsystem beschäftigt. Er ist Gründer des Oeconimus-Verlages. Für sein Ludwig von Mises Lexikon hat er fast fünf Jahre intensiv die Werke von Mises studiert.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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