Die letzten Strohhalme der Geldpolitik: Negativzins und Bargeldverbot

2.3.2016 – von Frank Hollenbeck.

Frank Hollenbeck

Es ist sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis die US-amerikanische Zentralbank den Zentralbanken von Japan, der Eurozone, Dänemark, Schweden und der Schweiz folgen und negative Zinsen auf ihre Reserveeinlagen festsetzen.

Das Ziel negativer Zinsen ist es, die Banken zum Verleihen ihrer Überschussreserven zu zwingen, in der Annahme, auf diese Weise die aggregierte Nachfrage befeuern und den schwächelnden Volkswirtschaften helfen zu können. Man folgt dabei der Zentralbanklogik von 2008: Die Lösung einer Schuldenkrise ist, die Schulden noch mehr zu erhöhen. Es gibt jedoch das Sprichwort: „Du kannst ein Pferd zum Wasser führen, aber man kann es nicht zwingen, zu saufen!“ Während die Weltwirtschaft also in eine Rezession schlittert, gibt es wenige Banken mit kreditwürdigen Kunden und viele Banken haben Schwierigkeiten mit ihren bereits verliehenen Krediten.

Italiens notleidende Kredite sind von ca. 5% in 2010 auf aktuell über 15% angestiegen. Aufgrund Pleiten in der Schieferöl-Industrie haben die US-amerikanischen Banken über eine Billion Dollar an hochriskanten Krediten in ihren Büchern stehen. Das extrem niedrige Zinsniveau in Japan und in der EU konnte die Nachfrage, inmitten eines Umfelds voller Fehlinvestitionen und Haushaltsrestriktionen, nicht ankurbeln.

Die Politik der Zentralbanken hat auch die Renditen von Staatsanleihen in negatives Territorium getrieben. Fast sieben Billionen Dollar an Staatsanleihen werden derzeit mit negativen Zinssätzen gehandelt.

Die ökonomische Theorie besagt aber, dass negative Zinsen unmöglich sind. Warum würde auch jemand eine einjährige Staatsanleihe für  1.005 € kaufen, wenn er dann in einem Jahr nur 1.000 € zurückbekommt? Es mag zwar sein, dass Geldaufbewahrung Kosten verursacht und riskant ist, aber dasselbe gilt auch für die meisten Anlageklassen.

Der Grund ist eigentlich ein ganz einfacher und macht deutlich, wie verzerrend die Geldpolitik weltweit wirkt: Es macht durchaus Sinn, eine Anleihe für 1.005 € zu kaufen, falls jemand vor hat, diese vor ihrer Fälligkeit an die Zentralbank für mehr als 1.005 € zu verkaufen. In der heutigen Zeit wird oftmals von der Zentralbank erwartet, dass sie die Anleihe mit Verlust erwirbt. Dies ist lediglich eine andere Form der Monetarisierung von Schulden. (Im Übrigen ist dies genau das, was die Deutschen ausdrücklich zu verhindern versuchten, als die EZB damals gegründet wurde.)

Wir müssen nur noch mehr Geld drucken!

Das wahre Problem ist, wie Geldpolitik in den allermeisten Studienprogrammen gelehrt wird. Jedes makroökonomische Lehrbuch beschreibt, wie die Höhe der Zinsen aufgrund des Angebots und der Nachfrage von Liquidität bestimmt werden. Die Wirtschaft wird wie ein Auto und die Zinsen wie sein Gaspedal betrachtet. Entspricht die Wirklichkeit nicht diesem Modell, nehmen die heutigen Ökonomen an, dass man einfach fester aufs Gas steigen muss, um die Wirklichkeit in ihr Modell zu zwingen, anstatt das Modell und die ihm zugrundeliegende Theorie in Frage zu stellen.

Dieses Problem entspringt einem fundamentalen Missverständnis über die Rolle des Zinses. Ludwig von Mises (1881 – 1973) schrieb bereits im Jahr 1912 folgendes über unsere derzeitig hochmütige Ansicht über das Wesen des Geldes:

“Diese Lehre leugnet mithin implicite die Existenz eines Kapitalzinses. Der Zins ist ihr eine Vergütung für die zeitliche Überlassung von Geld im weiteren Sinne. Wahrlich eine Anschauung, deren Naivität durch nichts übertroffen werden kann. Mit Recht ist die wissenschaftliche Kritik über sie hinweggeschritten; lohnt es doch kaum, sie auch nur flüchtig zu erwähnen. Man wird freilich die Feststellung nicht unterdrücken können, daß gerade diese Ansichten über das Wesen des Zinses in den populären Meinungen einen weiten Raum einnehmen und daß sie immer wieder von Neuem vorgetragen und als Grundlage für Maßregeln der Bankpolitik empfohlen werden.”

Tatsächlich reflektiert der Zins den zugeordneten Wert des heutigen Konsums, relativ zum zugeordneten Wert des Konsums von Morgen. Soll heißen, Geld ist nicht irgendein Allerweltsprodukt, welches unsere Probleme löst, wenn wir  nur genug davon produzieren. Dem Geld wohnt eine Schlüsselfunktion inne, welche die Produktion und Nachfrage über die Zeit hinweg koordiniert.

Je mehr man also die Zinsen manipuliert, desto mehr nimmt die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage über die Zeit hinweg zu und umso größer wird die notwendige Anpassung von Produktion und Nachfrage ausfallen, um die Wirtschaft wieder auf einen nachhaltigen Wachstumspfad mit steigendem Lebensstandard zurückführen zu können (Siehe hier und hier). Negative Zinsen führen lediglich zu einer immer weiter zunehmenden Diskrepanz zwischen Produktion und Nachfrage.

Der Krieg ums Bargeld

Währenddessen ist es das Ziel einiger Teilnehmer von Davos und anderen, der Welt eine bargeldlose Gesellschaft aufzuzwingen, da eine Zunahme an Bargeldreserven die Effektivität negativer Zinsen unterminiert. Sie wissen, dass – würde man das Bargeld abschaffen – die Zentralbanken eine noch höhere Kontrolle über das Geldangebot erlangten und damit die Wirtschaft nach ihren makroökonomischen Zielvorstellungen lenken könnten.

Solange es physisches Bares gibt, werden Menschen Bargeld in unsicheren Zeiten vorhalten. Dies ist eine weise Alternative, wenn alle anderen Optionen unproduktiv oder irrational erscheinen – und Bargeld in Zeiten von negativen Zinsen auf dem Bankkonto zu belassen ist, ceteris paribus, irrational. Daher wollen die Zentralbanken, wenig überraschend, verhindern, dass man Bargeld außerhalb des Bankensystems halten kann. Am Allerschlimmsten ist es, dass Menschen, die Bargeld außerhalb des Systems halten, dieses sparen könnten, anstatt es auszugeben. Von der Keynesianischen Perspektive aus betrachtet, muss das natürlich verhindert werden.

Dies ist lediglich die neueste Entwicklung einer zunehmend radikalen Geldpolitik, die wir seit der Finanzkrise 2008 beobachten. Jedoch wäre die beste Geldpolitik überhaupt keine Geldpolitik und Zentralbanker sollten einfach einen ausgedehnten Urlaub machen, damit sich die Weltwirtschaft endlich erholen kann.

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Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Nuding. Der Originalbeitrag mit dem Titel Why Negative Interest Rates Will Fail ist am 16.2.2016 auf der website des Mises-Institute Canada erschienen.

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Dr. Frank Hollenbeck lehrt Volkswirtschaft an der “International University” in Genf, Schweiz.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

© Leonardo Franko – Fotolia.com

 

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