Money, Money, Mini-Bots

9. August 2019 – Parallelwährung: Italien spielt mit der Idee, den Euro im Binnenmarkt zu umgehen

von Dirk Meyer

Dirk Meyer

Die italienische Regierung hat wieder einmal Ärger mit der EU-Kommission wegen ihres Haushaltsdefizits. Für das nächste Jahr droht ein Defizit von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), sollte die Regierung die Wünsche des Lega-Chefs Matteo Salvini einer Steuererleichterung (30 Milliarden Euro) und die Rücknahme einer bereits beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung (23 Milliarden Euro) umsetzen. Schon dieses Jahr belasten die Absenkung des Renteneintrittsalters auf 62 Jahre und das Bürgergeld mehr als geplant. Das drohende Defizitverfahren gleicht einer Farce. Mögliche Strafzahlungen könnten erst am Ende eines langwierigen, aus 17 Schritten bestehenden Prozesses stehen. Doch der Regierung geht es um Grundsätzliches – eine Aufhebung der EU-Schuldengrenze und eine Neuausrichtung hin zu kreditfinanzierten Ausgabenprogrammen, den Zugriff auf EU-finanzierte Investitionsfonds sowie eine Kollektivhaftung für aufgenommene Schulden. Als Drohkulisse dient die Einführung einer Euro-Zweitwährung, die Mini-Bots.

Staatsschuldpapiere, die leicht zu inflationieren sind

Der Begriff Mini-Bots leitet sich aus BOTs (Buoni del Tesoro) her. Dies sind Staatschuldpapiere mit kurzer Laufzeit. Ende Mai 2019 beschloß das italienische Abgeordnetenhaus einstimmig eine Resolution, die eine Begleichung von Lieferantenrechnungen des Staates nicht nur in Euro, sondern auch in Mini-Bots möglich macht. Offene Staatsrechnungen von circa 50 Milliarden Euro, entsprechend drei Prozent/BIP, machen der Wirtschaft zu schaffen. Es wäre ein Regierungsgeld nach dem Muster einer monetären Staatsfinanzierung. Je nach Ausstoß der Notenpresse würde der Mini-Bots gegenüber dem EU-Euro abwerten. Er würde zum Euro zweiter Klasse. In kleiner Stückelung zu fünf bis 500 Euro geplant, würde ein paralleler Geldkreislauf zum EU-Euro entstehen. Die Anerkennung als Zahlungsmittel müßte nicht auf Zahlungen zwischen Bürger und Staat beschränkt bleiben. Ein italienisches Währungsgesetz könnte die Mini-Bots zum generellen Zahlungsmittel im Inland erheben.

Mit Dollar und Bitcoin darf auch gezahlt werden

Italien hätte dann zwei Währungen: Als Vertrags- und Zahlungswährung würden die Mini-Bots für die alltäglichen Geschäfte vorherrschen. Bei Krediten und langfristigen Verträgen mit wiederholten Leistungs- und Zahlungsvorgängen (Löhne, Mieten, Abos) sowie bei Lebensversicherungen und Sparverträgen würde als Vertragswährung vermutlich der Euro gewählt, um Wertverluste eines inflationierenden Mini-Bots auszuschließen. Jedoch ist der Gebrauch zweier Währungen umständlich. Deshalb könnte als Zahlungsmittel auch bei langfristig angelegten Verträgen weiterhin der zum tagesaktuellen Euro-Kurs umgerechnete Mini-Bots dienen. Die Vertragswährung Euro würde eine Entwertung des Mini-Bots bei seiner gleichzeitigen Nutzung als Zahlungsmittel umgehen. Bei Verträgen mit dem Ausland dürften Mini-Bots hingegen keine Verwendung finden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) erkennt hierin einen Rechtsbruch. So sind die „von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten (…) die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten“. Dem stehen zwei Sachverhalte entgegen. Mini-Bots könnten als einfaches Zahlungsmittel dienen, ohne gesetzlichen Anspruch auf Akzeptanz. Schließlich sind auf Bitcoin oder US-Dollar lautende Verträge in der EU auch gültig. Außerdem handelt es sich nicht um Geld einer Zentralbank, sondern um staatliche Schuldscheine der Regierung. Unverzinst und ohne Ablaufdatum kommen sie dem Papiergeld allerdings gleich. Insofern müßten sie den Staatsschulden in Höhe von 132 Prozent/BIP zugerechnet werden, die auf dann 135 Prozent/BIP hochschnellen würden.

Parallelwährungen werden relevant, wenn entweder das gesetzliche (Kredit-)Geld zu knapp wird (Kreditklemme) oder aber zu reichlich vorhanden ist (Hyperinflation). Beispiele einer staatlichen Kreditklemme sind der zum Höhepunkt der griechischen Staatsschuldenkrise 2015 diskutierte „Geuro“ oder der 2009 infolge der kalifornischen Finanzkrise kurzzeitig vom US-Bundesstaat herausgegebene IOU (I owe you – ich schulde dir). Im Gegensatz zu diesem Notgeld hat Italien aktuell keine Liquiditätsprobleme. Dies liegt zum einen an dem EZB-Staatsanleiheankaufprogramm. Zum anderen vertraut der Kapitalmarkt auf eine weitere Euro-Rettung – die aufgrund der Größe Italiens kaum gelingen dürfte. Deshalb dienen die Mini-Bots als Druckmittel für eine weitgehende Reform des EU-Vertrages in Richtung einer Haftungs-/Transferunion. Auch die Unabhängigkeit der EZB steht zur Disposition. Bei einem Scheitern dieses Vorhabens könnte der Austritt aus der Währungsunion eingeleitet werden – mit unabsehbaren Konsequenzen für die Eurozone und die EU.

Mini-Bots steigern das Erpressungspotential

Es drohen dann erhebliche öko­nomische Verwerfungen. Da eine Abwertung der Mini-Bots die Rückzahlung der Staatsschulden langfristig unmöglich machen dürfte, würden die Kurse italienischer (Staats-)Anleihen sofort einbrechen. Bei Staatsschulden von derzeit etwa 2,3 Billionen Euro halten inländische Banken und Versicherungen mit circa 860 Milliarden Euro 48 Prozent der italienischen Staatanleihen mit einer Laufzeit von über einem Jahr.

Fallende Kurse würden eine Bankenkrise auslösen, die aufgrund von Verflechtungen auf ganz Europa übergreifen würde. Schließlich würde der bevorstehende Austritt und ein drohender Zusammenbruch des italienischen Bankensystems zu einem Bank Run führen. Barabhebungen und Kapitalflucht ließen den italienischen TARGET-Saldo weiter ansteigen, weshalb die Eurozone zum eigenen Schutz Kapitalverkehrskontrollen einleiten müßte. Um das Erpressungspotential einzugrenzen, müsste die Eurozone bereits heute Vorkehrungen für ein möglichst geordnetes Austrittverfahren schaffen – doch gilt der Verbleib im Euro weiterhin als alternativlos.

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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ – Ausgabe Nr. 29/19

Dirk Meyer ist seit 1994 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg, Lehrstuhl für Ordnungsökonomik. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Ordnungspolitik, Wettbewerbspolitik, Europäische Währungsunion, Technischer Fortschritt, Arbeitsmarkt, Sozialpolitik, Gesundheitsökonomie, Non-Profit-Organisationen, Soziale Dienste. Dirk Meyer zählt mit Veröffentlichungen ab 1999 zu den Kritikern der Euro-Währung; Beteiligung an Verfassungsklagen zur Griechenlandhilfe und zum Rettungsschirm.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: © JuergenL – Fotolia.com

 

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