Hans-Hermann Hoppe und die Libertären: Jetzt kommt die Flut

09.08.2013 – Warum der Staat das Problem ist.

von André F. Lichtschlag.

[Grundlage für diesen Artikel ist unter anderem ein namenloser Facebook-Beitrag auf der Seite “Libertäre Revolution.]

André F. Lichtschlag

Mitte Juni versammelten sich im altehrwürdigen Krönungssaal des Luxushotels Bayerischer Hof, der ersten Adresse Münchens, knapp 200 Gäste anlässlich der Premiere einer Jahreskonferenz des neugegründeten „Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Die Professoren und gestandenen Geschäftsleute hatten für die Teilnahme an der halbtägigen Konferenz „inklusive Business Lunch” gerade 150 Euro gezahlt. Und offenbar auch dann noch keinen Cent davon bereut, als auf der Bühne ein Redner nach dem anderen mit breitem Lächeln im Gesicht erklärte, den Staat am liebsten abschaffen zu wollen.

München ist kein Einzelfall. Eine Woche zuvor fand in Hamburg im ebenfalls noblen Steigenberger-Hotel zum vierten Mal die Mark-Banco-Anlegertagung des IfAAM-Instituts statt. Auch dort kamen knapp 200 Intellektuelle, Unternehmer und Anleger. Auch an der Elbe begeisterter Applaus von Zuhörern in Nadelstreifen für radikal-anarchistische Thesen. Die Ökonomie-Professoren Thorsten Polleit, Jörg Guido Hülsmann und Philipp Bagus, allesamt Vertreter der Österreichischen Schule ihrer Zunft, sprachen in Hamburg und München. An der Isar kam der aktuell vermutlich wichtigste Vertreter der mit den großen Namen Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek verbundenen Denkrichtung hinzu: Hans-Hermann Hoppe. Auch der Ökonom und Moralphilosoph Hoppe verbindet unbedingte intellektuelle Radikalität mit humorvoller, bodenständiger, gerade nicht verbissener Vortragsweise. Sein Ziel ist die staatsfreie Gesellschaft, die er gerne „Privatrechtsgesellschaft” oder „natürliche Ordnung” nennt.

Die Zeiten haben sich offenbar insofern geändert, dass immer mehr gestandene Bürger die täglichen Gruselnachrichten aus den politischen Kabinetten nicht mehr ertragen können, einerlei, welche Farbe sie tragen. Die von den Nettostaatsprofiteuren ausgebeuteten letzten Produktiven unserer neidzerfressenen Demokratie im Endstadium suchen nach Trost, Unterhaltung und neuen Antworten auf die Zumutungen der Politik und die Lügen der Medien. Sie finden sie bei Hoppe und seinen Mitstreitern.

Auch im Internet breitet sich ihre Lehre unter dem Etikett „libertär” aus. Beinahe monatlich eröffnen neue Facebookseiten unter schlagkräftigen Namen wie „Libertäre Aktion” oder „Libertäre Revolution”. Die Autoren der letztgenannten Seite spielten kürzlich Hoppes Thesen an einem aktuellen Beispiel durch: Wie, so fragten sie sich, kann ohne Staat auf eine Hochwasserkatastrophe reagiert werden, wie wir sie kürzlich in Deutschland erlebten?

Stellen wir uns dazu ein kleines Dorf mit 100 Einwohnern vor. Durch starke Regenfälle werden drei Häuser überflutet. Was passiert in einer Privatrechtsgesellschaft? Die Dorfgemeinschaft hilft. Die Bürger unterstützen sich zielgerichtet, das Gemeinschaftsgefühl wächst.

Und in der hiesigen Demokratie? Politiker betreiben Wahlkampf, versprechen allen alles. Bürokraten enteignen über eine neue Steuer die übrigen Bürger, ganz gleich, ob es ihnen finanziell besser oder schlechter geht. Ein erheblicher Teil der neuen Fluthilfesteuer fließt an städtische Angestellte, der Verwaltungsapparat wächst.

Im kommenden Jahr werden die Häuser erneut überflutet. In einer natürlichen Ordnung hilft wieder die Dorfgemeinschaft. Sie hat jetzt jedoch weitaus weniger Verständnis für Wohnsitze in der unmittelbaren Nähe des Flusses. Zwei Häuser werden aufgrund des sozialen Drucks aufgegeben und an anderer, sicherer Stelle errichtet. Zwei reichere Dorfbewohner kaufen die Grundstücke und bauen aufgrund der schönen Lage eigene Häuser. Versicherungen lehnen einen Schutz ab: Das Risiko ist zu hoch.

Was passiert in der etatistischen Gesellschaft? Politiker machen die Unverantwortlichkeit von Versicherungen zum Thema und wollen diese zur Übernahme der Kosten zwingen. Sie erlassen ein Gesetz zur „gemeinschaftlichen Solidarität”. Weitere Dorfbewohner errichten neue Häuser in der Nähe des Flusses — das Individualrisiko der Waghalsigen wurde zu Lasten der Vernünftigen gesenkt.

Auch im folgenden Jahr kommt es zu einer Überflutung. In der staatsfreien Gesellschaft bleibt der unbelehrbare Hauseigentümer auf seinen Kosten sitzen, er ist bankrott. Die beiden reicheren Dorfbewohner können den Schaden selbst bezahlen. In unserem demokratischen Staat stehen mittlerweile zehn überflutete Häuser in Flussnähe. Politiker beklagen aufgrund des schwindenden Engagements die Ellenbogengesellschaft. Eine einmalige „Solidaritätsabgabe”, gestaffelt nach Einkommen, wird verabschiedet. Mit Gummistiefeln bewaffnet absolvieren die Damen und Herren Demokraten ihren Wahlkampf und inszenieren sich als Retter. Durch den sinnlosen Einsatz von Steuergeldern können die übrigen Dorfbewohner weniger Geld ausgeben, das Dorf wird ärmer. Die Stadtverwaltung setzt eine Kommission zur Erforschung der globalen Erderwärmung ein. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass bereits im Schulalter das Bewusstsein für die Natur zu stärken ist. Drei Sozialarbeiter werden eingestellt.

Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin “eigentümlich frei”, Ausgabe Aug./Sep. 2013, erschienen.

Foto Startseite: Ralph Malisch / Smart Investor

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André F. Lichtschlag ist Gründer und Herausgeber der Zeitschrift “eigentümlich frei”.

 

 

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