Der Staat will unseren Speiseplan bestimmen
4. Januar 2019 – von Joseph T. Salerno
Kürzlich veröffentlichte ein Forscherteam unter der Leitung des Nuffield Department of Population Health (NDPH) an der Oxford University einen Artikel in der Online-Zeitschrift Public Library of Science ONE. Dem Artikel zufolge hat man die wirtschaftlich optimalen Steuerniveaus für 149 Regionen der Welt berechnet, die die Gesundheitskosten „im Zusammenhang mit Krankheiten durch den Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch abbilden“. Der Artikel schätzt „die Steuern auf rotes und verarbeitetes Fleisch, die notwendig sind, um die Gesundheitskosten für den Konsum solcher Produkte auszugleichen“. Das NPDH ist übrigens ein stark politisiertes, akademisches Institut, das 2013 gegründet wurde und sich im Jahr 2016 bereits für eine Zuckersteuer in Großbritannien einsetzte, die im vergangenen April der britischen Öffentlichkeit auferlegt wurde.
Die Autoren des Artikels argumentieren, verarbeitetes und rotes Fleisch sei „krebserregend“ bzw. „wahrscheinlich krebserregend“, weil es auch von der Weltgesundheitsorganisation als solches eingestuft wurde. Darüber hinaus stehe der Verzehr von rotem Fleisch mit anderen Erkrankungen „in Zusammenhang“, wie einem Anstieg bei Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Schlaganfall und Typ-2-Diabetes. In Großbritannien beispielsweise sei der Fleischkonsum für mehr als 60.000 Todesfälle pro Jahr verantwortlich.
Der Artikel berechnet anhand statistischer Schätzungen der Nachfrageelastizitäten nach rotem und verarbeitetem Fleisch den optimalen Steuersatz, definiert als der Satz, um den der Preis für eine Portion rotes und verarbeitetes Fleisch erhöht werden müsste und der „die mit einer zusätzliche Portion von rotem und verarbeiteten Fleisch verbundenen Gesundheitskosten widerspiegelt“. Ein Artikel in einer britischen Zeitung, der die Forschungsergebnisse zusammenfasst, berichtet, dass für Großbritannien die „optimalen“ Steuersätze auf 14 Prozent bzw. 79 Prozent für rotes Fleisch und verarbeitetes Fleisch geschätzt werden. Bei diesen Sätzen würden die Steuern den Preis einer Packung Würstchen von £2,50 auf £4,47 fast verdoppeln und den Preis für ein Filetsteak von £5,50 auf £6,27 erhöhen. Die Einführung dieser Steuern, so wird vorhergesagt, „würde den Tod von fast 6.000 Menschen pro Jahr verhindern und dem NHS (National Health Service) jährlich fast 1 Milliarde Pfund ersparen“.
Lassen Sie uns die zweifelhafte Quantifizierung der gesundheitsschädlichen Auswirkungen von rotem und verarbeitetem Fleisch an dieser Stelle akzeptieren und auch die noch zweifelhafteren, statistischen, auf historischen Daten basierenden Schätzungen über die unvorhersehbare und sich ständig ändernde zukünftige Elastizität der Fleischnachfrage, die angeblich die Empfindlichkeit der Verbraucherkäufe gegenüber einer Änderung des Fleischpreises messen. Dennoch stehen die Autoren vor einem großen Problem bei der Argumentation für eine Steuer, denn die Fleischsteuer wird von den meisten Menschen zu Recht als blanker Versuch der Regierung angesehen, die Ernährung ihrer Bürger einzuschränken und zu manipulieren. Dies wird vom leitenden Forscher der Studie, Dr. Marco Springmann, sogar erkannt, der einräumt: „Niemand will, dass Regierungen den Menschen sagen, was sie essen können und was nicht“. In einem ungeheuren Beispiel Orwell’schen Doppelsprech stellt Springmann allerdings die Tyrannei und Einschränkungen durch die Regierung als Erleichterung und Erweiterung der Wahlmöglichkeiten der Verbraucher dar:
Ich hoffe, dass die Regierungen die Einführung einer Gesundheitsabgabe auf rotes und verarbeitetes Fleisch als Teil einer Reihe von Maßnahmen in Betracht ziehen werden, um den Verbrauchern gesunde und nachhaltige Entscheidungen zu erleichtern. Eine Gesundheitsabgabe auf rotes und verarbeitetes Fleisch würde die Wahlmöglichkeiten nicht einschränken, sondern ein starkes Signal an die Verbraucher senden und unsere Gesundheitssysteme entlasten.
Der Vorsitzende des National Obesity Forum, Tam Fry, greift in die gleiche rhetorische Trickkiste und definiert „echte Wahl“ neu, indem die Verbraucher ihr Verhalten demütig von intellektuellen und politischen Eliten prägen lassen, deren Ziele und Präferenzen durch Zwangsabgaben durchgesetzt werden:
Als die Zuckerabgabe zum ersten Mal angekündigt wurde, knirschten die Bürger mit den Zähnen und argumentierten, es handele sich um eine Verletzung ihrer Menschenrechte. Aber als der Lärm nachließ, begannen die Menschen zu erkennen, dass sie eine echte Wahl hatten und dass der Wechsel zu etwas Gesünderem eine gute Sache war. Ich sehe keinen Grund, warum, wenn vernünftig eingeführt, die gleiche Sache nicht mit Fleisch funktionieren kann.
In seinem Werk Liberalismus, das vor über 90 Jahren auf Deutsch erschien, sah Ludwig von Mises (1881-1973) voraus, dass es – sobald der Grundsatz akzeptiert wird, dass es eine angemessene Funktion der Regierung sei, den Einzelnen vor den schädlichen Auswirkungen seiner eigenen Entscheidungen zu schützen – keinen Konsumbereich mehr geben würde, der der Einmischung der Regierung nicht zugänglich wäre. Wie Mises argumentierte, deuten die Annahmen, die dem Argument für die Einschränkung von Suchtstoffen zugrunde liegen, darauf hin, dass die staatliche Kontrolle des individuellen Konsums keine natürliche Grenze kennt. Für Mises ist das ungezügelte Verbot einfach die andere Seite der Medaille, wenn es darum geht, sich Politikern als Richter und Hüter des individuellen Wohlergehens zu unterwerfen:
In den Vereinigten Staaten von Amerika sind Handel und Erzeugung von alkoholischen Getränken verboten. Die übrigen Staaten gehen nicht so weit, doch bestehen nahezu überall Beschränkungen für den Verkauf von Opium, Kokain und ähnlichen Rauschgiften. Man erachtet es allgemein als eine Aufgabe der Gesetzgebung und Verwaltung, den einzelnen vor sich selbst zu schützen. Selbst diejenigen, die sonst im allgemeinen gegen eine Erweiterung des Tätigkeitsgebietes der Obrigkeit Bedenken vorbringen, halten es für durchaus richtig, daß die Freiheit des Individuums in dieser Hinsicht beschränkt werde, und meinen, daß nur verblendeter Doktrinarismus sich gegen solche Verbote aussprechen könnte. Die Zustimmung, die diese Eingriffe der Obrigkeit in das Leben des einzelnen finden, ist so allgemein, daß die grundsätzlichen Gegner des Liberalismus gerne in der Weise argumentieren, daß sie von der angeblich unbestrittenen Anerkennung der Notwendigkeit solcher Verbote ausgehen und folgern, daß völlige Freiheit von Übel und daß irgendwie eine Beschränkung des Individuums durch die bevormundende Obrigkeit von nöten sei. Die Frage könne dann nicht die sein, ob die Obrigkeit das Individuum beschränken, sondern nur die, wieweit sie in dieser Beschränkung gehen soll.
Mises war erstaunlich vorausschauend, als er darauf bestand, dass die Prohibition nicht mit Drogen aufhören würde und unweigerlich alle Aspekte des Konsums des Einzelnen, einschließlich seiner Ernährung, erfassen würde:
Darüber nun, daß alle diese Rauschgifte schädlich sind, ist kein Wort zu verlieren. Die Streitfrage, ob selbst geringe Mengen von Alkohol schädlich sind oder ob erst der Mißbrauch alkoholischer Getränke Schädigungen herbeiführt, ist hier nicht zu besprechen. Es steht fest, daß Alkoholismus, Kokainismus und Morphinismus fürchterliche Feinde des Lebens, der Gesundheit und der Arbeits- und Genußfähigkeit des Menschen sind … . Aber damit ist noch lange nicht bewiesen, daß die Obrigkeit zur Unterdrückung dieser Laster durch Handelsverbote einschreiten muß. … Wer von der Verderblichkeit des Genusses oder übermäßigen Genusses dieser Gifte überzeugt ist, den hindert auch der Umstand, daß die Erzeugung und der Handel durch den Staat nicht behindert werden, nicht daran, enthaltsam oder mäßig zu leben. Die Frage ist nur die, ob die überzeugten Gegner des Genusses der schädlichen Gifte denen, die nicht ihrer Ansicht sind, oder nicht genug Willenskraft haben, um enthaltsam oder mäßig zu leben, den Genuß durch obrigkeitliche Maßnahmen unmöglich machen sollen oder nicht. Diese Frage darf nicht ausschließlich im Hinblick auf die von allen vernünftigen Leuten erkannten Übel Alkoholismus, Morphinismus, Kokainismus u. dgl. behandelt werden. Denn wenn grundsätzlich der Mehrheit der Staatsangehörigen das Recht zugestanden wird, einer Minderheit die Art und Weise, wie sie leben soll, vorzuschreiben, dann ist es nicht möglich, bei dem Genusse von Alkohol, Morphium, Opium, Kokain und ähnlichen Giften Halt zu machen. Warum soll das, was für diese Gifte gilt, nicht auch von Nikotin, Coffein und ähnlichen Giften gelten?
Mises sah, dass das gleiche Prinzip, das von der Regierung verlangt, das körperliche Wohlergehen des Einzelnen vor den bösen Folgen der freiwilligen Einnahme giftiger Substanzen zu schützen, auch verlangt, dass die Regierung Einzelpersonen verbietet, schlechte Lehren aufzunehmen, die ihr geistiges Wohlergehen beeinträchtigen können. Das bedeutet, zu kontrollieren, was der Einzelne sieht, hört, liest, spricht, lernt und lehrt. Mises erkannte, dass der Prohibitionismus – zu einer logischen Schlussfolgerung gebracht -, der Regierung somit die Macht gibt, genau die Gedanken zu formen, die die Menschen denken, und schließlich den menschlichen Geist auszumerzen:
Noch schädlicher als alle diese Genüsse aber, werden viele sagen, ist die Lektüre von schlechten Schriften. Soll man einer auf die niedrigsten Instinkte des Menschen spekulierenden Presse gestatten, die Seele zu verderben? Soll man die Schaustellung unzüchtiger Bilder, die Aufführung schmutziger Theaterstücke, kurz alle die Verlockungen zur Unsittlichkeit nicht hindern? Und ist nicht die Verbreitung falscher Lehren über das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen und Völker ebenso schädlich? Soll man gestatten, daß Menschen zum Bürgerkrieg und zum Krieg gegen das Ausland hetzen? Und soll man es zulassen, daß die Achtung vor Gott und der Kirche durch Schmähschriften und Schmähreden untergraben wird? Wir sehen, sobald wir den Grundsatz der Nichteinmischung des Staatsapparates in alle Fragen der Lebenshaltung des einzelnen aufgeben, gelangen wir dazu, das Leben bis ins Kleinste zu regeln und zu beschränken. Die persönliche Freiheit des einzelnen wird aufgehoben, er wird zum Sklaven des Gemeinwesens, zum Knecht der Mehrheit. Man braucht sich gar nicht auszumalen, wie solche Befugnisse von böswilligen Machthabern mißbraucht werden könnten. Schon die vom besten Willen erfüllte Handhabung derartiger Befugnisse müßte die Welt in einen Friedhof des Geistes verwandeln. … Man wende ja nicht ein, daß doch die Bekämpfung des Morphinismus und die Bekämpfung „schlechter“ Schriften ganz verschiedene Dinge seien. Diese Verschiedenheit besteht nur darin, daß das eine Verbot auch die Zustimmung von Leuten findet, die dem anderen nicht zustimmen wollen.
In diesem Abschnitt zeigt Mises erstaunliche Einblicke in die heimtückische und unerbittliche Entwicklung des Programms des Prohibitionismus und die Bereiche, auf die es sich erstrecken würde. Derzeit gibt es in mehreren so genannten „liberalen Demokratien“ Gesetze gegen Sprache, Literatur und privatwirtschaftliche Praktiken, die „Feindseligkeit“ gegenüber verschiedene Gruppen ausdrücken, revisionistische Geschichtsauffassungen vertreten oder therapeutische Methoden fördern und beschreiben, die nicht mit denen der Schulmedizin übereinstimmen. Jeden Tag nimmt die Anzahl und Reichweite der Gesetze zu, die darauf abzielen, „hasserfüllte“ und „gefährliche“ Reden und Ausdrücke zu unterdrücken. Aber die Situation ist nicht hoffnungslos. In jüngster Zeit scheint die prohibitionistische Bewegung übertrieben zu haben und die Befürworter von Meinungsfreiheit und persönlicher Freiheit zu einer ernsthaften Gegenreaktion zu motivieren. Aber es wird eine lange und mühsame Aufgabe sein, die Flut der Verbote zurückzudrängen. Mises erkannte dies bereits 1927, als er schrieb:
Es wird langer Jahre der Selbsterziehung bedürfen, bis aus dem Untertan der Bürger geworden sein wird. Ein freier Mensch muß es ertragen können, daß seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muß es sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.
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Der Originalbeitrag mit dem Titel Mises Predicted the „Meat Tax“ ist am 21.11.2018 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.
Dr. Joseph T. Salerno ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Pace Universtity, New York. Er ist zudem Academic Vice President des Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama.
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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.
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