Die Fed sucht nach Sündenböcken

27.1.2016 – von C. Jay Engel.

C. Jay Engel

Über die jüngsten Ereignisse an den Kapitalmärkten finden sich gegenwärtig zahlreiche Berichte, die entweder komplett falsch oder vollkommen irreführend sind. So zeigt sich sehr deutlich ein Zwiespalt zwischen zwei Perspektiven, was genau die schmerzhaften Turbulenzen verursacht hat.

Es gibt nicht wenige, die im Gleichklang mit den Medien sofort mit dem Finger auf Öl und China zeigen. Und es gibt welche, die mit dem Finger auf die amerikanische Notenbank (Fed) zeigen und meinen, sie habe die „Zinsen zu früh angehoben“. Zu letzterem gehört auch die Überlegung, „Inflation sei nirgends zu finden“, und daher sei es aberwitzig, dass die Fed es als notwendig ansah, den Leitzins anzuheben. Hinter beiden Perspektiven verbirgt sich die Angst vor einem „starken Dollar“.

Beide dieser Perspektiven verfehlen jedoch das Thema, sowie die Ursache der jetzigen Probleme. Es ist abstrus, das Öl für die Marktflaute verantwortlich zu machen, während der fallende Ölpreis genau das Phänomen ist, das erklärt werden muss. Es ist absolut ungenügend, etwas zu erklären, indem man es beschreibt. Das mag für Schlagzeilen und für das Finden eines Sündenbocks sehr wirksam sein, aber man muss lernen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Mit der Erklärung, dass ein Flugzeug auf den Boden zurast, weil es nicht mehr länger fliegt, kann man keinen Blumentopf gewinnen. Was verursacht den enormen Ölpreisabsturz? Das ist die entscheidende Frage.

Das Problem mit der „China-These“ ist, dass sie ebenfalls nichts erklärt. Es handelt sich einfach nur um eine Korrelation der Märkte und das macht es sehr bequem, die Schuld auf „die anderen“ zu schieben. Verstehen Sie mich nicht falsch, China und USA beeinflussen sich definitiv gegenseitig, insbesondere in unserem Zeitalter schwankender Papierwährungen. Aber letztlich werden China und die USA – ja die ganze Welt – von den Konsequenzen vergangener Handlungen ihrer Zentralbanken und insbesondere der Illusion des Wohlstands durch Geldmengen- und Kreditausweitung nach unten gezerrt.

Das führt zur zweiten Perspektive: Der Vorwurf gegenüber der Fed, die Zinssätze zu früh anzuheben. Es sind nicht wenige, die die Ansicht vertreten, hätte die Fed im Dezember nicht einen Minianstieg beim Leitzins angekündigt, hätte es die Rückgänge an den Märkten nicht gegeben. Es heißt: „Inflation war nie eine Gefahr, also war es verantwortungslos von der Fed, die Zinssätze anzuheben.“

Geldmengeninflation versus Preis-„Inflation“

Es ist eine verworrene Situation. Zunächst muss stets betont werden, dass die Bedeutung des Wortes Inflation, entgegen der weitläufigen Meinung, besser durch ein Wachstum der Geldmenge definiert wird, nicht durch „steigende Preise“. Der Grund, warum die Fed und die Unterstützer des Zentralbankwesens die Preis-Definition bevorzugen, ist, weil sie den Hauptschuldigen unserer momentanen wirtschaftlichen Situation verschleiert. Diese Definition nimmt die Schuld von der Fed und überträgt sie auf alle möglichen „Marktkräfte“. Somit ist die Zentralbank nicht hochgradiger Verdächtigung ausgesetzt, sondern sie wird zum Retter in der Not. Ludwig von Mises (1881-1973) drückte es in Human Action so aus:

Was viele Menschen heutzutage als Inflation oder Deflation bezeichnen, ist nicht mehr Wachstum oder Rückgang der Geldmenge, sondern sind deren unerbittliche Auswirkungen, nämlich die allgemeine Tendenz eines Anstieges oder Rückganges bei Güterpreisen und Löhnen. Diese Neuerung ist keinesfalls harmlos. Sie spielt eine gewichtige Rolle beim Schüren populärer Tendenzen hin zum Inflationismus.

Erstens gibt es nicht mehr länger einen verfügbaren Begriff, der das aussagt, was Inflation einst aussagte. Es ist unmöglich, gegen eine Maßnahme zu kämpfen, die man nicht beim Namen nennen kann. […]

Das zweite Übel besteht darin, dass diejenigen, die im vergeblichen und hoffnungslosen Kampf gegen die unausweichlichen Konsequenzen der Inflation – steigende Preise – verwickelt sind, ihre Maßnahmen als Kampf gegen die Inflation tarnen. Während sie bloß die Symptome bekämpfen, geben sie vor, gegen die Ursache zu kämpfen. Weil sie den kausalen Zusammenhang zwischen dem Wachstum der Geldmenge auf der einen Seite und dem Anstieg der Preise auf der anderen nicht erfassen können, machen sie die Dinge in der Praxis nur noch schlimmer.

Steigende Preise können ein Ergebnis der Inflation sein, sind aber selbst nicht als solche zu definieren. So war die Inflation im letzten Jahrzehnt aufgrund von Quantitative Easing (QE) und anderen geldpolitischen Maßnahmen sehr hoch. Außerdem sollte man bedenken, dass „steigende Preise“ an den Kapitalmärkten selbst ja sehr einfach zu sehen sind. Man muss keine Erfahrung als Investment-Guru haben, um zu erkennen, welche schwindelerregenden Höhen die Markt-Indizes erreicht haben. Schaut man dann auch nur ein bisschen weiter unter die Oberfläche, werden die absurden Preise für die sogenannten „Highest Value Stocks“ wie Facebook, Amazon, Apple, etc. deutlich.

Wo all das Geld hingeflossen ist

Noch wichtiger ist hingegen die Tatsache, dass der Großteil des neu geschaffenen Geldes aufgrund der gegenwärtigen Struktur des derzeitigen „Nach-Krisen-Banken-Systems“ nicht annähernd zu „großflächiger [Konsumentenpreis-] Inflation“ geführt hat. Jeffrey Snider und andere meinen, dass „Preisinflation“ praktisch unmöglich als direkte Folge von QE entstehen kann. Das liegt an der Art und Weise, wie das Geld in Form von Reserven in das System eintritt. „Preisinflation“ kann nur Folge von Handlungen einzelner Banken sein – und die sind momentan sehr vorsichtig beim Gewähren von Krediten. Daher erzeugt die Fed keine „Preisinflation“, sondern etwas sehr viel schlimmeres: nämlich die Fehlallokation von Kapital.

Der Punkt ist: Diejenigen, die die Zinsen kontinuierlich nach unten drücken wollen, um damit die Wirtschaft anzukurbeln, erkennen nicht einmal, dass genau das die Ursache von Wirtschaftsblasen ist und keinesfalls zu produktiver wirtschaftlicher Aktivität führt.

In der Zeit vor der Krise führte das Teilreserve-Banksystem zu sehr vielen Fehlinvestitionen, die durch neue Kredite der Banken verursacht worden sind (neue ökonomische Aktivität entsteht und fällt dann in sich zusammen). Aber jetzt wird Geld nicht von Geschäftsbanken, sondern hauptsächlich von der Fed erschaffen. Das bedeutet, in den Worten von David Stockman, dass das neue Geld in den Schluchten der Wall Street herumschwappt und Vermögens- und Anleihepreise nach oben drückt, statt die „Realwirtschaft“ zu erreichen.

Die Blase verlängert das Problem nur

Anders als diejenigen, die die Fed und ihre „Zinserhöhung“ (die Joe Salerno hier kommentiert) für die sinkenden Aktienpreise beschuldigen, möchten wir die Tatsache betonen, dass die Fed mit einer Anhebung der Zinsen bisher gemachte Fehler bestenfalls entwirrt. Es gibt an künstlich aufgeblähten Aktienmärkten nämlich überhaupt nichts positives zu entdecken. Wir haben kein Interesse daran, die Langlebigkeit dieser Blase zu loben, weil die Blase der Feind einer gesunden Wirtschaft ist. Die zusammenbrechenden Aktienmärkte enthüllen, wo Blasen entstanden sind, und sie zeigen auf, dass unser angeblicher Wohlstand eine Illusion ist. Genau das hat der ehemalige Dallas-Fed-Vorstand Richard Fisher letzte Woche auf CNBC gesagt: „Wir haben vorab eine enorme Markt-Rally erzeugt, um einen Vermögenseffekt zu erzielen.“ Die Geldmengenausweitung muss unweigerlich beendet werden. Fisher selbst gibt zu:

„[…] und wahrscheinlich gibt es jetzt eine unangenehme Verdauungszeit.“

Was bis nach oben aufgeblasen wurde, muss zum Boden zurück deflationieren. Nur so kann sich eine Volkswirtschaft erholen: Schlechte Kredite müssen liquidiert werden. Unglücklicherweise ist das mit Schmerzen verbunden.

Das ist die wahre Quelle der Misere. Der Dollar „wird stärker“, da unser Kreditsystem an allen Nähten Risse zeigt. Der sogenannte „starke Dollar“ ist nur eine Seite des Pendels eines volatilen, zusammenbrechenden Bankensystems. Man sollte nicht glauben, dass der Dollar sicherer wird; das wird er nicht. Aber wenn wir jemals wieder eine sichere Währung haben möchten, müssen wir uns erst einmal den Folgen stellen.

Und daher erlebt auch Öl, jahrelang von der Fed regelrecht in den Himmel gejagt, seinen eigenen unvermeidlichen Bust. Die Illusion wird entlarvt.

Unglücklicherweise hat die Fed die Rolle eines Jokers. Wir müssen also abwarten und sehen, ob sie den Märkten eine Erholung gewährt oder den endlosen Kreislauf des Gelddruckens verlängert. Mein persönlicher Rat für die Fed: „Erhöht“ die Zinssätze nicht und senkt sie auch nicht. Lasst sie sich selbst entwickeln und erlaubt es dem Markt, sich selbst zu korrigieren. Denn uns stehen noch sehr viele Korrekturen bevor.

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Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg. Der Originalbeitrag mit dem Titel The Fed Passes the Buck: Blame Oil and China ist am 25.1.2016 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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C. Jay Engel ist Anlageberater bei „The Sullivan Group“, einer unabhängigen Vermögensverwaltung in Nordkalifornien, die sich an der Österreichischen Schule orientiert. Er beschäftigt sich vor allem mit Fragen der Vermögenssicherung in einer Ära einer gaunerhaften Zentralbankwesens. Er ist ein begeisterter Leser österreichisch-libertären Literatur und ein engagierter Verfechter von Privateigentum und gutem Geld.

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