Ein Demokratie-Experiment

30.3.2016 – von Jonathan Newman.

Das Experiment

Jonathan Newman

Die amerikanische Fluggesellschaft JetBlue hat neulich ein Video eines gesellschaftlichen Experimentes veröffentlicht, das während eines Fluges mit 150 Passagieren durchgeführt wurde. Ein Sprecher von JetBlue kündigte über Bordfunk an, dass jeder Passagier einen kostenlosen Flug gewonnen habe, unter einer Bedingung: Die Passagiere müssten sich einstimmig auf das Reiseziel einigen.

Der Werbespot war gewissermaßen eine inszenierte Reportage über den heute herrschenden politischen Diskurs. Eine willkürlich ausgewählte Hälfte der Passagiere erhielt rote, die andere Hälfte erhielt blaue Fähnchen. Sie wurden dazu aufgefordert, durch Hochheben der Fähnchen Einigkeit bezüglich des Flugzieles zu erreichen. Das Video beginnt mit den Sätzen des JetBlue-Sprechers: „Es scheint so, als ob die Welt es in letzter Zeit nicht mehr schafft, Einigung zu erzielen. Die Menschen ziehen sich zurück. Sie beharren auf ihrer Position und lehnen Kompromisse ab.“ Während er das sagt, zeigt das Video Aufnahmen vom US-amerikanischen Kapitol, einer im Wind wehenden amerikanischen Flagge, einen auf ein Rednerpult einhämmernden Politiker, und von Widdern, die mit ihren Hörnern aufeinander losgehen.

Zunächst stimmten die Passagiere darüber ab, ob die Reise zu einem Ziel im In- oder Ausland führen solle. Anschließend schränkten sie in jeder Abstimmung ihre Wahl weiter ein. Während inspirierende Musik zu hören war, einigten sich die Passagiere auf ein Ziel:  Costa Rica.

Die Kernbotschaft des Werbespots lautet: Wenn wir nur alle zusammenarbeiten und einige Opfer bringen, dann können wir alle gewinnen. Für mich zeigt dieser Spot aber, wie mangelbehaftet demokratische Prozesse sind, insbesondere wenn es um kostenlose Dinge geht.

Das Problem

Um eines klarzustellen: Es ist absolut kein Problem darin zu sehen, dass JetBlue freiwillig Flugreisen verschenkt, um auf diese Weise mehr Kunden anzulocken. Und es ist auch kein Problem, dass sie ein „demokratisches Spiel“ daraus machen, damit Nutzer sozialer Medien ihr Video teilen und im Internet verbreiten.

Die Probleme liegen vielmehr darin, dass JetBlue dieses Beispiel nutzt, um zu zeigen, wie toll Demokratie ist, wenn die dickköpfigen Bürger unter uns nur einfach mit der Masse gehen würden. Obwohl jeder am Ende einen kostenlosen Rundflug gewann, hatten eine Handvoll Passagiere zu Beginn für einen Inland-Flug gestimmt. Am Anfang des Experimentes sahen wir, dass Menschen unterschiedliche Präferenzen haben. Sie mussten im weiteren Verlauf des Experimentes „mit der Masse gehen“, ansonsten hätten sie nichts erhalten und die anderen Passagiere um die Möglichkeit eines kostenlosen Fluges beraubt.

Erst am Ende des Experimentes, als sich diejenigen in der Minderheit nach der Mehrheit richten mussten, damit nicht alle leer ausgehen, waren sich die Passagiere in ihrer Präferenz einig. JetBlue hat viel geleistet, um die letzten Schritte in einem möglichst guten Licht darzustellen. Bürger-Passagiere haben produktiv debattiert, um Entscheidungen zu treffen. Es war aber offensichtlich, dass viele, angefangen von den Inlandflug-Wählern bis hin zu den Turks-und-Caicosinsel-Wählern, nur das Pech hatten, mit ihrer Meinung in der Minderheit zu sein.

Das Experiment zeigte aber auch eine andere kritische Schwachstelle demokratischer Prozesse: Die Wähler haben keinen Anreiz, Kosten zu minimieren. Die Passagiere stimmten über etwas ab, was von JetBlue geleistet wird. Die Analogie zur amerikanischen Demokratie verliert ab diesem Zeitpunkt an Gültigkeit, weil JetBlue dieses Geschenk freiwillig anbot und wahrscheinlich die Wahlmöglichkeiten der Reiseziele einschränkte. In der amerikanischen Demokratie werden die Dinge, über die die Öffentlichkeit abstimmt, unfreiwillig von anderen Mitgliedern der Öffentlichkeit bezahlt – und diese Gruppe der Nettosteuerzahler ist oft ihre eigene Minderheit.

Das vollständige Ignorieren der Kosten lässt sich schon beim ersten Schritt erkennen, als die Mehrheit für einen internationalen Flug statt eines günstigeren Inland-Fluges stimmte. Die Passagiere sind keinesfalls dafür verantwortlich; es handelt sich dabei um ein allgemeines Merkmal von demokratischen Prozessen. Wäre ich dort gewesen, hätte ich ebenfalls für einen internationalen Flug abgestimmt, weil ich gewusst hätte, dass JetBlue die Kosten trägt, und weil ich das Bestmögliche aus ihrer Großzügigkeit hätte herausschlagen wollen.

Die Lösung

Freie Märkte kennen dieses Problem nicht. Märkte ermöglichen es jedem, unabhängig von der Mehrheitsmeinung, Güter zu kaufen. Falls sich Ihre Meinung zu Musik, Filmen, Mode, Büchern, Lebensmitteln, oder irgendetwas anderes nicht mit der Meinung der Mehrheit deckt, können Sie friedlich davon abweichen, indem Sie einfach das kaufen, was Sie mögen, während die Mehrheit das kauft, was sie gerne mag. Demokratie bedeutet, dass sich jeder mit dem gleichen Ergebnis abfinden muss. Überraschenderweise führen manche Arten von Demokratie, wie die Mehrheitswahl in Amerika, selbst für die Mehrheit zu einem suboptimalen Ergebnis.

Im Markt ist das Güterangebot rationalisiert. Unternehmer, die die Kundennachfrage einschätzen müssen, werden automatisch dazu ermutigt, keine Ressourcen zu verwenden, die noch besser eingesetzt werden könnten. Tun sie das doch, dann schmälert das ihren Profit. Außerdem werden sie automatisch dazu ermutigt, etwas zu kreieren, das andere wertvoller finden als die Ressourcen, die im Produktionsprozess zum Einsatz kommen. Tun sie das nicht, erleiden sie Verluste.

Solche Mechanismen gibt es in demokratischen Prozessen nicht. Das führt dazu, dass demokratische Regierungen große Schuldenberge und schmerzliche Steuerbelastungen aufbauen.

Vielleicht könnte JetBlue eine weitere Geschenkaktion auf einem anderen Flug durchführen. Aber diesmal sollte jedes Individuum selbst über das Reiseziel entscheiden können. Oder die Passagiere könnten ein Wettbewerbsspiel spielen, bei dem die Gewinner über die Auswahl der Reiseziele entscheiden und im Anschluss die Passagiere ihre Gewinne miteinander tauschen können. Es gibt viele Arten und Weisen, eine Aktion zu gestalten, in der jeder Passagier sein eigenes Ziel bestimmen oder mit anderen Passagieren teilen kann, um die Mechanismen und Konsequenzen des freien Handels zu simulieren.

Ich verspreche Ihnen, wenn Sie die Passagiere des Demokratie-Fluges interviewen und ihre Erfahrungen mit den Passagieren im Kapitalismus-Flug vergleichen würden, würden mehr Passagiere ihr erst- oder zweitbestes Reiseziel im Kapitalismus-Flug erreichen. Nur freiwilliger Handel und die Entscheidungen von Individuen – keine Demokratie, in der alle mit einem universellen Ergebnis zufrieden sein müssen – kann derartiges erreichen.

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Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg. Der Originalbeitrag mit dem Titel The JetBlue Democracy Experiment ist am 1.3.2016 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Dieser Beitrag könnte Sie auch interessieren … ein Interview mit Andreas Tögel zu seinem Buch “Schluss mit Demokratie und Pöbelherrschaft! Über die Illusion der Mitbestimmung”.

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Jonathan Newman war in den Jahren 2013, 2014, and 2015 Summer Fellow am Mises Institute und unterrichtet Volkswirtschaft an der Auburn University.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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