Regierungen leben in ihrer eigenen Blase

20.6.2014 – Interview mit Michael Maier, Herausgeber der Deutschen Wirtschafts Nachrichten, zu seinem Buch “Die Plünderung der Welt”.

Michael Maier

Herr Maier, Ihr Buch trägt den Untertitel “Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen”. Konkretisieren Sie bitte für uns, wer für Sie zur Finanzelite gehört…

Die Finanzeliten sind viel breiter als nur die Akteure der Finanzindustrie. Von der von mir kritisierten Politik des billigen Geldes profitieren Politiker, Banker, Anwalts-Kanzleien, Zentralbanker, die großen Finanz-Institutionen IWF und Weltbank, Konzern-Manager, internationale Beratungs-Unternehmen, Parteien und parteinahe Organisationen, Lobbyvereine, Börsen-Spekulanten, Ratingagenturen. Es ist ein ganzes Geflecht von Playern, das um das Zwangs-Monopol des Staates zur Geldschöpfung entstanden ist. Mitwirkende in diesem Netz profitieren davon, dass Blasen entstehen und platzen. Diese Player leben von dem, was andere verlieren. Und sie wissen es, und legen es darauf an.

Regierung sind Ihrer Einschätzung nach unersättlich, gleich um welche Partei es sich handelt…

Regierungen leben in ihrer eigenen Blase. Die meisten Politiker gehen heute keiner geregelten, produktiven Arbeit nach. Neulich sprach ich mit einem Mitglied des Bundeskabinetts. Ich wies ihn darauf hin, dass er in einem bestimmten Bereich seiner Behörde einen Quanten-Sprung erreichen könnte, wenn er die Digitalisierung vorantreibe. Er antwortete spontan: Da bräuchte ich noch ein paar Millionen zusätzlich. Regierungen denken nicht innovativ oder gar in Effizienz-Kriterien: Das ist, laut Mises, auch nicht ihre Aufgabe. Doch statt sich zu beschränken, drucken alle Parteien Geld und geben es mit vollen Händen aus – um bei der nächsten Wahl wieder einen Job zu bekommen. Das ist ein Teufelskreis.

Sie zeigen sich überzeugt, dass die Sparer verpflichtet werden, für die Exzesse der Regierungen zu bezahlen. Worauf müssen Sparer sich einstellen?

Wir erleben doch heute schon die massive finanzielle Repression: Es wird an allen Ecken und Enden manipuliert. Mit normalem Hausverstand können Sie heute kaum noch vernünftig investieren. Das gilt für Immobilien, Rohstoffe, Gold und sogar für das mündelsichere Sparbuch. Wenn die Manipulationen auffliegen, werden die Märkte einbrechen – und nur die Insider werden sich schon vorher verabschiedet haben. Ich gehe von weiteren, massiven Steuern aus, die unter dem Titel „Reichensteuer“ eingeführt werden, faktisch aber den Mittelstand treffen. Und schließlich rechne ich mit einer saftigen Vermögensabgabe – die auf alle Vermögen kommen wird, die die Steuerbehörden zuordnen können. Schuldenkrisen wurden in der Geschichte immer so gelöst. Warum sollte das diesmal anders sein?

Sie erkennen dabei “autoritäre Tendenzen”. Woran machen Sie das fest?

Zum einen werden die Bürger mittlerweile ziemlich lückenlos überwacht. Die G 20 haben den weltweiten Austausch von Steuerdaten beschlossen. Gleichzeitig läuft eine Kampagne mit dem obszönen Titel „Steuersünder“ – als wäre der Staat Gott und die Bürger diesem Gott für Willkür und Selbstsucht ausgeliefert. Ich sehe ein Klima der schleichenden Umkehr der Beweislast. Nicht mehr die staatlichen Organe sind dem Bürger verantwortlich, sondern der Bürger soll in einem ständigen Gefühl des schlechten Gewissens leben. Er soll sich fragen: Vielleicht habe ich doch etwas falsch gemacht, auch wenn ich es gar nicht weiß? Genau dieses negative Lebensgefühl kenne ich von Dissidenten aus der ehemaligen Tschechoslowakei, Polen und Ungarn. Und das waren totalitäre Staaten.

Sie sprechen nicht nur das Geld-, sondern auch das Gewaltmonopol des Staates an. Wohin führt eine Kombination aus beidem?

Das aktuelle Problem ist die Internationalisierung dieses Gewalt-Systems. Die Bürger können nichts mehr kontrollieren. Wenn Sie Ihren Bundestagsabgeordneten wegen der Repression kritisieren, wird er Ihnen sagen: Sorry, ich kann da nichts dafür, 80 Prozent der Gesetze, die ich abnicke, werden in Brüssel beschlossen. Ein EU-Kommissar wird Ihnen sagen, dass die Staats- und Regierungschefs das so wollten. Die Regierungschefs werden sagen, dass sie lediglich einer Empfehlung des IWF und der EZB folgen. Die EZB wird ihnen sagen, dass das Problem beim ESM liegt. Und alle – von ESM bis zur einfachen Abgeordneten – sind immun und können letztlich nicht für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden. Kafka hätte es nicht besser erfinden können.

Es fällt Ihnen schwer zu glauben, dass Zentralbanken etwas anderes können als Gelddrucken. Was soll mit den Zentralbanken geschehen? Abschaffen?

In einer idealen Welt könnte es Zentralbanken geben, etwa als öffentliche Banken, wie Ellen Brown das vorschlägt. Aber die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Zentralbanken niemals aus den Klauen der Politik gelöst werden können – und schon gar nicht in Krisen-Zeiten. In Griechenland wird einer der engsten Vertrauten des Regierungschefs, der langjährige Finanzminister Stournaras, neuer Chef der Zentralbank. Glaubt jemand ernsthaft, dass dieser Partei-Politiker in der EZB die Geldwertstabilität als oberste Priorität sehen wird?

Was halten Sie davon, das Geldsystem vollständig zu privatisieren?

Das wäre im Prinzip der richtige Weg. Es gibt ja auch Tendenzen in diese Richtung, etwa bei der Bitcoin und anderen Innovationen im Internet. Es fällt mir jedoch schwer, den US-Konzernen Google und Facebook stärker zu vertrauen als den Banken. Im Internet haben wir, wie bei Bitcoin gesehen, das Problem von Haftung und Verantwortung noch nicht gelöst. Im Prinzip bin ich ein Fan des Free Banking: Jede Bank kann Geld drucken, wie sie möchte – und jeder Banker haftet mit seinem Privatvermögen. Das ist die einzige Chance, die Schurken vom System fernzuhalten.

Vielen Dank, Herr Maier.

Das Interview wurde im Juni 2014 per e-mail geführt. Die Fragen stellte Andreas Marquart.

Fotos: Laurence Chaperon

Weitere Informationen zum Buch “Plünderung der Welt” und eine Bestellmöglichkeit finden Sie hier.

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Michael Maier ist Herausgeber der Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Nach seinem Jurastudium in Graz war er Wirtschaftsleiter des Afro-Asiatischen Instituts in Graz, danach Chefredakteur der Presse (Wien) und Kolumnist beim Standard (Wien) sowie Chefredaktuer der Berliner Zeitung, des Stern und der Netzzeitung. Er war Fellow am Shorenstein Center der Harvard Kennedy School for Government (Forschungsthema: Umweltschutz und Bürgerjournalismus) sowie Gast am Koebner Institut für Neue Deutsche Geschichte der Hebräischen Universität Jerusalem ( Professor Moshe Zimmermann), wo er über Antisemitismus in der DDR forschte.

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