Facebooks Fake-Geld

10. Juli 2019 – Was die Libra kann und was nicht

von Thorsten Polleit

Thorsten PolleitFacebook will seinen Kunden ab dem Jahr 2020 eine globale High-Tech-Währung samt Infrastruktur anbieten. Vielen Menschen auf diesem Erdball soll damit ein einfacher und kostengünstiger Zugang zum Geld- und Finanzsystem eröffnet werden, sagt der US-IT-Gigant. Das neue Blockchain-basierte Geld heißt „Libra“. Technisch gesehen handelt es sich um so etwas wie eine Krypto-Geld-Banknote, die durch einen Korb von offiziellen Fiat-Geldern (wie US-Dollar, Euro und Co) gedeckt ist. Herzstück des Libra-Projekts ist die „Libra Association“ (LA). Der regierungsunabhängige Verein mit Sitz in Genf, Schweiz, wird von Gründungsmitgliedern wie Ebay, Facebook, Mastercard, Paypal, Spotify, Uber, Visa und weiteren renommierten Firmen getragen und wird die Operation und Weiterentwicklung von Libra verantworten.

Libra werden geschaffen, indem Menschen US-Dollar oder Euro bei der LA einzahlen, und die LA räumt den Einzahlern daraufhin einen entsprechenden Libra-Betrag in einer digitalen Brieftasche („Wallet“) ein, der sodann für Zahlungszwecke per Internet, Smartphone, Kreditkarte oder per Whatsapp und Messenger, also Facebooks Chatdiensten, verwendet werden kann. Die Erfolgschancen scheinen gut für die Libra zu stehen: Elektronisches Zahlen ist ein Mega-Trend. Und wenn sich das auch noch über Social Media bewerkstelligen lässt, umso cooler, denken sicherlich viele Kunden. Die traditionellen Banken haben allerdings nun Grund zur Sorge: Die Libra wird den Wettbewerbsdruck erhöhen. Denn sie angelt die Zahlungsumsätze aus den Bankkonten heraus zugunsten des Libra-Vereins. Nicht die Banken, sondern der Libra-Verein kassiert fortan die Gebühren und erhält die Informationen, wer was wann und wohin bezahlt.

Die Banken werden aber erst recht in die Röhre schauen, wenn die Kunden beginnen, die Libra auch für
Sparzwecke zu nutzen. Denn dann verlieren sie auch noch die Termin- und Spareinlagen, mit denen sie ihre Geschäfte billig refinanzieren können. Oder man denke an das Kreditgeschäft: Der Libra-Verein stellt seinen Kunden vielleicht bald auch kurzfristige Konsumentenkredite bereit nach dem Motto „Konsumiere schon heute und zahle erst in drei Monaten“. Dass die Banken gehörig unter Wettbewerbsdruck geraten, ist gut: Konkurrenz belebt das Geschäft und bringt Verbesserung. Die Bankenbranche wird allerdings große Schwierigkeiten haben, den Neuerungen im Fin-Tech-Bereich Paroli bieten zu können. Nicht zuletzt, weil die staatliche Regulierung ihnen über Jahrzehnte hinweg unliebsame Konkurrenz von außen vom Hals gehalten und so ihre Innovationskraft geschwächt hat.

Ist aber Libra solides, gutes Geld, das seine Kaufkraft bewahrt? Hier sind ernste Zweifel anzumelden: Die Verlässlichkeit der Libra steht und fällt mit der Qualität der unterliegenden ungedeckten Papierwährungen. Die Libra wird in dem Maße inflationäres Geld sein, wie US-Dollar, Euro und Co von den Zentralbanken inflationiert werden, sie wird ihre Kaufkraft im Gleichschritt mit den offiziellen Papierwährungen verlieren. Und dass die Geldbehörden dies- und jenseits des Atlantiks mit ihrer extremen Null- und Negativzinspolitik sowie ihrer chronischen Geldmengenvermehrung weitermachen, ist doch sehr wahrscheinlich. Im Extremfall, sollten die offiziellen Währungen untergehen, wäre auch die Libra perdu. Das Facebook-Geld ist also keine echte Alternative zu den offiziellen Fiat-Geldern, bestenfalls eine einfachere Art, sie zu verwenden.

Die Idee der Libra-Erfinder ist es, die eingezahlten Fiat-Geldbeträge als „Reserve“ vorzuhalten: Man will sicherstellen, dass der Rückumtausch von Libra in nationales Fiat-Geld jederzeit möglich ist, und dazu will man die eingezahlten Fiat-Gelder als Guthaben bei Banken halten oder für den Kauf von verzinslichen Wertpapieren verwenden. Heraus kommt eine Art „Teilreserve“: Die Reserve wird nicht zu 100 Prozent in Fiat-Geld gehalten, sondern eben auch in Schuldpapieren. Letztere müssen bei Bedarf am Markt gegen Fiat-Geld verkauft werden. Die Lira ist daher nicht nur inflationär wie das Fiat-Geld, sie trägt auch ein Zahlungsausfallrisiko – was dann schlagend wird, wenn der LA-Verein fehldisponiert oder die Kreditmarktlage verhindert, dass die Umtauschwünsche der Libra-Besitzer in das gewünschte Fiat-Geld vollumfänglich erfüllt werden können.

Mit der Anlage der Reserve erhoffen sich Facebook und Co natürlich, Zinserträge zu erzielen. Doch das dürfte schwer werden. Die Zentralbanken haben ja die Zinsen auf extrem niedrige Niveaus geschleust, und eine Abkehr von dieser Geldpolitik ist nicht erkennbar. Spätestens dann, wenn die Geldbehörden die Bankguthaben mit einem Negativzins belegen, wird das auch die Libra-Kunden treffen. Denn wenn der LA-Verein für die Reservehaltung zur Kasse gebeten wird, dann natürlich auch die Libra-Besitzer: Wer Libra hält, wird dafür zahlen müssen. Wer also meint, mit der Libra eröffne sich vielleicht doch ein Weg, den schlechten Fiat-Geldern zu entkommen, der irrt. Kurzum: Die Libra ist ein Fiat-Geld-Klon oder, wenn man es zeitgemäßer ausdrücken möchte: Die Libra ist wie das Fiat-Geld ein Fake-Geld.

Das Libra-Projekt trägt leider nicht die Handschrift des Bestrebens, den Menschen auf dieser Welt besseres Geld bereitstellen zu wollen. Dass dabei die Libra-Konten und -Zahlungen mittels einer privaten („permissioned“) Blockchain abgebildet werden sollen, ändert daran nichts. Es ist nur ein – durchaus legitimer unternehmerischer – Versuch, im globalen Markt für Zahlungsdienste (und später folgend vielleicht auch im Markt für Kredite) mitverdienen zu wollen; und dabei natürlich so vieler Daten wie möglich habhaft zu werden. Wenn aber Facebook und Co der Welt ein besseres, ein gutes Geld hätten anbieten wollen, hätten sie das Naheliegende tun müssen: eine 100 Prozent goldgedeckte Libra anbieten. Aber wer weiß: Vielleicht wird das ja der nächste Schritt sein, initiiert von Facebook, Amazon oder irgendeinem anderen Unternehmen.

Thorsten Polleit, Jahrgang 1967, ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa. Er ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME) und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Gründungspartner und volkswirtschaftlicher Berater eines Alternative Investment Funds (AIF). Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: © Bunpoht – Fotolia.com

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