Die üblen Folgen von Staatseingriffen in die Wirtschaft

26. Oktober 2018 – von Andreas Tögel

Andreas Tögel

Schenkt man den Aussagen linker Politiker und Intellektueller Glauben, ist der Kapitalismus – bald 30 Jahre nach der sowjetischen Planwirtschaft – gleichfalls am Ende. Krisen, wohin das Auge blickt, dazu Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Ausgrenzung Unterprivilegierter. Die Behauptung, der entfesselte Neoliberalismus, unregulierte Finanzmärkte und ein eiskalter Turbokapitalismus habe die Welt 2007/2008 in die größte Wirtschaftskrise seit 1929 gestürzt, wird von allen staatlich subventionierten Mainstreammedien bei jeder sich bietenden Gelegenheit unhinterfragt wiederholt. Politiker, von Steuergeld lebende Intellektuelle und allerlei andere vom Schweiß produktiv arbeitender Menschen lebende Zeitgenossen, haben es verstanden, ein System, das jede unternehmerische Initiative zu Tode reguliert, Faulheit belohnt, Leistung bestraft, und das seinen Bürgern darüber hinaus Steuern auf einem bisher noch nie dagewesenen Rekordniveau abpresst, als Kapitalismus zu etikettieren. Das ist – so sehr es auch von der Wahrheit entfernt ist – keine geringe Leistung.

An dieser Stelle seien die entweder jeglichen Sachverstands entbehrenden, oder schlicht infamen Anklagen linker Etatisten gegen den freien Markt einer kritischen Würdigung unterzogen. Wahr ist: wir stehen mitten in einer Krise, deren Dauer und Ausgang kein seriöser Kommentator vorhersagen kann und die vom politisch-geldindustriellen Komplex seit vielen Jahren mittels der Produktion aberwitziger Geld- und damit Schuldenberge notdürftig eingedämmt wird. Das Spiel gleicht einem Hochseilakt, der in immer größerer Höhe mit einem immer kleineren Sicherheitsnetz vollführt wird. Strukturell hat sich nämlich seit den 2007/2008 in den USA offenbar gewordenen wirtschaftlichen Verzerrungen weltweit nichts geändert. Einige Parameter geben vielmehr zur Befürchtung Anlass, dass die ab 1929 über die Welt hereingebrochene Depression gegenüber dem, was uns in den kommenden Jahren ins Haus stehen könnte, vergleichsweise ein Picknick gewesen sein wird.

Die von den Apologeten einer staatsgelenkten Planwirtschaft, also der politischen Kaste und den von dieser abhängigen Intellektuellen und „Wirtschaftsexperten“, mit schöner Regelmäßigkeit erhobene Behauptung, der Mangel an Koordination, ein gnadenloser, geradezu zerstörerischer Wettbewerb und das Fehlen vollständiger Information über den Markt, wäre ein dem Kapitalismus immanenter Krisengarant, ermangelt jeden Belegs. Dass es eine für die Marktwirtschaft systembedingte Schwäche sei, „zyklische Krisen“ zu produzieren, wird ebenso stereotyp, wie gleichfalls ohne jeden Beleg wiederholt.

Selbstverständlich ist es in jedem freien Markt unvermeidlich, dass immer wieder unternehmerische Fehlentscheidungen getroffen werden, die im Extremfall zu Firmenpleiten führen. Das liegt daran, dass nicht alle Unternehmer und/oder Manager, die allgemeine Nachfrageentwicklung – den künftigen Bedarf der Konsumenten – richtig einschätzen und daher fehlerhafte Produktions- oder Investitionsentscheidungen treffen, die zu Verlusten oder sogar zum Untergang des Betriebes führen können. Strategisch nachteilige, vielleicht sogar fatale unternehmerische Entscheidungen zu treffen, hat indes weder mit der Unfähigkeit der handelnden Personen oder kriminellen Machenschaften, noch mit einer inhärenten Schwäche des kapitalistischen Systems zu tun, sondern liegt in der Natur der Sache: Im Zustand der Ungewissheit Entscheidungen zu treffen und zu handeln, birgt unvermeidliche Risiken.

Der US-amerikanische Ökonom Murray N. Rothbard (1926-1995) formulierte es so:

„No Businessman in the real world is equipped with perfect foresight; all make errors.“

Das trifft allerdings in noch weit größerem Ausmaß auch auf die hohe Politik und die in deren Dunstkreis lebenden Symbionten, die Intellektuellen und „Experten” zu, die, frei von jedem persönlichen Risiko und ohne jegliche rechtliche Verantwortung und Haftung, die Menschheit mit ihren konstruktivistischen Weltverbesserungsprogrammen beglücken.

Politiker, Intellektuelle und Bürokraten, kurz: Gesellschaftsklempner aller Art, maßen sich an, von der Zahl der zu errichtenden Wohnungen, bis zur Höhe der Gehälter in allen Branchen, alle wirtschaftsrelevanten Faktoren planen und verordnen zu können. Dass es dennoch immer wieder ausgerechnet Musterbetriebe der sowjetisch inspirierten Staatswirtschaft à la DDSG, AUA; Voest-Alpine, Noricum, ÖBB und Post sind, die entweder durch spektakuläre Pleiten auffallen, oder unausgesetzt mit leuchtend roten Bilanzzahlen aufwarten, wird gerne ausgeblendet. Dass staatliche Wirtschaftsakteure so häufig Mist bauen, ist indes kein Zufall.

Machen Privatunternehmer Fehler, bezahlen sie selbst dafür – mit dem Verlust ihres Vermögens, ihres Prestiges, vielleicht sogar mit dem Verlust ihrer Freiheit. Machen dagegen das „Politbüro“, das sich anmaßt, die gesamte Wirtschaft kommandieren zu können und die von ihm eingesetzten Betriebsführer Fehler, bezahlen allen anderen dafür. Ein entscheidender Unterschied! Dazu kommt, dass von Missgriffen privater Unternehmer immer nur verhältnismäßig wenige Menschen betroffen sind. Unter Irrtümern von Zentralplanern dagegen, leiden alle gleichermaßen. Die Bedeutung dezentraler Strukturen liegt eben nicht zuletzt in ihrer machtlimitierenden Wirkung. Begrenzt wird dadurch auch die Macht, Unheil zu stiften.

Zurück zu den angeblich vom Kapitalismus verursachten zyklischen Krisen: Für kein Unternehmen existiert eine Erfolgs- oder Bestandsgarantie, da auf eine ungewisse Zukunft gerichtete, betriebliche Entscheidungen eben falsch sein können. Es ist daher unvermeidlich, dass immer wieder Betriebe untergehen, andere dafür neu entstehen. Die einzige stabile Konstante im Bereich der Wirtschaft ist die Veränderung. Nun aber zur entscheidenden, die Zyklizität von Krisen betreffende Frage: Warum sollten – gleichzeitig – serienweise Betriebe in Schwierigkeiten geraten, und sich zur selben Zeit anderen Unternehmen dennoch keine neuen Chancen bieten? Was löst Wellenbewegungen dieser Art aus? Keine der Hauptstromtheorien der Wirtschaftswissenschaften bietet eine plausible Erklärung für dieses Phänomen.

Dass über viele Jahre hindurch bedacht handelnde, die künftigen Konsumentenerwartungen korrekt antizipierende und daher erfolgreiche Unternehmer – zur selben Zeit – allesamt vergleichbare Fehler begehen, die sie in eine existenzielle Notlage bringen, ist nur dann plausibel zu erklären, wenn es einen für alle relevanten Anlass zum kollektiven Fehlverhalten gibt. Der bereits weiter oben zitierte M. Rothbard, ein Protagonist der „Österreichischen Schule der Ökonomik“, sprach vom „Sudden general cluster of business errors“. Der gegenwärtig an der Universität von Angers in Frankreich Volkswirtschaft lehrende Jörg Guido Hülsmann, ebenfalls ein „Austrian“, nennt „Error Cycles“ als Grund dafür. Der dafür entscheidende Aspekt ist offensichtlich die Manipulation des Zinses durch das staatlich beherrschte Geldsystem.

Der Zins ist, anders als nicht wenige Kleriker und so gut wie alle Linken meinen, weder eine Ausgeburt der Hölle, noch von der im Kapitalismus angeblich herrschenden Gier bestimmt, sondern dem Umstand geschuldet, dass der Mensch die Möglichkeit zur augenblicklichen Verfügung über ein Gut, der zukünftigen vorzieht. Anders ausgedrückt: heutiger Konsum gilt ihm mehr als künftiger Konsum. Dieses Phänomen hört auf den Namen „Zeitpräferenz“. Je höher sie ist, desto mehr ist man bereit, für den augenblicklichen Konsum zu bezahlen. Anders formuliert: ein umso höheres Entgelt wird für den momentanen Konsumverzicht gefordert. Konkreten Niederschlag findet die Zeitpräferenz in der Höhe eines Zuschlags zum Preis – im Zins. Dass es sich beim Zins um ein Naturphänomen handelt, lässt sich im praktischen Versuch leicht nachweisen: Einem kleinen Kind, das von ökonomischen Gesetzen nicht die geringste Ahnung hat, wird ein Stück Schokolade angeboten, das es sofort konsumieren darf. In aller Regel wird es das auch tun. Stellt man ihm allerdings für den Fall des momentanen Konsumverzichts ein weiteres Stück in Aussicht, wird es geneigt sein, seinen Appetit für den Augenblick zu zügeln. Je mehr weitere Schokoladestücke man dem Kind offerieren muss, um es zum Warten zu bewegen, desto höher ist seine Zeitpräferenz. Ohne zusätzliche Angebote wird es kaum möglich sein, es zum Konsumverzicht zu bewegen.

Der Zins ist also ein natürliches Phänomen, das in einer freien Wirtschaft von den kumulierten Zeitpräferenzen der Konsumenten bestimmt wird. Seine auf dem Markt gebildete Höhe bildet ein entscheidendes Signal für die Investitionsplanung der Unternehmer. Niedrige Zeitpräferenzen der Konsumenten – und damit geringe Konsumneigungen – führen zu hohen Sparquoten und haben niedrige Zinsen zur Folge. Das Signal an die Unternehmern lautet: die Konsumenten verfügen über große Ersparnisse und sind bereit, ihre Konsumwünsche erst später zu realisieren. Dies wiederum bedingt eine Konzentration unternehmerischer Investitionen in Güter höherer Ordnung. Das sind solche, die nicht dem augenblicklichen Konsum dienen, sondern etwa Fabriken und Anlagen, die nach längerer Vorlaufzeit den Konsum von durch ihren Einsatz erstellten Gütern in der Zukunft möglich machen werden. Dem Konsumenten können erst nach dem Bau entsprechender Werke, der Entwicklung neuer Produkte, etc. Güter angeboten und verkauft werden.

Anders ausgedrückt: es kommt zu einer Verlagerung der Investitionen von der Konsum- zur Kapitalgüterindustrie. Die in Hochkonjunkturphasen zu beobachtende, deutlich steigende Bewertung der Aktien entsprechender Industriebetriebe gegenüber jenen in der Konsumgüterindustrie, oder die allgemeine Steigerung von Grundstückspreisen, sind typische Symptome dieser Entwicklung.

Das alles wäre unbedenklich, wenn die Konjunktur durch real gebildete Ersparnisse angetrieben wäre, und damit tatsächlich die Konsumentenpräferenzen abbilden würde. Dann nämlich hätten die Unternehmer richtig gehandelt, die künftig angebotenen Güter träfen auf kaufkräftige Nachfrage, und alles wäre in Butter! Ist der niedrige Zins aber nicht die Folge real gebildeter Ersparnisse, sondern von Zentralbanken diktiert und auf aus dünner Luft geschaffenes Geld und Kredite gegründet – und exakt das ist spätestens seit 1971 der Fall, dem Jahr, in dem der letzte Rest einer Goldbindung der Papiergeldwährungen entsorgt wurde -, verhalten sich Unternehmer immer wieder auf breiter Front fehlerhaft, weil sie Produktions- und Investitionsentscheidungen auf Grund unrealistischer Voraussetzung treffen.

Die Investitionen in Güter höherer Ordnung gehen dann vielfach verloren, weil die nach Fertigstellung der Fabriken produzierten Güter auf keine kaufkräftige Nachfrage treffen. Die Ersparnisse zum Kauf dieser Güter wurden ja schließlich niemals gebildet. Überkapazitäten in Industriezweigen (oder Gewerbeimmobilien), die unmittelbar keiner alternativen Verwendung zugeführt werden können, sind die unvermeidliche Folge. Beispiele: Unfertige Industrieruinen und nicht abgeschlossene Bauprojekte. Das bedeutet faktisch eine Vernichtung von Werten. Im Klartext: Nach Abschluss eines Konjunktur-Rezessions-Zyklus, der stets mit einer künstlich entfachten Konjunktur beginnt und mit einer die gebildeten Verzerrungen korrigierenden Rezession endet, befindet sich das Wohlstandsniveau einer Volkswirtschaft – dank des Verlustes der provozierten Fehlinvestitionen – auf einem niedrigeren Niveau, als wenn dieser Kreislauf nie in Gang gesetzt worden wäre.

Die in der Hauptsache von Ludwig von Mises (1881-1973) vor rund 100 Jahren entwickelte „Konjunkturzyklustheorie“, die der Bedeutung eines vom monopolistischen Geldproduzenten manipulierten Zinses höchste Bedeutung zumisst, ist bis heute nicht widerlegt. Politisch motivierte Interventionen in die Wirtschaft – namentlich Zinsmanipulationen -, führen zu Verzerrungen, die Fehlallokationen nach sich ziehen.

Während der bis heute wirkungsmächtige Brite John Maynard Keynes (1883-1946) in seiner „General Theory“ die „Unterkomsumption“ als Krisenursache identifiziert, der mit Staatseingriffen begegnet werden soll, läuft die Theorie der Österreichischen Schule auf die Kritik staatlichen Interventionismus´ hinaus, der Fehlinvestitionen und damit Wohlstandsverluste zur Folge hat. Letztere wurde, so wenig sich an ihrer Plausibilität zweifeln lässt, schlicht vergessen, oder zumindest niemals nachhaltig umgesetzt. Das mag – angesichts der Tatsache, daß nur sie jene Mechanismen zu erklären vermag, denen wir die anhaltende Wirtschafts- und Schuldenkrise verdanken – erstaunen. Betrachtet man die Sache allerdings aus dem Blickwinkel von Politikern, Intellektuellen und „Wirtschaftsexperten“, schwindet das Erstaunen schlagartig. Denn dass jede zentralplanerische, sozialistische Utopie, wie der (Neo-)Keynesianismus, ihre Macht weiter steigert, macht sie für die an den Schalthebeln sitzenden Obertanen so attraktiv. Warum sollten sie stattdessen Gefallen an der Theorie der „Österreichischen Schule“ finden, die sie ihrer Macht und der Möglichkeit beraubt, Gott zu spielen und sich selbst auf Kosten arbeitender Menschen zu bereichern?

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Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im Magazin „Frank & Frei“, Ausgabe 07/2018.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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