Die Gefahren des Wohlfahrtsstaates

9.11.2015 – von Andreas Tögel.

Andreas Tögel

Es sind dramatische Bilder, die uns seit Monaten ins Haus geliefert werden. Hunderttausende, ja Millionen von Menschen haben sich, wie auf ein verabredetes Zeichen hin, in Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten auf den Weg gemacht, um Europa zu stürmen. Der Weg der Migranten zum angestrebten Ziel, der Segnungen der Wohlfahrtsstaaten der Alten Welt – gegenleistungsfrei – teilhaftig zu werden, ist indes nicht gefahrlos zu bewältigen. Immer wieder passiert es, dass illegal Einreisende umkommen – etwa wenn ein verrosteter Seelenverkäufer bei der Fahrt übers Mittelmeer kentert oder wenn ein klappriger Kleintransporter auf der Fahrt verunglückt.

Die Dokumentation des bei derlei Ereignissen entstehenden Leides geht ans Herz. Der Anblick der Leiche eines ertrunkenen Dreijährigen lässt schließlich niemanden kalt. Ob die Unglücksopfer tatsächlich Flüchtlinge sind oder nicht, spielt keine Rolle. Nur auf die Reaktion der Öffentlichkeit kommt es an. Und die ist kalkulierbar. Denn Mitleid ist ein menschlicher Reflex, der sich von kundiger Hand in klingende Münze umsetzen lässt.

Darum wissen die Verantwortlichen der Asylindustrie Bescheid, die den Voyeurismus des Publikums nutzen, um mit der Kolportage tragischer Ereignisse ein Maximum an Betroffenheit, politischer Unterstützung, vor allem aber Spendenaufkommen, zu generieren. Mit der möglicherweise geschäftsschädigenden Wahrheit, nehmen es die Damen und Herren Asylindustriellen nicht so genau: Da mutiert ein seit Jahren auf sicherem Terrain lebender Mann, auf dem Weg zur erhofften Gratiszahnsanierung in Wohlfahrtshausen, schon einmal zum „Flüchtling“.

Die profitable Bewirtschaftung von Elend, Leid und Schrecken, ist ein höchst erfolgreiches Geschäftsmodell. Denn Hunderttausende arglose Spender wollen ihre Großherzigkeit gewürdigt wissen und die Politschranzen, Bürokraten, Lohnschreiber und Mitarbeiter der Elendsbewirtschaftungsindustrie bezahlt werden. Wer nicht ins Bild des bedauernswerten Verfolgten passt, wird von der veröffentlichten Meinung passend gemacht.

Dass Völkerwanderungen Probleme und Gefahren für die bereits Ansässigen mit sich bringen – nicht selten sogar den Untergang von Völkern und Kulturen bedeuten – interessiert nicht. Oder aber, eine offensichtlich dräuende Bedrohung, wird verdrängt. Man fühlt sich an Max Frischs Drama „Biedermann und die Brandstifter“ erinnert: Es reicht nicht, dabei zuzusehen, wie Wildfremde dem Hausbesitzer Benzinfässer auf den Dachboden rollen. Nein, am Ende liefert das verblendete Opfer auch noch die Streichhölzer, damit das Zerstörungswerk vollendet werden kann.

Lockruf des Wohlfahrtsstaates

Es liegt auf der Hand, welche Wirkung die Einladung der deutschen Kanzlerin und die Bilder von auf deutschen Bahnhöfen bejubelten Zügen voller eben angekommener „Flüchtlinge“ auf jene Menschen in Afrika und Arabien ausüben müssen, die mit dem Gedanken an eine Auswanderung spielen.

Die aktuelle Entwicklung zu Ende gedacht: Sollen 100 Millionen Menschen (die Bürger Deutschlands, Österreichs und Schwedens, die bislang rund 90 Prozent der Immigranten aufnehmen), demnächst 500 Millionen potentieller Einwanderer aus Afrika und Asien willkommen heißen und auf unabsehbare Zeit durchfüttern?

Der Kardinalfehler der politischen Klasse war und ist es, nie über die Grenzen der Belastbarkeit des europäischen Gemeinwesens nachgedacht, klare Regeln aufgestellt und darauf basierende Höchstgrenzen des Fremdenzuzugs festgelegt zu haben.

Dass die dem Lockruf des Wohlfahrtsstaates gefolgten Immigranten (freiwillig) je wieder heimkehren werden, ist unwahrscheinlich. Denn sie sind gekommen, um zu bleiben. Wer erst einmal im von anderen finanzierten Wohlfahrtsparadies angekommen ist, verspürt keine Lust mehr, dorthin zurückzukehren, wo man für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten und für Gesundheitsdienstleistungen zu bezahlen hat.

Traum und Wirklichkeit

Wie im Krieg, so bleibt auch bei der Flüchtlinge-willkommen-Medienkampagne die Wahrheit zuerst auf der Strecke. Begriffsumdeutungen und Tatsachenverdrehungen sind erprobte Mittel zur Meinungsmanipulation: Zwischen Flüchtlingen und Asylsuchenden einerseits und Wirtschaftsmigranten andererseits wird daher von interessierten Kreisen nicht unterschieden.

Flüchtling ist, wie der Begriff nahelegt, wer im Begriff steht, sich einer unmittelbaren Bedrohung zu entziehen. Das aber ist bei den heute in Mitteleuropa anbrandenden Menschenmassen keineswegs der Fall! Jeder in Deutschland, Österreich oder Skandinavien um Asyl ansuchende Mensch hat zuvor absolut sicheres Terrain überquert. Auf Tausenden zuvor zurückgelegten Meilen hat niemand auf ihn geschossen. Sobald ein Syrer oder ein Iraker seinen Fuß auf türkischen oder ein Afrikaner den seinen auf italienischen Boden setzt, ist er in Sicherheit. Ab diesem Moment treiben ihn also nur noch wirtschaftliche Interessen weiter. Daraus folgt: Keiner der an den Grenzen Österreichs, Deutschlands oder Skandinaviens ankommender Migrant ist ein Flüchtling! Der Wunsch des Migranten, die Wohltaten der von Deutschen und Schweden finanzierten Wohlfahrtsstaaten zu genießen, steht deren mehr als berechtigten Erwartungen entgegen, die Früchte ihrer Arbeit ungestört selbst genießen zu können.

Da ein „Asyl á la Carte“ in keiner UN-Charta vorgesehen ist, steht daher keinem Flüchtling ein Recht darauf zu, sich nach persönlichem Geschmack ein möglichst komfortables Ziel auszusuchen.

Wer es über die Grenzen der gelobten Länder schafft, wird indes, dank vollmundiger Einladungen durch mutmaßlich verwirrte Politiker und unbedachte Sozialromantiker, von der vollen Wucht der nord- und mitteleuropäischen Willkommenskultur getroffen. Die Begeisterung der dort lebenden Eingeborenen für die Zuwanderer verhält sich in der Mehrzahl der Fälle umgekehrt proportional zu deren Nettosteuerleistung. Eine Tatsache, die von den Hauptstrommedien totgeschwiegen wird. Der typische Refugees-welcome-Aktivist ist Student, NGO-Mitarbeiter, Bürokrat, Rentner oder selbst ein alimentierter Immigrant. Jedenfalls kein sein Geld unter Marktbedingungen verdienender Handwerker, Freiberufler oder Unternehmer. Wer für sein Geld ernsthaft zu arbeiten hat, verstreut es mit deutlich weniger Begeisterung gegenleistungsfrei unter die Leute als Systemlinge und Benefiziare des Wohlfahrtsstaates.

Osteuropäer sind nicht zufällig zurückhaltender als Deutsche, Schweden und Österreicher, wenn es darum geht, jedermann willkommen zu heißen. Ist es doch noch nicht allzu lange her, dass man dort die eigenen Unterdrückungsapparate abgeschüttelt und sich wirtschaftlich hochgearbeitet hat. Man hat dort noch recht genaue Erinnerungen an Mangel und die Entbehrungen, die man mit eigener Anstrengung überwunden hat. In den Staaten des ehemaligen Ostblocks hat man daher wenig Verständnis für Menschen (meist kräftige junge Männer), die vor Missständen in ihren Heimatländern davonlaufen und ihre angeblich oder tatsächlich bedrohten Angehörigen daheim im Stich lassen.

Die Verteilung fremden Eigentums

Die Probleme der laufenden Massenimmigration wurzeln samt und sonders im Wohlfahrtsstaat. Die „Flüchtlinge“ meiden nicht zufällig den Osten Europas, wo der wohlfahrtsstaatliche Kollektivismus nicht derart ungehemmt tobt, wie etwa in Schweden. Von den Einwanderungsländern in Übersee ganz zu schweigen, in denen strenge Einwanderungsregeln gelten und nur die Leistungsbereiten und -Fähigen eine Chance auf legale Einreise haben. Wer nach Europa strebt, hat dagegen nicht vor, durch übertriebenen Arbeitseinsatz aufzufallen. Die Alte Welt ist primär für Einwanderer in die Sozialsysteme attraktiv.

In einem die privaten Eigentumsrechte der Bürger respektierenden Gemeinwesen wäre eine „Flüchtlingskrise“ übrigens völlig undenkbar. Analog zum Recht der Hauseigner, sich vor Eindringlingen zu schützen, bestünde dort ein Recht darauf, das „Haus Deutschland“, „Haus Österreich“, „Haus Schweden“ oder „Haus Europa“ gegen begehrliche Zuwanderer abzuschotten. Dieses Recht wurde den Bürgern Europas – mitsamt ihrem uneingeschränkten Recht auf privates Eigentum – von den Regierenden entrissen.

Sicherung der Sozialsysteme?

Zuwanderungsapologeten behaupten, dass uns gar nichts Besseres passieren kann als die aktuelle Massenimmigration. Argumentiert wird mit der Vergreisung unserer Gesellschaften, dem daraus folgenden Arbeitskräftemangel und der unter Druck geratenden Finanzierung der Renten. Dass sich der in High-Tech und Hochlohnländern zu backende Kuchen infolge des Zuzugs von Massen ungelernter Migranten (ein guter Teil davon sind Analphabeten) vergrößern lässt, glauben indes nur die Dorftrottel, Intellektuellen oder Nationalökonomen, die ihre Elfenbeintürme niemals verlassen.

Die komme-wer-da-wolle-Immigrationspolitik Deutschlands ist gegenwärtig das am meisten Sprengstoff bergende Phänomen[1]. Kein maßgeblicher Politiker Eurolands heißt den Alleingang Angela Merkels in der „Flüchtlingsfrage“ gut. Seitdem sie erschrocken feststellte, dass sie die Büchse der Pandora geöffnet hatte, beschwört sie die „europäische Solidarität“ in dieser Angelegenheit und fordert eine „gerechte Verteilung“ der Einwanderer auf alle Mitgliedstaaten der EU. Das ist eine Chuzpe, die das Potential birgt, noch tiefere Gräben zwischen den Nationen aufzureißen, als das die “Eurorettung“ geschafft hat. Weshalb irgendein Europäer sich mit der von ihm abgelehnten Politik der deutschen Kanzlerin „solidarisch“ erklären sollte, weiß nur sie allein.

Fazit

Alles spricht für die Personenfreizügigkeit, solange jedermann selbst für seinen Unterhalt aufkommt und auch sonst die Rechte Dritter nicht verletzt. Immerhin wurden etwa die USA durch europäische Einwanderer aufgebaut und groß gemacht. Diese Einwanderer waren bereit, durch eigene Anstrengungen ihr Los zu verbessern. Ihnen war völlig klar, dass sie mit keinerlei Geschenken seitens der bereits Ansässigen rechnen durften.

Was für ein Unterschied zu den Bedingungen, unter denen die aktuelle Einwanderungswelle nach Europa läuft! Außer anmaßenden Forderungen und Begehrlichkeiten scheinen die Migranten dieser Tage nicht allzu viel im Gepäck zu haben. Eine Einwanderung in fremdfinanzierte Sozialsysteme ist indes weder logisch noch moralisch zu argumentieren. Der Nutzen der Einwanderer darf nicht durch Nachteile für die autochthone Bevölkerung erkauft werden. So wie das vor 100 und mehr Jahren mit der Einwanderung in die USA der Fall war, so muss es auch heute wieder sein. Damals bestand für die USA und ihre Zuwanderer eine Win-win-Situation. In der Völkerwanderung unserer Tage dagegen schaut für Europa nicht einmal ein Nullsummenspiel heraus…

Milton Friedman verdanken wir die Einsicht:

„Man kann offene Grenzen oder einen Wohlfahrtsstaat – aber nicht beides zugleich haben.“

Dessen eingedenk, fällt die Entscheidung leicht: Weg mit dem Wohlfahrtsstaat!

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[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fluechtlinge-angela-merkel-will-weiter-fluechtlinge-aufnehmen-a-1053033.html

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

 

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