„Fiat-Eigentum“ und „apokalyptischer Horror staatlicher Wirklichkeit“

29.5.2015 – Bericht über die Ludwig von Mises Institut Deutschland Konferenz 2015 „Die Ethik der Freiheit“.

von Thorsten Polleit und Andreas Marquart.

Am 23. Mai 2015 fand die dritte Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Institut Deutschland (LvMID) statt. Die Vorträge und Diskussionen standen unter dem Titel „Die Ethik der Freiheit“. Das Thema ist brandaktuell. Der Staat dehnt sich immer weiter aus, dringt immer ungehemmter in alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Miteinanders vor.

„Die Ethik der Gesetzlosigkeit“

David Dürr

Der Vortrag von David Dürr, Professor für Recht an der Universität Zürich, lautet „Die Ethik der Gesetzlosigkeit“. Zunächst setzt sich Dürr mit der Idee auseinander, es bedürfe eines Staates, damit der Einzelne vor Betrug, Diebstahl, Raub, Mord und Totschlag und anderen Untaten geschützt werde. Mit Blick auf die Staatsstruktur zeigt sich nun aber, dass genau das, was man zu verhindern gedenkt – das „Recht des Stärkeren“, dass also eine gewaltbereite Gruppe andere terrorisiert – im heutigen Staat in ganz großem Stile abläuft. Der Staat setzt die Gesetze selbst – und betont, dass er strikt nach dem Gesetzt handelt.

Dürr entlarvt die „grossmaulige Lüge des demokratischen Rechtsstaates“. Zunächst weist er darauf hin, dass die demokratische Legitimierung der Regierung und der Legislative durch das Volk kaum nachzuweisen ist – die Zustimmungsquote dürfte (mit Blick auf die Schweiz) bei weniger als 1 Promille der Betroffenen liegen. Dürr spricht von gekauften Richtern: Sie stehen auf dem Gehaltszettel des Staates (der „gewaltbereiten Gang“) und sind daher alles andere als unabhängig. Das gilt vor allem für Konflikte, die zwischen dem Bürger und dem Staat anfallen. Dürrs Analyse ergibt ein Bild, das er als „apokalyptischen Horror der staatlichen Wirklichkeit“ bezeichnet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufbauend auf seiner Analyse zeigt Dürr eine Alternative auf, die „nüchterne Ethik der Gesetzlosigkeit“. Die Gesellschaft hat – und das ist bereits allenthalben zu beobachten – die Fähigkeit, „von unten“ Strukturen zu schaffen, die es erlauben, Konflikte zu begrenzen beziehungsweise zu lösen. Und zwar ohne dass es dazu einer „Gewaltinstanz von oben“ bedarf. Es bilden sich beispielsweise Schiedsgerichte und Mediatoren heraus, die die Konfliktparten anrufen können, sowohl regional als auch überregional. Verbandsreglements geben Handlungsrichtlinien an die Hand. Private Sicherheitsfirmen sorgen für den Schutz des Eigentums.

„Christliche Ethik der Freiheit und Kapitalismus“

Martin Rhonheimer, Professor für Ethik und politische Wissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom, spricht zum Thema „Christliche Ethik der Freiheit und Kapitalismus“. Er erklärt den Erfolg des Kapitalismus mit dem Schutz des Privateigentums, der Kapitalbildung ermöglicht und zur Steigerung der Produktivität des Privateigentums beiträgt. Vor allem, so Rhonheimer, respektiert der Kapitalismus die Tatsache, dass Menschen freie und selbstverantwortliche Individuen sind, die ihren eigenen Präferenzen folgen wollen.

Martin Rhonheimer

„Der Mensch ist ein geistbegabtes Wesen der körperlichen Natur, aufgrund seiner geistigen Natur jedoch frei und verantwortlich für sein Tun. Der Mensch ist gerufen, sein Leben aufgrund eigener Entscheidungen zu führen. Menschen sind nicht instinktgetrieben, sondern Vernunftwesen und deshalb gleichsam dazu verurteilt, das Gute und jeweils Richtige selber zu erkennen und zu wählen. Eine solche Freiheit begründet Verantwortung: Verantwortung für das eigene Tun und – in gewissen Grenzen – auch für seine Folgen.“

Die Probleme vor Augen, die ein ungehemmtes Ausweiten der Staatstätigkeit für die Freiheit mit sich bringt, zitiert Rhonheimer Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler, Bischof von Mainz, 1864, der mit Blick auf „das Project der durch Majoritäten decretierten Staatshilfe“ sagte: „… ein immer weiter ausgebildetes Steuer- und Zwangssystem, an dem sämtliche Staaten fast zu Grunde gehen und bei denen freie Selbstbestimmung und Gesinnung gänzlich in den Hintergrund treten (…). Wir sehen hier, wie diese Idee des Steuer- und Zwangssystems immer weiter geht und dadurch die moderne Richtung bekundet, dass ihr alle Prinzipien der wahren Freiheit fehlen.“

Rhonheimer zieht das Fazit: Der Kapitalismus und Marktwirtschaft entsprechen einem Verständnis von Freiheit, das menschliches Handeln immer auch im Horizont seiner Verantwortung für den Mitmenschen sieht. Sie führen zur sozialen Kooperation, und zwar in einer Weise, die für alle nützlich ist und, da sie auf Freiheit basiert, die besten sozialen Instinkte im Menschen zu Tugenden ausweiten kann. Im Kapitalismus ermöglicht gerade das Privateigentum auf optimale Weise, dass die Güter dieser Erde allen Menschen zu Gute kommen.

„Der Staat – Feind von Ethik und Freiheit“

Hans-Hermann Hoppe

Hans-Hermann Hoppe, Professor Emeritus an der University of Nevada, und Gründer der Property and Freedom Society, Bodrum in der Türkei, zeigt in seinem Vortrag „Der Staat – Feind von Ethik und Freiheit“ unmissverständlich auf, dass der Staat unvereinbar ist mit Ethik und Freiheit. Das Eigentum ist, so Hoppe, eine Norm: Sie ist unverzichtbar, um Konflikte, die zwischen Personen unweigerlich auftreten, weil Güter knapp sind, zu verhindern. Zwar steht außer Frage, dass in einer Gesellschaft das Eigentum vor den Zugriffen Dritter geschützt werden muss. Das aber ist unmöglich, wenn ein Staat – verstanden als territorialer Zwangsmonopolist für die Letztentscheidung von Konflikten, die zwischen seinen Untergebenen, aber die auch zwischen ihm selbst und seinen Untergebenen auftreten, – zugelassen wird.

Der Staat ist mit dem Eigentum und der Freiheit der Individuen unvereinbar. Er, so Hoppe, macht aus Eigentum „Fiat-Eigentum“: Die Eigentümer sind nur noch geduldete Eigentümer, Eigentümer auf Abruf. Der Staat ist nämlich ein „eigentumszerstörender Eigentumsschützer“. Diese Einsicht gilt es vor allem mit Blick für die modernen demokratisch verfassten Staaten, in denen der Zugang zur Regierungsmacht allen offensteht, vor Augen zu haben. In ihnen lautet das Motto: „Jeder kann König werden.“ Anders als etwa in Monarchien kommt es daher in Demokratien zu einem ungehemmten Auswuchern des Staates, nicht zuletzt weil der Handlungshorizont der temporären Inhaber der Regierungsgewalt abnimmt. Aus einem Minimalstaat wird ein Maximalstaat, so Hoppe.

Hoppe weist auf die Rolle der staatsbezahlten Intellektuellen hin – vor allem auf die in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften –, die, allein schon aus Eigeninteresse, dem Staat die notwendige Legitimierung geben, die der Öffentlichkeit einreden, der Staat sei unverzichtbar. Auch der Beruf des Politikers wird von Hoppe kritisiert: Sie lassen sich in Amt und Würden wählen, indem sie den Wähler versprechen, sie am Beutezug des Staates – also seinen Steuereinnahmen, die er einnimmt – teilhaben zu lassen. Hoppe betont, dass der „Klassenkonflikt“ nicht zwischen Arbeit und Kapital auftritt, wie es die politische Linke verbreitet, sondern dass er vielmehr (verschwiegen von den sogenannten Intellektuellen) zwischen Netto-Steuerempfängern und Netto-Steuerzahlern verläuft. Was ist dagegen zu tun? Hoppe empfiehlt, mit denen, die mit dem Staat paktieren, nicht in Kontakt zu treten. Also beispielsweise keine Einladungen von Politikern annehmen und selbst auch keine Politiker einzuladen.

„Kapitalismus ist ethisch und freiheitlich. Eine handlungslogische Betrachtung“

Thorsten Polleit

Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Universität Bayreuth, spricht zum Thema „Der Kapitalismus ist ethisch und freiheitlich. Eine handlungslogische Betrachtung.“ Auf der Grundlage der wissenschaftlichen Methode der Nationalökonomie, wie Ludwig von Mises sie formuliert hat, zeigt er auf, dass es nur eine dauerhaft mögliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gibt, und das ist der Kapitalismus – der sich auszeichnet durch den unbedingten Respekt vor dem Eigentum der Individuen. Der Sozialismus und alle seine Spielarten, einschließlich des Interventionismus (der in Deutschland als „dritter Weg“ oder auch als „soziale Marktwirtschaft“ bekannt ist), sind hingegen zum Scheitern verurteilt.

Polleit arbeitet die Bedeutung und Legitimation des Eigentums – verstanden als Eigentum am eigenen Körper (Selbsteigentum) und den Gütern, die zum Erhalt des Körpers erforderlich sind – heraus und zeigt, dass ein Handeln, das das Eigentum ohne Einschränkungen respektiert, ethisch ist. Er stellt auch den Bezug zwischen dem Eigentum und der Freiheit heraus, wie sie Immanuel Kant (1724 – 1804) versteht: „das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen, deren Kausalität also nicht nach dem Naturgesetze wiederum unter einer anderen Ursache steht, welche sie der Zeit nach bestimmte.“ Die Logik des menschlichen Handelns lässt erkennen, dass die Freiheit, die erforderlich ist, um eine Handlung willentlich in Gang zu setzen, des Eigentums bedarf: Der Handelnde muss, um handeln zu können, zumindest über Selbsteigentum verfügen.

Polleit zeigt zudem auf, dass die allseits beklagten Missstände – wie Wirtschafts- und Finanzkrisen, Arbeitslosigkeit, Altersarmut, Umweltverschmutzung und auch kriegerische Konflikte – nicht dem Kapitalismus zuzuschreiben sind, sondern Verhältnissen, die alles andere als kapitalistisch sind: Verhältnissen, die dem Sozialismus beziehungsweise seiner Vorhut anzulasten sind. Denn so etwas wie Kapitalismus gibt es derzeit gar nicht, denn die westliche Welt befindet sich nicht in einem Kapitalismus, sondern in einem fortgeschrittenen Stadium des Interventionismus.

Die Referenten Martin Rhonheimer, Hans-Hermann Hoppe, Thorsten Polleit und David Dürr stellen sich den Fragen der Zuhörer

 

Diskussion

Den Vorträgen folgt eine eineinhalbstündige, angeregte und offene Diskussion zwischen den Vortragenden und dem Auditorium. Im Vordergrund steht die Frage, ob der Staat, zumindest als Minimalstaat, akzeptabel sei, oder ob der Staat – verstanden als Zwangsmonopolist – ganz und gar aus ethischen und freiheitlichen Erwägungen abzulehnen sei. Martin Rhonheimer vertritt die Auffassung, ein Minimalstaat sei aus allein praktischen Erwägungen unverzichtbar, David Dürr, Hans-Hermann Hoppe und Thorsten Polleit sind hingegen der Auffassung, der Staat sei ethisch-freiheitlich inakzeptabel und alle seine Tätigkeiten ließen sich privatisieren beziehungsweise im Zuge freier Marktaktivitäten bereitstellen. Die Diskussion lässt vor allem auch deutlich werden, wie drängend die Frage nach der „Ethik der Freiheit“ geworden ist.

Die Zuhörer waren sehr angetan von den Vorträgen. In den Pausen fanden sie zudem die Möglichkeit, mit den Referenten ins Gespräch zu kommen.

Die Vorträge und Diskussion der Konferenz stehen in Kürze als Video auf der Website des LvMID kostenlos zur Verfügung.

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Fotos: Ralph Malisch (Smart-Investor)

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