Mises University 2014 – Lehre und Diskussion freiheitlicher Ideen

15.8.2014 – von Karl-Friedrich Israel.

Karl-Friedrich Israel

Das amerikanische Ludwig von Mises Institute wurde 1982 von Lew Rockwell, Burton Blumert und Murray Rothbard gegründet. Es ist Vorreiter und Inspiration für zahlreiche Mises Institute, die in der Folge, sukzessive, ohne formale Bindungen untereinander, in verschiedenen Ländern gegründet wurden. Das amerikanische Vorbild ist heute berühmt für seine schier unerschöpfliche und stetig wachsende Auswahl an Fachbüchern, Artikeln, Podcasts und Vorlesungsreihen, die den Lesern und Hörern zumeist unentgeltlich über das Internet zugänglich gemacht werden. Seit seiner Gründung pflegt es allerdings auch andere Formen der Kommunikation, Diskussion und Verbreitung freiheitlicher Ideen.

Das Institut richtet bis heute alljährlich eine Sommerkonferenz aus, die sich insbesondere an Studenten richtet. Wobei das Wort Student nicht der formalen Definition nach verstanden werden sollte, sondern in seiner ursprünglichen lateinischen Bedeutung, als jemand, der sich für etwas interessiert, der nach etwas strebt und sich um etwas bemüht. Eine der diesjährigen Teilnehmerinnen hat in ihrem gesamten Leben noch nie eine staatlich anerkannte Bildungseinrichtung besucht. Viele andere Teilnehmer sind nie auf staatlich anerkannten Schulen gewesen, sondern haben homeschooling betrieben. Es mag gerade für den deutschen Leser erstaunlich klingen, aber man hatte nicht den Eindruck, dass sie weniger über Philosophie, Wirtschaft, Politik, Geschichte oder Literatur wussten als der durchschnittliche Abiturient oder Universitätsabsolvent, der einem sonst so begegnet – ganz im Gegenteil.

Institutsgebäude des LvMI in Auburn, Alabama

Dieses Jahr öffnete das Institut vom 20.07. bis 26.07. für die Mises University 2014 die Tore seines Hauptquartiers in Auburn, Alabama. Es fanden 120 Studenten aus 25 Ländern den Weg in die beschauliche, knapp 60,000 Einwohner umfassende, Universitätsstadt im subtropischen Südosten der USA. Die amerikanischen Teilnehmer kamen aus 32 verschiedenen Bundesstaaten. Das vereinende Element war das Interesse und die Begeisterung für die Österreichische Schule der Nationalökonomie und den Libertarismus. Den allermeisten Studenten wurde die Teilnahme durch die Generosität privater Gönner des Instituts ermöglicht. So auch mir. Ihnen gebührt unser wärmster Dank.

Die Konferenz wurde durch Tom Woods mit einem Vortrag unter dem Titel The Role of Austrian Economics in the Liberty Movement eröffnet. Jeder, der über einen Rhetorikkurs nachdenkt, kann ihn getrost mit diesem Vortrag abhaken. Woods verdeutlicht den fundamentalen Unterschied zwischen der Österreichischen Schule der Ökonomie, die den Anspruch hat, eine wertfreie Wissenschaft zu sein, und der politischen Philosophie des Libertarismus, die ein Werturteil über staatlichen Zwang fällt – nämlich, dass er abzulehnen sei. Ludwig von Mises selbst hat die Wertfreiheit der Wirtschaftswissenschaft immer wieder betont. Dennoch gibt es eine Verbindung zwischen beiden. Die Lehren, die wir aus der ökonomischen Theorie ziehen, können unser Werturteil über den Staat formen. Wenn uns die Ökonomie lehrt, dass überbordender Staatsinterventionismus zu Fehlallokationen, Rationalitätsfallen und Wirtschaftskrisen führt, dann ist der Schritt nicht mehr weit zu einer staatskritischen Haltung, vorausgesetzt man bewertet Wirtschaftkrisen als schlecht.

An den sechs folgenden Tagen der Konferenz konnten die Teilnehmer Vortragsreihen zu verschiedenen Themen verfolgen. Den Kern bildeten dabei die Vorträge zu den Grundlagen der Österreichischen Schule der Ökonomie. Für die epistemologische und methodologische Fundierung war zum größten Teil David Gordon (LvMI) zuständig. Joseph Salerno (Pace University) hielt Vorträge über den historischen Ursprung dieser Denkschule, das Kalkulationsproblem im Sozialismus unter der Abwesenheit von Marktpreisen, sowie die unterschiedlichen Konzeptionen des Goldstandards und ihrer jeweiligen Dynamiken. Roger Garrison (Auburn University) stellte über mehrere Referate hinweg die Österreichische Konjunkturtheorie vor und zog Vergleiche zwischen der Chicagoer Schule, der keynesianischen und der hayekschen Lehre.

Alle diese drei Referenten, Gordon, Salerno und Garrison, haben den Aufbau und die Weiterentwicklung des Instituts von Anfang an verfolgt und geprägt. Sie konnten davon berichten, wie die Mises University zum ersten Mal 1982 mit einer Hand voll Zuhörern in einem Kellergeschoss unweit des heute großzügigen Institutssitzes abgehalten wurde. In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Heute verfügt das Institut über großzügige und klimatisierte Räumlichkeiten und eine umfangreiche Bibliothek, die unter anderem die private, mit Notizen und Anmerkungen übersäte, Büchersammlung Murray Rothbards beinhaltet, sowie einige historische Dokumente und Artefakte. So kann etwa die Schreibmaschine bewundert werden, auf der Margit von Mises das Magnum Opus ihres Mannes, Human Action, abgetippt haben soll. Auch einige handschriftliche Manuskriptfragmente finden sich in der Sammlung des Instituts wieder.

Schreibmaschine auf der Margit von Mises Human Action abgetippt haben soll

Murray Rothbards Highschool-Jahrbuch von der Birch Wathen School

Roger Garrison erklärt die Österreichische Theorie der Konjunkturzyklen

 

Jeffrey Herbener (Grove City College) deckte in seinen Vorträgen die sehr technischen Themen, der Zeitpräferenz, des Zinses und der österreichischen Kapitaltheorie ab, die maßgeblich von Eugen von Böhm-Bawerk geprägt wurden. Spezifischere Themen, wie die Rolle des Unternehmers, Energiepolitik, übliche Einwände gegen den Kapitalismus, Spieltheorie,  Antikartellgesetzgebung, die wirtschaftlichen Folgen von Zöllen und Schmuggel, die Konsequenzen von Rauschmittelverboten, die korrupten Wurzeln des Zentralbankwesens, der Einfluss von Krisen auf die Staatstätigkeit und viele weitere wurden von Peter Klein (University of Missouri), Robert Murphy (Consultant), Mark Thornton (LvMI), Lucas Engelhardt (Kent University), Thomas DiLorenzo (Loyola University Maryland) und Robert Higgs (Universidad Francisco Marroquin) behandelt.

Als einziger nichtamerikanischer Redner wendete sich Jörg Guido Hülsmann (Université d‘Angers) insbesondere den kulturellen Folgen des Fiatgeldregimes zu. Dieses Thema, das er in Teilen bereits in seinen Büchern Krise der Inflationskultur (2014) und Ethik der Geldproduktion (2007) behandelt hatte, ließ die meisten Zuhörer nicht kalt. Die Inflation als undemokratisches Element der Staatsfinanzierung, die in der Folge zu tyrannischer Staatstätigkeit führt, ist dabei nur einer von vielen Punkten. Die direkten und indirekten Folgen des ungedeckten Baumwollgeldes auf unser Leben und Handeln sind weitreichender als den meisten vielleicht bewusst ist. Ein anderer Teilnehmer der Konferenz sagte mir nach dem Vortrag, dass ihn das Thema sehr berührt habe, denn er hätte gerade kürzlich einen Kredit aufgenommen, um ein Haus zu kaufen. Die Schuldenfinanzierung ist natürlich ein Weg um von einem inflationären Geldsystem zu profitieren. Sie macht uns aber auf eine rein gewinnorientierte Art und Weise abhängig von anderen Menschen, und in gewisser Weise zum Sklaven des Finanzsystems.

Walter Block (Loyola University New Orleans), der mittlerweile ein Urgestein der libertären Szene geworden ist, war wahrscheinlich der Professor, der den Studenten am großzügigsten mit seiner Zeit zur Verfügung stand. Er antwortete auf alle Fragen und kritischen Einwände. Man hatte förmlich das Gefühl, dass er zwischen den Vorträgen nur darauf gewartet hat, seine Privatisierungsideen für Straßen und Ozeane mit den Studenten weiter zu vertiefen und zu diskutieren. Er hielt auch den Abschlussvortrag der diesjährigen Konferenz, in dem er einige Anekdoten aus seiner Zeit in der libertären Bewegung mit den Zuhörern teilte. Er sprach über seine Begegnung mit Ayn Rand, die ihn als damals noch jungen Sozialisten von der Marktwirtschaft überzeugte, und wie ihn Murray Rothbard „in 5 Minuten“ zum Anarchisten werden ließ.

Die insgesamt 59 Vorträge wurden durch zwei Podiumsdiskussionen ergänzt. Die Veranstaltungen verliefen zum Teil parallel, was den Studenten die Möglichkeit gab, nach ihren Interessen und Vertiefungsgraden zu wählen, aber auch dazu führte, dass interessante Vorlesungen ausgelassen werden mussten. Glücklicherweise stellt das Institut Videoaufzeichnungen für einen Großteil der Veranstaltungen auf YouTube zur Verfügung, was auch jedem, der die Konferenz nicht besuchen konnte, die Möglichkeit gibt, sich selbst einen Eindruck zu verschaffen.  Zusätzlich zum über die Jahre gewachsenen Kurrikulum der Mises University gab Andrew Napolitano (Fox News) eine neunteilige Vorlesungsreihe zur amerikanischen Verfassung und ihrer Unterminierung durch die Politik.

Auf der diesjährigen Konferenz kamen Studenten aus nahezu allen Fachrichtungen zusammen, wobei ein klares Übergewicht zu Fächern wie Ökonomie, Jura, Geschichte und Philosophie bestand. Die zum Teil sehr unterschiedlichen Hintergründe der Teilnehmer ließen sehr fruchtbare und hitzige Debatten entstehen. Als Libertärer ist man es ja nicht unbedingt gewöhnt, unter Gleichgesinnten zu verweilen. Die Mises University bietet dazu einmal Gelegenheit. Das Verlangen, Uneinigkeiten zu diskutieren, war aber dennoch so stark, dass sich auch meistens eine fand. Einige der Teilnehmer erklärten sich ganz entschlossen als „linkslibertär“, was mich sofort an die besonders in Amerika völlig verzerrte Bedeutung des Begriffes „liberal“ denken ließ. Mir ist nicht ganz klar, was das Attribut „links“ der politischen Philosophie des Libertarismus hinzufügt. Ist es nicht gerade erfrischend, dass der Libertarismus (oder Anarchokapitalismus) weder links noch rechts einzuordnen ist, sondern eine ganz eigene und unabhängige Idee verkörpert? Mir erscheint es fast als wäre „links“ in diesem Fall ein hayeksches Wieselwort, das dem Begriff die eigentliche Bedeutung zu rauben droht. Aber die Ansichten divergieren gelegentlich.

Es ist wichtig, eine lebhafte Debatte über derlei Fragen aufrecht zu erhalten und zu fördern, um die Idee einer libertären und freiheitlichen Gesellschaft dezidierter und effektiver zu kommunizieren. Die Mises University leistet dazu seit Jahren einen erheblichen Beitrag. Das amerikanische Mises Institute ist so etwas wie das Epizentrum der libertären Bewegung. Es hat Wellen auch bis weit über amerikanischen Landesgrenzen hinaus geschlagen.

Das Ludwig von Mises Institut Deutschland freut sich nun auch selbst ein Mises-Seminar ankündigen zu können, in dem die Ideen der Österreichischen Schule gelehrt und diskutiert werden sollen. Am 16. und 17. Januar 2015 wird die erste Auflage des Seminars in Frankfurt stattfinden. Genauere Details werden in Kürze veröffentlicht. Es bleibt zu hoffen, dass auch in Deutschland bald ähnlich hohe Wellen geschlagen werden.

Gruppenfoto Mises University 2014

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Karl-Friedrich Israel, 25, hat Volkswirtschaftslehre, Angewandte Mathematik und Statistik an der Humboldt-Universität in Berlin, der ENSAE ParisTech und der Universität Oxford studiert. Zur Zeit absolviert er an der Humboldt-Universität sein Masterstudium in Volkswirtschaftslehre.

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