Marx und Engels stehen Pate: die Verstaatlichung des Kredits

6.6.2014 – von Thorsten Polleit.

Thorsten Polleit

Ein sperriges Wortgebilde macht die Runde: Makroprudentielle Überwachung. Es lädt nicht gerade zum Verweilen ein. Mittels makroprudentieller Überwachung sollen die Risiken im Finanzsystem frühzeitig erkannt werden, um Gegenmaßnahmen ergreifen und einen Beitrag zur Finanzstabilität leisten zu können. Staatliche Stellen – allen voran die Zentralbanken und die Finanzaufsichtsbehörden – sollen weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in das Finanzsystem erhalten. Sie sollen zum Beispiel den Geschäftsbanken erhöhte Kapitalpuffer, Verschuldungs- und Beleihungsobergrenzen, Vorgaben zur Liquidität und zu Refinanzierungsformen und vieles mehr auferlegen können.

Reine Symptom-Kur

Dass der Staat das Banken- und Finanzsystem sicher machen will, wird in der Öffentlichkeit vermutlich Unterstützung finden. Schließlich ist die Auffassung weit verbreitet, es seien vor allem die Geschäftsbanken gewesen, die die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht hätten. Daher sei es richtig, die Banken enger an die Kandare zu nehmen. Doch Vorsicht: Die Idee der makroprudentiellen Überwachung ist nicht etwa aus einer einsichtigen Diagnose der wahren Krisenursache erwachsen. Sie ist vielmehr der ungelenke Versuch einer Symptom-Kur, weil man sich davor scheut, die eigentliche Ursache der Krise anzupacken. Es waren die staatlichen Zentralbanken, die mit ihrem unablässigen Ausweiten von Kredit- und Geldmengen, bereitgestellt zu immer tieferen Zinsen, die Überschuldungsmisere möglich gemacht haben.

Doch nun schrecken sie davor zurück, die Kredit- und Geldschwemme zu stoppen, weil sie – berechtigterweise – fürchten, dass der gesamte Schuldenturm kollabiert und mit ihnen die Volkswirtschaften. Statt dessen soll den Fehlentwicklungen, die die fortgesetzte Politik des billigen Geldes verursacht hat, mit Regulieren und Reglementieren begegnet werden. Sollten zum Beispiel die Hausbaukredite zu stark wachsen und eine Immobilienpreisblase drohen, kann der Staat dank makroprudentieller Überwachung dem einen Riegel vorschieben, indem er den Banken durch höhere Eigenkapitalanforderungen die Vergabe von Hypothekenkrediten erschwert.

Die makroprudentielle Überwachung wird alle wichtigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungen der Banken durch staatliches Regulierungswerk ersetzen. Sie läuft damit auf eine Verstaatlichung des Banken- und Finanzsystems hinaus – die Verstaatlichung des Kredits, wie es bereits Karl Marx in seinem Kommunistischen Manifest im Jahr 1848 gefordert hat. Wie immer, wenn der Marktprozess durch staatliche Lenkung ersetzt wird, droht Ungemach: Fehlallokation knapper Ressourcen auf breiter Front, Unterversorgung hier, Überversorgung da, Misswirtschaft überall. Sind die Marktkräfte im Banken- und Finanzsystem erst einmal ausgeschaltet, erlischt auch das Interesse privater Investoren am Bankgeschäft. Die Klugen steigen aus, die weniger talentierten harren aus. Die Geldhäuser werden unprofitabel, sie bekommen kein neues Eigenkapital mehr von außen und gehen früher oder später in den Staatsbesitz über.

Eine düstere, doch schlüssige Perspektive. Sie ist logische Folge des staatlichen Zwangsgeldmonopols: Die staatseigene Zentralbank produziert – in enger Kooperation mit den Geschäftsbanken – neues Geld durch Kredite, die durch nichts gedeckt sind, die gewissermaßen aus dem Nichts geschaffen werden. Das staatliche Geldmonopol schafft nicht nur inflationäres Geld, es sorgt auch für wiederkehrende und immer schwerer werdende Finanz- und Wirtschaftskrisen. Und es führt die Volkswirtschaften in eine Überschuldungssituation, die letztlich im Bankrott endet.

Elend und Chaos

Um dem Kollaps hier und heute zu entkommen, setzen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden die auf Korrektur drängenden Marktkräfte außer Kraft. Die makroprudentielle Überwachung soll dabei helfen. Das Bekämpfen der Marktwirtschaft führt jedoch in die Sackgasse. Es drohen Chaos und Elend. Deshalb ist der produktive Gegenentwurf zur makroprudentiellen Überwachung die konsequente Rückbesinnung auf den freien Markt als spontane Ordnungskraft.

Der entscheidende Befreiungsschlag ist das Beenden des staatlichen Zwangsgeldmonopols, an dessen Stelle der freie Währungswettbewerb und vollständige „Bankfreiheit“ tritt. Bekanntlich ist der Wettbewerb ein bewährtes Verfahren, um die Wünsche der Nachfrager bestmöglich und zu niedrigsten Kosten zu befriedigen. Ohne freien Wettbewerb gäbe es heute wohl keine Mobilfunkgeräte, Laptops, iPhones und auch vieles andere nicht. Eine ähnliche produktive Wirkung hätte der freie Währungswettbewerb und Bankfreiheit: Er würde besseres Geld schaffen, als es der Staat bereitstellt, und er würde für bessere Banken sorgen, als sie die makroprudentielle Überwachung jemals herbeiregulieren kann. Es ist höchste Zeit, umzudenken.

Dieser Beitrag wurde in ähnlicher Form am 19. April 2014 in der Wirtschaftswoche veröffentlicht.

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Thorsten Polleit, 46, ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel GmbH. Zuvor war er 12 Jahre als Ökonom im internationalen Investment-Banking in London, Amsterdam und Frankfurt tätig. Seit 2003 ist Thorsten Polleit Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance, Frankfurt, Interessen- und Forschungsschwerpunkt Kapitalmarkttheorie, Geldpolitik und –theorie und insbesondere auf die „Österreichische Schule der Nationalökonomie“. Er ist zudem Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, und Mitglied im Forschungsnetzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME). Seit Oktober 2012 ist Thorsten Polleit Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Gründungsmitglied und Partner von „Polleit & Riechert Investment Management LLP“. Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.com. Hier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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