„Politisierende Kleriker waren zu allen Zeiten ein Problem“

19.1.2018 – von Andreas Tögel.

Andreas Tögel

Dass die linken Oppositionsparteien die kürzlich angelobte, von ÖVP und FPÖ gebildete österreichische Bundesregierung hart kritisieren, verwundert nicht. Dass die heimischen Sozialisten, die, wie ihre Gesinnungsgenossen in Deutschland, gegen den Willen der Wähler noch weiter nach links rücken, damit punkten werden, ist indes zu bezweifeln. Das Pendel schwingt nämlich allmählich zurück. Der Zeitgeist ist kein Genosse mehr.

Interessanter als die Regierungsschelte der Oppositionsparteien ist die aus den Reihen der katholischen Kirche. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass Österreich immer noch ein mehrheitlich katholisches Land ist und die katholische Kirche traditionell immer der ÖVP nahe stand. Vor nicht allzu langer Zeit wäre Kritik an einer moderat konservativen Regierungspolitik höchst unwahrscheinlich gewesen.

Allerdings scheint nach den evangelischen Kirchen, die seit geraumer Zeit den Eindruck vermitteln, zu Vorfeldorganisationen roter und grüner Gruppierungen verkommen zu sein, auch der katholische Klerus – insbesondere seit der Inthronisation Papst Franziskus´ – alles daran zu setzten, die Sozialisten links zu überholen. Je weniger die Kirchen sich zu spirituellen Fragen in der Öffentlichkeit äußern, desto häufiger meinen sie, zu tagespolitischen Fragen Stellung nehmen zu müssen. Dabei handelt es sich um keinen Zufall: Papst Franziskus stammt ja aus Lateinamerika, wo die „Befreiungstheologie“ erfunden wurde, die exakt jene „soziale Gerechtigkeit“ auf ihre Fahnen schreibt, deren Verwirklichung auch die Sozialisten in allen Parteien umtreibt.

„So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Matthäus 22,21) fordert Jesus Christus im Disput mit den Pharisäern – und gebietet damit faktisch die Trennung von Thron und Altar. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ äußert er im Verhör durch Pontius Pilatus (Johannes 18,36) und lässt damit keinen Zweifel daran aufkommen, worin er die Aufgabe des Bodenpersonals seiner künftigen Kirche sieht: In einer permanenten Einmischung des Klerus in politische Auseinandersetzungen im weltlichen Jammertal mit Sicherheit nicht.

Mit der Veröffentlichung der Sozialenzykliken „Rerum novarum“ im Jahre 1891 durch Papst Leo XIII., „Quadragesimo anno“ 1931 durch Papst Pius XI., „Populorum progressio“ 1967 durch Papst Paul VI. und schließlich „Laudato si“ 2015 durch Papst Franziskus  sind die wirtschafts- und sozialpolitischen Einlassungen der katholischen Kirche immer weiter nach links abgedriftet. Mit Papst Franziskus ist der bisherige Höhepunkt dieser befremdlichen Entwicklung erreicht. Die wirtschaftsbezogenen Aussagen des gegenwärtig amtierenden Bischofs von Rom sind von Versatzstücken aus der marxistischen Mottenkiste nicht mehr zu unterscheiden.

Angesichts eines derartig agierenden Führers meint das Personal der zweiten und dritten Reihe der Kirche, nicht zurückstehen zu dürfen. Der notorische Sozialromantiker Michael Landau, seines Zeichens Präsident der katholischen österreichischen Caritasorganisation, macht – angesichts des unerhörten Skandals der Angelobung einer Bundesregierung ohne sozialistische Beteiligung – seinem Unmut öffentlich Luft. In einem Interview für die Wiener „Presse“, ortet er im neuen Regierungsprogramm „…einen beinahe darwinistischen Ansatz…”, um anschließend festzustellen: „Es ist ein Programm für jene, die über ausreichend Einkommen und Vermögen verfügen. Der Staat ist aber keine Firma, die Schwächere und Ärmere kündigen kann.”

Diese wenigen Sätze offenbaren, welch abseitiger Geist derzeit die Kirche durchweht. Wie es scheint, wurde völlig darauf vergessen, dass die katholische Soziallehre auf dem Subsidiaritätsprinzip beruht. Grundsätzlich hat demnach jeder selbst für sich und seine Nächsten zu sorgen. Der Priester Martin Rhonheimer, Professor für Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce, schreibt in einem Aufsatz mit der Überschrift „Das Subsidiaritätsprinzip – vergessener Garant von Freiheit und Selbstverantwortung“ richtigerweise:

„Umverteilende Sozialpolitik ist ökonomisch ineffizient und sie ist unsozial, sie schafft neue Armut und Abhängigkeiten und kann in die Entwürdigung führen. Und zusammen mit anderen Staatseingriffen in das Gefüge der Gesellschaft – das Gefüge der Interaktion freier Individuen –  hemmt sie das echte Wachstum, das allein Wohlstand für alle schaffen kann.“

Es ist daher keineswegs ausgemacht, dass der Staat Krethi und Plethi den Lebensunterhalt zu finanzieren hat, nur weil die nicht mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt kamen. Schon gar nicht kann es Staatsaufgabe sein, Müßiggängern mittels lebenslänglicher Alimentation ein bequemes Leben zu verschaffen. Apostel Paulus formuliert unmissverständlich: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“. (2 Thessalonicher 3,10). Ist es nicht traurig, dass ein Laie die Kleriker daran erinnern muss?

Christliche Nothilfe hat mit wohlfahrtsstaatlicher Daueralimentation nicht das Geringste zu tun. Daher ist es auch vollkommen daneben anzunehmen, dass ein Regierungsprogramm, das – wenn auch mit unzureichenden Mitteln – darauf gerichtet ist, Leistungsanreize zu setzen und das nach und nach etablierte Recht, auf Kosten anderer gegenleistungsfrei dem dolce far niente zu frönen, zurückzubauen, grundsätzlich schlecht ist.

Wie den meisten nicht an der Wertschöpfung teilnehmenden Zeitgenossen fehlt auch Caritaspräsident Landau jede Einsicht in ökonomische Zusammenhänge. Er unterstellt offensichtlich, dass materieller Wohlstand einfach vom Himmel fällt und nur darauf wartet, von ihm und der Staatsbürokratie „gerecht“ verteilt zu werden – vorzugsweise an jene, die zur Produktion keinerlei Beitrag leisten. Populistisches Schlagwort: „Recht zur Teilhabe“. Das ist aber völlig falsch! Wie die persistierende Schuldenkrise eindrucksvoll belegt, führen falsch gesetzte Anreize zu kollektivem Fehlverhalten. Seit der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies gibt es nichts mehr umsonst. Ohne Arbeit (und Kapital, das wir an dieser Stelle aber ausblenden wollen) entsteht gar nichts – und gibt es demnach auch nichts zu verteilen.

Woraus Landau und die Sozialisten in allen Parteien das Recht ableiten, sich die Früchte der Arbeit anderer anzueignen und an ihre Günstlinge (und an sich selbst) umzuverteilen, liegt im Dunkeln. Das Neue Testament liefert dafür jedenfalls keine Grundlage. Von staatlich erzwungener „sozialer Umverteilung“ ist da nirgendwo die Rede. Moral und Nächstenliebe, Jesus Christus wusste es natürlich, sind eben nicht per Ukas zu verordnen. Die den Christen gebotene Caritas beruht daher auf Freiwilligkeit, nicht aber auf hoheitlichem Zwang. Sie unterscheidet sich folglich fundamental von staatlichen, unter Gewaltandrohung erfolgenden Vermögenstransfers. Die haben nichts mit Solidarität, aber viel mit Diebstahl zu tun. Es ist bitter, studierte Kirchenmänner daran erinnern zu müssen, dass der Diebstahl im siebenten und zehnten der alttestamentarischen zehn Gebote verpönt wird.

Während Luther – und in weiterer Folge die evangelischen Kirchen, wie auch die orthodoxen Ostkirchen – immer die Tuchfühlung mit weltlichen Machthabern suchten, steht die katholische Kirche in einer gänzlich anderen Tradition – man denke an den auf Biegen und Brechen geführten Investiturstreit mit dem Kaiser. Sie verstand sich durch viele Jahrhunderte hindurch als starkes Gegengewicht, Korrektiv und Opposition zur weltlichen Macht. Wie kann es sein, dass der rezente Klerus gar nicht genug vom Staat kriegen kann? Seine Servilität gegenüber der weltlichen Macht und seine Kritik an jeglicher politischer Opposition (sofern sie nicht links steht) sind geradezu abstoßend. Ob das am Ende mit der staatlichen Alimentation ihres Personals (etwa als Religionslehrer), der Erhaltung ihrer Baulichkeiten durch Steuermittel und mit ihren atemberaubenden Steuerprivilegien zu tun hat?

Hätten die irdischen Agenten Jesu Christi sich an die Gebote ihres Herrn gehalten, wäre der Menschheit immenses Leid erspart geblieben. Politisierende Kleriker waren zu allen Zeiten – und sind immer noch – ein großes Problem, was im Übrigen für alle Religionen gilt. Wäre schön, wenn sich die christlichen Amtsträger endlich wieder an die Forderungen des Mannes, auf den sie sich berufen, halten würden.

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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