„Indem alle Nationen sich dem Sozialismus nähern, schwindet die Freiheit der Autoren Schritt um Schritt“

20.9.2017 – von Ludwig von Mises.

Ludwig von Mises (1881 – 1973)

Die Freiheit der Presse ist das charakteristische Merkmal einer Nation von freien Bürgern. Sie ist einer der wesentlichen Punkte im politischen Programm des alten klassischen Liberalismus. Es ist nie jemanden gelungen, den Ausführungen der zwei klassischen Bücher: John Miltons „Areopagitica“, 1644, und John Stuart Mills „On Liberty“, 1859, eine haltbare Widerlegung entgegenzusetzen. Das Recht, ohne amtliche Lizenz zu drucken, ist das Herzblut der Literatur.

Eine freie Presse kann nur dort existieren, wo die Kontrolle der Produktionsmittel in privaten Händen liegt. In einem sozialistischen Staatswesen, wo alle Veröffentlichungsmöglichkeiten und Druckereien der Staatsgewalt unterliegen, kann es keine freie Presse geben. Die Regierung allein bestimmt, wer die Zeit und die Gelegenheit zum Schreiben haben und was gedruckt und veröffentlicht werden soll. Im Vergleich zu den in Sowjetrußland herrschenden Verhältnissen sieht sogar das zaristische Rußland im Rückblick wie ein Land der freien Presse aus. Als die Nationalsozialisten ihre berühmten Autodafés der Bücher veranstalteten, stimmte ihre Handlung genau mit dem Plan eines der großen sozialistischen Autoren, Cabet, überein.

Indem alle Nationen sich dem Sozialismus nähern, schwindet die Freiheit der Autoren Schritt um Schritt. Von Tag zu Tag wird es schwerer, ein Buch oder einen Artikel zu veröffentlichen, dessen Inhalt der Regierung oder den zwangsausübenden Gewalten mißfällt. Die Ketzer werden noch nicht „liquidiert“, wie in Rußland, auch werden ihre Bücher nicht auf Anordnung der Inquisition verbrannt. Es gibt auch keine Rückkehr zum alten System der Zensur. Die angeblichen Fortschrittler haben wirksamere Waffen zu ihrer Verfügung. Ihr wichtigstes Werkzeug der Unterdrückung ist die Boykottierung der Autoren, Redakteure, Verleger, Buchhändler, Drucker, Inserenten und der Leser.

Es steht einem jeden frei, vom Lesen der Bücher, Zeitschriften und Zeitungen, die ihm mißfallen, abzusehen und anderen zu empfehlen, ebenfalls solche Bücher, Zeitschriften und Zeitungen zu meiden. Aber es geht um etwas ganz anderes, wenn einige Leute andere mit ernsten Repressalien bedrohen, falls sie nicht aufhören sollten, gewisse Schriften und ihre Verleger zu begünstigen. In vielen Ländern fürchten die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger die Möglichkeit eines solchen Boykotts seitens der Gewerkschaften. Sie vermeiden eine offene Auseinandersetzung über die Streitfrage und fügen sich schweigend den Diktaten der Gewerkschaftsführer.

Diese „Arbeiter“-Führer sind viel empfindlicher als die kaiserlichen und königlichen Majestäten vergangener Zeiten. Sie haben keinen Sinn für Scherze. Ihre Empfindlichkeit hat die Satire, die Komödie und die Operette der rechtmäßigen Theater degradiert und den Film in einen Zustand der Sterilität versetzt.

Während des „ancien regime“ hatten die Theater die Freiheit, Beaumarchais’ Verhöhnung der Aristokratie und die unsterbliche von Mozart komponierte Oper aufzuführen. Zur Zeit des zweiten französischen Kaiserreiches parodierte Offenbachs’ und Halevys’ „Großherzogin von Gerolstein“ den Absolutismus, den Militarismus und das Hofleben. Napoleon III. selbst und einige der übrigen europäischen Monarchen fanden Gefallen an dem Theaterstück, das sich über sie lustig machte. Im viktorianischen Zeitalter kam es zu keinem Beschluß Lord Chamberlains, dem die Zensur über die britischen Theater übertragen war, die Aufführung von Gilbert und Sullivans Operette zu verbieten, die sich über alle ehrwürdigen Institutionen des britischen Regierungssystems lustig macht. Edle Lords saßen in den Logen, während der Graf von Montararat sang: „Das Parlament der Edelleute erhob keinen Anspruch, sich durch intellektuelle Eminenz auszuzeichnen.”

In unserem Zeitalter ist es völlig unmöglich, die gegenwärtigen Machtgruppen auf der Bühne zu parodieren. Es werden keine unehrerbietigen Betrachtungen über Gewerkschaften, Genossenschaften, verstaatlichte Unternehmen, Staatshaushaltsdefizite und andere charakteristische Merkmale des Wohlfahrtsstaates geduldet. Die Gewerkschaftsführer und die Bürokraten sind hochheilig. Was der Komödie übriggeblieben ist, sind solche Themen, die die Operette und die leichten Unterhaltungsstücke Hollywoods unausstehlich gemacht haben.

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Aus „Die Wurzeln des Antikapitalismus“ (1958), S. 66-69.


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Ludwig von Mises, geb. 1881 in Lemberg, war der wohl bedeutendste Ökonom und Sozialphilosoph des 20. Jahrhunderts. Wie kein anderer hat er die (wissenschafts)theoretische Begründung für das System der freien Märkte, die auf unbedingter Achtung des Privateigentums aufgebaut sind, und gegen jede Form staatlicher Einmischung in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben geliefert. Seine Werke sind Meilensteine der Politischen Ökonomie. Das 1922 erschienene “Die Gemeinwirtschaft” gilt als erster wissenschaftlicher und umfassender Beweis für die “Unmöglichkeit des Sozialismus”. Sein Werk “Human Action” (1949) hat bei amerikanischen Libertarians den Rang einer akademischen “Bibel”. Mises war Hochschullehrer an der Wiener Universität und Direktor der Österreichischen Handelskammer. Ab 1934 lehrte er am Institut des Hautes Etudes in Genf. 1940 Übersiedlung nach New York, wo er nach weiteren Jahrzehnten der Lehr- und Gelehrtentätigkeit 1973 im Alter von 92 Jahren starb.

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