Das verheerende Treiben der Geldsozialisten

2.9.2016 – Zentralbanken, Zinsen und Zeitpräferenz

von Andreas Tögel.

Andreas Tögel

Der Zins ist von jeher ein Hassobjekt der Linken. Der Zins sei ein Instrument zur Knechtung der Unterprivilegierten, eine Quelle unverdienten Einkommens und Reichtums, etc. Die „Brechung der Zinsknechtschaft“ war daher folgerichtig eines der zentralen wirtschaftspolitischen Ziele der Nationalsozialisten. Gäbe es den Zins nicht – diese vermeintlich perfide Erfindung ausbeuterischer Finsterlinge – die Welt wäre ein besserer Ort.

Regierungen und Zentralbanken haben den Traum der Nationalsozialisten dieser Tage endlich verwirklicht: Sie haben den Zins faktisch abgeschafft. Der Errichtung des Paradieses auf Erden steht daher nichts mehr im Wege.

Aber wie es halt so ist: Ideologen leben bedauerlicherweise in einer Welt jenseits der Wirklichkeit. Sollte sich diese als mit ihren Utopien unvereinbar erweisen, so muss sie – nicht etwa die Utopie – korrigiert werden. Nicht anders verhält es sich mit den erbittert gegen die „Zinsknechtschaft“ kämpfenden Geldsozialisten in Regierungen und Zentralbanken.

Eine bereits in den späten 1960er Jahren in den USA durchgeführte Studie, die als „Marshmallow-Test“  (https://www.randomhouse.de/leseprobe/Der-Marshmallow-Test/leseprobe_9783827500434.pdf) bekannt ist, liefert hochinteressante Einsichten zum Phänomen Zins, indem sie sich völlig unvoreingenommener Probanden bedient: Vorschulkindern. Den Kindern werden zwei Alternativen angeboten: Entweder sie erhalten ein Marshmallow sofort, oder zwei Stück eine Viertelstunde später. Dass rund drei Viertel der Probanden ihre Begierde nicht zügeln konnten und sich für die „Sofortvariante“ entschieden, stellte sich als sehr bedeutsam heraus.

Zunächst aber imponiert die Erkenntnis, dass es sich beim Zins offensichtlich um einen Ausdruck der Zeitpräferenz handelt: Wer bereit und in der Lage ist, temporären Konsumverzicht zu üben, tut das nur dann, wenn er zu einem späteren Zeitpunkt mit zusätzlichem Konsum belohnt wird. Die geforderte Differenz wird umso größer, je weniger leicht das Warten fällt und beläuft sich im vorliegenden Fall auf 100 Prozent. Der Zins als „Entsagungsprämie“. Die Kinder, die vorerst verzichten konnten, entschieden sich aus freien Stücken dazu, lieber den Zins zu kassieren. Fazit: Der Zins ist kein Konstrukt, sondern ein „Naturprodukt“.

Hochinteressant ist das Ergebnis, das die Fortsetzung der Studie erbrachte: Da stellte sich nämlich heraus, dass jene Kinder, die sich im Experiment zum Warten entschließen konnten, in ihrem späteren Leben mehr Erfolg hatten als diejenigen mit einer hohen Zeitpräferenz.

Neuere Studien zeigen, dass das im Marshmallow-Test ermittelte Verhalten ein Ausdruck dafür ist, wie mit gebotenen Chancen umgegangen wird. Personen, die über Ausdauer und Geduld verfügen, sind beispielsweise bereit, lange Ausbildungszeiten in Kauf zu nehmen, um später ein besseres Einkommen zu erzielen. Menschen, die sparsam wirtschaften, können eher ein Vermögen aufbauen, das ihnen später ein Einkommen verschafft, als Konsumtrottel, die jeden eingenommenen Cent sofort wieder verbraten. Eine hohe Konsumneigung ist also alles andere als eine Tugend.

Die Zentralbankpolitik des „billigen Geldes“ fördert indes jenes Verhalten, das der Großteil der kindlichen Probanden im Test an den Tag gelegt hat: Den Wunsch nach sofortiger Wunschbefriedigung. Wozu noch sparen und warten? Der leicht verfügbare Kredit kostet ja fast nichts. Die einst gepflegte Sparkultur wird durch den Schuldenkult ersetzt. Diagnose: Wer spart, ist hoffnungslos vorgestrig. Wer sich dem permanenten Konsum verweigert, ist ein gemeiner Schädling, der das Wirtschaftswachstum in unverantwortlicher Weise bremst. All dieser Unfug findet sich schon in Keynes´ “General Theory“ aus den 1930er-Jahren und bestimmt– allen dadurch initiierten Krisen zum Trotz – bis heute die Geldpolitik rund um den Globus.

Doch die Ökonomie nimmt auf Phantasien romantischer Narren keine Rücksicht. Sie folgt Gesetzen, die nicht per Ukas aus der Welt geschafft werden können. Das oben zitierte Experiment, das danach an anderen Orten mit anderen Probanden – und vergleichbaren Ergebnissen – wiederholt wurde, beweist es. Regierungen und Zentralbanken animieren trotzdem zum sofortigen Konsum und belohnen eine hohe Zeitpräferenz, was nicht ohne Folgen bleibt. Sie schmälern damit nämlich vorsätzlich den wirtschaftlichen Erfolg derjenigen, die der Verlockung des „billigen Kredits“ nicht widerstehen können. Mit Slogans wie „Ich will alles – und das sofort“ und „Anna, den Kredit hamma“ ist der Weg in die Schuldknechtschaft gepflastert – und zwar ganz ohne Zins.

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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