Warum Mileis Kettensäge die falsche Botschaft sendet

Eine „Reform der Denkungsart“ ist erforderlich

15. April 2024 – von Benjamin Mudlack

Benjamin Mudlack

Der im November 2023 gewählte argentinische Staatspräsident und Ökonom Javier Milei bezeichnet sich selbst als Anarchokapitalisten und als Anhänger der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Sein Sinnbild war die Kettensäge. Er hat sich zum Ziel gesetzt, den Staat buchstäblich mit der Kettensäge zurechtzustutzen: Die Staatsquote reduzieren, Steuern senken, Staatsausgaben radikal zurückfahren, Bürokratie eindämmen, Ministerien abbauen, Zentralbank schließen, ein freies Marktgeld ermöglichen und so weiter.

Der Erfolg einer derartigen Reform hängt ab vom Erkenntnisstand der Menschen des jeweiligen Landes. Wenn Milei die Rückendeckung der Bürger nicht genießt, dann werden diese Reformen nicht akzeptiert und er wird sie nicht umsetzen können. Ebenso verhält es sich, wenn Milei wieder abgewählt werden sollte und nach ihm erneut ein Vertreter eines starken Staates, ein Etatist und Kollektivist das Amt übernehmen würde. Dieser Nachfolger würde das Land wieder auf den kollektivistischen Pfad setzten und sämtlich Reformen Mileis rückabwickeln.

Was aus den obigen Zeilen folgt, ist die Tatsache, dass eine Kettensäge nicht reicht, um wirklich langfristig erfolgreich die freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ideen umsetzen zu können. Eine Kettensäge stutzt den Baum lediglich. Wenn der Baum aber von Unkraut und schädlichen Schlingpflanzen befallen ist, dann werden die Unkräuter immer wieder nachwachsen.

Überdies befindet sich der größere Teil eines Baumes unter der Erde. Die Rede ist von den Wurzeln und den Verbindungen des Baumes zu anderen Bäumen und Organismen. Die Gesundheit des Baumes ist zudem abhängig von der Beschaffenheit des Bodens, aus dem er wächst. Ist der Boden „verseucht“ oder verunreinigt, hat der Baum keine Chance, gesund zu bleiben. An dieser Stelle ist die Kettensäge absolut machtlos.

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Freiheit gibt es nicht umsonst. Sie muss immer wieder neu errungen und bewahrt werden

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Die Kettensäge ist daher nicht ausreichend als Werkzeug zur Lösung der vorliegenden Problemstellung. Tragfähige Lösungen zu finden, heißt, dass man den Problemen buchstäblich in der Tiefe auf den Grund geht. In diesem Fall geht man der Ursache an die Wurzel. Es ist erforderlich, den Boden zu kultivieren. Nur dann ist der Boden bereitet, damit neue Bäume gesund und frei wachsen können.

Tragfähige Lösungen zu finden, heißt, dass man den Problemen buchstäblich in der Tiefe auf den Grund geht.

Bei der Frage des Geldwesens oder der nach der optimalen Organisation des menschlichen Zusammenlebens ist der Boden gleichzusetzen mit den Ideen der Menschen, mit ihren grundlegenden Haltungen zu sich und der Welt. Folgen sie den Ideen der freiwilligen Kooperation oder befürworten sie die unter Gewaltandrohung erzwungene Kooperation? Wie halten sie es mit der Aggression, ist die Gretchenfrage, welche Einstellungen und Überzeugungen haben sie zu sich und ihren Mitmenschen?

Um die Leitbilder der freiwilligen Kooperation und der Konsumentensouveränität etablieren zu können, ist es unumgänglich, dass die Menschen durch selbstständiges Denken geleitet werden und sich nicht von Machthabern und deren Propagandisten in geistige Glaubensgefängnisse sperren lassen. Mit Konsumentensouveränität ist die freie Wahlmöglichkeit in sämtlichen Märkten gemeint. Ohne Ausnahme! Besonders wichtig ist die freie Wahlmöglichkeit bei allen Gütern und Dienstleistungen – ob Nahrungsmittel, Häuser, Flugreisen, Geld, Recht, Bildung, Verteidigung etc.

Folgen sie den Ideen der freiwilligen Kooperation oder befürworten sie die unter Gewaltandrohung erzwungene Kooperation?

Der Gewaltmonopolist mit der Letztentscheidungsbefugnis auf seinem Herrschaftsgebiet

Der wichtigste Punkt ist die Ablehnung eines Gewaltmonopolisten, der das Nichtaggressionsprinzip verletzt, also unter Gewaltandrohung friedvolle Menschen zwingt, dies oder das zu tun oder zu unterlassen. Ein solcher Gewaltmonopolist ist der Staat (wie wir ihn heute kennen), und nach meiner Beurteilung ist er ein bedauerliches Relikt der voraufklärerischen Zeit. Besonders problematisch: Der Staat verfügt zudem über das Rechtsprechungsmonopol.

Wenn Sie in Streitfällen den Gewaltmonopolisten verklagen, dann stellt er den Richter. Sie haben also schlechte Chancen auf eine faire Rechtsprechung in allen Konflikten mit dem Gewaltmonopolisten, denn ein Richter urteilt tendenziell eher ungern gegen seinen Arbeitgeber, vor allem, wenn es um grundsätzliche Fragen geht. Wer sägt schon an dem Ast, auf dem er selber sitzt? Darüber hinaus kann der Gewaltmonopolist jederzeit die Grundlage für die Rechtsprechung ohne Ihre Zustimmung ändern. Dass der Staat dadurch immer mächtiger und größer wird, liegt auf der Hand.

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Das staatliche Bildungswesen, bestehend aus schulischer, beruflicher und akademischer Bildung, erzieht die Menschen systematisch zu Etatisten. Das heutige zwangsmonopolisierte Bildungssystem ist elementarer Bestandteil der Gesamtproblematik. Die Ideen der heute lebenden Elterngenerationen wurden in diesem System geprägt, und so verfestigt sich das Weltbild der Menschen von Generation zu Generation. Die staatlichen oder staatlich beeinflussten Medien verfestigen diese Glaubenssätze. Die Menschen sind durch diese Prägung bereit und willens, vom Staat Erzwungenes zu befürworten, ja herbeizusehnen, als gut und richtig anzusehen.

Diese seit langem andauernde geistige Prägung und das damit einhergehende Weltbild der Menschen ruckartig um 180 Grad zu drehen, hat eine geringe Erfolgswahrscheinlichkeit. Es gibt vermutlich viele Menschen, die psychologisch gesehen regelrecht abhängig geworden sind von der Verantwortungsübernahme für ihre Lebensführung durch den Staat. Plötzlich selbst in der Verantwortung zu stehen, würde sie überfordern. Freiheit ist jedoch nur durch die Übernahme von Verantwortung in sämtlichen Lebensbereichen zu erlangen.

Die Auslagerung der Verantwortung an den Staat hat die Menschen in eine extreme Form der Abhängigkeit gebracht. Wenn nun Befürworter der freiwilligen gesellschaftlichen Kooperation an dem Weltbild der Notwendigkeit eines „Allmächtigen Staates“ rütteln, der sich um nahezu alles kümmern muss, dann überschreitet dies die mentale Komfortzone der unselbständig denkenden Menschen. Man merkt dies sofort: Sie sind meist nicht offen für Argumentationen, die an ihrem anerzogenen und immer wieder antrainierten Weltbild rütteln.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass Zwang und Gewalt, die der Staat ausübt, die ihn ausmachen, nur von recht wenigen Menschen noch in Frage gestellt wird. Die hieraus resultierenden Konsequenzen sind vielen Menschen vermutlich nicht bewusst. Sie wurden in eine Welt geboren, in der der Staat als Gewaltmonopolist mit all seiner Dominanz einfach Teil des akzeptierten, nicht weiter hinterfragten Weltbildes ist. Der Staat baut die Straßen, von ihm kommt das Geld, er kümmert sich um die Bildung, um das Gesundheitswesen, die Altersvorsorge und so weiter. Die Liste ist lang und sie wurde über die Jahre immer länger. Für die heute lebenden Generationen sind all diese Narrative so fest verankert in ihren Einstellungen und Überzeugungen wie die Wurzeln eines Baumes in der Erde.

Insofern ist es nur allzu offensichtlich, dass eine Weiterentwicklung zu einer friedlichen Gesellschaft und die Entfaltung der freiheitlichen Ideen vermutlich mehrere Generationen in Anspruch nehmen wird. Das soll uns nicht entmutigen, im Gegenteil! Auch 70-jährige Menschen pflanzen noch Bäume und erfreuen sich heute daran, dass ihre Enkel und Urenkel dereinst die Früchte ernten und im Schatten ihrer Äste sitzen werden.

Insofern ist es nur allzu offensichtlich, dass eine Weiterentwicklung zu einer friedlichen Gesellschaft und die Entfaltung der freiheitlichen Ideen vermutlich mehrere Generationen in Anspruch nehmen wird. Das soll uns nicht entmutigen, im Gegenteil!

Glücklicherweise werden trotz der langen Zeit, die es dauert, bis sie „ausgewachsen“ sind, Bäume gepflanzt. Das sollte auch auf die freiheitlichen Ideen Anwendung finden. Dieser Umstand ist gelebte Demut und gelebte niedrige Zeitpräferenz. Gehen wir also mit gutem Beispiel für die nachfolgenden Generationen voran und kultivieren wir heute den Boden für Bäume, die für die Ideen des Friedens und der Freiwilligkeit stehen, auch wenn wir selbst vielleicht nie im Schatten dieser Bäume sitzen werden.

Der Philosoph der Aufklärung Immanuel Kant (1724 – 1804) schrieb in seiner berühmten Schrift „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ (1784), das „Publikum“ könne nur langsam zur Aufklärung gelangen. Durch Revolution könne man sich zwar „persönlichem Despotismus und gewinnsüchtiger oder herrschsüchtiger Bedrückung“ entledigen, aber durch eine Revolution käme es nicht zu einer „wahren Reform der Denkungsart“.

Vielmehr würden eben „neue Vorurteile“, also falsche Ideen, zusammen mit den alten zu Leitgedanken „des gedankenlosen großen Haufens“. Den Boden für diese „wahre Reform der Denkungsart“, für das „eigene Denken“ zu kultivieren, ist also ein Vorhaben, mit dem wir nicht neu beginnen müssen, sondern das wir in einer langen Tradition fortsetzen. ¡Venceremos!

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Benjamin Mudlack ist gelernter Bankkaufmann und hat an der Fachhochschule Dortmund das Diplom zum Wirtschaftsinformatiker erworben. Er ist Vorstandsmitglied der Atlas Initiative, Mitglied der Friedrich August von Hayek Gesellschaft und begleitet aktiv einige andere freiheitliche Projekte, wie zum Beispiel das jüngst neu gegründete Free Economic Forum.

Benjamin Mudlack ist zudem Autor des im Lichtschlag Verlag erschienen Buches „Geld-Zeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“(*). Neben einigen Interviews sind zahlreiche Artikel von ihm erschienen zum Thema Geld bzw. Geldsystem und Mittelstand, wie beispielsweise im Smart Investor, bei Tichys Einblick oder im Sachwert Magazin.

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