Freie Märkte sorgen für Antifragilität

12.8.2016 – von Harrison Searles.

Obwohl der Begriff der Globalisierung in den späten 1980er Jahren geprägt wurde, handelt es sich mitnichten um ein neues Phänomen. Komplexe, soziale Gefüge hatten schon immer das Bestreben, sich weiter auszudehnen, was jedoch in früheren Zeiten durch geographische und politische Trennung von Räumen nicht immer möglich war. Globalisierung beschreibt also lediglich die moderne Weiterentwicklung dieses Phänomens.

Durch den Brexit kam die Sorge auf, die Globalisierung könnte behindert werden, da die Macht internationaler Organisationen geschmälert würde. Diese Befürchtung resultiert allerdings aus einer falschen Definition des Phänomens der Globalisierung. Globalisierung entsteht nicht durch das Wachsen internationaler Organisationen, sondern vielmehr durch sich vermehrende Verknüpfungen von freien Gesellschaften und Märkten.

Nationale Grenzen sind irreführend

Die Grenzen von Nationalstaaten auf einer Karte zeigen uns nicht die wahre Geographie unserer weltweiten Zivilisation. Sie regen in uns den Gedanken an, dass die Globalisierung durch das Ausdehnen dieser Linien voranschreitet. Wenn man die tatsächliche Geographie an Verknüpfungen darstellen will, ist eine völlig andere Karte notwendig, als die, die man in Klassenzimmern findet.

In seinem kürzlich erschienenen Buch „Connectography“, widmet sich Parag Khanna dieser Problematik. Er legt dar, wie immer umfangreichere Verbindungen die Art und Weise verändern, wie Menschen in ihrem sozialen Umfeld agieren. Nur wenn wir die Sozialgeographie unserer Zivilisation verstehen, können wir die erstaunlichen Folgen der zunehmenden Verknüpfungen auf der ganzen Welt verstehen. Khannas Buch hilft uns, diesen Schritt zu machen.

Da ein Bild bekanntlich mehr als 1000 Worte sagt, zeigt Khanna in seinem Buch eine Reihe von Karten, die zunehmenden Handel und Verknüpfungen auf der ganzen Welt zeigen. Anstatt die Menschheit als eine Anzahl von Individuen zu verstehen, spricht er von einem globalen Netzwerk und zeigt die Auswirkung des Wachstums dieses Netzwerkes.

Eine Karte, die nur Nationalstaaten abbildet, verschleiert die unzählige Anzahl von Verbindungen, die über die reine Geographie hinausgehen und eine globale Gesellschaft erschaffen. Noch vor einem Jahrzehnt war das unbestreitbare Merkmal der Globalisierung, dass die Güter für die Menschen der westlichen Welt über den ganzen Globus verteilt produziert wurden. Heute verstehen wir unter Globalisierung mehr als das. Jeder Mensch ist in der Lage, weltweit soziale Kontakte zu knüpfen. Der Grund für diesen Fortschritt liegt nicht in der Ausbreitung transnationaler Organisationen, er wurde im zivilen Sektor und im freien Markt erzielt.

Im Zuge des Brexit haben viele Kommentatoren argumentiert, eine Stimme für „Leave“ sei eine Stimme gegen einen weiteren Fortschritt der Globalisierung. Sowohl Larry Elliott vom „Guardian“ als auch Carmen Reinhart im „Project Syndicate“ vertraten diese Meinung. Besonders Larry Elliott sah im Brexit eine Ablehnung der Politik der zunehmenden Globalisierung der letzten 30 Jahre. In Wahrheit wurde politische Einflussnahme mit zunehmender Globalisierung jedoch, so Khanna, immer bedeutungsloser. London zum Beispiel ist nicht durch die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU eine Drehscheibe der weltweiten Zivilisation geworden, sondern durch den Zusammenfluss von Personen-, Gütern und Geldströmen.

Jeden Tag werden über 3 Billionen Euro am Londoner Devisenmarkt gehandelt, der Londoner Zinsderivatemarkt hat ein Volumen von 1 Billion Euro und 200.000 Menschen landen auf dem Flughafen in Heathrow. Das hat nichts mit Großbritanniens Mitgliedschaft in der EU oder einer anderen Organisation zu tun, sondern resultiert aus Londons Rolle als globale Drehscheibe für Finanzen und Reisen.

Trägheit bedeutet Fragilität

Anstatt den Rückgang der Globalisierung zu zeigen, enthüllt er vielmehr die fragile Natur der politischen Lage. Obwohl Großbritannien eigentlich die Freiheit hat, jede integrierende Verbindung mit dem Rest der Welt jederzeit einzugehen und aufzulösen, stellt sich dieser Fall, im konkreten Beispiel der EU, schwieriger da. Auch wenn die Briten die Vorteile der Union nutzen wollten, war es ihnen, bedingt durch die Struktur der europäischen Union, nicht möglich, über eine individuelle Lösung zu verhandeln. Dies resultierte in einem hart umkämpften Referendum, welches beinahe die Hälfte der Bevölkerung frustriert zurückließ.

Die Tragödie hinter dem Brexit ist, dass wirklich niemand, weder die „Remain“ noch die „Leave“ Kampagne, die Konsequenzen eines Verbleibens bzw. eines Ausscheidens aus der EU kannte. Der Erfolg der Leave-Kampagne hing im großen Umfang von der Fähigkeit ihrer Befürworter ab, zukünftige Entwicklungen zu zeigen. Wie Nassim Taleb in seinem Buch Antifragilität zeigt, sind diese Arten von Strategien gefährlich, da jede Abweichung von den Voraussagen mehr Schaden als Nutzen bringt.

Jede mögliche Abweichung nimmt den Parteien ihre Argumentationsgrundlage und schwächt ihre Position. Viele der Technokraten, die vor einem Brexit warnten, sind dieselben, die schon für einen europaweiten Euro und den Irakkrieg eintraten.

Fluidität bedeutet Elastizität

Während Verbindungen auf multinationaler Ebene, wie die Europäische Union, fragil sind, sind die des freien Marktes laut Nassim Taleb „antifragil“. Der freie Markt ist weitestgehend befreit von störenden Fehlfunktionen, die aus staatlichem Handeln resultieren. Es ist ein System, in dem es Unternehmen erlaubt ist, eigene Ideen zu verfolgen.

Auch wenn der Großteil dieser Ideen scheitert, selektiert der freie Markt die Lösungen heraus, die die Probleme und Bedürfnisse der Menschen befriedigen. Zwar sind die Pläne des Individuums fragil, in ihrer Gesamtheit aber sorgen sie für Stabilität im System. Während die staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik gezwungen ist, ihrem Plan zu folgen, werden im freien Markt die besten Pläne von einer größeren Anzahl von Menschen herausselektiert.

Diese Antifragilität findet man auch bei den Beziehungen, die die Globalisierung vorantrieben. Weder Referenden noch Gesetzgebung haben einen Einfluss auf die Interaktionen von Menschen. Menschen haben die Freiheit, ihre eigenen Wege zu gehen. Sie trennen die Verbindungen, die sie nicht mögen, und gehen dafür neue ein. Im freien Markt entscheiden Akteure jeden Tag neu, um ihre Situation verbessern. Ihre Auswahl unterschiedlicher Optionen führt zur Entstehung immer besserer Lösungen. Das „Trial- and Error“ Prinzip ermöglicht dem freien Markt, die besten Möglichkeiten der Konfiguration dieser Lösungen zu wählen und unsere globale Zivilisation zu definieren.

Evolution, nicht menschliche Planung, regelt Globalisierung. Wenn auch aktuell der Fokus auf die Auswirkungen staatlichen Handelns gelegt wird, gilt weiterhin, dass der freie Markt die Globalisierung bestimmt.

Hoffentlich wird das Wachstum dieser wahren Verbindungen immer mehr die Rolle, die staatliches Handeln in unserem Leben spielt, beschränken und, was auch immer der Brexit bringen wird, die menschliche Spezies mehr und mehr in eine globale Zivilisation wandeln.

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Aus dem Englischen übersetzt von Martin Ziegner. Der Originalbeitrag mit dem Titel How to Map an Interconnected, Antifragile World ist am 22.7.2016 auf der website der Foundation of Economic Education erschienen.

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Harrison Searles ist Almunus des Mercatus Center MA Fellowship an der George Mason University und studierte Volkswirtschaft und Philosophie an der University of Massachusetts Amherst.

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