Inquisition gegen Google

20.5.2016 – Die Attacke der EU-Kommission auf Google ist ein Angriff auf den Wettbewerb – aus tief verwurzelter Feindseligkeit gegenüber allem Wettbewerb.

von Philipp Bagus.

Philipp Bagus

Die Inquisitoren ziehen die Daumenschrauben an. Die EU-Kommission will das Wettbewerbsverfahren gegen Google verschärfen. Googles Betriebssystem Android kommt bei mobilen Geräten auf einen Marktanteil von 80 Prozent. Die Kommissare erheben drei Vorwürfe gegen Google:

  • Erstens „zwinge“ Google die Produzenten von Handys und Tablets dazu, einige seiner Apps wie Play Store oder Google Maps vorzuinstallieren.
  • Zweitens ließe es Google nicht zu, dass Hardwareproduzenten von Dritten entwickelte Android-Versionen installierten.
  • Drittens zahle Google den Produzenten bedeutende Summen, damit sie exklusiv die Google-Suchmaschine auf ihren Geräten installierten.

In den Augen der Kommission verhindert Google auf diese Weise, dass die Apps, Betriebssysteme und Suchmaschinen anderer Anbieter mit Google auf völlig ebenem Terrain konkurrieren könnten. Das Sanktionieren Googles könnte 6 Milliarden Euro übersteigen.

Wie konnte es so weit kommen? Grundsätzlich gibt es zwei entgegengesetzte Konzeptionen des Wettbewerbs. Die erste betrachtet den Wettbewerb als einen Prozess der Rivalität von Geschäftsmodellen. Wenn es keine staatlichen Eintrittsschranken in einen Markt gibt, bedeutet ein hoher Marktanteil eines Unternehmens, dass dieses die Konsumentenwünsche besser und günstiger befriedigt hat, als es seine Rivalen vermochten. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt. Denn das Unternehmen wird seine Position nur halten können, wenn es ihm weiterhin gelingt, ein besseres Produkt oder Gesamtpaket als seine Rivalen anzubieten. Aus Sicht der Konsumenten sollten diese besonders erfolgreichen Unternehmen mit Bundesverdienstkreuzen dekoriert werden.

Dem gegenüber steht die Konzeption des Wettbewerbs als einer Situation, in der viele Unternehmen mit geringen Marktanteilen das gleiche Produkt zum gleichen Preis anbieten. Der Marktprozess wird angehalten und die Situation betrachtet. Hat ein Unternehmen einen sehr hohen Marktanteil, weil es ihm gelungen ist, besser als seine Rivalen die Konsumenten zu befriedigen, wird ihm nach dieser Konzeption kein Verdienstkreuz verliehen. Im Gegenteil wird das erfolgreiche Unternehmen von den „Wettbewerbshütern“ verfolgt. Die inkompetenten Rivalen applaudieren. Oft initiieren und forcieren sie die Verfolgung.

Die EU-Kommission hat sich letztere Wettbewerbskonzeption zu eigen gemacht. So hüten die modernen „Wettbewerbshüter“ die Inkompetenz. Sie schützen nicht die Konsumenten vor der Ausbeutung. Vielmehr schützen sie kleinere Unternehmen vor der überlegenen Konkurrenzfähigkeit größerer Unternehmen. Der beste Schutz des Wettbewerbs ist aber nicht, die konkurrenzfähigen Unternehmen anzugreifen, damit die inkompetenten triumphieren, sondern staatliche Barrieren zu beseitigen, sodass neue kompetitivere Geschäftsmodelle entstehen können. Anstatt die konkurrenzfähigsten Geschäftsmodelle zu verbieten, sollten staatliche Regulierungen und Privilegien gekappt werden.

Wettbewerb bedeutet das Schaffen eines Leistungsspektrums, ja einer ganzen Leistungswelt, die für die Konsumenten zu niedrigeren Preisen mehr Wert generiert als Konkurrenzwelten. Es geht im Wettbewerb nicht darum, homogene Produkte zu identischen oder leicht niedrigeren Preisen an den Markt zu bringen. Wettbewerb bedeutet vielmehr, dem Nutzer kontinuierlich ein immer wertvolleres Gesamt­erlebnis zu geringeren Kosten zu ermöglichen. Unternehmen brauchen Freiheiten, um neue Geschäftsmodelle und Nutzungserlebnisse zu entwickeln und stetig zu verbessern und so ihre Wettbewerbsposition zu stärken.

Die Attacke auf Google ist letztlich ein Angriff auf den Wettbewerb. Man fragt sich, warum Apple eigentlich noch nicht im Fokus der „Wettbewerbshüter“ steht. Denn auf allen iPhones und iPads wird außer iOS kein anderes Betriebssystem zugelassen. Apps wie Safari oder der Onlineshop iTunes werden vorinstalliert. Schränkt Apple durch das Verbot alternativer Betriebssysteme und die Installation von iTunes auf seinen Geräten nicht auch den Wettbewerb ein? Wahrscheinlich ist Apple noch nicht ins Visier der Wettbewerbskiller geraten, weil sein Marktanteil von 15 Prozent viel geringer als der von Googles Android ist.

Stellen wir uns vor, dass Apple seine Leistungswelt unverändert lässt, dass die Konsumenten beginnen, diese höher zu schätzen und sich massiv der Apple-Welt zuwenden, sodass Apples Marktanteil explodiert und Apple zum dominanten Unternehmen im Handy- und Tabletmarkt aufsteigt. Dann hätte nach der Logik der EU-Kommission Apple seine dominante Marktposition ausgenutzt und mit wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen Rivalen zum Schaden der Konsumenten unfair aus dem Markt gedrängt, obwohl Apple gar nichts anderes gemacht hätte, als es heute schon macht.

Apple würde dann von den Kommissaren gezwungen, seine digitale Leistungswelt auseinanderzuzerren und zu zerstören. Es müsste erlauben, dass auf iPhones und iPads andere Betriebssysteme als iOS liefen, und dürfte keine Apps mehr vorinstallieren. Ein Wahnsinn. Denn Applenutzer schätzen ja gerade die einzigartige integrierte Apple-Welt. Die Käufer wollen die Ganzheit des Produktes, Hardware und Software mit ihrer Qualität, Funktionalität und Kohärenz. Wenn die Kunden diese Ganzheit der Apple-Welt schätzen, warum sollen sie sich nicht weiterhin daran erfreuen dürfen – egal ob der Marktanteil 15 Prozent oder 80 Prozent ist?

Warum gilt nicht das Gleiche für Google, das mit den Produzenten verhandelt, sein Betriebssystem und Apps auf der Hardware vorzuinstallieren, und somit seine Leistungswelt, die Google-Welt, gegen Rivalen verteidigt? Wenn Apple seine Welt komplett abschottet, warum kann Google keine halboffene haben?

Google zerstört durch seine Maßnahmen nicht den Wettbewerb, Google konkurriert. Warum wirft die EU-Kommission den fähigsten Wettbewerbern Knüppel zwischen die Beine? Weil die Kommissare es nicht ertragen können, dass in der digitalen Ära die US-amerikanischen Unternehmen triumphieren und die EU-europäischen auf der Strecke bleiben. Doch statt Facebook, Twitter, Uber, Amazon und Google durch Geldbußen zu dekapitalisieren und aus dem Markt zu regulieren, sollten sich die Kommissare besser einmal fragen, warum diese Unternehmen in Kalifornien und nicht in Europa entstanden sind. All diese Unternehmen stehen für Silicon Valley. Warum gibt es kein Silicon Valley in Europa? Silicon Valley steht für finanzielle und regulatorische Freiheiten ebenso wie für Bildungsfreiheit. Ein freies Bildungssystem, niedrige Steuern, die Sparen und Investieren fördern, und ein Ende erdrückender Regulierungen würden die Wettbewerbsfähigkeit Europas enorm stärken.

Leider ist die Feindseligkeit gegenüber dem Wettbewerb in der EU tief verwurzelt. Sie trifft nicht nur Unternehmen, sondern auch ganze Staaten. Institutioneller Wettbewerb wird nicht gefördert, sondern bekämpft. Kompetitivere Staaten mit niedrigeren Steuern, Defiziten, Schulden und Leistungsbilanzüberschuss sollen geschwächt werden. So klagen die inkompetenteren EU-Staaten, Deutschland sei zu wettbewerbsfähig. Sie fordern von Deutschland höhere Lohnabschlüsse, höhere Staatsausgaben und Defizite sowie eine Vergemeinschaftung von Schulden und Bankrisiken. Aber auch auf Staatenebene gilt: Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand für alle entstehen in Freiheit und nicht durch eine Inquisition gegen die Fähigsten zum Schutz der Inkompetenten.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in “DER HAUPTSTADTBRIEF” – Ausgabe 136.

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Philipp Bagus ist Professor für Volkswirtschaft an der Universidad Rey Juan Carlos in Madrid. Zu seinen Forschungsschwerpunkten Geld- und Konjunkturtheorie veröffentlichte er in internationalen Fachzeitschriften wie Journal of Business Ethics, Independent Rewiew, American Journal of Economics and Sociology u.a.. Seine Arbeiten wurden ausgezeichnet mit dem O.P.Alford III Prize in Libertarian Scholarship, dem Sir John M. Templeton Fellowship und dem IREF Essay Preis. Er ist Autor eines Buches zum isländischen Finanzkollaps (“Deep Freeze: Island’s Economics Collapse” mit David Howden). Sein Buch “Die Tragödie des Euro” erscheint in 14 Sprachen. Philipp Bagus ist ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des “Ludwig von Mises Institut Deutschland”. Hier Philipp Bagus auf Twitter folgen. Im Mai vergangenen Jahres ist sein gemeinsam mit Andreas Marquart geschriebenes Buch “WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN … und welche Rolle der Staat und unser Papiergeld dabei spielen” erschienen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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