Über die Renaissance des Sozialismus (Teil 2)

26. November 2021 – von Jörg Guido Hülsmann

[Die vorliegende Schrift ist die Ausarbeitung eines Vortrags, den er am 9. Oktober 2021 auf der Jahrestagung des Mises Institut Deutschland gehalten hat.]

Teil 1 von 2 dieses Artikels erschien bereits am 19. November 2021. Teil 1 endete mit folgender Fragestellung:

Jörg Guido Hülsmann

Aber wie und warum vermochte der Sozialismus sich auch nach 1991 noch zu behaupten? Wie konnte er den Zusammenbruch der Sowjetunion überstehen? Wie konnte er nur dreißig Jahre später wie ein Phönix aus der Asche steigen? Wie kommt es beispielsweise, dass heute zwei Drittel aller jungen Briten bekunden (Niemitz 2021), dass sie gerne in einem sozialistischen System leben wollten?

Im Folgenden wollen wir fünf Faktoren besprechen, die bei dieser Entwicklung von einiger Bedeutung waren: Staatsapparate, private Stiftungen, die Anhäufung von Staatseingriffen, falsche Ideen und die Abkehr vom Christentum.

1. Staatsapparate

Eine äußerst wichtige Triebkraft der sozialistischen Renaissance war das ständige Wachstum der staatlichen Organisationen. Dazu zählen auch alle Organisationen, die weitgehend vom Staat oder dank staatlicher Gewalt finanziert werden. Zum Beispiel sind die sogenannten öffentlich-rechtlichen Medien staatliche Organisationen in unserem Sinne. Dagegen sind die sogenannten „sozialen Netzwerke“ Mischformen. Zwar haben sie bedeutende staatliche Unterstützung erhalten (bei der Gründung und beim Ausbau der Internet-Infrastruktur). Doch sie finanzieren sich auch durch Werbung und haben zumindest bislang keinen Zwangscharakter.

Der Sozialismus entwächst den bereits jetzt existierenden staatlichen Organisationen. Die entscheidende Bedeutung dieses Zusammenhanges ist von liberalen und konservativen Theoretikern immer wieder unterstrichen worden. Bereits kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde er von David Frum (1994) erneut zum Ausdruck gebracht, indem er ein Bonmot des damaligen Präsidenten Clinton abwandelte: „Dummchen, das Staatswachstum liegt am allgegenwärtigen Staat!“ (It’s Big Government, stupid!). Viele andere Ökonomen, Historiker, Soziologen und Politologen haben ins gleiche Horn geblasen (siehe insbesondere Murray Rothbard 2014 [1974], Dennis O’Keeffe 1999, Robert Higgs 2004, 2012, 2013 [1987], Sean Gabb 2018 [2007], Hans-Hermann Hoppe 2021 [2012] und Paul Gottfried 2016).

Ein Ministerium, eine Behörde oder ein staatlich subventionierter Fernsehsender gehören nicht in vollem Umfang zum wettbewerblichen Miteinander der gewöhnlichen Gesellschaft. Für sie gelten Sonderregeln. Sie finanzieren sie sich aus Steuern und anderen Zwangsbeiträgen. Sie leben buchstäblich auf Kosten der anderen. Daraus entspringen zwei Folgen, die für die Renaissance des Sozialismus wichtig sind.

… staatliche Organisationen [sind] ständig genötigt, ihre privilegierte Existenz zu rechtfertigen.

Zum einen sind staatliche Organisationen ständig genötigt, ihre privilegierte Existenz zu rechtfertigen. Das bedeutet wiederum, dass sie einen besonderen Bedarf an intellektueller Zuarbeit haben. Gute Schuster und gute Bäcker haben es nicht nötig, ihre Kunden mit wortreichen Theorien zu überzeugen. Ihre Dienste sprechen für sich. Aber die Schaffung und Erhaltung eines staatlichen Währungssystems oder eines staatlichen Rentensystems erfordert ständigen Wortschwall, um die murrigen Steuerzahler, Rentner und Geldbenutzer ruhig zu stellen.

Zum anderen haben diese intellektuellen Zulieferer häufig eine persönliche Agenda. Staatliche Organisationen sind nämlich unwiderstehliche Anziehungspunkte für ideologische Weltverbesserer aller Art. Das wird deutlich, sobald wir uns vor Augen führen, was eine wirkliche Weltverbesserung bedeutet.

Jeden Tag bringen privatrechtlich geführte Firmen und gemeinnützige Vereine neue Produkte und neue Dienste hervor – tausend kleine Weltverbesserungen. Aber diese Leistungen fügen sich in das vorhandene soziale Geflecht ein. Sie sind ein Beitrag unter Berücksichtigung der Zielsetzungen und individuellen Befindlichkeiten aller anderen Leute. Sie bestehen im Wettbewerb. Dagegen will sich der ideologische Weltverbesserer gerade nicht um die Befindlichkeiten anderer Menschen scheren. Das aber ist ihm nur dann möglich, wenn sein eigenes Einkommen nicht von jenen anderen abhängt, und wenn seine Pläne auch gegen den Willen der anderen durchgeführt werden können. Genau das ermöglicht ihm aber der Staat, insbesondere der republikanische Staat.

Der liberalen Staatstheorie zufolge soll der republikanische Staat ja eigentlich keine eigene Agenda verfolgen. Er soll nicht privat, sondern öffentlich sein, soll nur die Rahmenbedingungen für das freie gesellschaftliche Miteinander bereitstellen. Doch diese Theorie stößt sich am horror vacui. Herrenlose Güter werden früher oder später in Besitz genommen. Auch ein herrenloser „öffentlicher“ Staat wird früher oder später in Besitz genommen. Die Geschichte der letzten zweihundert Jahre zeigt, dass diese Inbesitznahme nicht unbedingt durch Staatsstreich oder Eroberung erfolgen muss. Sie kann auch aus dem Innern des Staates herauswachsen. Das Hauspersonal, die Diener des Staates, können sich zu dessen Herren machen (Benda 2013 [1927], Lasch 1994).

Herrenlose Güter ziehen Menschen magisch an. Ein herrenloser Staat zieht ideologische Weltverbesserer magisch in den Staatsdienst. Sie versuchen, den öffentlichen Raum zu privatisieren, zum Instrument ihrer Anliegen umzubilden. Anfangs besteht unter ihnen vielleicht keine Einigkeit, aber irgendwann erlangen die am besten organisierten und vernetzten Gruppen die Oberhand. Der Soziologe Robert Michels (1910) nannte diesen Mechanismus das Eiserne Gesetz der Oligarchie.

Die bürokratische Oligarchie kann Personalentscheidungen im Sinne ihrer Ideologie beeinflussen. Ihr Ministerium wird zu „ihrem“ Ministerium (bzw. ihrer Schule, ihrer Universität etc.). Es wird zu einem ideologischen Staatsapparat im Sinne von Louis Althusser (1976), denn durch Werbeaufträge an die Privatwirtschaft, durch Gebote und Verbote an Unternehmen und Haushalte kann es seine Ideologie nun auch nach außen tragen.

Man beachte, dass die bürokratische Oligarchie nur eine kleine Minderheit ist. Das erklärt, warum die Ideologie der Oligarchen typischerweise eine sozialistische Ideologie ist. Nur dort, wo Privateigentum vorliegt, ist es einer Minderheit nämlich möglich, irgendetwas zu unternehmen, das anderen Menschen missfällt oder missfallen könnte. Doch die Oligarchen eines republikanischen Staatswesens können keine Eigentumsrechte geltend machen. Der Staat gehört ihnen nicht – sie lenken ihn nur. Aber um ihn kostengünstig lenken zu können, müssen sie vermeiden, dass die gelenkte Mehrheit ihnen Widerstand leistet. Das ist am einfachsten durch eine sozialistische Ideologie möglich. Slogans wie „wir regieren uns selbst“ vertuschen die wirklichen Herrschaftsverhältnisse.

Ein klassischer Fall ist das französische Bildungsministerium, das nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Koalition aus Kommunisten und Christdemokraten übernommen wurde. Die Professoren Paul Langevin und Henri Wallon (beide Mitglieder der kommunistischen Partei) verfolgten in diesen Jahren eine Strategie der Zentralisierung und Homogenisierung aller weiterführenden Schulen sowie einer Herabstufung der Zugangsvoraussetzungen zu allen weiterführenden Schulen (Girault J 2002, Clavel 2012, Viguerie 2016). Mit Hilfe ihrer Verbündeten besetzten sie langsam, aber stetig alle Schlüsselpositionen des Ministeriums mit ihren Leuten und bauten es zudem stark aus. Damit machten sie „ihr“ Moinisterium reformresistent. Kein bürgerlicher Minister hat in der Folgezeit jemals gewagt, das Ministerium neuzugründen, um es wieder „öffentlich“ zu machen. So blieb es bis heute im Erbbesitz der Kommunisten. Die vermeintlichen Diener des Gemeinwesens wurden zu den eigentlichen Herrschern, an denen sich die gewählten Volksvertreter die Zähne ausbeißen.

Das betrifft nicht nur das französische Bildungsministerium. Die gleiche Tendenz ist in allen öffentlichen Einrichtungen in allen Ländern wirksam. Präsident Trump hatte das vor seiner Wahl 2016 nicht verstanden. Mittlerweile ist er schlauer, aber das Problem bleibt.

Die Staatsapparate sind häufig die ersten Orte, an denen es zur Umsetzung sozialistischer Reformen kommt. In der Vergangenheit dienten sie als Labor für die teuren sozialistischen Reformen des Arbeitsrechts (Quoten bei der Besetzung von Beamtenstellen, Urlaubsregelungen usw.), für die typisch sozialistische Gängelung der Sprache (Politische Korrektheit) und für die Gleichschaltung des Denkens und Handelns.

In den letzten dreißig Jahren haben internationale Bürokratien eine wachsende Rolle bei der Weltverbesserung im Zeichen des Sozialismus gespielt. Zwischenstaatliche Organisationen wie die EU, UNO, WHO, IWF usw. dienten immer schon als Auffangbecken für intelligente Radikale, die in der nationalen Politik keinen Platz fanden. Aber der Einfluss dieser Leute ist in den letzten Jahren beachtlich gestiegen, da sie eine Schlüsselrolle bei der Vertuschung interventionistischer Fehlleistungen spielen konnten.

Das erklärt sich wie folgt: Zwar kann der Staat, der über Medien und Bildung herrscht, sein Versagen schönreden und wegreden. Aber Gerede hilft nichts, wenn die Bürger mit eigenen Augen sehen, wie die Dinge im Ausland stehen. Der Wettbewerb der politischen Alternativen ist ein schonungsloser Vergleich, und er zeigt ein ums andere Mal, dass Sozialismus und Interventionismus nicht funktionieren. Daher der Drang aller Sozialisten, möglichst alle Alternativen von vorneherein auszuschließen. Dazu dient vor allem auch die sogenannte „internationale Zusammenarbeit“ und die Abschaffung des Nationalstaates zugunsten von internationalen Organisationen. Durch möglichst einheitliches Vorgehen wird vermieden, dass die Bevölkerung auf den Gedanken kommen könnte, es gäbe politische Alternativen und vielleicht sogar bessere Alternativen.

Auch die Bedeutung der Geheimdienste kann nicht genug unterstrichen werden. Ihnen wohnen aus den bereits genannten Gründen die gleichen sozialistischen Tendenzen inne, die wir auch bei allen anderen Bürokratien erkennen können. Hinzu kommt aber der Mantel der Geheimhaltung, der für die sozialistische Agitation besonders günstig ist, v.a. solange die Sozialisten noch eine gesellschaftliche Minderheit sind. Zudem verfügen Geheimdienste über z.T. ganz erhebliche Mittel, die praktisch keiner öffentlichen Kontrolle unterliegen.

2. Eigentümerlose Stiftungen

Ähnliches gilt für die großen privatrechtlichen Stiftungen (Rockefeller, Ford, Bertelsmann, Gates usw.). Zwar werden diese Organisationen i.d.R. nicht selber durch Steuergelder finanziert, aber insbesondere die US-amerikanischen Stiftungen haben einen entscheidenden Beitrag zur Renaissance des Sozialismus geliefert, und zwar aus drei hauptsächlichen Gründen.

Erstens sind die leitenden Angestellten solcher Einrichtungen ständig auf Suche nach Selbstbestätigung und Selbstrechtfertigung, und sie neigen daher zum Aktivismus.

Die Selbstrechtfertigung einer Stiftung ist vor allem dann erforderlich, wenn die Satzung keinen eindeutigen Stiftungszweck vorsieht. Die großen US-amerikanischen Stiftungen dienen allgemeingehaltenen Zielen wie „dem Fortschritt“ oder „der Menschheit“. Worthülsen dieser Art müssen natürlich mit konkreten Inhalten gefüllt werden, und hier kommen dann wieder die ideologischen Zulieferer ins Spiel, genau wie im Fall der staatlichen Bürokratien.

Ideologische Weltverbesserer finden in den großen Privatstiftungen zumal dann ein ideales Tummelfeld, wenn der Stifter den vermeintlichen „Experten“ freien Lauf lässt und ihnen die Verwaltung seines Vermögens rückhaltlos anvertraut. Die leitenden Kräfte einer solchen eigentümerlosen Stiftung unterliegen dann sogar geringeren Einschränkungen als ihre Kollegen in den staatlichen Ämtern. Während die hohen Beamten immerhin noch der gewählten politischen Führung gegenüber verantwortlich sind (auch wenn diese Verantwortlichkeit aus den o.g. Gründen gering ist), sind die Direktoren und Aufsichtsräte der Privatstiftungen unter sich. Niemand kommt ihnen in die Quere – niemand, den sie nicht selber in ihren Kreis aufgenommen haben.

Am Ende setzen sich jedoch mit schöner Regelmäßigkeit die am besten organisierten und vernetzten Gruppen durch.

Eigentümerlose Privatstiftungen werden daher über kurz oder lang in den Dienst jener Ideologien gestellt, die bei den leitenden Experten hoch im Kurs stehen. Genau wie bei den staatlichen Einrichtungen kann es vorübergehend Rivalitäten unter den führenden Kräften geben. Am Ende setzen sich jedoch mit schöner Regelmäßigkeit die am besten organisierten und vernetzten Gruppen durch. Ihre Vorstellungen bestimmen von nun an das Stiftungsgebahren.

Diese Vorstellungen stehen jenen der Stifter häufig diametral entgegen (Ferguson 2021). Der wichtigste Grund für diesen Gegensatz ist m.E. darin zu sehen, dass die Stifter sich nicht mehr beweisen müssen und übermäßigen Aktivismus ihrer Stiftung auch aus anderen Gründen ablehnen. Sie wissen um die Wichtigkeit des freien Wettbewerbs. Sie wissen, dass übermäßige Zuschüsse von Stiftungsgeld die Empfänger zu Faulheit und Frivolität verführen können. Zwar wollen sie anderen helfen. Aber sie wollen vor allem, dass diese anderen sich selbst zu helfen wissen.

Ganz anders stehen die Dinge im Fall der vermeintlichen Experten, die die Stiftungen leiten. Im Gegensatz zu den Stiftern haben sie noch nicht zeigen können, dass sie selber Großes leisten können. Die Entscheidungsgewalt über die Stiftung gibt ihnen nun jedoch die Möglichkeit, der Welt ihren Stempel aufzudrücken. Diese Versuchung ist für die meisten einfach zu groß. Wer über große Mittel frei verfügen kann, der kann es sich zur Aufgabe machen, die Welt nach seinem Gusto zu verbessern.

Die Geschichte des US-amerikanischen Stiftungswesens liefert zahlreiche und gut dokumentierte Fälle dieser Tendenz (Nielsen 2017). Gerade die größten amerikanischen Stiftungen des 20. Jh. (Ford und Rockefeller) haben sich bereits in den 1950er und 1960er Jahren die Veränderung der amerikanischen Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben (Mac Donald 1996, Finn 1998). Solcher Aktivismus ist mehr oder weniger zwangsläufig, wenn man ideologischen Weltverbesserern freien Lauf lässt und ihnen auch noch eine gut gefüllte Kasse übergibt.

Eine ganz ähnliche Wirkung hat, zweitens, die Zusammenarbeit der Privatstiftungen mit staatlichen Organisationen. Konkret bedeutet das die gemeinsame Verfolgung gleicher Ziele, die Bündelung privater und staatlicher Mittel und den Austausch von Personal. Die privaten Stiftungen geraten somit in den ideologischen Einzugsbereich der staatlichen Einrichtungen (Mises 1997 [1944]); und die staatlichen Einrichtungen werden vom „managerialen“ Geist (Gottfried 2001) der Privatstiftungen erfasst.

Die Privatstiftungen mögen die Partnerschaft des Staates aus Prestigegründen und zur „Hebelung“ ihrer eigenen Aktivitäten. Ein Beispiel unter vielen: Die Ford-Stiftung hatte die Grundprinzipien des späteren amerikanischen Wohlfahrtsstaates bereits in den 1950er entwickelt und in kleinem Rahmen finanziert. Aber zur großflächigen Anwendung fehlten die Mittel. Die wurden erst lockergemacht, als der US-Präsident Johnson das Ford-Modell übernahm und mit Hilfe von Steuergeldern im ganzen Land einführte.

Auch dem Staat ist diese Partnerschaft sehr willkommen, denn auch seine Bürokraten fühlen sich durch den freundlichen Widerhall und die tatkräftige Unterstützung aus der (von Stiftungsgeldern finanzierten) potemkinschen „Zivilgesellschaft“ bestätigt.

Drittens verführt die Kombination von großspurigen Zielsetzungen und enormen finanziellen Mitteln dazu, große und gut sichtbare Projekte zu unterstützen. (Die gleiche Tendenz besteht auch aus Kostengründen. Für eine Privatstiftung ist es i.d.R. billiger, wenige Großprojekte zu finanzieren, als tausende von kleinen Initiativen.) In jedem Fall müssen diese Großprojekte langfristig geplant und zentral gesteuert werden. Die Führung von Großstiftungen geht daher typischerweise einher mit einem Blickwinkel auf Wirtschaft und Gesellschaft, der dem Blickwinkel einer Zentralplanungskommission recht ähnlich ist. Ganz ähnlich liegt der Fall von anderen Großunternehmen.

Die Führungskräfte großer Organisationen können auf diese Weise einer besonderen Art von Verblendung erliegen, die wir die Rathenau-Verblendung nennen wollen, in Anlehnung an jenen großen deutschen Industriellen, der zu Beginn des 20. Jh. mit der sozialistischen Planwirtschaft geflirtet hatte. Die Rathenau-Verblendung besteht darin, zwischen der privatwirtschaftlichen Planung sehr großer Betriebe und der Zentralplanwirtschaft ganzer Volkswirtschaften nur einen graduellen Unterschied sehen zu wollen. In der Tat liegt hier jedoch ein kategorialer Unterschied vor. Rationale Wirtschaftsplanung vollzieht sich stets innerhalb einer auf Privateigentum und Geldtausch beruhenden Ordnung. Es ist diese Ordnung, die die zahlreichen Einzelpläne orientiert und miteinander koordiniert. Ludwig von Mises hat uns gelehrt, dass die Rationalität des Wirtschaftens immer und überall in einer einzelwirtschaftlichen Perspektive verwurzelt ist und die privatrechtliche Gesellschaftsordnung voraussetzt. Dagegen besteht die sozialistische Grundidee gerade darin, jene übergeordnete Ordnung abzuschaffen und durch eine Kopfgeburt zu ersetzen. Aber wer das unternimmt, sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Statt das rationale Wirtschaften zu erleichtern, macht er es unmöglich. Genau das hat Mises vor hundert Jahren bewiesen.

In den letzten siebzig Jahren waren die großen US-amerikanischen Privatstiftungen die wichtigsten Triebkräfte des Sozialismus, wichtiger sogar noch als die staatlichen Bürokratien. Ähnliches lässt sich auf dieser Seite des Atlantiks über die Bertelsmann-Stiftung und andere deutsche Stiftungen sagen. Auch sie sägen sehr genüsslich am kapitalistischen Ast, der uns alle trägt.

3. Sozialismus als unbeabsichtigte Folge von gehäuften Staatseingriffen

Weiter oben haben wir darauf verwiesen, dass Ludwig von Mises bereits in den 1920er Jahren die innere Logik von Staatseingriffen seziert hat. Er wies nach, dass jeder Eingriff zweckwidrige Folgen nach sich zieht, sodass der Staat sich genötigt sieht, immer weiter „nachzubessern“, bis schließlich die gesamte Wirtschaft einem engen Geflecht von Geboten und Verboten unterliegt. Das ist der Sozialismus durch die interventionistische Hintertür.

Wir wollen hier nur das wichtigste Beispiel herausgreifen: die Eingriffe in die Währungsordnung. Schon seit den frühesten Zeiten der Menschheit haben die Obrigkeiten versucht, sich eine verlässliche Finanzierungsquelle zu erschließen, indem sie die Geldproduktion unter ihre Gewalt brachten. Die künstliche Aufblähung der Geldmenge („Inflation“) sollte ihnen größere Mittel verschaffen. In der Antike und im Mittelalter erfolgte die Inflationspolitik mit Hilfe der Münzverschlechterung, in der Moderne erfolgte sie mit Hilfe der Banken (Hülsmann 2007b). Heute verfügen alle Staaten über eine Zentralbank, die ein immaterielles Geld herstellt. Dieses Geld kann in prinzipiell unbegrenzten Mengen hergestellt werden. Zwar setzt das Notenbankgesetz den Zentralbanken gewisse Grenzen, aber diese gesetzlichen Vorgaben können bei Bedarf leicht geändert oder auch abgeschafft werden.

Inflationspolitik ist nur dann möglich, wenn die Bürger keine Möglichkeit haben, alternative, wertstabilere Geldarten zu verwenden. Also muss der Staat mit immer weiteren Eingriffen dafür sorgen, dass kein Konkurrent das staatliche Währungsmonopol gefährdet. Aber weitere Eingriffe sind auch deshalb unerlässlich, weil die Inflationspolitik ihre Nutznießer zur Sorglosigkeit verführt. Das betrifft in erster Linie die Geschäftsbanken und ihre großen Kunden. Dank der Notenpresse können sie in beinahe unbegrenztem Umfang subventionierte Kredite erhalten, und in Krisenzeiten können sie ihre faulen Wertpapiere an die Zentralbanken abstoßen. Alle Gewinne enden somit in der eigenen Kasse, während die Kosten der Krisenpolitik auf die anderen Geldbenutzer abgewälzt werden.

Das verführt die Banken dazu, besonders risiko- und daher auch ertragreiche Investitionen zu tätigen. Das wiederum bringt die Zentralbanken immer häufiger und in immer größerem Umfang in die Zwangslage, die Geschäftsbanken mit weiterer Geldschöpfung zu retten. Die Folge wäre ein immer schnellerer Wertverfall des Geldes, bis hin zur Hyperinflation. Um dieser Gefahr vorzubeugen, sind weitere Eingriffe nötig. Der Staat schreibt den Banken vor, wann und wie und an wen und unter welchen Bedingungen sie Kredite nicht ausreichen dürfen. Aber die Banken finden Mittel und Wege, um diese Verbote herumzukommen. Der Staat bessert nach, die Banken weichen wieder aus, usw. usf. Dieses Katz- und Mausspiel endet damit, dass die gesamte Bankenindustrie einem dichten Regelgestrüpp gefangen ist.

Aber das Spiel endet noch nicht. Andere Marktteilnehmer können bankähnliche Geschäfte tätigen (Schattenbanken) und auch andere Investoren können sich hoch verschulden und darauf spekulieren, dass sie „systemrelevant“ sind – d.h. so groß, dass ihre Insolvenz die Zentralbanken zum Handeln zwingen würde. Also muss auch hier mit weiteren Regelungen nachgebessert werden, mit der gleichen, bereits von Ludwig von Mises beschriebenen Tendenz: Sozialismus durch die Hintertür.

Die währungspolitischen Staatseingriffe sind auch deshalb von herausragender Bedeutung, weil sie zu einer ungeheuren Umverteilung der Einkommen und Vermögen führen (Hülsmann 2013, 2014; Dorobat 2015). Finanzjongleuren wird durch die Notenpresse alle Türen geöffnet werden, während die Ersparnisse einfacher Arbeiter durch die ständige Preisinflation zerstört werden. Nichts hat mehr zur Ablehnung des vermeintlichen „Kapitalismus“ beigetragen als diese geradezu irrwitzigen Verschiebungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

Nun ist es so, dass gerade in den USA viele reiche Leute große Teile ihres Geldes philanthropischen Stiftungen zufließen lassen. Aber wie wir bereits sahen, wurde damit sehr häufig der Bock zum Gärtner gemacht. Die übermäßigen Vermögen fütterten über kurz oder lang die Agitation der Kaviar-Sozialisten.

Der Interventionismus der Zentralbanken ist somit in dreifacher Hinsicht ein Totengräber des Kapitalismus: indem er den wettbewerblichen Marktprozess schwächt; indem er willkürliche Ungleichheiten hervorruft; und indem er künstlich große Vermögen schafft, die dann in den Händen von Sozialisten enden.

4. Sozialismus als Folge falscher Ideen

Bislang haben wir die institutionellen Gründe für die Wiederkehr des Sozialismus hervorgehoben. Der Sozialismus muss nicht unbedingt in einem Schlag durch eine große politische Bewegung eingeführt werden. Er kann sich auch spontan den Weg brechen, ohne ausdrücklich gewünscht zu sein. Er kann aus der versteckten Privatisierung staatlicher Institutionen entstehen. Er kann durch die Agitation finanzstarker Stiftungen gefördert werden. Und er kann auch der Endpunkt einer langgestreckten Interventionsspirale sein.

In Verbindung mit diesen institutionellen Gründen ist der Einfluss falscher Ideen nicht zu unterschätzen. Wir sahen bereits, dass staatliche Einrichtungen und eigentümerlose private Stiftungen „ideologische Zulieferer“ brauchen, um ihr Dasein und ihr Tun zu rechtfertigen. Denn Ideen bzw. Vorstellungen sind die eigentlichen Antriebskräfte menschlichen Handelns. Um zu handeln, braucht der Mensch eine Vorstellung sowohl von dem, was ist, als auch von dem, was sein soll.

Was ist nun mit einer „falschen Idee“ gemeint? Hier sind zwei Arten der Falschheit zu unterscheiden.

Die eine Art ist die des logischen Selbstwiderspruchs. Sie findet sich in der Vorstellung eines quadratischen Zirkels, eines gerechten Verbrechens, einer schönen Scheußlichkeit, einer bereichernden Verschwendung usw. In der ökonomischen Literatur gibt es eine ganze Reihe von Ideen, die auf diese Art falsch sind. Man denke nur an die populäre These, dass die gesamtwirtschaftliche Ausbringungsmenge langfristig von der Höhe der Konsumausgaben abgehängt! Auch die These von der Rationalität des Sozialismus ist in diesem Sinne logisch falsch. Nur ist sie eben nicht offensichtlich falsch, sondern erweist sich erst nach einigem Nachdenken als ein logischer Fehler.

Daneben gibt es aber auch eine zweite Art der Falschheit, die darin besteht, dass man die Bedingungen, unter denen eine Idee richtig ist bzw. richtig sein kann, verkennt. Viele Ideen, die in den letzten dreißig Jahren die Wiederkehr des Sozialismus beflügelt haben, sind falsche Ideen in diesem zweiten Sinne. Sie sind nicht an und für sich falsch, wohl aber dann, wenn sie ohne Maß und Mitte empfohlen werden.

Das beste Beispiel ist der Sozialismus selbst. Es gibt zahlreiche menschliche Vereinigungen, die auf der Vergemeinschaftung des Eigentums beruhen bzw. beruhen können. Man denke etwa an eheliche Gemeinschaften, die die juristische Form einer Zugewinngemeinschaft haben. Man denke an Klöster oder Kibbuze. Kein Liberaler wird sich solchen Sozialismen entgegenstellen. Denn freiwillige Gemeinwirtschaften sind legitime Teile der freien und wettbewerblichen Gesellschaftsordnung. Aber der Zwangssozialismus (der Sozialismus im eigentlichen Sinne) ist ein ganz anderes Tierchen, wie Ludwig von Mises bereits dargelegt hat. Er duldet kein Abweichen. Er fordert für sich absoluten Vorrang vor allen anderen Zielsetzungen, und er will diesen Vorrang mit Hilfe der Staatsgewalt geltend machen.

Die Gewaltanwendung durch den Staat wird typischerweise als eine bloße Frage der Verwaltungstechnik abgetan.

Der Irrtum besteht hier also darin, eine einzelne Idee zu überhöhen und als absolutes Ziel zu setzen, dem alle anderen Ziele gewaltsam unterzuordnen wären. Das nennt man üblicherweise eine Ideologie. Interessant ist nun, dass die Anwendung von Gewalt von fast allen Ideologen heruntergespielt wird. Die Gewaltanwendung durch den Staat wird typischerweise als eine bloße Frage der Verwaltungstechnik abgetan. Sie bedeute nur einen graduellen, nicht aber einen kategorischen Unterschied zu wettbewerblichen Problemlösungen. Genau diesen Denkfehler fanden wir bereits im Falle der Rathenau-Verblendung. Und in der Tat ist die Rathenau-Verblendung eine besondere Art der ideologischen Verblendung.

Jeder Irrtum erweist sich früher oder später im Misserfolg. Staatseingriffe bewirken aus den bereits von Mises genannten Gründen mit schöner Regelmäßigkeit das Gegenteil von dem, was eigentlich erwünscht wird. Auch der Zwangssozialismus ist keine Ausnahme. Er ist eben keine Technik der Sozialisierung. Er entfremdet die Menschen voneinander und schafft einen Haufen von Egoisten, die am Ende nur noch durch die Knute des Staates beieinander gehalten werden.

Wer diese Zusammenhänge erst einmal grundsätzlich verstanden hat, der wird auch analoge Irrtümer leicht erkennen können. Ob Egalitarismus oder Zentralisierung, ob Demokratie oder Feminismus, ob „offene Gesellschaft“ oder Eugenik, ob Gesundheit oder Umweltschutz – stets wird eine Idee, die eine gewisse Wahrheit birgt, dadurch falsch, dass sie zur Rechtfertigung von Staatsgewalt missbraucht wird. Denn indem sie so missbraucht wird, stellt sie sich gegen die freiheitliche Ordnung und läuft aus dem Ruder.

Hierzu passt ein oft zitierter Ausspruch des großen Chesterton (1909, S. 51): „Die moderne Welt ist voll von alten christlichen Tugenden, die verrückt geworden sind. Die Tugenden sind verrückt geworden, weil sie voneinander isoliert wurden und nunmehr allein umherwandern.“ Aus dem Blickwinkel des Ökonomen dürfen wir kommentieren: Die moderne Welt ist die Welt des Interventionismus. Es ist dieser Interventionismus, der nicht nur alle Tugenden, sondern auch alle guten Ideen einander entfremdet. Denn es ist dieser Interventionismus, der sie in einen Gegensatz zur freiheitlichen Ordnung bringt; der sie dadurch Maß und Mitte verlieren lässt. Jede Tugend und jede gute Idee bedürfen genau dieser Ordnung, um in ein harmonisches Zusammenspiel mit allen anderen Tugenden und Ideen gebracht zu werden.

Marx und seine Jünger wussten sehr wohl um die Zweckwidrigkeit des Interventionismus. … dennoch [haben sie] immer wieder Staatseingriffe gefordert. Sie taten dies nicht obwohl, sondern gerade weil sie zweckwidrig waren.

Wir wollen noch anmerken, dass die Verbreitung falscher Ideen nicht unbedingt auf Unkenntnis oder Dummheit zurückzuführen ist. Auch Arglist und Täuschung kommen hier in Betracht. Marx und seine Jünger wussten sehr wohl um die Zweckwidrigkeit des Interventionismus. Aber im Kommunistischen Manifest und vielen anderen Schriften haben sie dennoch immer wieder Staatseingriffe gefordert. Sie taten dies nicht obwohl, sondern gerade weil sie zweckwidrig waren. Da der Mißerfolg vorprogrammiert war, wurden immer weitere Eingriffe empfehlenswert – bis hin zum vollständigen Sozialismus.

5. Sozialismus als Abkehr von Gott

Es sei mir abschließend gestattet, noch auf einen weiteren wichtigen Grund für die Renaissance des Sozialismus hinzuweisen, nämlich die Abkehr vom christlichen Gott. Die Religion ist eben doch ein recht praktisch Ding. Die Vorstellungen, die wir uns vom Ursprung des Menschen, von seinem Wesen und von seiner letzten Bestimmung machen, sind von allergrößter Bedeutung für unser tägliches Streben und Tun. Sie orientieren uns im Hier und Jetzt. Sie treiben uns das eine und lähmen uns ein andermal. Und sie sind religiös. Sie können nicht der Wissenschaft entnommen werden, zumindest nicht der Wissenschaft, die ihre eigenen Grenzen kennt.

Es ist ohne weiteres klar, dass der Glaube an die Schriften des Alten Testamentes unsere Haltung zur Natur und zu anderen Menschen entscheidend prägt. Es ist etwas anderes, in einem Berg oder einer Wiese oder einem Schaf ein Geschöpf Gottes zu sehen; statt in ihnen lediglich interessante (aber doch leicht defekte und verbesserungsbedürftige) Molekülhaufen zu erblicken. Es ist etwas anderes, im Nächsten auch ein Abbild Gottes zu erkennen; statt in ihm einzig und allein ein hochentwickeltes Säugetier zu vermuten.

Und genauso praktisch ist auch der Glaube an die Frohe Botschaft des Neuen Testaments. Denn das ist die Botschaft von dem Gott, der uns durch alle Zeiten immer wieder zuruft „Fürchtet Euch nicht!“ (Jes. 10:24; Jer. 10:5; Jer. 46:28; Mt. 10:26; Mt 17:7; Mt 28:10; Mk 6:50). Welch ein Gegensatz zum modernen Staat, der durch und durch auf Furcht beruht und mit Furcht regiert! (Higgs 2005)

Der christliche Gott ist der Gott, der sich eine Futterkrippe zum ersten Thron erwählt hat und von dort aus beginnt, die Welt zu erretten. Doch wie verfolgt er dieses kolossale Ziel? Nicht mit einem Ruck, nicht mit überwältigender Macht, nicht mit grellem Schein, ohne Zermalmung allen Widerstandes, ohne mächtige Verbündete. Christus geht langsam vor, wenn auch steten Schrittes. Er verzichtet auf jegliche wirtschaftliche und politische Macht. Er wirkt durch persönliche Begegnung, durch Aufmerksamkeit, Gehör, Vertrauen und Vergebung. Er führt die Geschicke der Menschheit, aber er führt wie ein guter Hirte. Er erniedrigt sich, nimmt selber die Form des Geschöpfes an, reicht uns die Hand, dient uns und opfert sich auf mit Leib und Leben. Er ist der dreifaltige Gott, der uns das Ideal der herrscherlosen Liebesgemeinschaft vor die Augen hält.

Mit der Abkehr von diesem Gott gehen eine ganze Reihe von neuen Orientierungen einher. Wer keinem Gott vertrauen kann, wer nur blinde Evolution statt planmäßige Schöpfung sehen will, der wird mit anderen Menschen und der Welt anders umgehen als der gläubige Christ. Da er nicht glaubt, dass die Welt von einer überlegenen Intelligenz gut geplant und gut eingerichtet ist, da er nur seine eigene Intelligenz kennt und anerkennt, wird er überall Probleme sehen, die nur durch menschliches Eingreifen gelöst werden können. Er wird darnach streben, alle Faktoren, die den Erfolg seines Handelns bestimmen können, in seine Gewalt zu bringen. Sein Ideal ist die mechanische Technik, die ihm auf Knopfdruck die erwünschten Ergebnisse liefert.

Die gleiche Mechanik strebt er auch im Verhältnis zu anderen Menschen an. Auch hier entwirft er Maschinen, die er Systeme nennt. Andere Menschen sind ihm nur Mittel für seine eigenen Zwecke. Daher strebt er auch darnach, andere zu führen. Aber er führt nicht durch gutes Beispiel, Vorleistung und Opfer, sondern durch Befehl, Zwang und Schrecken. Er strebt nach politischer Macht. Er interessiert sich für die Human- und Sozialwissenschaften, insofern sie ihm die Berechnung und Manipulation anderer Menschen ermöglichen und erleichtern. Worte wie Liebe, Opfer, Gerechtigkeit, Ehre, Würde und Muße sind in seinen Ohren nur Geschwätz.

Die Geisteshaltung, die wir hier wahrnehmen, ist schon seit dem Altertum bekannt. In der theologischen und philosophischen Literatur heißt sie Gnostik. Der deutsch-amerikanische Politologe Erik Voegelin (1999) hat in zahlreichen Schriften dargelegt, dass alle politischen Bewegungen der Neuzeit in ihrem Kern neugnostische Bewegungen sind. Auch die heutige Renaissance des Sozialismus nährt sich aus dieser religiösen Quelle. Aus ihr empfangen jene Triebfedern des Sozialismus, die wie zuvor besprochen haben, einen guten Teil ihrer Kraft und Orientierung.

Schlussfolgerungen

Der Sozialismus in allen seinen Schattierungen ist eine politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Sackgasse. Er baut nichts auf, sondern zerstört lediglich das, was von der alten christlichen Kultur geschaffen und aus ihr erwachsen ist. Die heutige Renaissance des Sozialismus ist keine Ausnahme. Auch sie entspringt keiner schöpferischen Tat und keiner neuen Erkenntnis. Sie ist zum Teil eine Spätfolge der totalitären sozialistischen Systeme des 20. Jahrhunderts. Vor allem aber ist sie die Frucht jener fünf Kräfte, die wir soeben näher beschrieben haben: Wachstum der Staatsapparate, eigentümerlose Privatstiftungen, Interventionsspiralen, falsche Ideen und Abkehr vom Christentum.

Was gilt es zu tun? Zwei Strategien erscheinen besonders sinnvoll und dringend.

Erstens müssen sich alle Stifter und Spender neu besinnen und gut überlegen, wem sie ihr Geld zu welchen Zwecken anvertrauen. Sie sollten ihre Ersparnisse nicht aufgeben, sondern nach besten Kräften verantwortlich verwenden. Noch sind wir nicht im totalitären Sozialismus angelangt. Nutzen wir also die verbliebene Freiheit zu Reformen, wo sie noch möglich sind, und zum Aufbau von Konkurrenzangeboten in Bildung, Währung und Politik.

Zweitens müssen liberale und konservative Politiker endlich die Urquelle des Sozialismus trockenlegen. Sie dürfen nicht länger ihre Energie auf vermeintliche Reformen der ideologisierten Staatsapparate verschwenden, sondern müssen diese Apparate drastisch beschneiden und zur Not auch gänzlich abschaffen. Wer den Sozialismus wirklich loswerden will, muss ihm den Geldhahn abdrehen. Sean Gabb (2018 [2007]) hat sich dazu vor einigen Jahren ein paar gute Gedanken gemacht. Im Grunde ist die Sache ganz einfach. Aber ohne innere Stärke, ohne echte Überzeugung und ohne Liebe für die Mitmenschen wird sie nicht gelingen.

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Quellenverzeichnis

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Clavel I (2012) „Réformer l’École après 1944 : du consensus au dissensus entre la SFIO et le MRP“ Histoire politique, vol. 18, no. 3, pp. 129-143.

Dorobat C (2015) L’effet Cantillon dans la théorie du commerce international : L’impact de la monnaie fiduciaire sur le commerce, la finance et la distribution internationale des patrimoines (Universität Angers: Dissertation).

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Girault J (2002) „Le communisme et les enseignants en France (années 1920-début des années 1960)“ Jacques Girault (Hg.), Des communistes en France (annés 1920 – années 1960) (Paris: Editions de la Sorbonne).

Gottfried PE (2016) „Why Political Correctness is PoliticalLew Church Lecture (Auburn, Ala.: Mises Institute).

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Jörg Guido Hülsmann ist Professor für Ökonomie an der Universität Angers in Frankreich und Senior Fellow des Ludwig von Mises Instituts in Auburn, Alabama. Er ist Mitglied der Europäischen Akademie für Wissenschaften und Künste sowie Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Zu seinen umfangreichen Interessen- und Forschungsgebieten zählen die Geld-, Kapital -und Wachstumstheorie. Er ist Autor von «Ethik der Geldproduktion» (2007) und «Mises: The Last Knight of Liberalism» (2007). Zuletzt erschienen «Krise der Inflationskultur» (2013).

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

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