Gewerkschaften sind arbeitsfeindlich

6.8.2014 – von George Reisman.

George Reisman

Viele Amerikaner, wenn nicht sogar die überwältigende Mehrheit, glauben noch immer, dass Gewerkschaften, neben all den kleineren Problemen, die sie womöglich verursachen könnten, im Grunde Institutionen sind, die im Interesse der Arbeiter agieren. Sie glauben, dass es die Gewerkschaften sind, die den durchschnittlichen Arbeiter vor Hungerlöhnen, zu langen Arbeitszeiten und unwürdigen Arbeitsbedingungen schützen.

Die Gewerkschaften selbst, wie auch die Allgemeinheit, übersehen jedoch gänzlich die wichtige Rolle fallender Konsumentenpreise zur Erhöhung von Reallöhnen. Sie legen das Hauptaugenmerk auf die Nominallöhne. Tatsächlich aber sind fallende Preise in unserem wirtschaftlichen Umfeld, das von chronischer Inflation geplagt ist, relativ rar gesät.

Das einzige und entscheidende Kennzeichen einer Steigerung der Reallöhne ist jedoch das Absinken der Konsumentenpreise relativ zu den Nominallöhnen. Und der einzige Weg, dies zu erreichen, ist eine Produktivitätssteigerung der Arbeit. Eine größere Produktionsmenge pro Arbeiter – also eine höhere Arbeitsproduktivität – führt zu einer Erhöhung des Angebots von Gütern und Dienstleistungen relativ zur aufgewendeten Arbeitsleistung. Auf diese Weise werden Konsumentenpreise relativ zu den Nominallöhnen reduziert und Reallöhne, sowie der allgemeinen Lebensstandard, erhöht.

Das, was die Nominallöhne innerhalb der gesamten Volkswirtschaft steigen lässt, führt nicht gleichsam zu einer Steigerung der Reallöhne. Die höheren Nominallöhne sind lediglich Auswuchs einer Expansion der Geldmenge und den damit einhergehenden höheren Geldausgaben innerhalb des Wirtschaftssystems. Wenn es nicht gleichzeitig zu einer Steigerung der Arbeitsproduktivität kommt, dann steigen durch die Erhöhung der Geldmenge und -ausgaben die Konsumentenpreise genauso schnell oder sogar schneller als die Nominallöhne. Dieser Effekt kann nur dann verhindert werden, wenn mit der Geldmenge und den Geldausgaben auch die produzierten Mengen an Gütern und Dienstleistungen pro Arbeiter steigen. So würden die Konsumentenpreise weniger stark ansteigen als die Nominallöhne. In dieser Situation könnte man immer noch von einem Rückgang der Konsumentenpreise sprechen – in dem Sinne, dass Preise dann niedriger sind als sie unter ausschließlichem Anstieg der Geldmenge und der Geldausgaben gewesen wären.

Mit einigen wenigen Ausnahmen steigen innerhalb des gesamten wirtschaftlichen Systems die Reallöhne nicht dadurch an, dass sich Nominallöhne erhöhen. Im Grunde kann dies nur über eine Erhöhung des Güter- und Dienstleistungsangebots relativ zum Arbeitsangebot und damit einem Rückgang der Konsumentenpreise relativ zu den Löhnen erfolgen. In Wahrheit sind die zur Erhöhung des Wohlstandes entscheidenden Größen aus Sicht des einzelnen Arbeiters, Unternehmers und Kapitalisten ganz andere als für die Gesamtheit der arbeitenden Bevölkerung. Für den Einzelnen ist es der höhere Lohn. Für die Gesamtheit ist es das Zahlen niedrigerer Preise.

Diese Betrachtung zeigt uns, dass höhere Nominallöhne, die fast immer von den Gewerkschaften angestrebt werden, nicht im Geringsten für steigende Reallöhne ausschlaggebend sind, und dass steigende Reallöhne ausschließlich durch höhere Produktivität herbeigeführt werden können. Eine höhere Produktivität wiederum manifestiert sich in niedrigeren Konsumentenpreisen, und nicht in höheren Nominallöhnen.

Das Bestreben der Gewerkschaften, die Nominallöhne der Arbeiter zu erhöhen, läuft dem Ziel höherer Reallöhne und höherer Lebensstandards sogar grundsätzlich zuwider. Mit dem Versuch den Lebensstandard durch höhere Nominallöhne zu verbessern, bewirken die Gewerkschaften unweigerlich eine künstliche Verknappung der Arbeitskraft ihrer jeweiligen Mitglieder. Dies ist das einzige Mittel, mit dem sie die Nominallöhne ihrer Mitglieder steigern können, da Gewerkschaften nahezu keine Macht über die Arbeitsnachfrage haben. Das einzige Mittel zur Erhöhung der Nominallöhne in einer bestimmten Branche ist die größtmögliche Verknappung des Arbeitsangebots.

Darum versuchen Gewerkschaften, wann immer sie können, Kontrolle über den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu gewinnen. Sie versuchen, den Betrieben durch die Regierung Ausbildungsprogramme oder Lizenzierungsverfahren aufzuerlegen. Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, das Arbeitsangebot in einem bestimmten Bereich niedrig zu halten. Die wenigen glücklichen Arbeiter, denen der Eintritt ermöglicht wird, können dann höhere Löhne verdienen. Aber auch wenn die Gewerkschaften nicht direkt das Arbeitsangebot reduzieren können, so wird sich durch die Durchsetzung von Lohnforderungen oberhalb des Marktniveaus immer die Zahl der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze verringern.

Die künstlichen Lohnerhöhungen, die durch die Gewerkschaften herbeigeführt werden, führen in der gesamten Volkswirtschaft zu Arbeitslosigkeit. Diese Situation wird noch verstärkt, wenn die Bildung von Gewerkschaften gesetzlich gefördert wird. Wenn sich, so wie es heutzutage in den Vereinigten Staaten immer häufiger der Fall ist, die Mehrzahl der Arbeiter innerhalb eines Betriebes dazu entschließt, sich von einer Gewerkschaft vertreten zu lassen, dann werden die Lohnforderungen auch in den nicht gewerkschaftlich organisierten Branchen Wirkung entfalten.

Arbeitgeber in den nicht gewerkschaftlich organisierten Branchen werden sich dazu gedrängt sehen, ihren Arbeitnehmern ähnlich hohe Löhne zu zahlen, möglicherweise sogar höhere – um sicherzustellen, dass sich diese nicht auch einer Gewerkschaft anschließen.

Flächendeckende Lohnerhöhungen werden dafür sorgen, dass Arbeiter aus diversen Branchen verdrängt werden. Dies wird erheblichen Druck auf jene Branchen ausüben, die noch am ehesten von dem Einfluss der Gewerkschaften befreit sind. Diese Ausnahmebranchen könnten den Überschuss an Arbeitern aus den anderen Bereichen aufnehmen, wenn die entsprechenden Löhne weit genug fallen könnten. Mindestlohngesetze verhindern dies jedoch.

Aus Sicht der Mehrheit derjenigen Arbeitnehmer, die glücklicherweise ihre Stellen behalten können, ist die wichtigste Konsequenz aus dem Einfluss der Gewerkschaften die Deckelung oder gar Absenkung der Arbeitsproduktivität. Mit wenigen Ausnahmen bekämpfen Gewerkschaften offen den Anstieg der Arbeitsproduktivität. Für sie ist es eine Frage des Prinzips. Sie verhindern die Implementierung von arbeitseinsparenden automatisierten Produktionsprozessen, da diese angeblich Arbeitslosigkeit verursachen würden. Sie stellen sich gegen den Wettbewerb unter Arbeitnehmern. Wie Henry Hazlitt einst korrekt anmerkte, werden Arbeitgeber regelrecht dazu gezwungen, überflüssige Arbeitskräfte einzustellen oder weiter zu beschäftigen. So mussten etwa die Heizer, die ursprünglich gebraucht wurden, um Kohle in die Öfen der Dampflokomotiven zu schaufeln, oftmals auf Diesellokomotiven weiter beschäftigt werden. Sie sorgen für überflüssigen Arbeitsaufwand. Zum Beispiel müssen bei Rohren, die bereits über ein Schraubengewinde verfügen, die Enden entfernt werden, damit neue Gewinde nach der Auslieferung auf die jeweiligen Baustellen neu eingearbeitet werden können. Sie führen engmaschige Arbeitsklassifizierungen durch, und verlangen, dass Spezialisten zu Tagespauschalen angeheuert werden, um Arbeiten durchzuführen, die andere ebenso leicht verrichten könnten. So braucht es beispielsweise einen Verputzer, um die durch einen Elektriker verursachten Wandschäden zu beheben, obwohl der Elektriker selbst ebenso gut in der Lage wäre, diese Reparaturen vorzunehmen.

Jedem, dem die Rolle der Arbeitsproduktivität für steigende Reallöhne bewusst ist, sollte klar sein, dass Gewerkschaften durch ihre Maßnahmen gegen die Steigerung der Arbeitsproduktivität zu einem erheblichen Hindernis für den Anstieg der Reallöhne werden. So radikal diese Schlussfolgerung auch anmuten mag, und so sehr sie der öffentlichen Meinung über die Rolle der Gewerkschaften zur Steigerung der Reallöhne in letzten 100 bis 150 Jahren auch zuwiderläuft – die Gewerkschaften bekämpfen durch ihre Maßnahmen gegen steigende Arbeitsproduktivität aktiv den Anstieg der Reallöhne!

Gewerkschaften verschließen sich der tatsächlichen Ursache für steigende Reallöhne und sind weit davon entfernt, dem durchschnittlichen Lohnarbeiter einen höheren Lebensstandard zu bescheren. Ihre Unkenntnis macht sie verantwortlich für künstlich herbeigeführte Diskrepanzen in den Lohnniveaus, für Arbeitslosigkeit, und eine Absenkung des Lebensstandards des Durchschnittsarbeiters. Der einzelne Arbeiter versucht, um seinen Lohn zu erhöhen, die eigene Produktivität zu steigern, und damit das Angebot von Gütern und Dienstleistungen zu vergrößern, was wiederum die Konsumentenpreise senkt und die Reallöhne aller Wirtschaftsakteure erhöht. Die unsozialen Konsequenzen aus dem Handeln der Gewerkschaften rühren daher, dass sie stattdessen das genaue Gegenteil tun. Sie reduzieren das Angebot und die Produktivität der Arbeit und damit verringern sie das Angebot und erhöhen den Preis der Güter und Dienstleistungen, die ihre Mitglieder zu produzieren helfen. Dies wiederum senkt den Lebensstandard innerhalb des gesamten Wirtschaftssystems.

Aus dem Englischen übersetzt von Karl-Friedrich Israel. Der Originalbeitrag mit dem Titel Labor Unions Are Anti-Labor ist am 28.7.2014 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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George Reisman ist Autor des Buches „Capitalism: A Treatise on Economics „(Ottawa, Illinois: Jameson Books, 1996) und emeritierter Professor für Volkswirtschaft der Pepperdine University.

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