Selbst die Menschen in der Steinzeit wollten keinen Kommunismus

23. Oktober 2019 – von Allen Gindler

Allen Gindler

Die Wiederbelebung sozialistischer Ideen zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist ein evidentes Phänomen, welches Teile der westlichen Bevölkerung erfasst hat. Sozialisten haben verschiedene „Beweise“ zusammengetragen, die die vermeintlichen Vorteile sowie Natürlichkeit, welche der kollektivistischen Lebensweise innewohnt, belegen. Es gibt eine Denkrichtung, die davon ausgeht, dass die Menschheit über die längste Zeit ihrer Geschichte hinweg unter einer allumfassenden Art von Kollektivismus gelebt hat und deshalb der Sozialismus eine natürliche Lebensweise innerhalb der menschlichen Gesellschaft sei, während andere sozio-ökonomische Formationen, vor allem der Kapitalismus, notwendige, aber ungünstige Wendungen im evolutionären Prozess darstellen.

Solche Ideen sind nicht neu, sondern können bis zu den Begründern des wissenschaftlichen Kommunismus, Karl Marx und Friedrich Engels, zurückverfolgt werden. Die Erfinder des Marxismus bezeichnen die sozioökonomische Ordnung der Jäger und Sammler als «primitiven Kommunismus». So schreibt Engels in seinem berühmten Werk Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats

Die Produktion aller früheren Gesellschaftsstufen war wesentlich eine gemeinsame, wie auch die Konsumtion unter direkter Verteilung der Produkte innerhalb größerer oder kleinerer kommunistischer Gemeinwesen vor sich ging.

Diese Sichtweise hat sich seitdem unter den Gelehrten durchgesetzt, wurde tief in der wissenschaftlichen Literatur verankert und in Schulbüchern festgeschrieben.

Laut einem Gesetz des dialektischen Materialismus («Das Gesetz von der Negation der Negation»), stellen sich die Marxisten den historischen Prozess als eine Spirale vor, wo die Bewegung wieder auf ihren Ursprung zurückkehrt, aber auf einem höheren Niveau. In anderen Worten, im Lauf der menschlichen Entwicklung negierte der Individualismus den Kollektivismus, nur um wiederum vom Kollektivismus negiert zu werden, aber auf einer fortgeschritteneren Stufe. Der Marxismus besagt weiters, dass sozialistischer Wandel objektiv ist und – unabhängig von irgendeinem Willen – zwingend passieren wird, wenn der Widerspruch zwischen unausgeglichener Entwicklung der produktiven Kräfte und den produktiven Beziehungen innerhalb der Gesellschaft in der Mehrheit der Industrienationen seinen Höhepunkt erreicht haben wird (historischer Determinismus.)

Die materialistische Konzeption der Geschichte wurde selbst von marxistischen Intellektuellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Frage gestellt, als klar wurde, dass die Gesellschaft sich nicht nach der marxistischen Anleitung entwickelte (Krise des Marxismus). Dies führte zur Entstehung einer Reihe von Reformisten und Revisionisten, die den Marxismus entweder komplett ablehnten (revolutionäre Syndikate und Faschisten) oder dessen Form beibehielten, aber den Inhalt der Lehre komplett veränderten (Bolschewiki und Sozialdemokraten). Jedoch, waren diese neuen Sichtweisen von sozialer Entwicklung um nichts besser als der originale Marxismus.

Die «neuen» Sozialisten spielten mit der Idee, eine Gesellschaft zu errichten anhand eines vorher ausgearbeiteten Plans und unter Aufsicht fähiger Eliten mit Hilfe von Sozialtechnik und Gewaltandrohung unterschiedlichen Ausmaßes. So bestätigt es auch der Sozialismustheoretiker Tugan-Baranovsky, indem er in seinem Buch Sozialismus als Positive Doktrin schreibt: «Das sozialistische System ist künstlich, erfunden von der menschlichen Gesellschaft, im Gegensatz zu den natürlichen, spontan entstandenen Formen von Gesellschaft, die heute existieren.» Im Kern bestätigt er, dass Kollektivismus nicht auf natürlichem Wege entsteht, sondern eher eine improvisierte Qualität aufweist. Darum hatten die Sozialisten zur damaligen Jahrhundertwende ihre Rhetorik dramatisch geschwenkt, weg von der Idee einer natürlichen Evolution, die in der sozialistischen Revolution kulminiert, und hin zum Konzept des rationalen Zwecks.

Das Fiasko des Sozialismus, aufgrund seiner wirtschaftlichen Unnachhaltigkeit und seines vorherrschenden Trends zur moralischen Dekadenz, hat dem sozialistischen Gedankengut kein Ende bereitet. Die Linke hat nicht aufgegeben und wieder einmal das alte Argument von kommunistischen Banden ausgegraben; von Jägern und Sammlern, die Privateigentum nicht kannten. Sie argumentieren daher, dass es eine Aufgabe aller progressiv-denkenden Menschen sei, die Gesellschaft wieder auf den richtigen Pfad zurückzuführen und die Kollektivierung wieder einzuführen, die uns in den Genen liege. Wie es so oft der Fall bei Sozialisten ist, ist das genaue Gegenteil richtig.

Die Befürworter des «primitiven Kommunismus» führen an, dass Nomaden nur wenige Besitztümer hatten, also lediglich solche Sachen, die sie auf eine Reise mitnehmen konnten und so konnte sich die Idee von Privateigentum aufgrund fehlender materieller Wurzeln nicht durchsetzen. Jedoch bedeuten wenig Besitztümer nicht, dass es keinen Sinn für Eigentum gab. Es bedarf bloß eines Gegenstandes, den sich ein Jäger zu eigen macht und ständig mit sich trägt, damit sich eine gewisse intime Bedeutung zwischen dem Besitz und dem Besitzer entwickelt. So lautet auch Hans-Hermann Hoppes erstes Axiom seiner Theorie von Eigentumsrechten:

Jeder ist der legitime Eigentümer seines eigenen physischen Körpers, sowie von sämtlichen Orten und naturgegebenen Gütern, über die er körperlich verfügt, vorausgesetzt, dass diese nicht bereits von jemand anders beansprucht werden.

Es ist hier noch beizufügen, dass auch jeder der legitime Eigentümer seines eigenen Verstandes ist.

Ein weiterer gewichtiger Punkt für die Verteidigung der Position ist, dass vorgeschichtliche Menschen einen Sinn für Privateigentum aufgrund der Herstellung von Werkzeugen entwickelten. Werkzeuge in dieser Zeit bestanden aus dem Sammeln von Steinen und Zweigen, die niemanden vorher gehört hatten, und dem Hinzufügen Jemandes geschickter Arbeitskraft. Auf diese Weise erhöhte sich der Wohlstand des Werkzeugmachers, während zur gleichen Zeit niemand aufgrund dessen schlechter gestellt wurde. Die Werkzeugherstellung beinhaltet also zwei signifikante Faktoren für das Wirtschaftswachstum: Privateigentum und Innovation. Zweifellos schlug die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft aus diesen beiden Elementen Kapital.

Die Eigentumsfrage rund um Grund und Boden in einer Gesellschaft von Jägern und Sammlern ist kompliziert. Tatsächlich hatten Jäger und Sammler noch keine Bäume gepflanzt, Land bewirtschaftet oder Tiere gezüchtet, also nicht mit Absicht ihre Umwelt zu ihrem Vorteil verändert. Jedoch benötigten auch die damaligen Wildbeuter eine Art «Keimzelle» für Unterkünfte, Vorratsspeicherung, Feuerstellen, primitiven Werkstätten, also alles, was ihr provisorisches Lager ausmachte. Noch wichtiger war aber, dass die Jäger und Sammler temporäre Kontrollen im ungefähren Umkreis, welches ihr Habitat umgab, etablierten. Sie bewachten die Grenzen ihrer natürlichen Umgebung, so wie jede andere auf Territorien angewiesene Spezies aus der Tierwelt. So wurde der Zustrom von fremden, konkurrierenden Gruppen begrenzt, da ihr Wohlstand und ihr Überleben von der exklusiven Ausbeutung von Lebensmittelquellen in einer bestimmten Umgebung abhingen. Menschen kontrollierten also die Grenzen, aber nicht die naturgegebenen Güter innerhalb ihrer Umgebung. Dies führte dazu, dass ein Gebiet eine Dualität aufwies, nämlich dass es zwar kontrolliert wurde, aber gleichzeitig herrenlos blieb.

Als dann die Jäger und Sammler dazu übergingen, sich Gebiete in einem bisher nie gekannten Ausmaß anzueignen, wurden sie zu den ursprünglichen Besitzern von Grund und Boden und sämtliches Privateigentum könnte theoretisch bis zu diesen originalen Eigentümern zurückverfolgt werden.

Ein weiteres Argument für den «primitiven Kommunismus» lautet, dass die Menschen aus der Altsteinzeit aufgrund extremer Not und Armut zusammenkamen, um Lebensmittel, anhand von allgemeiner Reziprozität, zu teilen, was aufgrund von ethnographischen Beobachtungen uransässiger Völker abgeleitet wird. Jedoch lehrt uns die Erfahrung, dass es nicht die Armut ist, die zum Kommunismus führt, sondern dass der Kommunismus in die Armut führt.

Die gemeinsame Aufteilung von Lebensmittel der Jäger und Sammler ist bestenfalls mit einem System von Aus- und Verleihen zu beschreiben oder als eine Manifestation einer Art Versicherungsstrategie, wie Richard Posner in seinem Werk A Theory of Primitive Society, with Special Reference to Law (Theorie der primitiven Gesellschaft, mit speziellem Fokus auf das Recht) folgendermaßen erklärt:

Die Produktionsbedingungen, allen voran das Problem der Lebensmittellagerung, erzeugen signifikante Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Angemessenheit des Lebensmittelangebots eines Individuums und führt deshalb auch zu einer signifikanten Schwankung in dessen Wohlstand. Unter solchen Umständen kommt es zu Transaktionen, wo zum Beispiel A, der gerade eine Ernte eingefahren hat, die seine eigenen Konsumbedürfnisse übersteigt, Teile seines Überschusses an B abgibt und sich B dafür zu Reziprozität verpflichtet, sollten sich die Rollenverhältnisse einmal umkehren. Diese Transaktion ist also für beide Parteien attraktiv.

Deshalb ist das großzügige ‘Geschenke verteilen’ oder die direkte Umverteilung, die von manchen oberflächlich beobachtet wurde, in Wirklichkeit der Beweis für ein ausgereifteres Wirtschaftsleben, also die Wiedergutmachung von Schulden oder eine Bezahlung einer Versicherungspolice gegen Hunger. Die allgemeine Reziprozität, die zwischen Familienmitgliedern vorherrscht, wurde fälschlicherweise auf die gesamte Gruppe übertragen.

Die Gesellschaft der frühen Menschen ist charakterisiert von einer rudimentären Arbeitsteilung entlang von Geschlecht, enger Kooperation, einem fundamentalen Sinn für Privateigentum, wenigen Besitztümern, einer geringen Anzahl an verfügbaren Rohstoffen und Leistungen für den Konsum oder Handel und einem gewissen Maß an Ungleichheit in der Einkommensverteilung. Eine prähistorische, menschliche Gesellschaft wies also alle benötigten Merkmale einer Marktwirtschaft auf, aber auf einem solch niedrigem Niveau, dass die Mehrheit der Gelehrten dazu tendierte, diese zu ignorieren. Im evolutionären Prozess jedoch darf man solche Zutaten nicht übersehen, da das geringste Delta es verunmöglicht, Verhaltensänderungen im Zeitablauf erklären zu können. Ein anfänglicher und primitiver sozioökonomischer Aufbau bestimmte die Steigerung menschlicher Entwicklung hin zu einer intelligenten Spezies, die ihren Intellekt dazu benutzen würde, um immer fortgeschrittenere Produktionsarten zu organisieren.

Angenommen, dass einige Gruppen von Jägern und Sammlern tatsächlich eine Art von «primitiven Kommunismus» praktizierten, wären sie vermutlich ausgestorben, da sie im strengen Wettbewerb mit den wirtschaftlich rentablen, «libertären» Stämmen unterlegen wären. Kommunismus ist in der Menschheitsgeschichte nie spontan oder natürlich entstanden. Viele Versuche von revolutionären Elementen eine kommunistische Gesellschaft zu errichten, wurden vorsichtig und von langer Hand geplant. Jäger und Sammler konnten sich solch grandiose und gleichzeitig selbstzerstörerische Pläne, aufgrund ihrer primitiven Entwicklungsstufe, nicht ausdenken. Instinktiv haben sie sich an dem orientiert, was natürlich erschien. Deshalb hält die Hypothese des «primitiven Kommunismus» der Kritik nicht stand und sollte als Beispiel für einen groben Fehler in die Wissenschaftsgeschichte eingehen.

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Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Nuding. Der Originalbeitrag mit dem Titel Paleolithic People Were Not Primitive Communists ist am 10.10.2019 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Allen Gindler ist Wissenschaftler aus den ehemaligen Sowjetunion mit den Schwerpunkten Volkswirtschaft, Ökonometrie und Wirtschaftsingenieurwesen. Er lehrte Wirtschaftskybernetik, Standarddatensysteme und computergestützte Arbeitsgestaltung an der Chmelnytskyi National University, Ukraine. Derzeit ist er als privater Berater der IT-Industrie im Bereich Datenbankadministration und Kryptographie tätig. Als Hobby interessiert er sich für politische Philosophie, Geschichte, Populationsgenetik und biblische Archäologie. Er schreibt Artikel für Mises Wire, American Thinker, Foundation for Economic Education und Biblical Archaeology Review.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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