Der Weg aus der Euro-Krise

23. November 2018 – Dieser Vortrag wurde am 7. November 2018 im Kulturzentrum Englische Kirche in Bad Homburg v. d. Höhe gehalten, veranstaltet vom Sozialfonds Rotary Club Bad Homburg-Kurpark in Kooperation mit dem Magistrat der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe. 

von Thorsten Polleit

Thorsten Polleit

Als ich noch studierte, war das Für und Wider der Euro-Einführung ein großes Thema.

Mein ökonomisches Wissen reichte damals wohl noch nicht aus, um die herrschende Lehrmeinung ernstlich in Frage stellen zu wollen, die da lautete: Der Euro ist eine gute Sache, er sichert Frieden und Wohlstand in Europa.

Es gab zwar auch kritische Stimmen. Wie etwa die warnenden Worte einiger „widerspenstiger“ Professoren. Doch sie beeindruckten nur wenige.

Als ich gegen Ende der 1990er Jahre begann, als Volkswirt in einer Investmentbank zu arbeiten, beschlich mich dann rasch der Eindruck, dass etwas nicht stimmen konnte mit dem neuen Eurogeld.

Gedanklich war ich aber noch immer nicht zum Kern des Problems vorgedrungen. Das änderte sich erst, nachdem ich in Kontakt gekommen war mit der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“.

Und es sind die Erkenntnisse dieser Denktradition – die mit Namen wie Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek verbunden ist –, die ich in meinem Vortrag mit dem Titel „Der Weg aus der Euro-Krise“ zur Sprache bringen möchte.

In meinem Vortrag möchte ich Sie bekannt machen mit einer nicht alltäglichen Ursachendiagnose des Euro-Problems und einem nicht weniger unkonventionellen Lösungsweg.

KLIPPEN UND STOLPERSTEINE

Mir ist bewusst, dass das Euro-Thema voller Klippen und Stolpersteine ist. Spricht man über den Euro, rührt man unweigerlich an Empfindlichkeiten. Für die einen ist der Euro mehr als nur Geld, er ist für sie ein Friedensprojekt: Ohne Euro scheitert die europäische Integration, ohne ihn sind Friede und Wohlstand in Europa bedroht.

Der Euro ist unverzichtbar und muss mit allen Mitteln verteidigt werden.

Für die anderen ist der Euro eine schwere Hypothek, ein Spaltpilz, ein aberwitziges politisch-ideologisch getriebenes Projekt, das der ökonomischen Vernunft widerspricht und nicht das bewirkt, was seine Befürworter in Aussicht stellen.

Dass in der Diskussion über den Euro viele eine feste und starke Meinung haben, ist erstaunlich. Denn bei anderen, nicht minder komplexen Sachthemen fällt der Wissensanspruch meist viel geringer aus.

Denken Sie nur einmal an Ihre letzte Cocktail-Party, auf der ein Herzchirurg in lockerer Gesprächsrunde über eine Transplantation berichtet hat.

Die Gäste haben vermutlich beeindruckt zugehört, und niemand, der nicht aus dem Fach ist, hat dem Herzchirurg widersprochen, hat ihm ein anderes Vorgehen bei seinen Operationen empfohlen.

Beim Euro-Thema verhält es sich eher wie bei einem Fußball-Weltmeister-Spiel:

Alle fühlen sich kompetent, die Spielerauswahl und Mannschaftsaufstellung kompetent zu beurteilen – plötzlich gibt es überall Nationaltrainer, die genau wissen, wie man die Mannschaft zum Sieg führt.

Die Euro-Diskussion ist häufig aber nicht nur emotional aufgeladen, leider werden meist auch wichtige ökonomische Erkenntnisse ausgeblendet, beziehungsweise es wird nicht das gesamte Spektrum der ökonomischen Erkenntnisse hinreichend gewürdigt.

Diese „ökonomische Erkenntnislücke“ in der Diskussion um die Euro-Problematik möchte ich in meinem Vortrag versuchen zu schließen und hoffe dadurch einen konstruktiven Beitrag für den Diskurs zu leisten.

ÜBER DAS GELD

Dazu stelle ich einige wichtige Erkenntnisse über das Geld an den Anfang.

Beginnen wir mit der grundlegenden Frage: Was ist Geld? Auf diese Frage gibt es eine eindeutige Antwort: Geld ist das allgemein akzeptierte Tauschmittel.

Geld ist das marktfähigste Gut, es ist das Gut, das sich am leichtesten gegen andere Güter eintauschen lässt.

Welche Funktionen hat Geld? Antwort: Geld hat nur eine Funktion: die Tauschmittelfunktion.

Recheneinheits- und Wertaufbewahrungsfunktion sind lediglich Unterfunktionen der Tauschmittelfunktion.

Wenn Geld nur eine Funktion hat – die Tauschmittelfunktion – so heißt das: Eine Volkswirtschaft wird nicht reicher, wenn die Geldmenge steigt.

Ein Gemeinwesen wird wohlhabender, wenn es mehr Konsum- und Produktionsgüter produziert, nicht aber, wenn es die Geldmenge ausweitet.

Wieviel Geld braucht eine Volkswirtschaft? Antwort: Jede gerade verfügbare Geldmenge ist so gut wie jede andere Geldmenge.

Ist die Geldmenge groß, werden die Güterpreise hoch sein, ist die Geldmenge niedrig, werden die Güterpreise gering sein. In beiden Fällen (ob nun die Geldmenge groß oder klein ist) lässt sich die gewünschte Gütermenge umsetzen.

Dass die Geldmenge in einer Volkswirtschaft wachsen muss, ist eines der wohl hartnäckigsten Gerüchte in der modernen Volkswirtschaftslehre.

Unbestreitbar ist hingegen, dass Geld unverzichtbar ist für unsere modernen Wirtschaften. Ohne Geld wäre unser heutiges Wohlstandsniveau nicht denkbar.

Denn hätten wir kein Geld, dann könnten wir keine Wirtschaftsrechnung durchführen.

Wir könnten nicht kalkulieren, ob es beispielsweise sinnvoll ist, eine Bahntrasse um einen Berg herumzubauen oder sie durch den Berg hindurch zu bohren.

Erst die Verwendung von Geld erlaubt es uns, die Rentabilität von verschiedenen Produktionsweisen zu ermitteln.

Auf dieser Grundlage lassen sich knappe Mittel so einzusetzen, dass sie die Bedürfnisse der Menschen bestmöglich erfüllen.

Es ist dabei vorteilhaft, wenn möglichst viele Menschen das gleiche Geld verwenden. Denn dann lassen sich die produktiven Kräfte, die aus der Wirtschaftsrechnung entspringen, bestmöglich ausschöpfen.

Verständlich daher, dass man in Europa schon seit langem darüber nachgedacht hat, ob nicht ein einheitliches Geld sinnvoll sei.

Nun ist aber Geld nicht gleich Geld. Es sollte schon “gutes Geld” sein. Was aber ist gutes Geld?

NATÜRLICHES GELD

Die Währungsgeschichte gibt eine Antwort. Sie zeigt, dass schon viele Dinge als Geld verwendet wurden: Vieh, Gewürze, Steine, Muscheln, Zigaretten, aber vor allem Edelmetalle, allen voran Gold und Silber.

Dafür gibt es eine Erklärung. Damit ein Gut als gutes Geld Verwendung finden kann, muss es einige “physische” Eigenschaften aufweisen.

Das Gut muss knapp sein, homogen (also von gleicher Art und Güte), haltbar, transportabel und teilbar, es muss einen hohen Wert pro Gewichtseinheit aufweisen, und es muss allgemein wertgeschätzt sein.

Im Wettbewerb um die Geldfunktion hatten die Edelmetalle meist die Nase vorn, weil sie am relativ besten die genannten physischen Eigenschaften erfüllen, die gutes Geld ausmachen.

Warum aber, so fragen Sie sich vermutlich, ist dann das heutige Geld – ob US-Dollar, Euro, japanischer Yen oder Schweizer Franken – kein Gold- oder Silbergeld mehr?

Die Antwort lautet: Es waren politische, nicht ökonomische Bewegründe, warum das Edelmetallgeld durch ungedecktes Papiergeld ersetzt wurde.

Das geschah am 15. August 1971. An diesem Tag verkündete US-Präsident Richard Nixon, dass fortan der US-Dollar nicht mehr in Gold einlösbar sei. Bis dato entsprachen 35 US-Dollar einer Feinunze Gold.

Der US-Dollar war goldgedeckt, und ab 1945 waren im System von Bretton Woods allen anderen Währungen mit einem festen Wechselkurs an den US-Dollar gebunden – und hingen damit indirekt (über die Eintauschbarkeit in den Greenback) am Gold.

Mit einem Handstreich beendete die US-Administration die Goldeinlösbarkeit des US-Dollar. Damit machte sie nicht nur den US-Dollar, sondern de facto auch alle anderen Währungen der Welt zu Fiat-Geld.

FIAT-GELD

Was ist Fiat-Geld? Der Ausdruck „Fiat“ stammt vom Lateinischen „Fiat“ und bedeutet “So sei es”. Fiat-Geld ist also verordnetes Geld oder Zwangsgeld. Es zeichnet sich durch drei Eigenschaften aus:

(1) Fiat-Geld ist staatlich monopolisiertes Geld. Die staatlichen Zentralbanken haben das Produktionsmonopol des Geldes.

(2) Fiat-Geld wird in der Regel durch Kreditvergabe geschaffen, der keine echte Ersparnis gegenübersteht. Es wird aus dem Nichts geschaffen.

Und (3): Fiat-Geld ist entmaterialisiertes Geld. Es hat die Form von bunt bedruckten Papierzetteln und Einträgen auf Computerfestplatten („Bits und Bytes“).

Ob US-Dollar, Euro, chinesischer Renminbi, japanischer Yen, Britisches Pfund oder Schweizer Franken: Sie alle sind Fiat-Geld.

Das Problem dabei ist: Fiat-Geld hat ökonomische und ethische Defekte.

Es ist inflationär, es verliert seine Kaufkraft im Zeitablauf. So hat beispielsweise der Fiat-Euro seit seiner Einführung 1999 bis heute etwa 30 Prozent seiner Kaufkraft verloren.

Die Vermehrung der Fiat-Eurogeldmenge bereichert einige auf Kosten vieler: Die Erstempfänger des neuen Geldes gewinnen auf Kosten der Spätempfänger. Fiat-Geld ist so gesehen sozial ungerechtes Geld.

Das Fiat-Geld sorgt für Wirtschaftsstörungen. Das Ausweiten der Geldmenge per Bankkreditvergabe senkt die Marktzinsen künstlich ab.

Dadurch wird ein Aufschwung („Boom“) in Gang gesetzt, der aber nachfolgend platzen und in einen Abschwung („Bust“) umschlagen muss.

Das Fiat-Geldregime treibt die Volkswirtschaften in die Überschuldung: Die Verschuldung steigt stärker als die Einkommen zunehmen.

Und nicht zuletzt erweist sich das Fiat-Geld als ein Wachstumselixier für den Staat – auf Kosten der individuellen Freiheiten von Bürgern und Unternehmern.

Fiat-Geld macht aus einem Minimalstaat früher oder später einen Maximalstaat, es ebnet den Weg in die unfreie Gesellschaft.

Das wusste auch Karl Marx. Die Errichtung einer Zentralbank sah er als notwendig an, um zum Kommunismus zu gelangen. In Punkt fünf seines Kommunistischen Manifests aus dem Jahre 1848 fordert er die „Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol“.

Dass die Staaten seit Einführung des Fiat-Geldes immer größer, immer mächtiger werden, ist kein Zufall – sondern ist vor allem auch eine Folge des Fiat-Geldes.

PROBLEME MIT DEM EURO

Der Euro ist Fiat-Geld und folglich ist er auch mit allen zuvor genannten ökonomischen und ethischen Defekten behaftet.

Genau das ist auch der Grund, warum ich – wie es mein Vortragstitel mitteilt – die Einführung des Euro für eine historische Fehlentscheidung halte.

Fiat-Geld ist für eine nationale Volkswirtschaft schon problematisch genug. Eine Fiat-Währung aber für Menschen aus unterschiedlichen Nationen mit unterschiedlichen Sprachen und Traditionen muss zur unerträglichen Zwangsjacke werden.

Das ist unübersehbar geworden mit dem Ausbruch der Euro-Krise, die sich – und das will ich im Folgenden erläutern – ursächlich auf das Fiat-Geld zurückführen lässt.

Erinnern wir uns: Am 1. Januar 1999 übernimmt die EZB das geldpolitische Ruder im Euroraum. Mit ihrer von Anfang an laxen Zins- und Geldmengenvermehrungspolitik setzt sie einen gewaltigen Boom in Gang.

Der Boom platzt spätestens 2010. Auslöser ist die US-Kreditkrise, die bereits im Herbst 2008 begann, und die sich nachfolgend weltweit ausbreitete.

Erst geraten die Euro-Banken ins Schlingern. Die Staaten versuchen, ihre heimischen Kreditinstitute zu retten, indem sie Haftungsgarantien aussprechen.

Die Finanzmärkte erkennen: Die Staaten beziehungsweise ihre Steuerzahler übernehmen sich finanziell, sollten sie ihre Banken retten müssen.

Daraufhin beginnen die Investoren Euro-Staatsanleihen zu verkaufen und die Euro-Staaten geraten in eine Krise.

Plötzlich taumelt nicht nur Griechenland, sondern auch Irland, Spanien, und Portugal stehen am Abgrund.

Daraufhin beginnen die Staaten, sich gegenseitig zu garantieren. Ein Rechtsbruch – denn der Maastricht-Vertrag verbietet, dass die Steuerzahler in einem Land für die Schulden eines anderen Landes haften müssen.

2012 errichtet man den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der mit einer „Rettungskasse“ von 700 Mrd. Euro ausgestattet wird – die Steuerzahler in den Euroländern stehen dafür gerade.

Doch das alles nützt nichts, das Vertrauen in die Euro-Konstruktion schwindet weiter.

Daraufhin greift die Europäische Zentralbank (EZB) ein. Am 9. November 2011 beginnt sie, die die Zinsen zu senken (drückt sie bis zum 16. März 2016 auf null).

Zudem kauft die EZB Staatsanleihen auf und bezahlt die Käufe mit neu geschaffenen Euro.

Dadurch vertreibt sie die Kreditausfallsorgen aus den Finanzmärkten. Die Null- beziehungsweise Negativzinsen sorgen sogar für eine Konjunkturerholung.

Doch man sollte nicht meinen, die Krise sei vorbei. Sie ist derzeit nur übertüncht mit billigem Geld. Der Euro liegt auf der Intensivstation, wird künstlich beatmet – und kann wohl auch ohne künstliche Beatmung nicht mehr überleben.

Was in der Öffentlichkeit als „Rettungspolitik“ deklariert wird, ist eine gewaltige Umverteilung von Einkommen und Vermögen, die nicht nur innerhalb der Euro-Länder selbst, sondern auch zwischen ihnen abläuft.

Beispielsweise treiben die künstlich niedrigen Zinsen und die Geldmengenvermehrung die Preise für Aktien und Immobilien in die Höhe.

Die Besitzer von Aktien und Immobilien werden reicher, die Halter von Euro-Ersparnissen werden ärmer: Sie bekommen immer weniger Aktie und Immobilie für ihren Euro.

Zudem werden Kreditnehmer durch die künstlich niedrigen Zinsen subventioniert auf Kosten der Sparer, denen der Aufbau ihrer Altersvorsorge verunmöglicht wird.

Und da sind dann noch die berühmt-berüchtigten „Target-2-Salden“. Für Deutschland beläuft sich der Target-2-Saldo mittlerweile auf fast 1 Billionen Euro – das sind etwa 30 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres.

Beim deutschen Target-2-Saldo handelt es sich um eine unbesicherte Kreditforderung. Fällt sie aus, geht das zu Lasten des Eigenkapitals der Deutschen Bundesbank und damit zu Lasten der deutschen Steuerzahler.

Vor allem aber reflektieren die Target-2-Salden für eine Umverteilung: Die Länder, die einen positiven Saldo haben (Deutschland, Finnland, Luxemburg), werden zu Gunsten der Länder mit einem negativen Saldo (Italien, Spanien, Portugal) zur Ader gelassen.

Man könnte nun argumentieren, dass man gut beraten sei, diesen hohen Preis für die Euro-Rettung zu zahlen, schließlich profitiere gerade die deutsche Volkswirtschaft vom Euro.

Was ist von dieser Einschätzung zu halten? Schauen wir einmal auf das Wirtschaftswachstum.

Von 1970 bis 2017 ist die deutsche Volkswirtschaft im Durchschnitt um 2,0 Prozent pro Jahr gewachsen. In der Zeit 1970 bis 1998 (also bevor der Euro eingeführt wurde), betrug das Wachstum 2,5 Prozent pro Jahr. Von 1999 bis 2017 lag es nur noch bei 1,4 Prozent pro Jahr.

Was auch immer die Gründe sind: Deutschland ist seit Einführung des Euro deutlich weniger stark gewachsen als in der Zeit davor. Die Einführung des Euro als Wachstumsschub für Deutschland preisen zu wollen, kann nicht überzeugen.

Wenn wir auf die Vermögensverhältnisse blicken, so erkennen wir, dass die Deutschen eher zu den armen Würstchen im Euroraum zu zählen sind.

Von ihren Bruttojahreseinkommen blieb ihnen offensichtlich nach Steuern und Abgaben nicht genug, um ihr Vermögen so zu mehren, wie es die Bürger in den anderen Euro-Ländern konnten.

Und nun auch noch Italien! Das Land sitzt auf einem öffentlichen Schuldenberg von 2,3 Billionen Euro, das sind mehr als 130 Prozent des italienischen Volkseinkommens.

Italien zahlt jährlich Zinsen auf die öffentliche Schuld von etwa 4 Prozent des BIP – und das BIP-Trendwachstum Italiens liegt bei schätzungsweise nicht mehr als 0,5 Prozent pro Jahr.

Spätestens mit der Italien-Krise ist die EU zur „Erpressungsunion“ geworden. Ein Land von der Größe Italiens nimmt den Rest der Gemeinschaft in Geiselhaft, bittet sie zur Kasse für die eigene Misswirtschaft.

Nicht überraschend, dass die Zentrifugalkräfte innerhalb der EU Fahrt aufnehmen und zwar beschleunigt seit der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Diejenigen, die von Beginn an gesagt haben, der Euro werde Europa spalten und nicht einigen, haben Recht bekommen.

LÖSUNGSMÖGLICHKEITEN

Die Hoffnung, die Rettungspolitiken, die man in Brüssel, Paris und Berlin beschließt, werden doch von Erfolg gekrönt sein, ist trügerisch.

Denn die Kernursache der Euro-Problematik ist – und wir haben es bereits mehrfach gehört –, dass der Euro Fiat-Geld ist.

Man findet also eine äußerst verfahrene Situation vor:

Auf der einen Seite das politische Bestreben, den Euro, koste es, was es wolle, zusammenzuhalten: mit Nullzinsen und Geldmengenvermehrung; mit einer Haftungsgemeinschaft, einschließlich einer gemeinsamen Banken-Einlagensicherung, durch die die Nationen noch enger aneinander gekettet werden sollen.

Auf der anderen Seite ist da aber die ökonomische Erkenntnis, dass der Fiat-Euro zwangsläufig immer neue Krisen hervorbringen wird, die wiederum immer stärkere Eingriffe des Staates in das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben nach sich ziehen werden.

Glücklicherweise ist der Fiat-Euro nicht alternativlos, wie es die Euro-Propaganda unermüdlich verkündet. Das zeigt sich zum Beispiel in den zahlreichen Reformvorschlägen, die bereits vorgebracht wurden.

Da gibt es zum Beispiel den Vorschlag, den Euroraum in einen Nord- und einen Südteil aufzuspalten. Der Norden mit den starken Ländern behält den Euro, der Süden gibt ihn auf und stellt auf einen Süd-Euro um.

Es gibt auch den Vorschlag, dass Deutschland aus dem Euroraum austritt, zur D-Mark zurückkehrt (dafür steht die Abkürzung “Dexit”) und damit eine solide Ankerwährung bereitstellt, an die sich die verbliebenen Euro-Länder anbinden können.[1]

Technisch gesehen lässt sich so etwas durchaus durchführen, die Kosten dürften allerdings beträchtlich sein. Deshalb an dieser Stelle die wichtige Frage:

Weisen diese und ähnlich gelagerte Vorschläge in die richtige Richtung? Stellen sie eine überzeugende Problemlösung in Aussicht? Ich erlaube mir, ernste Zweifel daran anzumelden.

Eine Aufspaltung des Euroraums oder eine Rückkehr Deutschlands zur D-Mark (also eine Renationalisierung des Geldes) wären nichts anderes als eine Rückkehr zu staatlichem Fiat-Geld auf nationaler Ebene.

Die dabei entstehenden neuen Fiat-Währungen wären mit allen Problemen behaftet, die der Fiat-Euro auch hat. Eine Rückkehr zu gutem Geld stellen die Reformvorschläge also nicht in Aussicht.

Man kann zwar argumentieren, dass ein Nebeneinander von verschiedenen staatlichen Fiat-Währungen besser sei, als wenn es nur das monopolistische Euro-Fiat-Geld gibt.

Doch diesem Argument kann man entgegenhalten, dass das Miteinander von nationalen Fiat-Währungen, die im Wettbewerb miteinander stehen, wohl keinen dauerhaften Bestand haben wird.

Denn es wird nicht lange dauern, bis die Politik wieder danach drängt, aus den vielen nationalen Fiat-Währungen eine einheitliche Fiat-Währung zu formen.

Warum die Aufspaltung des Euroraums beziehungsweise eine Renationaliserung des Geldes keine überzeugende Lösung darstellt, soll der folgende Vergleich noch einmal deutlich machen.

Ende der 1989er Jahre wurde unumwunden klar: Die DDR, die ostdeutsche Planwirtschaft, war endgültig gescheitert.

Im Jahr 1990 wurde die Treuhandgesellschaft gegründet. Sie sollte die maroden volkseigenen Betriebe in private Hände übergeben.

In der Privatisierung wurde die Lösung des Problems erblickt: Man meinte, der freie Markt sei am besten in der Lage, mit den Folgen des gescheiterten planwirtschaftlichen DDR-Experiments umzugehen.

Wie richtig: Die Planwirtschaft funktioniert nicht. Diese Einsicht lässt sich direkt auf das Euro-Problem übertragen.

Der Euro ist ebenfalls eine planwirtschaftliche Konstruktion: Die EZB ist gewissermaßen ein monetäres Politbüro, ist der Zwangsmonopolist der Euro-Geldproduktion.

Jetzt fragen Sie sich vermutlich: Was soll die Alternative, die Lösung  sein? Etwa die Privatisierung des Geldes?

Man kann doch nicht den Euro privatisieren, wie man die bankrotten DDR-Betriebe privatisiert hat!

Doch, man kann, und es gibt auch überzeugende Gründe, warum man die Entscheidung, was Geld ist, dem freien Markt überlassen sollte.

Die Idee, das Geld zu privatisieren, es zu entstaatlichen, wurde bekannt gemacht durch den Ökonomen Friedrich August von Hayek (1899 – 1992).

In seiner Schrift „Die Entstaatlichung des Geldes“ aus dem Jahr 1976 schlägt Hayek vor, einen freien Markt für Geld zu schaffen.

Was ist ein freier Markt für Geld? In einem freien Markt für Geld hat jeder die Freiheit, das Geld zu wählen, das seinen Wünschen am besten entspricht.

Niemand wird gezwungen, ein bestimmtes Geld zu verwenden. Wer den Euro verwenden will, soll ihn weiterhin verwenden dürfen. Aber niemandem darf es verwehrt oder erschwert werden, ein anderes Geld als den Euro zu nutzen.

Solch ein Währungswettbewerb  ist nun in den Vereinigten Staaten von Amerika in Gang gesetzt worden.

VORREITER USA

Einige US-Bundestaaten – wie Arizona, Utah, Wyoming – haben in den letzten Jahren ihre Gesetze geändert: Sie haben die Umsatz- und Kapitalertragssteuer auf Edelmetalle, insbesondere Gold und Silber, abgeschafft.

Der Grund: Gold und Silber sollen als Geld verwendet werden können, sollen auf gleicher Augenhöhe mit dem US-Dollar stehen.

In einigen Bundesstaaten wurde Gold und Silber zudem auch zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt und damit dem US-Dollar gleichgestellt.

Den Bürgern in den genannten US-Staaten steht es jetzt frei, ihre Transaktionen in US-Dollar oder in Gold oder in Silber abzuwickeln.

Warum gehen die US-Bundestaaten diesen Weg? Antwort: Man möchte die Bürger und Unternehmer vor den Gefahren einer US-Dollar-Inflation schützen, ihnen eine Ausweichmöglichkeit geben.

Damit ist die Monopolstellung des US-Dollar in einigen US-Bundesstaaten gefallen!

Mittlerweile gibt auch das Ansinnen, auf US-Bundesebene alle Steuern auf Edelmetalle abzuschaffen – um so einen echten Wettbewerb zum US-Dollar zu schaffen.

MARK BANCO

Was daraus entstehen kann, lässt sich gut illustrieren mit einem kurzen Blick auf eine erfreuliche Episode in der deutschen Geldgeschichte.[2]

In der Hansestadt Hamburg wird im Jahr 1619 die „Hamburger Bank“ gegründet. Bei ihr kann man Silbermünzen und Silberbarren einlagern, und im Gegenzug räumt die Hamburger Bank dem Kunden ein entsprechendes Guthaben in der „Mark Banco“ ein: 1622 entsprach ein Mark Banco einem Silbergewicht von 8,66 Gramm.

Die Mark Banco dient als Recheneinheit, mit der die Kaufleute ihre Geschäfte bargeldlos, per Überweisung abwickeln. Die Hamburger Bank wird damit zur ersten Girobank Deutschlands.

1770 gibt es eine Bankreform, durch die die Mark Banco zu einem Feinsilberstandardgeld gemacht wird: Die Mark Banco repräsentiert fortan nicht mehr nominale Silbermünzen, sondern ungemünztes Feinsilber, also reines Silbergewicht.

Bis 1871 wird die Marc Banco verwendet, diente also mehr als 250 Jahre als verlässliches Geld.

Sie wird erst mit der Reichsgründung abgeschafft, bei der im vereinten Deutschland ein Goldstandard etabliert und das Silbergeld demonetisiert wird.

An der Erfolgsgeschichte der Mark Banco könnte in den USA nun angeknüpft werden.

Das beginnt dann, wenn Edelmetall-Depositenbanken ihre Dienste anbieten. Bei ihnen kann man dann physische Edelmetalle einlagern.

Die Golddepositenbank schreibt das Gold-Guthaben auf einem Konto gut und zwar – dem Beispiel der Mark Banco folgend – in einer Recheneinheit, sagen wir „Goldgramm“. Das Ergebnis wäre ein „digitalisierter Edelmetallstandard“.

Es kann weiter wie bisher gezahlt werden: per Lastschrift, Internet-Banking, per Apple-Pay oder Paypal bequem zahlen – statt in US-Dollar in Goldgramm.

Beispielsweise zeichnet Amazon die zum Verkauf stehenden Güter nicht nur in US-Dollar (oder Euro oder Schweizer Franken) aus, sondern auch Goldgramm – oder in Kryptowährungen.

CYBER-GELD

Denn was sich in einem freien Markt für Geld durchsetzt, lässt sich vorab nicht sagen.

Vielleicht wählen ja die Menschen kein Edelmetall, sondern eine Kryptowährung – wie zum Beispiel den Bitcoin.

Der Bitcoin ist ein digitales Zahlungsmittel, das auf der Blockchain aufbaut. Die Blockchain ist ein dezentrales Kontenbuch, das auf vielen Computern abgespeichert ist.

Die Blockchain ist eine Technologie, die den freien Währungswettbewerb immens befördern kann.

Die Britische Münzanstalt, die „Royal Mint“, macht sich die Blockchain bereits zunutze: Sie bietet an, das bei ihr gelagerte Edelmetall per Blockchain handelbar zu machen.

Wer bei der Royal Mint zum Beispiel Gold einlagert, dem wird das eingelagerte Gewicht in der Einheit „Royal Mint Gold” (RMG) auf seinem Konto gutgeschrieben. 1 RMG entspricht dabei 999,9 Feingoldgehalt.

Die Perth Mint in Australien arbeitet an einem ähnlichen Angebot. De facto stellen die Münzanstalten damit ein Gold-basiertes Handels- und wohlmöglich auch Zahlungssystem bereit.

Wir sollten an dieser Stelle festhalten: Der technologische Fortschritt erlaubt es, den etablierten Fiat-Währungen ernste Konkurrenz zu machen.

Der Weg hin zum Währungswettbewerb lässt sich meiner Meinung nach kaum mehr aufhalten.

Man könnte von einer wahren Demokratisierung des Geldes sprechen, die die Fiat-Währungen, einschließlich des Euro, herausfordert.

Natürlich werden Staaten und Zentralbanken versuchen, diesen Wettbewerb zu unterdrücken – ihn mit steuerlichen und regulatorischen Hürden zu entmutigen.

Aber wahrscheinlich wird das ins Leere laufen, sollten die Menschen entdecken, dass das Geld, das der freie Markt hervorbringt, besser ist als das Fiat-Geld.

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, damit ahnen Sie vermutlich bereits, wie meine Empfehlung ausfällt, um die Euro-Problematik zu lösen.

Meine Empfehlung lautet nicht, den Euro aufzuspalten, oder Deutschland solle aus dem Euro austreten (wenngleich das auch recht wahrscheinliche Szenarien sind).

Meine Empfehlung lautet vielmehr, einen freien Währungswettbewerb in Gang zu setzen.

Der Euro muss Konkurrenz bekommen. Das ist aus meiner Sicht der einzig gangbare Weg, um die schädlichen Wirkungen des Fiat-Geldes in den Griff zu bekommen.

Ein wichtiger Schritt dazu wäre, alle denkbaren Geldkandidaten – Edelmetalle, aber auch Kryptoeinheiten – von der Umsatz- und Kapitalertragssteuer zu befreien, damit sie keine steuerlichen Nachteile gegenüber dem Fiat-Euro haben; gleiches sollte auch bei der Verwendung von Fremdwährungen (wie US-Dollar und Schweizer Franken) gelten.

Anfänglich würden die Menschen die Wahlmöglichkeit vermutlich nutzen, um Teile ihrer Euro-Termin- und Spareinlagen dem gewünschten Geld anzuvertrauen.

Späterfolgend werden auch Zahlungen mit dem freien gewählten Geld durchgeführt und langfristig entstehen Märkte für Kredite und Wertpapiere, denominiert im frei gewählten Geld.

Würde die EZB weiter marode Staatshaushalte und Banken mit neu gedruckten Euro finanzieren, wertet die Einheitswährung nach innen und außen ab.

Die Geldnachfrager verabschieden sich daraufhin zusehends vom Euro. Das setzt die EZB unter Druck, ihre inflationäre Politik zu begrenzen.

Wenn sie von ihrer Inflationspolitik nicht ablässt, wechseln die Geldnachfrager in eine andere Währung. Die Nachfrage nach Euro schwindet und die Einheitswährung wird im Extremfall aus dem Markt ausscheiden, wertlos werden.

EIN FREIER MARKT FÜR GELD

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,

damit bin ich am Ende meiner Ausführungen angekommen.

Das friedvolle, kooperative und produktive Zusammenleben der Menschen ist nicht voraussetzungslos. Gutes Geld ist eine unverzichtbare Zutat.

Der Fiat-Euro ist aber leider kein gutes Geld. Er verursacht nicht nur wirtschaftliche Probleme, er ist letztlich auch mit dem Ideal einer freien Gesellschaft nicht vereinbar.

Der Lösungsweg, den ich vorgestellt habe, besteht in einem Beenden der Euro-Monopolstellung, indem man einen Währungswettbewerb, einen freien Markt für Geld, zulässt.

Der freie Markt wird gutes Geld hervorbringen, weil niemand freiwillig schlechtes Geld nachfragen wird. Geld, das im freien Markt entsteht, wird besser sein, als es das staatlich monopolisierte Fiat-Geld jemals sein kann.

Gutes Geld ist eine notwendige Bedingung für ein kooperatives und produktives Europa, in dem die Menschen in Wohlstand und Frieden leben können.

Wer ein solches Europa anstrebt, für den ist der freie Markt für Geld ein natürlicher Verbündeter.

Ich hoffe, meine Ausführungen waren für Sie an- und auch ein wenig aufregend.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

*****

[1] Siehe hierzu das ausgezeichnete Buch Dexit. Warum der Ausstieg Deutschlands aus dem Euro zwar schwierig, aber dennoch machbar und notwendig ist von Dr. Bruno Bandulet (2018, Kopp Verlag).

[2] Siehe hierzu Berking, K. (2013), Was uns die Geschichte der Mark Banco lehrt, Ludwig von Mises Institut Deutschland, 14. Januar. Siehe auch Soetbeer, A. (1855), Beurtheilung von Geld- und Bank-Fragen mit besonderer Rücksicht auf Hamburg, Hamburg.

Thorsten Polleit, 50, ist seit April 2012 Chefvolkswirt der Degussa. Er ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Adjunct Scholar am Ludwig von Mises Institute, Auburn, US Alabama, Mitglied im Forschungsnetzwerk „Research On money In The Economy“ (ROME) und Präsident des Ludwig von Mises Institut Deutschland. Er ist Gründungspartner und volkswirtschaftlicher Berater eines Alternative Investment Funds (AIF). Die private Website von Thorsten Polleit ist: www.thorsten-polleit.comHier Thorsten Polleit auf Twitter folgen.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: © Thomas Reimer – Fotolia.com

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