Breitseite gegen die Fed. Paul Volcker’s Memoiren

9. November 2018 – von Jeff Deist

Jeff Deist

Paul Volcker, der Zigarren rauchende FED-Chairman a.D. erhebt sich nicht nur buchstäblich, er ist über 2 Meter groß, sondern auch bildlich über seine Nachfolger. Volcker war der letzte Chairman, der dem amerikanischen Sparer noch einen ordentlichen Zins zugestehen wollte. Der letzte Chairman, der noch eine sinngemäße Unabhängigkeit von der Politik demonstrierte, als er sich sowohl mit Präsident Carter, als auch mit Reagan anlegte. Der letzte Chairman, der die Inflation wirklich hasste und der das technokratische Management von Geldpolitik verabscheute. Er ist das letzte Mitglied der alten Garde von Zentralbankern, die Geldpolitik noch als Regulativ und nicht als Stimulus-Maschinerie betrachteten. Obwohl er in der Goldfrage danebenlag, als er unter Präsident Nixon als Staatssekretär im Finanzministerium für die Aussetzung der Goldkonvertibilität plädierte, war er ein Banker mit gutem Bauchgefühl, der sowohl komplexe Märkte, als auch die Sorgen der Bevölkerung verstand. Er war nie ein Policy-Freak aus dem Elfenbeinturm.

Mit seinen 91 Jahren ist er immer noch aktiv und robust. Er hat eine neue Biographie über seine lange Amtszeit in der Zentralbank verfasst. Die ersten Auszüge daraus, die auf Bloomberg veröffentlicht wurden, geben Anlass zur Hoffnung, dass es sich dabei um eine willkommene Abrechnung mit dem technokratischen Management von Geldpolitik handelt, insbesondere in Bezug auf das derzeitige bizarre Verständnis von Inflation und Deflation:

In letzter Zeit hat sich ein beeindruckender Konsens unter den Zentralbankern etabliert, nämlich eine Art ‘roter Linie’ für die Geldpolitik: Eine zweiprozentige Erhöhung eines detailliert fabrizierten Konsumentenpreisindex sei akzeptabel, ausdrücklich erwünscht sogar und zugleich aber auch als ein Limit fungierend.

Ich bin über die Begründung verwundert. Vor ein paar Jahren kam ein 2%-Ziel oder Limit in meinen Lehrbüchern nicht vor. Ich kenne keine theoretische Erklärung hierfür. Es ist schwierig, gleichzeitig sowohl Ziel, als auch Limit zu sein. Darüber hinaus bedeutet eine zweiprozentige Inflationsrate pro Jahr, falls sie denn eingehalten werden könnte, eine Verdoppelung des Preisniveaus innerhalb einer Generation.

Wer sonst aus der Welt des Zentralbankings spricht denn heute noch über Inflation, außer wenn uns erklärt wird, dass sie kein Problem darstelle. Finden es irgendwelche FED- oder EZB-Ökonomen gut, wenn sich die Preise von Konsumgütern alle paar Jahrzehnte verdoppeln? Warum sorgen sich die derzeitigen Politikgestalter darüber, dass die Preise zu langsam steigen, was eine den gesellschaftlichen Interessen entgegengesetzte Position darstellt? Volcker legt die Absurdität dieser Denkweise offen:

Während ich diese Zeilen schreibe steigt das Wirtschaftswachstum und die Arbeitslosenrate befindet sich auf einem historischen Tiefststand. Nichtsdestotrotz werden Sorgen darüber geäußert, dass die Konsumentenpreise zu langsam anziehen, nur weil deren Wachstum ungefähr einen Viertelprozentpunkt unter dem 2%-Ziel liegt! Könnte das ein Signal sein für die Lockerung der Geldpolitik oder zumindest für die Verzögerung der Straffung von Geldpolitik, selbst in einer wachsenden Wirtschaft unter Vollbeschäftigung?

Das wäre doch glatter Wahnsinn. Wie nur konnten die Zentralbanker in diese Falle tappen und einer winzigen Veränderung bei einer einzigen Statistik so viel Gewicht einräumen, mit all den damit verbundenen Schwächen?

Vielleicht wäre ein dreiprozentiger Preisanstieg gerade recht, um einer anscheinend stagnierenden Wirtschaft einen leichten Stimulus zu versetzen? Und falls 3% nicht reichen, dann eben 4%?

Ich denke mir das nicht aus. Ich lese solche Ideen, die immer mal wieder von FED-Vertretern oder von Ökonomen des Internationalen Währungsfonds und immer häufiger auch von Volkswirtschaftsprofessoren vorgetragen werden. In Japan scheint dies das neue Evangelium geworden zu sein. Ich warte aber immer noch darauf, zu hören, dass inmitten einer starken Wirtschaftsentwicklung, das Inflationsziel eventuell reduziert werden sollte!

Er stellt auch im Zusammenhang mit dem Schreckgespenst ‘Deflation’ seinen klaren Sachverstand unter Beweis. Systemische Krisen, in Form von tiefen Rezessionen, sind die Gefahr und nicht fallende Preise. Natürlich wirken tiefe Rezessionen deflationär, da Banken, Unternehmen und Haushalte sich weniger verschulden und ihren Konsum reduzieren. Es sind jedoch die lockere Geldpolitik und nicht die Zinssteigerungen, wie sie Volcker damals durchgesetzt hat, die das größte Risiko für zukünftige systemische Krisen darstellt:

Die Lektion ist für mich glasklar. Deflation ist eine Gefahr, die aus einem kritischen Zusammenbruch des Finanzsystems erwächst. Langsames Wachstum und wiederkehrende Rezessionen ohne systemische Finanzmarktturbulenzen, sogar solche wie die von 1975 und 1982, stellen keine solche Gefahr dar.

Sie kann aber schnell real werden, wenn eine steigende Inflationsrate angestrebt oder indirekt toleriert wird, da damit unweigerlich auch extreme Spekulationen und Risiken eingegangen werden, man also de-facto dabei zuschaut, wie Blasen und Exzesse die Finanzmärkte aushöhlen. Ironischerweise, könnte also genau jenes ‘lockere’ Geld, das für ‘wenig Inflation’ zur Verhinderung von Deflation eingesetzt wird, eben genau diese hervorbringen.

Volckers Biographie wird hoffentlich als lange erwartetes Korrektiv gegen das heutige vorherrschende Dogma des Zentralbankings dienen und gleichzeitig als Warnung vor dem, was Nomi Prins ‘Finanzalchemie’ nennt, also den Irrglauben daran, dass Zentralbanker durch Anwendung von technischen Zaubertricks Wohlstand schaffen können. Produktion, Produktivitätszuwächse, Profit und Investitionen schaffen wahren Wohlstand und eine nachhaltige Wirtschaft. Kein Berg an gedrucktem Geld kann daran etwas ändern.

Volcker ist zwar kein „Österreicher“, aber er versteht die Gefahr für die wirtschaftliche Zukunft Amerikas, die die verkappte Zentralbankpolitik darstellt. FED-Vertreter, heute wie damals, wären gut beraten, sich weniger Sorgen über die Trump-Tweets und dafür mehr über ihre eigene Reputation machen. R. Christopher Whalen ruft uns mit seiner exzellenten Analyse in Erinnerung, dass «die grösste Gefahr für die Existenz der Zentralbank in der Tendenz von FED-Gouverneuren und Ökonomen liegt, abstrakten volkswirtschaftlichen Theorien nachzulaufen, die in der wirklichen Welt keinen Sinn ergeben und immer öfter mehr schaden als nutzen.»

Bleibt nur zu hoffen, dass Jay Powell das Buch von Herrn Volcker lesen wird.

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Aus dem Englischen übersetzt von Mathias Nuding. Der Originalbeitrag mit dem Titel Paul Volcker’s New Memoir: A Broadside Against his Successors? ist am 30.10.2018 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Jeff Deist ist Präsident des Mises-Institute, Auburn, US Alabama. Er war mehrere Jahre Berater von Ron Paul, sowie Fachanwalt für Steuerrecht, spezialisiert im Bereich „Mergers and Acquistions“. Er war Paul’s Stabschef während der Wahl im Jahr 2012 und dessen Kongress-Pressesekretär in den Jahren 2000 bis 2006.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

Foto: zerohedge

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