Nein: Roboter können uns nicht ersetzen!

12. Oktober 2018 – von Per Bylund

Per Bylund

Die Automatisierung ist scheinbar eine unerschöpfliche Quelle für Angstmacherei. Vielen Artikeln und Kommentaren zufolge werden Roboter „uns ersetzen“ und für enorme Arbeitslosigkeit sorgen. Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (AI) und Robotern, die wiederum Roboter herstellen, lassen den Wert der menschlichen Arbeitskraft gegen Null sinken. Menschen werden dann wertlose Konsumenten sein – Mäuler, die gestopft werden müssen, während Maschinen produzieren.

Weiter wird berichtet, dass der, der als erster einen Roboter erschafft, der wiederum andere Roboter baut, und Roboter, die sich selbst reparieren, einen so gewaltigen Wettbewerbsvorteil haben wird, dass ihm bald alle Produktionsmittel gehören werden. Das Schicksal unserer innovativen Gattung wird also die Abhängigkeit von diesem einen Kapitaleigentümer sein, der die gesamte Produktion, und so auch uns alle kontrollieren wird.

Ingenieurskunst, nicht Ökonomie

Diese dystopische Zukunftsvision hat jedoch ein paar grundsätzliche Fehler. Wie üblich, basiert sie auf mangelhaftem, ökonomischem Wissen. Die Marktwirtschaft wird nicht als Wirtschaftsorganismus, sondern durch die Brille eines Ingenieurs betrachtet. Es handelt sich um eine wirtschaftliche Betrachtung von Leuten, die die Ökonomie von Grund auf falsch verstehen: Sie glauben, es gehe dabei um Technologie und Ingenieurskunst – um Maximierung der Produktionsmenge, und nicht um die Ökonomisierung der Mittel, mit denen man Ziele von hohem persönlichem Wert erreichen will.

Wenn wir die Wirtschaft als Kreislauf betrachten, können wir ihre Effektivität erhöhen, in dem wir Fehler, oder „Transaktionskosten“ verringern, und so dafür sorgen, dass „sich die Räder immer schneller drehen“. Eine effiziente Wirtschaft ist nur eine Frage der Technik, weshalb dem Staat auch eine offensichtliche Rolle zukommt: Er schafft sorgfältig geplante Institutionen und Regulierungen, die viele (wenn nicht sogar alle) Probleme beheben, die auftreten, wenn nicht perfekte Menschen Entscheidungen treffen.

Auch lässt sich der marktwirtschaftliche Produktionsprozess der dezentralisierten Entscheidungsfindung verbessern, in dem eine rationale Zentralplanung eingeführt wird, und so alle verfügbaren Informationen vernünftig genutzt werden. Die Aufgabe besteht nun darin, dafür zu sorgen, dass die richtigen Menschen an der Macht sind, die sich dann die besten Methoden ausdenken, um schon vorher bekannte Ziele zu erreichen.

Mit anderen Worten: Wir müssen überhaupt nichts über Wirtschaft an sich wissen, sondern wir stehen vor einem reinen Ingenieursproblem – Ineffizienz zu beseitigen und die bestehenden Prozesse zu verbessern. Also ist es nur konsequent, Menschen durch Roboter zu ersetzen, die keinen Urlaub brauchen, keinen freien Willen haben, und Freizeit nicht als Wert ansehen. Wenn sich diese Roboter nun außerdem selbst reparieren, und sogar neue Roboter herstellen könnten, werden wir sicher keine Arbeiter mehr brauchen.

Hier liegt allerdings ein totales Missverständnis darüber vor, was Ökonomie überhaupt ist.

Wir haben kein Produktions-, sondern ein Ökonomisierungsproblem

Die gerade beschriebene Sichtweise betrachtet Wirtschaft hauptsächlich als Produktion von Gütern. Empirisch gesehen ist das nicht falsch: Unsere alltäglichen Wirtschaftsaktivitäten bestehen wirklich darin, die richtigen Dinge auf die richtige Art und Weise herzustellen.

Darum geht es in der Wirtschaft im Grunde jedoch nicht; und das verstehen die meisten nicht, die sich zur „Automatisierungsgefahr“ äußern. Roboter und künstliche Intelligenz können sicher bei der Lösung zahlreicher Produktionsprobleme helfen, die uns heute noch beschäftigen. Und Roboter arbeiten tatsächlich meist effizienter als Menschen, was spätestens seit Adam Smiths magnum opus auch bekannt ist. Deswegen entwickeln und benutzen wir schließlich seit geraumer Zeit Maschinen. Dasselbe gilt für Roboter, Automatisierung und AI.

Aber wir haben es hier nicht mit einer Bedrohung zu tun – ganz einfach, weil es in der Wirtschaft nicht darum geht, das Problem der Produktionseffizienz zu lösen. Tatsächlich geht es darum, knappe Mittel dazu zu verwenden, Bedürfnisse zu befriedigen. Sowohl Mittel als auch Ziele unterliegen dabei der subjektiven Bewertung. Roboter bewerten nicht.

So können Roboter effizientere Arbeiter, und möglicherweise auch bessere Ingenieure sein – sie können jedoch nicht herausfinden, was gerade hoch bewertet wird. Das ist die Aufgabe von Unternehmern, die darauf wetten, was Konsumenten in Zukunft möchten. Selbst wenn die gesamte Produktion von Robotern erledigt wird, können diese Roboter nicht herausfinden, was auf Grundlage der Werturteile hergestellt werden soll.

Es ist gut möglich, dass Roboter und AI einst herausfinden können, wie Kalorien, Sauerstoff und andere objektive Notwendigkeiten für menschliches Leben am besten zur Verfügung gestellt werden können. Aber den Schritt von „2000 Kalorien am Tag“ zu „Essen, dass die Menschen gerne kaufen werden“ geht man nicht durch Optimieren eines Algorithmus, sondern durch das Verstehen von Menschen und ihren Werturteilen. Genauer geht es sogar um das Spekulieren darauf, was Menschen in Zukunft hoch bewerten werden. Kein Roboter oder Nicht-Mensch ist dazu in der Lage. Genau so braucht es eine große Zahl von phantasievollen, menschlichen Unternehmern – intellektuelle Arbeitsteilung -, um gemeinsam im Markt herauszufinden, wie man Werte schafft.

In der Wirtschaft geht es um Ökonomisierung, und bei Ökonomisierung geht es nicht um physische Ressourcen oder Produktionsmittel. Werkzeuge und Rohstoffe sind zweifelsohne notwendig für die Produktion, ihre Verwendung in der Wirtschaft kann jedoch nur in Wertbegriffen ausgedrückt werden – und diese Mittel werden (und müssen auch) in diesem Sinn ökonomisiert werden. Diese grundsätzliche wirtschaftliche Tatsache wird bei Betrachtungen zum Thema Automatisierung oder AI regelmäßig ignoriert.

In der Wirtschaft geht es um Werte

Ein bedeutender Vorteil der Österreichischen Schule gegenüber dem Hauptstrom besteht darin, dass sie den Wertbegriff an erste Stelle setzt – dass sie die Wirtschaft in Werbegriffen versteht und erklärt. Die Hauptstromökonomie hat den Wertbegriff unglücklicherweise zugunsten der Erklärung und Vorhersage der Produktion in Ingenieursbegriffen aufgegeben. Deswegen konzentriert sich die Debatte über Automatisierung, Roboter und die Verwendung von AI auf den Ingenieursaspekt der Wirtschaft: zu produzieren. Dieser ist jedoch für das eigentliche Funktionieren jeder realen oder theoretischen Ökonomie irrelevant – es geht stets darum, das Problem zu lösen, wie knappe Mittel für eine nicht enden wollende Menge an Zielen zu verwenden sind.

Also stellen wir fest: Bei der Ökonomisierung geht es nicht um Technik oder die physische Welt. Es handelt sich um einen verbreiteten Trugschluss, zu meinen, man könne Mittel und Ziele in anderen als Wertbegriffen ausdrücken. Dies ist nicht möglich.

Bei den Mitteln, die ökonomisiert werden müssen, handelt es sich nicht einfach um natürliche Ressourcen, sondern um wirtschaftliche Ressourcen. So war zum Beispiel Erdöl eine natürliche Ressource, die zu einer wirtschaftlichen Ressource wurde. Vor der Erfindung von Petroleum und dem Verbrennungsmotor konnte ein Ölfund den finanziellen Ruin, wenn nicht sogar den Tod für einen Viehzüchter bedeuten. Heute jedoch, nach der Erfindung und Verbreitung dieser Erfindungen, bedeutet ein Ölfund, reich zu werden. Die natürliche Ressource hat sich nicht verändert, aber die wirtschaftliche Ressource – ihr Wert – wurde erst durch die Erfindungen erschaffen. Öl hat einen Wert in der Verwendung in Motoren, weil diese Motoren die Bedürfnisse von Konsumenten erfüllen. Der Wert des Öls besteht nicht in seiner Molekularstruktur, sondern in seiner Verwendung zur Befriedigung von Bedürfnissen.

Wer die Wirtschaft für ein technisches Problem, und Ökonomie für eine Naturwissenschaft hält, der erliegt einem fundamentalen Irrtum. Ein Gut, welches auf dem Markt verkauft wird, besteht nicht aus seinen physischen Eigenschaften, sondern aus dem Nutzen, den es für die Konsumenten bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse darstellt. Mit anderen Worten: Ein Gut stellt einen Gebrauchswert dar. Und ein Wert liegt stets im Auge des Betrachters. Der Wert jedes Mittels wird durch seinen Anteil an einem wertvollen, wirtschaftlichen Ziel bestimmt.

Bis jetzt hat die Debatte über Automatisierung den Wertbegriff vollständig ignoriert. So lässt sich das Problem zwar einfacher lösen, sei es durch die Erfindung von Maschinen oder von Algorithmen zur Lösung von Gleichungen – alleine die Lösung geht am Kern des Problems vorbei. Das Ziel der Wirtschaft, ihre physische Produktion eingeschlossen, ist die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse, im Sinne von Menschen als Konsumenten.

Wenn Roboter uns Arbeitsmühen ersparen, ist das eine Sache. So haben wir mehr Freizeit, was natürlich eine gute Sache ist. Aber Roboter können niemals unsere Werturteile fällen und für uns konsumieren; kein Automatisierungsprozess kann herausfinden, was wir zukünftig begehren werden. Sie können nur die Arbeit erledigen, nachdem die Ziele erkannt worden sind. Und der Menschheit die Arbeit abzunehmen, kann man schwerlich als Bedrohung wahrnehmen.

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Aus dem Englischen übersetzt von Florian Senne. Der Originalbeitrag mit dem Titel No, Robots Cannot Replace Us ist am 18.9.2018 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Per Bylund ist Assistenzprofessor für Entrepreneurship und Records-Johnston Professor of Free Enterprise an der School of Entrepreneurship der Oklahoma State University. Zuvor war er an der Baylor University und der University of Missouri tätig. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Artikel und zweier Bücher: The Seen, the Unseen, and the Unrealized: How Regulations Affect our Everyday Lives und The Problem of Production: A New Theory of the Firm. Er ist Herausgeber der Buchreihe Austrian Economics bei Agenda Publishing und Herausgeber des Bandes The Next Generation of Austrian Economics: Essays zu Ehren von Joseph T. Salerno, veröffentlicht vom Mises Institute. Weitere Informationen finden Sie unter PerBylund.com.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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