Die Antikapitalisten übersehen die fundamentalen Widersprüche des Sozialismus

5.8.2015 – von Jonathan Newman.

Jonathan Newman

In den Schlagzeilen macht sich immer mehr eine Anti-Marktwirtschafts- und Pro-Sozialismus-Agitation breit. Dies spiegelt sich auch in den sozialen Medien wider. Meistens kennen diese Gegner der Marktwirtschaft nicht einmal den Unterschied zwischen Regierungsorganisationen wie dem IWF und tatsächlichen Märkten. Aber das macht auch nichts, weil die Artikel und Memoranden meist populistisch und vage formuliert sind –  letzteres sicher absichtlich, um Einwendungen Uninformierter abzuwehren und ehrliche Beschreibungen des Behaupteten zu verunmöglichen. Letztendlich läuft es immer auf die eine Botschaft hinaus, dass Sozialismus funktioniert und besser ist als Kapitalismus.

Das meiste kommt aus der linken Ecke, aber auch die Konservativen sind nicht unschuldig, weil sie primär ihren eigenen Populismus predigen und anscheinend weniger die Marktwirtschaft verteidigen möchten. „Stärkere Abschottung von außen“ stellt keine angemessene Antwort dar auf „Profite sind schlecht“.

Statt sich auf dieses Niveau zu begeben oder einfach zu sagen „Lest Mises!“ (die passendere Antwort), müssen wir wieder einmal zeigen, dass Sozialismus – auch unter einer wohlmeinenden politischen Führung – unmöglich ist und desaströse Folgen hat.

Gewinne, Preise und Unternehmertum sind unverzichtbar

Sozialismus bedeutet die Vergesellschaftung (d.h. Staatsmonopol) der Produktionsmittel. Er verlangt die Abschaffung des Privatbesitzes an Produktionsfaktoren. Löhne und Gewinne sind Teile desselben Kuchens und der Sozialismus wünscht, dass letztere null sein sollten.

Die dem Sozialismus inhärenten Probleme erwachsen aus dieser Definition und nicht aus irgendwelchen Aspekten seiner konkreten Umsetzung. Die Befürworter des Sozialismus verstehen unter Vergesellschaftung, dass kein Tausch von Produktionsfaktoren stattfindet. Aber ohne Tausch kann es keine Preise geben und ohne Preise fehlt ein Maßstab für die Ermittlung von Produktionskosten.

In einer ungestörten Marktwirtschaft bestimmen sich die Preise der Produktionsfaktoren anhand ihres Beitrags zur Erfüllung der Konsumentenwünsche. Sie verdienen ihr Grenzprodukt, und weil jeder Arbeitnehmer über einen komparativen Vorteil verfügt, bekommt jeder etwas vom Kuchen ab.

Wenn die Produktivität bestimmter Faktoren durch technischen Fortschritt steigt oder Arbeiter durch Fortbildung oder Training produktiver werden, treibt der Wettbewerb deren Preise oder Löhne entsprechend der gestiegenen Grenzproduktivität nach oben. Kein Unternehmer würde Produktionsfaktoren zu einem Preis über deren Grenzproduktivität beschäftigen, weil er sonst Verluste machte.

Unternehmerischen Verlusten kommt eine größere Bedeutung zu, als sich viele bewusst sind. Es handelt sich nicht bloß um Fehlschläge beim Geschäft. Verluste offenbaren, dass die in der Produktion verwendeten Ressourcen höher bewertet wurden als der Output. Verluste zeigen, dass Wohlstand vernichtet wurde.

Gewinne signalisieren das Gegenteil. Sie stehen für wirtschaftliches Wachstum und Wohlstandssteigerung. Güterproduktion ist profitabel, wenn die eingesetzten Mittel weniger kosten als die Konsumenten für die Endprodukte zu zahlen bereit sind.

Deshalb geht es bei Gewinnen und Verlusten um mehr als um bloße Anreize oder Schleier in einem konspirativen kapitalistischen Klassengeschehen; es handelt sich vielmehr um die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob im Zuge von Produktion Wohlstand geschaffen oder vernichtet wird.

Im Sozialismus gibt es nur einen Eigentümer und entsprechend erfolgt keine Konkurrenz um Produktionsfaktoren zwischen den Produktionszweigen. Niemand kann, auch nicht mit der geringsten Gewissheit, sagen, ob ein bestimmtes Werkzeug, eine Maschine oder eine Fabrik nicht effektiver für die Herstellung von etwas anderem eingesetzt werden könnte. Niemand weiß, was zu produzieren ist und wie viel. Es herrscht ökonomisches Chaos.

Ohne Märkte fehlt das Wissen um das „Was“ und „Wie“ der Produktion

Gewinne und Verluste lenken Unternehmer bei der Gestaltung der Produktion und ihrer Erwartung darüber, was die Konsumenten wünschen. Ohne diese Information einschließlich der über Produktionskosten fehlt den Unternehmern eine Grundlage für die ökonomische Kalkulation, d.h. eine Abschätzung der Differenz zwischen künftigen Erlösen und den erforderlichen Kosten zur Generierung dieser Erlöse.

Arbeiter werden dann in Verwendungen eingesetzt, wo sie über keine komparativen Vorteile verfügen. Landwirte werden in Fabriken geschickt, Schneider in Bergwerke. Arbeiter finden sich in unpassenden Produktionszweigen wieder und ohne passendes Werkzeug. Jeden Morgen sieht die Wirtschaft aus, als hätten Robert Murphys „Kapitalstock-Zwerge“ die Kapitalstruktur komplett durcheinander gebracht.

Der polnische Film „Brunet Will Call“ macht sich über derartige Fehlkonstellationen lustig, indem Konsum- und Kapitalgüter an den unmöglichsten Stellen auftauchen. Ein Metzger zieht einen Kupplungsstrang aus seiner Kühltruhe, um ihn der Hauptperson zu geben, die dafür mit Informationen über den Aufenthaltsort eines Doppelkinderwagens für neugeborene Zwillinge bezahlt (offensichtlich im Blumenladen).

Das Scheitern des Sozialismus liegt demnach nicht an der Kultur, der Zeit oder dem Ort der Opfer. Das Wesen des Sozialismus ist mangelhaft: Die Kollektivierung der Produktionsmittel. Es gibt deshalb überhaupt keine Möglichkeit, irgendwo einen funktionierenden, wachstumsfördernden Sozialismus zu etablieren. In der Praxis führen die theoretischen Mängel des Sozialismus zu sozialen Unruhen, die mit staatlicher Repression beantwortet werden, mit einem höheren Blutzoll als alle jemals geführten Kriege.

Ohne das Gewinnmotiv muss die Produktionssteuerung durch Mengenvorgaben erfolgen. Aber selbst wenn die Arbeiter hinsichtlich ihrer Leistungen nicht lügen, regiert bei Mengenvorgaben das Chaos. Wenn die Produktionsvorgaben z.B. von Nägeln über die Zahl der herzustellenden Nägel erfolgt, werden die Arbeiter kleine und unbrauchbare Nägel produzieren. Eine Quote anhand des Gewichts verleitete zur Produktion riesengroßer, aber ebenso unbrauchbarer Nägel, genau wie es in diesem Cartoon in „Krokodil“ aus den 1960er Jahren verulkt wurde.

Die UDSSR durchzogen endlose Schlangen von Leuten auf der Suche nach Schuhen, obwohl die UDSSR mehr Schuhe produzierte als die USA. Allerdings waren die Schuhe zu klein, weil die Produktionsvorgaben auf Stückzahl basierten, ohne Rücksicht auf Konsumentenbedürfnisse hinsichtlich Größe und Design.

Totenwache für den Sozialismus

Manche Beispiele sind lustig, andere eher nicht. In der UDSSR verhungerten 1932-33 etwa sieben Millionen Menschen. Die Autoren von The Black Book of Communism (1999) schätzen, dass ca. 100 Millionen Tote dem Kommunismus oder sozialistischen Regimen zuzuschreiben sind. Das übertrifft die US-Toten des Zweiten Weltkriegs um das 200-Fache (wobei man durchaus auch diese Toten dem Sozialismus zuschreiben könnte).

Heute liegt der Durchschnittslohn auf Kuba bei 20 $ im Monat. In Nordkorea werden regelmäßig Bürger dutzendweise zur öffentlichen Exekution zusammengetrieben, weil sie sich des Verbrechens schuldig gemacht haben, südkoreanische Fernsehsendungen anzuschauen, die ins Land geschmuggelt wurden.

Der Staat kann nicht überleben, wenn die Menschen hungrig und unglücklich sind und wissen, dass es die Menschen anderswo besser haben. Der Staat nutzt Propaganda, Falschinformationen und Zensur, um eine bereits als Gefangene gehaltene Bürgerschaft noch weiter zu verwirren und zu unterdrücken.

Ich bin deshalb mehr als überrascht, im Jahre 2015 noch Aufrufe zum Sozialismus hören zu müssen. Wenn weder das starke Argument der ökonomischen Kalkulation, noch das des astronomisch hohen Blutzolls die Linken vom Sozialismus abbringen, weiß ich auch nicht, wodurch es gelingen könnte. Diese Ideologie ist sowohl bankrott als auch tödlich, sowohl in der Theorie wie in der Praxis.

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Aus dem Englischen übersetzt von Dr. Bernhard Pieper. Der Originalbeitrag mit dem Titel Today’s Anti-Capitalists Ignore the Fundamental Problems of Socialism ist am 27.7.2015 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Foto Startseite: © Tiberius Gracchus

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Jonathan Newman war in den Jahren 2013, 2014, and 2015 Summer Fellow am Mises Institute und unterrichtet Volkswirtschaft an der Auburn University.

 

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