Trumps Trilemma: Handel, Währung, Schulden
16. Juni 2025 – von Antony P. Mueller
Die Probleme im Außenhandel, denen sich die Vereinigten Staaten heute gegenüberstehen, sind nicht neu. Sie wurzeln in dem, was Ökonomen das Triffin-Trilemma nennen, benannt nach dem belgisch-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Robert Triffin (1911 – 1993). Allgemein gefasst lautet das Triffin-Trilemma, dass ein Land nicht zugleich seine monetäre Autonomie und einen freien Kapitalverkehr zusammen mit einem festen Wechselkurs aufrechterhalten kann. Nur jeweils zwei dieser drei Ziele können erreicht werden.
Dieses Prinzip verweist auf einen grundlegenden Widerspruch: Eine nationale Währung kann nicht als primäre globale Reservewährung fungieren ohne Handelsungleichgewichte zu erzeugen. Seit Jahrzehnten häuft Amerika Handelsbilanzdefizite an, die zu einem rasanten Anstieg der Auslandsverschuldung führen und das Vertrauen in den US-Dollar untergraben.
Das Triffin-Trilemma wurde erstmals in den 1960er-Jahren im Zusammenhang mit dem Bretton Woods Währungssystem formuliert. Triffin machte auf den grundlegenden Widerspruch zwischen monetärer Stabilität im Inland und globaler Liquiditätsversorgung aufmerksam. Unter dem System von Bretton Woods mussten die USA den Dollar zu einem festen Kurs von 35 Dollar pro Unze in Gold konvertierbar halten – und zugleich den Rest der Welt mit Dollarreserven versorgen. Damit der Welthandel wuchs, waren so die USA genötigt, dauerhafte Defizite hinzunehmen. Doch diese Defizite untergruben das Vertrauen in die Konvertibilität des Dollars.
Wie Triffin warnte, könnten die USA nicht gleichzeitig Konvertibilität und ausreichende Versorgung mit internationaler Liquidität garantieren. Bei anhaltender Dollar-Emission würden die Goldreserven schwinden. Dieses Dilemma trug dann auch zum Zusammenbruch von Bretton Woods bei. 1971 setzte Präsident Nixon die Goldkonvertibilität aus. Es begann das Zeitalter eines ungebundenen Fiatgeld-Systems und frei schwankender Wechselkurse. Aber auch unter Bretton Woods II blieb das Triffin-Dilemma in neuer Form bestehen. Der US-Dollar ist weiterhin, wenn auch schwindend, die dominante Währung als internationale Reserve, auf den Finanzmärkten und im Welthandel. Die globale Dollarnachfrage und das Auftreten von anhaltenden Außenhandelsdefiziten sind direkt miteinander verbunden und führen über die Zeit zwangsläufig zur Anhäufung von Auslandsschulden.
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Keine nationale Fiatwährung kann dauerhaft gleichzeitig die monetäre Stabilität im Inland wahren und als globale Reserve dienen, ohne in dieses Dilemma zu geraten. Für seine Zeit schlug Robert Triffin vor, vermehrt den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu befähigen, Sonderziehungsrechte (Special Drawing Rights, SDRs) als supranationales Geld zu emittieren. Obwohl solche SDRs geschaffen wurden, blieben sie in ihrer Funktion als Verrechnungseinheit beschränkt. Die USA wollten die globale Dollardominanz nicht aufgeben.
Inzwischen gibt es zunehmend Vorschläge zur Schaffung eines multipolaren Systems mit der Einbindung des Euro und des chinesischen Renminbis oder einer einheitlichen, an einen Warenkorb gekoppelten Währungseinheit. In neuerer Zeit hat das Aufkommen digitaler Währungen und Blockchain-basierter Systeme das Interesse an dezentralen, algorithmischen Alternativen neu entfacht. Ein neues System ist dringend geboten, aber schwer durchsetzbar, weil die diversen nationalen politischen Interessen nicht in Einklang zu bringen sind.
Die derzeitige US-Politik, nahezu allen Handelspartnern exorbitante Zölle aufzuerlegen, ist keine Lösung für dieses Problem. Solche Maßnahmen richten mehr Schaden an, als das sie nutzen. Zölle verteuern die Importe, was zu höheren Preisen für die Konsumenten und zu steigenden Kosten für die Produzenten führt, die auf globale Lieferketten angewiesen sind. Dies verringert die Kaufkraft der Verbraucher und reduziert die Produktivität der Produzenten. Das Produktivitätsniveau sinkt. Darüber hinaus reagieren Handelspartner mit eigenen Zöllen, was zu verschärften Handelskriegen führt und den globalen Handel stört. Anstatt die Industrie zu beleben, rufen Zölle Fehlallokationen hervor. Der Protektionismus unterstützt ineffiziente Produzenten, wodurch schon bestehende strukturelle Schwächen verlängert, statt beseitigt werden.
Das anhaltende Handelsdefizit der USA ist eine natürliche Folge eines überbewerteten Dollars. Diese Überbewertung wiederum ergibt sich aus der weltweiten Nachfrage nach der US-Währung. Die Rolle als Emittent der dominierenden Weltreservewährung ist zugleich Segen und Bürde. Einerseits erlaubt diese Rolle den USA, mehr zu importieren als zu exportieren, ohne unmittelbar auf die Finanzierung des Importüberschusses achten zu müssen. Zwar steigt durch die anhaltenden Handelsbilanzdefizite die Auslandsverschuldung, aber weil diese in der eigenen US-Währung besteht, stellt sie so lange kein Problem dar, wie der Rest der Welt bereitwillig Dollar hält.
Ein weiterer kurzfristiger Vorteil und Fluch zugleich für die Vereinigten Staaten ist die durch die herausragende Rolle des US-Dollars mögliche Erleichterung bei der Finanzierung des amerikanischen Bundeshaushalts. Ausländische Halter von Dollarreserven investieren hauptsächlich in US-Staatsanleihen bzw. T-Bills (Treasury Bills) und tragen so erheblich zur Finanzierung der Defizite des amerikanischen Budgetdefizits bei. Dieser Mechanismus besteht – mit Unterbrechungen –, seitdem das Bretton-Woods-System nach dem Zweiten Weltkrieg in Kraft trat. Praktisch bedeutet dies, dass die USA Waren aus aller Welt erwerben können, indem sie einfach neues Geld schöpfen. Dies führt dann jedoch automatisch zu den sogenannten „Zwillingsdefiziten“: sowohl als Haushaltsdefizit der Regierung als auch als Handelsbilanzdefizit. Über die Zeit hinweg wachsen diese Ströme zu riesigen Schuldenbergen an – in Form von Staatsverschuldung und der Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen Gläubigern.
Präsident Trump steht nun vor der Herausforderung, dass diese Schuldenberge kritische Grenzen erreicht haben. Das Vertrauen in den Dollar beginnt zu bröckeln. Die US-Staatsverschuldung beträgt bereits rund 37 Billionen US-Dollar und steigt rasant weiter ab. Die öffentliche Verschuldung hat 120 % des Bruttoinlandsproduktes überschritten. Rund ein Drittel der US-Staatsverschuldung wird von ausländischen Gläubigern gehalten. Die gesamte Netto-Auslandsverschuldung (NIIP) beträgt über 26 Billionen US-Dollar. Angesichts des Umfangs der bereits festgelegten zukünftigen Staatsausgaben und der steigenden Risiken einer stagnierenden oder schrumpfenden Wirtschaft ist mit weiterwachsender Staats- und Auslandsverschuldung zu rechnen.
Zurecht sorgt sich Präsident Trump auch um die strategische Verwundbarkeit durch anhaltende Handelsdefizite. Wenn Importe dauerhaft die Exporte übersteigen, wird die heimische Produktion weniger wettbewerbsfähig, es kommt zu Fabrikschließungen, Arbeitsplatzverlusten und zur Verlagerung ganzer Industrien ins Ausland. Das Handelsdefizit hat die industrielle Basis der USA ausgehöhlt und ein wirtschaftliches wie sicherheitspolitisches Problem hervorgerufen. Eine starke Industrie ist aber essenziell für Innovation, Beschäftigung und ökonomische Widerstandsfähigkeit – insbesondere in Zeiten globaler Krisen oder geopolitischer Konflikte. Wenn kritische Lieferketten – etwa für Halbleiter, medizinische Geräte oder Rüstungsgüter – im Ausland liegen, werden die USA von fremden Produzenten abhängig.
Trump will hier Abhilfe schaffen. Im November 2024 veröffentlichte Stephen Miran, designierter Vorsitzender des Council of Economic Advisors, das Dokument „A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System“ – häufig „Mar-a-Lago Accord“ genannt. Dieses inoffizielle Weißbuch skizzierte die Vision der Regierung zur Lösung der wirtschaftlichen Schieflage Amerikas.
Miran identifiziert in seiner Analyse zurecht die Überbewertung des Dollars als Hauptursache für den Niedergang der US-Industrie – eine Entwicklung, die er als Bedrohung der nationalen Sicherheit einstuft. Die Rolle der USA als Emittent der globalen Reservewährung entkoppelt die Nachfrage nach US-Dollars von der Handelsbilanz. Das war so lange kein Problem, wie der Anteil der USA an der globalen Produktion hoch genug war, um im Einklang mit der weltweit umlaufenden Dollarmenge zu stehen. Da aber der relative Anteil der USA an der Weltwirtschaft schrumpft, verschärft sich die Spannung. Die USA sind im Triffin-Trilemma gefangen. Miran deutet an, dass höhere Zölle das Handelsdefizit verringern und die Industrie revitalisieren könnten. Doch Handelsmanagement ist keine Lösung. Das eigentliche Problem liegt in der Natur eines Fiatgeld-Systems unter Kontrolle von Staaten und Zentralbanken.
Aus Sicht der Österreichischen Schule (*) reichen solche Vorschläge nicht aus. Das globale Währungssystem sollte nicht auf Fiatgeld oder Zentralbankwillkür beruhen. Geld muss durch freiwillige Marktprozesse entstehen. Ein stabiles Geldsystem, bei dem Geld nicht willkürlich vermehrt werden kann, würde die Staatsausgaben disziplinieren, indem es die Monetisierung von Defiziten einschränkt. Es würde als verlässliches ‚Wertaufbewahrungsmittel‘ und Recheneinheit dienen – unabdingbar für die rationale wirtschaftliche Kalkulation. Aus ‚österreichischer‘ Sicht ist das ideale System eines mit freiem Bankwesen und Währungskonkurrenz. Private Banken würden (wie bereits in der Vergangenheit) gegen Rohstoffe wie Gold einlösbare Noten ausgeben und um Kunden werben, indem sie Solidität und Vorsicht garantieren. Zentralbanken hingegen verzerren das Zinsniveau und verursachen Konjunkturzyklen durch willkürliche Politiken.
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In einem entpolitisierten Geldsystem würden die Zentralbanken abgeschafft und so die Ausgabe von Fiatwährungen praktisch verunmöglicht. Zinssätze würden durch Marktkräfte bestimmt – durch das Zusammenspiel von Sparen und Investieren – statt durch politische Vorgaben. Dies würde zu einer besseren intertemporalen Ressourcenallokation führen, wie sie der Österreichischen Kapitaltheorie entspricht.
Das Triffin-Trilemma zeigt eine entscheidende Tatsache: Keine nationale Fiatwährung kann auf Dauer globale Funktionen übernehmen, ohne Instabilität zu erzeugen. Die Ablösung des Dollars durch eine andere nationale Fiatwährung – sei es der Renminbi oder der Euro – würde zu denselben Widersprüchen führen, wie sie jetzt beim US-Dollar vorliegen. Die ökonomisch wie ethisch nachhaltige Lösung des Problems liegt in der vollständigen Entpolitisierung des Geldes.
Eine solche Reform ist leichter als gemeinhin vermutet. Der entscheidende Schritt besteht darin, gesetzliche Zahlungsmittelgesetze abzuschaffen, die die Bürger zur Annahme von Staatswährungen zwingen und die das Herausgeben von alternativen Geldarten verbieten, sowie steuerliche Belastungen aufzuheben, die verhindern, dass Konkurrenten wie Gold, Silber oder Bitcoin als Zahlungsmittel verwendet werden (z. B. Spekulationssteuern bzw. Haltefristen, Mehrwertsteuer etc.). Mit der rechtlichen Freiheit, alternative ‚private‘ Währungen zu verwenden und herauszugeben, könnten Regierungen eine Welle monetärer Innovation und Wettbewerb freisetzen. Dadurch würden die Anreize der Währungsanbieter mit den Präferenzen der Nutzer in Einklang gebracht – und Stabilität, Transparenz und Vertrauen in das Geldsystem gefördert.
Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
Antony Peter Mueller ist promovierter und habilitierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg, wo er von 1994 bis 1998 das Institut für Staats- und Versicherungswissenschaft in Erlangen leitete. Antony Mueller war Fulbright Scholar und Associate Professor in den USA und kam im Rahmen des DAAD-Austauschprogramms als Gastprofessor nach Brasilien.
Bis 2023 war Dr. Mueller Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomie und Internationale Wirtschaftsbeziehungen, an der brasilianischen Bundesuniversität UFS. Nach seiner Pensionierung ist Dr. Mueller weiterhin als Dozent an der Mises Academy in São Paulo tätig und als Mitarbeiter beim globalen Netzwerk der Misesinstitute aktiv. Darüber hinaus ist er wissenschaftlicher Beirat der Partei „Die Libertären“.
In deutscher Sprache erschien 2024 sein Buch „Antipolitik“ (*), 2023 erschien „Technokratischer Totalitarismus. Anmerkungen zur Herrschaft der Feinde von Freiheit und Wohlstand“(*). 2021 veröffentlichte Antony P. Mueller das Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie. Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“(*). 2018 erschien sein Buch „Kapitalismus ohne Wenn und Aber. Wohlstand für alle durch radikale Marktwirtschaft“(*).
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