„Politik als Beruf“

Blick aus Österreich

Andreas Tögel

3. Februar 2025 – von Andreas Tögel

Das Kernproblem der modernen ‚liberalen‘ Demokratie besteht darin, dass eine ‚Politikerkaste‘ und eine Staatsbürokratie entstanden sind, die jeden Bodenkontakt mit der wirklichen Welt verloren haben. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden ist allerdings anzumerken: Während man gewählte Politiker – zumindest theoretisch – durch Abwahl wieder loswerden kann, gilt das nicht für die mächtige Hochbürokratie. Einmal Spitzenbeamter, immer Spitzenbeamter – komme jeder Minister, der da wolle.

Qualifikation und Verantwortung

Besonders problematisch ist, dass kaum einer der politischen ‚Verantwortungsträger‘ je einen bürgerlichen Beruf außerhalb der Staatssphäre ausgeübt hat: Vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal. Die wenigsten dieser Leute können daher in einen ‚normalen‘ Beruf wechseln. Sie gewöhnen sich sehr schnell an ihr privilegiertes Leben auf Kosten der in der Privatwirtschaft tätigen Leistungsträger und haben weder eine Ahnung, noch Interesse daran, wie die Normalsterblichen über die Runden kommen (und wenn doch, dann nur insofern, als sie damit ihren Verbleib am staatlichen ‚Futtertrog‘ absichern können).

Kommt hinzu, dass die Angehörigen der Nomenklatura für ihre Fehler und Untaten niemals zur Verantwortung gezogen werden. Jeder Private, der Fehler begeht oder Schuld auf sich lädt, muss dafür bezahlen, oder er wandert gar hinter Gitter. Politiker und Staatsbürokraten dagegen scheinen nahezu ‚Narrenfreiheit‘ zu haben. Für ihr Versagen steht allemal der Netto-Steuerzahler gerade. Bestes Beispiel ist die gegenwärtige Regierung Deutschlands, die in allen wesentlichen Politikfeldern – Immigration, Energie- und Wirtschaftspolitik – ungestraft gegen die Interessen der Mehrheit agieren und diese schädigen kann. Das ist ein Übel, das unter dem Begriff No skin in the game (Nassim Taleb) eingeordnet werden kann.

Berufspolitiker

An dieser Stelle sei auf eine zu diesem Thema passende Zusammenfassung eines rund 100 Jahre alten Vortrags von Max Weber (1864 – 1920) hingewiesen: Politik als Beruf.

Das Aufkommen von Berufspolitikern in der Neuzeit ist ein relativ junges Phänomen, das mit der Emanzipation der ‚Besitzlosen‘ zusammenhängt. Davor waren nur wohlhabende Personen in der Lage, sich den Luxus einer politischen Betätigung zu leisten, weil sie von Kapitalerträgen oder ihrem Landbesitz leben konnten. Sie waren dadurch auf kein Einkommen aus dem Politikmandat angewiesen und daher – im Gegensatz zu den Leuten, die heute die Parlamente bevölkern – unabhängig. Die Einführung bezahlter Mandate ist problematisch. Unter Perikles im 5. JH v. Chr. wurde damit der Anfang vom Ende der attischen Demokratie eingeläutet. Sobald politische Mandate nämlich ein Einkommen garantieren, üben diese eine geradezu magische Anziehungskraft auf Typen aus, die nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen haben. Die Folge, wie Friedrich August von Hayek (1899 – 1992) es ausdrückt:

The worst get on top.

Charakterfragen

Letztlich ist aber wohl die Frage der Moral entscheidend. Kein Mensch, der sich dazu entschließt, Neurochirurg, Kaufmann, Baumeister, Putzfrau, Marketingmanager, Tischler oder Schuster zu werden, tut das, weil er plant, Macht über seine Mitmenschen auszuüben. Er tut es vielmehr deshalb, weil ihn die Tätigkeit interessiert, oder er nichts anderes gelernt hat und irgendwie auf redliche Weise seinen Lebensunterhalt verdienen will.

Ganz anders der Typ, der in einer Demokratie in die Politik strebt (in Erbmonarchien gelten natürlich andere Gesetze). Ludwig von Mises (1881 – 1973) hat es auf die einfache Formel gebracht:

Wer seinen Mitmenschen zu dienen nicht in der Lage ist, der will sie beherrschen.

Im Klartext: Wer auch immer sich – anders als ein Kronprinz – aus freien Stücken für den Politikerberuf entscheidet, ist meist allein schon deshalb disqualifiziert. Denn welcher normale Mensch ist scharf darauf, Zwangsgewalt über seine Mitmenschen ausüben? Der Verdacht liegt nahe, dass es sich dabei häufig um ‚Zivilversager, zutiefst autoritäre und/oder herrschsüchtige Naturen handelt. Grundregel: Je höher die politische Ebene, je weiter entfernt vom Bürger, desto ‚übler‘ wird es. Lord Dalberg-Acton (1834 – 1902) konstatierte:

Macht korrumpiert. Absolute Macht korrumpiert absolut.

Der prinzipielle Unterschied zwischen Führungskräften in der Privatwirtschaft und denen in der Politik ist – und das ist von ganz essentieller Bedeutung –, dass erstere niemandem die Polizei ins Haus schicken können, letztere aber schon. Denn der Markt ist die Sphäre freiwilliger Kooperation, privatrechtlicher Verträge und Frieden, die Sphäre von Politik und Staatsbürokratie aber ist die von Zwang, Gewalt und Krieg (siehe Murray N. Rothbard, 1926 – 1995).

Macht vs. Idealismus

Damit soll nicht gesagt sein, dass sich nicht gelegentlich auch Idealisten in die Politik verirren, die vom redlichen Wunsch und der Illusion getrieben werden, Dinge zum Besseren wenden zu können. Da sich aber, wie empirische Erfahrungen lehren, mehrheitlich eher ‚übelwollende‘ oder ‚unfähige‘ Subjekte für eine ‚Karriere‘ in der Politik entscheiden, ist es im Sinne der Bewahrung von Frieden, Ordnung und Wohlstand geboten, die Regierung und deren Büttel so weit wie möglich zu entmachten und sämtliche Entscheidungsmöglichkeiten auf die individuelle Ebene zu verlagern. Jedenfalls ist die Macht der Politfunktionäre weitgehend zu minimieren, was kleinräumige politische Strukturen voraussetzt. Die Dynamik jedes politischen Systems ist allerdings auf Zentralisierung und Machtkonzentration gerichtet (siehe Bertrand de Jouvenel (*), 1903 – 1987).

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Die Entwicklung in den USA, wo von der Autonomie der Bundesstaaten seit dem 4. Juli 1776 (dem Tag der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung) nicht viel übriggeblieben und Washington inzwischen zum ‚Moloch‘ geworden ist, spricht Bände. Man braucht aber gar nicht über den Atlantik zu blicken. Die EU ist ein näher liegendes Beispiel für die stetige Machtakkumulation in wenigen Händen der Brüsseler Politzentrale.

Im Prinzip ist es auch völlig gleichgültig, welche parteipolitische Farbe die gerade regierende ‚Clique‘ trägt. Sie repräsentiert in den seltensten Fällen ‚die Besten‘ einer Gesellschaft.

Wie bereits angemerkt: gewiss sind nicht alle Politiker Zivilversager oder Übeltäter. Idealisten (und empathielose Überzeugungstäter) wird es immer geben. Allerdings ist es in der Politik so gut wie unmöglich, beim Bohren dicker Bretter (Max Weber) oder in den Mühen der Ebene (Bertolt Brecht, 1898 – 1956) kein Zyniker zu werden oder sich korrumpieren zu lassen. Das scheint deshalb unvermeidlich zu sein, weil – sagen wir zum Beispiel ein ‚grüner Weltverbesserer‘ – an der brutalen Wirklichkeit scheitern wird, dass seine Utopien aus Kostengründen unerreichbar sind und er außerdem immer in einer Minderheitsposition sein wird, die der Durchsetzung seiner Ideen im Wege steht. Dasselbe gilt auch für Konservative und Liberale. Auch sie repräsentieren ja nur relativ kleine Segmente des Elektorats.

Sozialismus

Die einzige auf breiter Front erfolgreiche Ideologie ist – jedenfalls seit den späten 1960er-Jahren – der Sozialismus, der uns in genau die an allen Fronten bedrohliche Lage gebracht hat, in der ganz Westeuropa heute steckt. Denn Linke sind einerseits von ihrer Sendung und ihrer moralischen Überlegenheit vollständig überzeugt und daher auch sicher, dass der Zweck jedes von ihnen ergriffene Mittel heiligt; andererseits sind sie zu borniert, um zu erkennen, dass ihre Gesinnung schon vom Ansatz her zutiefst menschenfeindlich und daher ungeeignet ist, jene ‚bessere Welt‘ zu schaffen, die sie vorgeblich anstreben. Der Sozialismus ist dennoch eine „anthropologische Konstante“ (Igor Schafarewitsch, 1923 – 2017) – sooft und wo immer er auch scheitern mag.

Fazit und Ausblick

So wenig, wie eine Schwalbe einen Sommer macht, können die wenigen Idealisten in der Politik etwas an den inhärenten Schwächen des gegenwärtig herrschenden Politsystems etwas ändern. Politik ist – und das gilt bis zum Beweis des Gegenteils – ein Geschäftsmodell für mehrheitlich ‚fragwürdige‘ Charaktere. Sie dominieren das Spiel – und zwar in allen demokratischen Staaten und Parteien.

Der Beweis des Gegenteils bleibt allerdings offen: Wird der libertäre Präsident Argentiniens und Bewunderer Ludwig von Mises´, Javier Milei, sozusagen den personifizierten Beweis für das Gegenteil erbringen können?

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter ‚Austrian‘. Ende März 2022 ist sein Buch Inflation: Warum das Leben immer teurer wird (*) erschienen.

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