Sozialismus-Sucht und Macht-Entzug

24. Januar 2025 – von Rainer Fassnacht

Süchtige streben unablässig nach etwas, von dem sie wissen (oder wissen könnten), dass es schlecht für sie ist. Manche Sucht ist kaum zu übersehen, beispielweise wenn Cracksüchtige wie Zombies umherlaufen. Andere Süchte sind gesellschaftlich weiter verbreitet und weniger offensichtlich, unter anderem der übermäßige Alkoholkonsum.

Außerdem gibt es Suchtphänomene, die kaum als solche identifiziert werden, aber trotzdem der oben genannten Beschreibung entsprechen. Hierzu könnte man die ‚Online-Sucht‘, aber auch die ‚Sozialismus-Sucht‘ zählen. Letztere Bezeichnung taucht hier erstmals auf, was eine Erläuterung notwendig macht.

Ludwig von Mises (1881 – 1973) berühmter Aufsatz „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“ hat aufgezeigt, dass und warum Sozialismus schädlich ist. Wir wissen von der Schädlichkeit des Sozialismus aber auch aus der Praxis. Über 100 Jahre Sozialismus in unterschiedlichen Ausprägungen haben belegt, dass er schadet – immer und immer wieder.

Kristian Niemietz Buchtitel „Sozialismus: Die gescheiterte Idee, die niemals stirbt“ vermittelt sehr plastisch, dass Sozialismus trotz seiner bekannten Schädlichkeit immer wieder aufs Neue angestrebt wird. Dies passt zu eingangs genannter Beschreibung: Menschen streben unablässig den Sozialismus an, obwohl sie wissen (oder wissen könnten), dass er schlecht für sie ist.

Suchtmerkmale erkennen

Um etwas gegen eine Sucht tun zu können, ist es zunächst erforderlich, diese als solche zu erkennen und sich der eigenen Betroffenheit bewusst zu werden. Dieser Schritt ist umso schwieriger, je verbreiteter und gesellschaftlich akzeptierter eine Sucht ist. Beim Sozialismus kommt hinzu, dass er in diversen Spielarten auftritt, was diesen ersten Schritt zusätzlich erschwert.

Viele glauben, dass Sozialismus nur dann vorliegt, wenn er genauso genannt wird. Sie bemerken nicht, dass Sozialismus ganz beliebige Mäntelchen überwerfen kann. Zwischen einem Sozialismus mit nationalem Anstrich und einem Sozialismus in der ‚Öko-Ausprägung‘ scheinen Welten zu liegen. Aber tatsächlich gibt es augenfällige Gemeinsamkeiten.

Drei Indizien ermöglichen es einfach und ohne vertiefte Analyse zu erkennen, wie verbreitet sozialistisches Denken und Handeln sind: Erstens das Ausmaß, in welchem die Bürger bei auftretenden Herausforderungen nach dem Staat rufen. Zweitens in welchem Maße die Regierung Herausforderungen zu ‚politischen Problemen‘ macht. Drittens der Grad von bereits existierenden Freiheitseinschränkungen und Wohlstandverlusten.

Je stärker man diese Indizien konstatieren kann, umso tiefer ist der Sozialismus eingedrungen beziehungsweise umso stärker ist die Sozialismus-Sucht bereits ausgeprägt. Man erkennt daran, dass es zwei Gruppen von Sozialismus-Süchtigen gibt. Einerseits jene mit politischer Macht, also der Möglichkeit, bestimmte Vorstellungen mit Zwang durchzusetzen. Andererseits jene ohne Macht, die nach dem Staat rufen und seine Interventionen verlangen.

Für die erste Gruppe ist der Sozialismus mit berauschendem Machtgewinn verbunden. Die zweite Gruppe der Sozialismus-Süchtigen erliegt Trugbildern einer Welt ohne Eigenverantwortung und Knappheit. Zudem gibt es unter beiden Gruppen einige Sozialismus-Süchtige, die der schillernden Illusion erliegen, der Wunsch allein wäre der Garant für dessen Erfüllung.

Bei einem kritischen Blick auf die derzeitigen Umstände in Deutschland kann man erkennen, dass alle genannten Indizien vorliegen – die Sozialismus-Sucht also weit verbreitet ist. Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten etwas gegen die Sucht zu unternehmen. Das wichtigste Mittel ist Macht-Entzug mit seinen unterschiedlichen Facetten.

Freies Handeln und Zwangsmacht

Wer reflexhaft nach dem Staat ruft, wenn ein Problem auftaucht, übersieht dabei, dass eine ‚Lösung‘ des Problems durch den Staat letztlich bedeutet, dass er selbst (trotzdem) dafür zahlt, aber die Art der Problemlösung nicht bestimmt. Der Sozialismus-Süchtige gibt eigene Macht aus der Hand. Er bezahlt für ein Trugbild mit realem Freiheits-, Wohlstand- und Machtverlust im Sinne von Verzicht auf eigene Handlungswirkung.

Macht-Entzug beziehungsweise die Rücknahme der aus der Hand gegebenen eigenen Macht ist ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der Sozialismus-Sucht. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der Nächstenliebe relevant. Ein wahrhaft sozialer Mensch ruft nicht danach, dass andere Menschen etwas tun mögen, das er selbst tun könnte.

Um der Sozialismus-Sucht entgegenzuwirken wäre es also anzuraten, den Ruf nach dem Staat durch eigene Tat zu ersetzen. Dies gilt auch in solchen Situationen, in denen mehr als ein einzelner Mensch erforderlich ist, um das Problem anzugehen. Durch freiwillige Kooperation lassen sich alle Herausforderungen meistern.

Die Alternativlosigkeit staatlicher Eingriffe ist eines der Trugbilder, welche der Sozialismus-Sucht geschuldet sind. Kämpft man gegen diese Sucht an, werden Alternativen sichtbar, von denen man zuvor annahm, dass es diese nicht gäbe.

Man kann beispielsweise fordern, dass der Staat ‚kostenlose‘ Kindergartenplätze zur Verfügung stellen muss (anders ausgedrückt, dass andere Menschen dafür bezahlen, dass das Kind nicht von seinen eigenen Eltern betreut wird). Alternativ wäre es aber ebenso möglich, sich mit anderen Eltern abzustimmen und eine kooperative Betreuung im privaten Kreis zu organisieren.

Durch den Kampf gegen die Sozialismus-Sucht wird Macht zurückgewonnen, die gar nicht verfügbar schien. Der Sozialismus nimmt uns die Macht über weite Teile des eigenen Lebens, der Kampf gegen die Sucht kann helfen, diese zurückzugewinnen.

Der Entzug fällt schwer – auch bei Sozialismus-Sucht

Die Bedrohung ist allgegenwärtig, die Macht über das eigene Leben ist stets von innen und außen bedroht. Besonders Wahlkampfversprechen, die ein Bild des Staates als ‚Zwangs-Vollkaskoversicherung‘ für alle Lebenslagen zeichnen, lassen die Verbreitung der Sozialismus-Sucht erkennen.

Bekanntermaßen ist Entzug schmerzhaft, auch bei der Sozialismus-Sucht ist dies der Fall. Menschen, die zuvor politische Macht hatten, verzehren sich nach dem berauschenden Effekt der Machtausübung. Menschen ohne politische Macht müssen ohne das schillernde Trugbild einer Welt ohne Knappheit und Verantwortung auskommen. Es sind zwei Seiten einer Medaille.

Gelingt der Entzug nicht, können die Sozialismus-Süchtigen zu einer Gefahr für andere Menschen werden, die weit über die ‚normalen‘ Sozialismusfolgen hinaus geht. Ein Cracksüchtiger wird vielleicht zum Einbrecher oder verletzt andere Menschen, um seine Droge zu erhalten. Sozialismus-Süchtige, deren Macht bedroht ist, können zu anderen Mitteln greifen.

Um sich auch weiterhin an der Macht berauschen zu können, könnten Sozialismus-Süchtige in Machtpositionen die Anwendung von Zwang über das politübliche Maß hinaus ausdehnen. Dass dies kein unrealistisches Schreckgespenst ist, zeigen zahlreiche Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart. Die Unterminierung von Demokratie und Rechtsstaat bis hin zur Anwendung von Drohung, Zwang und letztlich Gewalt zum Machterhalt sind keine Seltenheit.

Welche Folgen hat ein Scheitern des Entzugs bei Sozialismus-Süchtigen ohne politische Macht, bei denen Zwang auf andere Menschen auszuüben nicht zu den normalen Werkzeugen gehört? Ihr schillerndes Trugbild wird an der Realität zerschellen! Mit zunehmendem Ausbau des Sozialismus werden sie immer stärker mit dessen unvermeidlichen negativen Folgen konfrontiert.

Für diese Menschen wird aus einem paradiesischen Trugbild sozusagen eine ‚höllische Realität‘. Daher haben die Menschen ohne politische Macht den größeren Anreiz, die Sozialismus-Sucht erfolgreich zu bekämpfen. Die Wahl des Libertären Javier Milei zum Präsidenten in Argentinien ist insofern bemerkenswert. Die Folgen des Sozialismus waren hier bereits dermaßen ausgeprägt, dass die Süchtigen ohne Macht einen Präsidenten wählten, der kein Paradies versprach – sondern auf einen erfolgreichen Entzug hoffen lässt.

Während die Bürger in Argentinien einen Präsidenten wählten, der sich der Verschlankung des Staates verschrieben hat, votierten die deutschen Wähler bisher unverdrossen für Politiker und Parteien, die in unterschiedlich starker Ausprägung sozialistische Positionen vertreten und den Staat weiter ausbauen wollen.

Sehr deutlich wird die unglaubliche Verbreitung der Sozialismus-Sucht hierzulande in Wahlkampfphasen. Nach der Wahl sieht man in der Regel, die Doppeldeutigkeit des Wortes ‚Versprechen‘. Es könnte eine verbindliche Zusage gemeint sein oder eine Aussage, die so nicht gemeint war. Sozialistische Wahlkampfversprechen gehören immer zur zweiten Gruppe, weil bekannt ist (oder sein könnte), dass diese scheitern und Schaden verursachen werden.

Fazit

Zahlreiche Menschen streben unablässig den Sozialismus an, obwohl sie wissen (oder wissen könnten), dass er schlecht für sie ist. Trotz ihrer weiten Verbreitung wird die Sozialismus-Sucht oft nicht wahrgenommen, was ihre Bekämpfung erschwert.

Glücklicherweise gibt es Möglichkeiten, etwas gegen die Sozialismus-Sucht zu tun. Doch der Weg ist nicht leicht, weil Macht-Entzug für Sozialismus-Süchtige nicht weniger quälend ist als der Entzug anderer Suchtmittel bei sonstigen Süchten.

Und es ist ein niemals endender Kampf, weil eine Sucht zwar bekämpft werden kann, aber nie gänzlich verschwindet. Wie jede Sucht lauert auch die Sozialismus-Sucht im Hintergrund darauf, den Menschen, dem der Entzug gelungen ist, erneut zu befallen.

Doch bevor wir uns Gedanken über einen möglichen Rückfall machen, gilt es, die heute noch weit verbreitete Sozialismus-Sucht trockenzulegen. Jeder Einzelne kann seinen Teil dazu beitragen mit der Änderung des eigenen Verhaltens und dem Entzug ‚ausgehändigter‘ Macht.

Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.

Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Das Ludwig von Mises Institut Deutschland e.V. setzt sich seit Jahren für die Verbreitung der Lehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ein. Freiheit gibt es nicht geschenkt, sie muss stets neu errungen und erhalten werden. Bitte unterstützen Sie daher das Ludwig von Mises Institut Deutschland mit einer Spende, damit wir uns weiterhin für unser aller Freiheit einsetzen können!

Spendenkonto:

Ludwig von Mises Institut Deutschland e. V.

IBAN: DE68 7003 0400 0000 1061 78

BIC: MEFIDEMM

Merck Finck A Quintet Private Bank (Europe) S.A. branch

Verwendungszweck: Spende

Titel-Foto: Adobe Stock Fotos (bearbeitet)

Soziale Medien:
Kontaktieren Sie uns

We're not around right now. But you can send us an email and we'll get back to you, asap.

Nicht lesbar? Text ändern. captcha txt

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen