Inflationsverwirrung und statistische Akrobatik als Mittel im Kampf um die öffentliche Meinung

Benjamin Mudlack

21. April 2023 – von Benjamin Mudlack

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Per Ende Februar wartete das Statistische Bundesamt mit einer Sensationsmeldung auf in Form einer Art Beruhigungspille für die Bevölkerung. Das Internetportal der Deutschen Wirtschaftsnachrichten titelte in diesem Zusammenhang am 22. Februar 2023 wie folgt: „Neuer Warenkorb: Inflation sinkt deutlich!“

Also die Kritiker der lockeren Geldpolitik haben wieder einmal übertrieben, alles ist gar nicht so schlimm und die Institutionen haben die Lage im Griff?

Interessant wird es dann, wenn man sich einmal die Mühe macht und sich die Entwicklung der Berechnungsmethode des Statistischen Bundesamtes ansieht. Wohnung, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe wurden 2020 mit 233,06 Promille gewichtet, 2021 mit 253 Promille, 2022 mit 252,20 Promille und jetzt im Jahr 2023 nur noch mit 165 Promille. Es liegt auf der Hand und ist gängige Praxis, dass die Preistreiber niedriger gewichtet werden, damit die Teuerungsrate auf Basis des Index sinkt. Humoristisch betrachtet gleicht die Produktion des Ergebnisses einer kontrollierten Würfelaktion. Übrigens bezeichneten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten die Zusammenstellung des Warenkorbes bereits in einem Kommentar vom 24. April 2022 als eine einzige Täuschung.

Quelle: Statistisches Bundesamt

Die vermeintlich sorgsam orchestrierte Propagandaaktion rund um die aktuelle Veränderung des Warenkorbes erfuhr am Montag, den 27. Februar 2023 eine Art Abrundung. Auf dem Webportal des Nachrichtensenders n-tv wurde eine Meldung aus dem Kanzleramt zitiert. Die konzertierte Aktion sei ausgesetzt und die Inflationskrise nun überwunden. Begleitet wurde diese Meldung von Prognosen im Hinblick auf die weiteren Entwicklungen der Teuerungsrate. Man geht von einer sich abschwächenden Teuerungsdynamik aus. Dabei ist der Interessenskonflikt offensichtlich. Der Staat ist vornehmlich der Akteur, der die Geldmenge durch neue Kreditaufnahme aufblähen lässt. Die Staatslenker benötigen liquide Mittel, um beispielsweise Rüstungsgüter zu kaufen oder aber den Haushalt im Allgemeinen und staatliche „Wohltaten“ zu finanzieren.

Die breite Masse der Bevölkerung lässt sich erheblich täuschen, wenn es um Herabsetzung der Kaufkraft und das Ausmaß dieser durchweg finanzrepressiven Vorgänge geht. Ein Paradigmenwechsel in Bezug auf die Inflationsdefinition und -diskussion ist notwendiger denn je. Es gilt klar zu differenzieren zwischen Geldmengenwachstum (Inflation) und Teuerung (Kaufkraftminderung).

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Inflation ist nicht gleich Teuerung

Inflation (inflare = aufblähen) bezeichnet das Aufblähen der Geldmenge. Von 1999 bis Ende 2022 wurde die Geldmenge im Euroraum von 4.667 Milliarden Euro auf über 16.000 Milliarden (Faktor 3,4) durch Kreditausweitung (vornehmlich zusätzliche Staatsverschuldung) aufgebläht.

Ausdruck dieser Geldverschlechterung: Ein Euro von 1999 hat heute nur noch den rein quantitativen Tauschwert von ungefähr 29 Cent (1 Euro geteilt durch 3,4).

Datenquellen: Europäische Zentralbank & Deutsche Bundesbank

Die gestiegene Geldmenge wird nachfragewirksam: In der Folge kommt es in den Gütermärkten, in denen das neu geschaffene Geld für zusätzliche Nachfrage sorgt, zu relativen Verknappungen. Auf Basis dieser Angebotsverknappung resultiert dann ein geringerer Tauschwert für das Geld. Die Preise, gerechnet in Euro, steigen. Sie benötigen also mehr Euro, um das entsprechende Gut zu kaufen. Zum Jahresstart 1999 musste man beispielsweise rund 250 Euro im Tausch gegen eine Feinunze Gold aufwenden. Heute sind über 1.800 Euro (Faktor 7,2) notwendig, um eine Feinunze Gold zu kaufen. Gerechnet in Gold wurde somit der Tauschwert um über 86 Prozent herabgesetzt. Steigende Quantität des Geldes vermindert dessen Qualität und das manifestiert sich in Form des rückläufigen Tauschwertes.

Preise bestimmen übrigens entgegen der weitläufigen Annahme nicht den Wert eines Gutes. Ein gezahlter Preis ist das höchst subjektive und individuell unterschiedliche Werturteil eines jeden einzelnen Menschen. Dem einen Menschen ist ein teures Auto einige zehntausend Euro wert und dem anderen Menschen eben nicht. Preise bilden sich auf Basis von Marktphänomenen und im Rahmen des freiwilligen Austausches. Es sind Tauschpreise, die sich immer lediglich auf die Vergangenheit beziehen und nichts unmittelbar über die Zukunft aussagen. Insofern sind Zukunftsprognosen mit Blick auf Preisentwicklungen höchst spekulativ.

Gerade wenn wir die Tauschpreisentwicklung von Euro gegen Gold betrachten, sollte das augenöffnend wirken. Preise sind relativ und sie zeigen die sich permanent wandelnden Knappheitsverhältnisse an. Das Werturteil und somit der am Markt zustande gekommene Austauschpreis steht und fällt mit der Knappheit eines Gutes und zwar in Relation (Tauschrelation) zu einem anderen Gut.

Statistische Illusion versus Realität

Die Differenzierung zwischen Geldmengenwachstum (Inflation) und Minderung der Kaufkraft (Teuerung) ist im öffentlichen Meinungsbild überhaupt nicht präsent. Gemeldet und diskutiert wird ausschließlich das, was vom Statistischen Bundesamt, der EZB oder von Eurostat veröffentlicht wird. Diese Zahlen basieren auf dem schon thematisierten Verbraucherpreisindex. Weder die Quantität der Geldmenge noch die Preise für Vermögensgüter (Immobilien, Aktien, Gold usw.) finden Berücksichtigung. Darüber hinaus ist die Zusammensetzung des Index subjektiv und der willkürlichen Veränderung sind Tür und Tor geöffnet. Jeder Mensch hat zudem andere Konsum- und Investitionsneigungen und folglich eine andere individuelle Teuerungsrate.

Nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde die Berechnungsgrundlage für die Errechnung der Teuerungsraten immer wieder erheblich verändert. Auf Basis der Methodik der 1980er-Jahre läge die Teuerungsrate in den USA um ungefähr 5 Prozentpunkte höher als die letzten Jahre veröffentlicht wurde. Die Motivlage ist klar.

Politik und Inflation

Genau wie ein Hund der als gefräßig bekannten Rasse Labrador nicht im Stande ist, einen Vorrat mit Hundeleckerlis anzulegen, so sind Politiker empirisch betrachtet nachweislich unfähig, kaufmännisch solide zu wirtschaften. Ohne die schier unendliche Kreditgeldschöpfung und die sogenannte monetäre mandatsferne Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank wäre das Spiel längst vorbei. Auf Basis einer marktwirtschaftlichen Ordnung wären die Länder der Eurozone bereits vor einigen Jahren zahlungsunfähig geworden. Und jeder Euro zusätzliche Staatsschuld erweitert, wie bereits ausgeführt, die Geldmenge und setzt die Qualität des Geldes in Form der Kaufkraftminderung (Tauschwert gegen andere Güter sinkt) herab.

Datenquellen: Europäische Zentralbank & Deutsche Bundesbank

Die als Inflationsregime zu bezeichnenden Abläufe sollen in Form einer „Whatever-it-takes-Mentalität“ ohne Rücksicht auf Verluste Fortsetzung finden. Insofern liegt ein klarer Interessenskonflikt vor. Sowohl in Bezug auf Politik und Notenbank als auch mit Blick auf die staatlichen Statistiker der entsprechenden Ämter. Die Kundschaft, also das Wahlpublikum, soll stimmungstechnisch bei Laune gehalten werden, und so braucht es Meldungen, die den Anschein erwecken, man hätte die Lage geldpolitisch im Griff.

Fazit

Seit Aufsetzung des Eurosystems im Jahre 1999 bis Ende 2022 wurde vom Statistischen Bundesamt kumuliert eine Teuerungsrate (bezeichnet wird es offiziell als Inflationsrate) in Höhe von 41,2 Prozent veröffentlicht. Die Inflation, also die Aufblähung der Geldmenge, fiel mit etwas über 242 Prozent deutlich höher aus. Das „Täuschungsdelta“ von etwa 200 Prozentpunkten ist schon erheblich. Auch wenn es natürlich rein quantitativ anzusehen ist und nichts über Preissteigerungen in einzelnen Gütermärkten aussagt.

Schon seit einigen Jahren sind die Auswirkungen der Politik des hemmungslosen Gelddruckens für die Mittelschicht spürbar. Die Häuserpreise sind im Zuge der Geldschwemme deutlich dynamischer gestiegen als die Einkommen. Ergo kann sich der Durchschnittslohnbezieher kaum noch Wohneigentum leisten. Einige Menschen, und auch diejenigen, die ihren wohlverdienten Ruhestand genießen wollten, sind kaum mehr in der Lage, ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten. Staatliche Kostentreiber, wie zum Beispiel die Einführung der CO2-Besteuerung, die geplante Erhöhung der LKW-Maut oder die Erhöhung der Grundsteuer, entfalten zusätzlich ihre negative Wirkung.

Die von den Menschen „gefühlten und erlebten persönlichen Preissteigerungsraten“ weichen extrem von den veröffentlichten ab. Es ist ratsam, von den bislang etablierten Methoden zur „Messung“ der Kaufkraftveränderung Abstand zu nehmen. Es handelt sich um beliebig veränderbare und politisch motivierte statistische Illusionen mit dem Zweck, eine lockere Geldpolitik zur Staatsfinanzierung zu rechtfertigen. Die Existenz eines „Preisniveaus“ ist zudem entschieden zurückzuweisen. Preise ändern sich immer in unterschiedlichem Maße. Es gibt immer Preise, die sich schneller ändern, schneller steigen oder fallen als andere Preise. Eine statistische „Messung“ ist schlichtweg unmöglich. Hingegen bietet die mengenmäßige Entwicklung der Geldmenge, zumindest Stand heute, ein unverfälschteres Bild über die Qualität und den „quantitativen Tauschwert“ des Geldes.

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Quellen:

„Geld-Zeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“ (Benjamin Mudlack)

Methode zur Gewichtung des Verbraucherpreisindex (Webseite Statistisches Bundesamt)

Teuerungsraten USA: Vergleich mit früheren Messmethoden (Shadowstats.com)

Neuer Warenkorb: Inflation sinkt deutlich (Deutsche Wirtschaftsnachrichten)

Inflation: Der Warenkorb ist eine einzige Täuschung (Deutsche Wirtschaftsnachrichten)

Kanzleramt hält Inflationskrise für überwunden (n-tv)

Veröffentlichte Teuerungsraten seit 1950 (Webseite Statistisches Bundesamt)

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Benjamin Mudlack ist gelernter Bankkaufmann und hat an der Fachhochschule Dortmund das Diplom zum Wirtschaftsinformatiker erworben. Er ist Vorstandsmitglied der Atlas Initiative, Mitglied der Friedrich August von Hayek Gesellschaft und begleitet aktiv einige andere freiheitliche Projekte, wie zum Beispiel das jüngst neu gegründete Free Economic Forum.

Zudem betreibt Benjamin Mudlack den YouTube-Kanal „Der ökonomische IQ“ mit der Zielsetzung, möglichst vielen Menschen die österreichische Schule der Nationalökonomie anhand von tagesaktuellen Themen zugänglich zu machen.

Durch seine unternehmerischen Tätigkeiten, unter anderem auch in dem seit mehr als fünf Generationen bestehenden mittelständischen Familienunternehmen, erhielt Benjamin Mudlack tiefe Einblicke in die reale Wirtschaftswelt. Die theoretischen Kenntnisse und der praktische Bezug zum Mittelstand haben ihn zu einem Befürworter von kleinen effizienten Einheiten auf Basis dezentraler („vor Ort“) Strukturen werden lassen, mit den damit verbundenen sinnvollen emotionalen wie auch wirtschaftlichen Haftungsprozessen.

Benjamin Mudlack ist zudem Autor des im Lichtschlag Verlag erschienen Buches „Geld-Zeitenwende – vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld.“ Neben einigen Interviews sind zahlreiche Artikel von ihm erschienen zum Thema Geld bzw. Geldsystem und Mittelstand wie beispielsweise im Smart Investor, bei Tichys Einblick oder im Sachwert Magazin.

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