Die Freiheitskultur des Westens – ihre Krisen, ihre Zukunft. Teil 2
9. Dezember 2022 – von Oliver Signus
Am 8. Oktober 2022 fand die 10. Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland im Bayerischen Hof in München vor 200 Gästen statt. Der erste Teil des Konferenzberichts erschien bereits am 7. November 2022. Heute folgt der zweite Teil mit den Vorträgen von Professor Dr. David Dürr, Professor Dr. Gerd Habermann und Gunnar Kaiser.
Freiheit und Recht – geht das zusammen?
Freiheit auf der einen, Recht auf der anderen Seite – Dürfen und Nicht-Dürfen, für Professor Dr. David Dürr besteht hier ein grundlegendes Spannungsverhältnis. „Freiheit heißt, ich will etwas, ich bin frei, etwas zu tun. Und auf der anderen Seite heißt es: Ja, aber du darfst das nicht!“ Es herrsche stets eine Dualität zwischen Freiheit und Recht: „Ich habe das Recht, das zu wollen“, steht gegenüber „Du hast die Pflicht, das zu unterlassen“. Da sei eine Widersprüchlichkeit enthalten. Und dieses „Ich“, sei das Kernelement, die Subjektivität des Einzelnen. Auf der anderen Seite gebe es Adressaten von Normen. Mit diesem Spannungsverhältnis müssten wir umgehen, überzeugende Antworten dazu finden, um immer noch behaupten zu können: Es gibt eine Freiheit, hinsichtlich derer es Sinn macht, sie zu unterstützen.“
Die Evolution des Ich
David Dürr blickte zurück auf die Evolution, bis der Moment kam, in welchem das Ich entstand. Es sei nicht einfach schon dagewesen. Dafür habe man kämpfen müssen.
Die Freiheit dieses Ich sei die „ultimative Zuständigkeit für Entscheidung“. Auch die Entscheidung habe es nicht immer gegeben. Sie sei evolutionär entstanden. „Wenn Entscheidung stattfindet, dann ist das typischerweise in dieser Ich-Projektion des Menschen – die ultimative Entscheidungszuständigkeit.“ Die Entscheidung als solche sei nicht weiter zu hinterfragen, sie findet statt.
Wenn Menschen Entscheidungen träfen, dann sei es auch nicht wissenschaftlich relevant, zu fragen, ob diese Entscheidung gut oder weniger sinnvoll sei. Die Wissenschaft sagt nicht, wie man handeln solle. Sie zeige nur, wie man handeln müsste, wenn man die gesetzten Ziele erreichen wolle.
Recht – die Zurückweisung von Übergriffen eines Du in die Letztentscheidungskompetenz des Ich
Das Recht, das nun zu der Freiheit in Bezug gesetzt werden solle, sei nichts anderes als die Zurückweisung von gegenseitigen Übergriffen in die Letztentscheidungskompetenz des Ichs.
Bei einem Übergriff in die Freiheit eines anderen befehle die eigene Subjektivität, etwas zu tun, und greife dann über in eine fremde Zuständigkeit für Entscheidung. “Und auf der Gegenseite artikuliert sich dann wirklich pointiert dieses ‘Du’. Du darfst nicht! Jetzt kommt das Gebot: Du darfst nicht töten, Du darfst nicht stehlen.”
Diese Gebote kämen nun als rein natürliche Reaktionen aus dieser gegenseitigen Bezugnahme, aus der gleichen Bezugnahme, die evolutionär dazu geführt habe, dass es diese jeweils freien, frei entscheidenden Subjekte gebe. Das alles sei Gegenstand natürlicher Verhaltensgesetzmäßigkeiten, die das Freiheits- und das Rechtselement beinhalteten.
Die ultimative Entscheidungszuständigkeit des Einzelnen
Zusammengefasst könne man sagen, dass Freiheit – verstanden als ultimative Entscheidungszuständigkeit des Einzelnen – und Recht – verstanden als gegenseitige Abgrenzung dieser Zuständigkeiten – zusammengehören.
Ein Sonderfall sei die Eltern-Kind-Beziehung. Das Elternteil sei das entscheidende „Ich“ mit einer Befehlsstruktur und das Kind integriere diese Befehlsstruktur. Beim jungen Organismus sei das Entscheidungsorgan „Ich“ erst am Entstehen. „Das ,Ich‘ ist nicht von Geburt an da, sondern es kommt quasi in einem individuellen Evolutionsprozess zum Vorschein.“
Aus juristischer Sicht seien daher die Eltern zuständig für die Kinder. Es gebe aber auch die Situation, in der Erwachsene Schwierigkeiten hätten. Bei „schwachen Mitgliedern der Gesellschaft“ sei das Entscheidungs- und Steuerungsorgan „Ich“ nicht vollständig entwickelt. Doch dann gäbe es Strukturen, innerhalb derer in der Regel Familienangehörige hierfür zuständig seien. Dies sei eine „typische Bevormundungskonstellation“. Doch wenn alles zusammenpasse, und die zuständigen Personen die Richtigen seien, „ist das ja auch im Privatrecht eine bewährte Struktur“.
Der „pathologische“ Fall: Eine sich allzuständig wähnende Über-Ich-Instanz
Es gebe aber auch den sozusagen „pathologischen Fall“, der dann letztlich auch zu einem paternalistischen Staat führe. Sigmund Freud sprach von Patienten mit einem „verkümmerten Entscheidungsorgan“. „Dieses ‚Ich‘ sei nur suboptimal ausgebildet. Solche Menschen entwickelten ein sogenanntes „Über-Ich“ Und mit Hilfe der Therapie sollte dieses „Über-Ich“ wieder verschwinden beziehungsweise in das Ich integriert werden.
Ansonsten werde das Über-Ich so dominant, dass es sich als für alle zuständig wähne. Diese „pathologische Wucherung“ habe die Tendenz, alle anderen Ichs zu unterwerfen. Damit erklärte sich Freud „erstaunliche Phänomene“ wie die Kirche oder ein militärisches Heer. Dass es eine Denkweise gebe, die von vornherein als selbstverständlich voraussetzt, dass „irgendeine Obrigkeit“ für alle zuständig sein müsste. Das sei letztlich die Idee eines paternalistischen Staates.
Dann komme es dazu, dass man vieles nicht mehr machen dürfe. Die Freiheit werde eingeschränkt, „Korrektheit noch und nöcher“. Ein wesentliches Element eines solchen Staates sei die Verletzung der Freiheit. „Man denkt ja, der Staat sei für das Recht zuständig“, so Dürr weiter. Doch nun käme es zu Übergriffen, die mit natürlichem Recht, also der Abwehr von Übergriffen, nichts zu tun hätten. „Es werden Steuern erhoben. Wenn einer dem anderen Geld wegnimmt, ist das üblicherweise verboten, weil es Diebstahl ist.“
Freiheit und Recht gehen zusammen
Freiheit und Recht gehen laut David Dürr sehr wohl zusammen. Im ungestörten Prozess der Ich-Bildung komme es zu einem reifen Erwachsenen-Ich, das letztinstanzlich für die Entscheidung, das Wollen zuständig ist. Im Konfliktfall, bei Übergriffen, bildeten sich natürlich Streitschlichtungsmechanismen heraus, wenn die „reifen“ Ichs ihre Zuständigkeit für die Letztentscheidung wechselseitig respektierten. Dritte kämen zur Hilfe, Gerichte bildeten sich heraus, eine natürliche Ordnung der Freiheit und des Rechts entstünde.
Bei einem gestörten Ich-Bildungs-Prozess bilde sich aber ein Über-Ich heraus, das für alle anderen Ichs zuständig sein will und das die Letztentscheidungskompetenz der anderen hinsichtlich ihres Wollens verneine. Institutionalisiert sei dies quasi der Staat, wie wir ihn heute kennen würden. Die staatlichen Übergriffe heute seien vielseitig, der Staat, wie wir ihn heute kennen, verletze Freiheit und Recht.
Freiheitsideale und Freiheitskämpfe in Deutschland. Ermutigendes aus Geschichte und Gegenwart
„Für Libertäre ist die deutsche Geschichte wirklich eine Fundgrube. Ich darf stolz sein, dass ich tatsächlich derjenige bin, der das das erste Mal so richtig entdeckt hat“, leitete Gerd Habermann seinen Vortrag ein. In der deutschen Geschichte fänden sich geradezu „liberal-libertäre Schätze“. Ende des 18. Jahrhunderts gab es im damaligen Deutschland etwa 1800 konkurrierende politische Gebilde. „Konkurrenz ist immer gut, weil sie Optionen erlaubt“, so Habermann.
Von Großstaaten, Mittelstaaten und Klein(st)staaten
Es gab damals Großstaaten, bürokratisch zentralisiert, wie etwa Preußen. Diverse Kurfürstentümer wie Bayern als „Mittelstaaten“. Es gab aber auch hunderte kleiner Ritterstaaten, freie Städte, Bauerngenossenschaften, Frauenstaaten und unabhängige Reichsdörfer. Dadurch, dass der Kaiser zur damaligen Zeit bereits die Macht verloren hatte, wurden seine über das Reich versprengten Güter praktisch selbstständig. Sie mieteten sich beispielsweise einen Vogt für die Rechtsprechung und waren dann tatsächlich in der Lage, sich einige Jahrhunderte zu behaupten.
Totalitäre Staaten und Tendenzen in der Geschichte – der Verlust der Freiheit
Deutschland sei heute eher für die totalitären „Experimente“ bekannt, weniger für die Freiheit. Wie etwa den versuchten Marxismus der DDR oder den Nationalsozialismus. Und auch der moderne Wohlfahrtsstaat tendiere zur Bevormundung. Jeder sei an den staatlichen Tropf angeschlossen, das Bürgergeld sei ein Beispiel.
Die Deutschen sind ja auch die großen Erfinder dieser Bevormundung.
Die kulturnihilistischen dekonstruktivistischen Bewegungen oder der radikale Egalitarismus inklusive freier Wahl des Geschlechtes seien neueste Errungenschaften in diese Richtung. „Ich finde das wunderbar“, so Gerd Habermann, nicht ohne Ironie.
Ich meine, darauf sind die klassisch Liberalen überhaupt nicht gekommen, dass es auch hier eine Freiheit geben muss. Ja, aber es gibt einen Minister, der das für uns nun ermöglicht, und jedes Jahr neu. Man kann sich wirklich freuen darüber. Von wegen, dass Freiheit auf dem Rückzug ist. Ganz im Gegenteil. Freiheit rückt jetzt in die Elementarzonen des Lebens vor.
Die Freiheit scheine keine „Tochter aus Deutschland“ zu sein, vielleicht eher aus der Schweiz, oder Amerikas oder Englands. Die Schweiz mache jedoch regelmäßig mit etwa 20 Jahren Abstand ähnliche Fehler wie die Deutschen, und habe heutzutage denselben Weg eingeschlagen, wenn auch noch nicht so schlimm. Darum wanderten viele dorthin noch aus, ins Land der Hoffnung. Und England selber ist natürlich auch inzwischen – nach dem Zweiten Weltkrieg –mehr oder weniger domestiziert für andere Ideale als die der Freiheit.
Deutsche Freiheitstraditionen
Habermann ging in Bezug auf deutsche Freiheitstraditionen zurück bis zu den alten Germanen, „die sehr klare Eigentums- und Freiheitsbegriffe hatten, die keine Bürokratie kannten, und die darum die Besteuerung als Beleidigung empfanden. Besteuert wird nur der Sklave, der unfreie Mensch!“
Wenn er hier von Freiheit spreche, meine er das in vielerlei Hinsicht. Das Wichtigste für uns alle sei, dass wir unserem Lebensplan, unserem inneren Antrieb folgen dürfen.
Dass da niemand ist, der uns zum Sklaven seines Willens macht, der uns peitscht und vorwärtstreibt, sondern dass wir selbstbewusst unsern Lebensplan entwerfen, unsere Kenntnisse nach unserem Gusto verwerten und auf diese Weise die Selbstentwicklung unserer Persönlichkeit vorantreiben.
Die individuelle Freiheit sei die wichtigste. Aber dann gibt es auch noch die kollektive Freiheit, also die Freiheit, das leitende Personal bei Wahlen zu bestimmen. Das war auch bei den Germanen schon wichtig.
Die germanisch-deutsche Geschichte beginne mit einer Rebellion gegen die Steuerbürokratie. „Und dann kommt eine Epoche, die wir die Feudale nennen – und die Liberale natürlich eher etwas skeptisch sehen.“ Warum Feudalismus, Lehenswesen? Was heißt das überhaupt? „Lehenswesen ist die äußerste Form dezentralisierter Herrschaft“, so Habermann.
Die großen deutschen Könige und Kaiser, wie etwa Karl der Große, hatten gegen angreifende Völker kein gut aufgestelltes Heer, keine Profis, sondern nur die allgemeine Wehrpflicht, die aber nicht mehr funktionierte. Also war es aus der Not heraus eine deutsche Erfindung, in dem man eine Profiklasse von Militärs schuf, Ritter genannt.
Damit sie abkömmlich waren vom täglichen Erwerb, gab man ihnen ein Lehensgut mit der Verpflichtung, sich auf dieser Basis zu schulen. Der Ritter musste ja nun nicht mehr arbeiten, sondern konnte sich dem Kriegsdienst widmen. Er musste sich auch die Waffen selber besorgen. Die Ritter waren dann auch sehr siegreich in den Schlachten. Die Zentralisierungsversuche der Könige mit dem äußerst schwachen Instrument des Lehenswesens scheiterten nach und nach. Und diese Ritter machten sich mehr und mehr selbstständig. Und daraus erwuchs ein ganzer Kosmos von kleinen, mittleren und größeren politischen Einheiten, die miteinander im Wettbewerb standen und die in Form des Föderalismus bis heute in Deutschland nachwirkt.
Die Bauernkriege
Wenn sich im Übrigen jemand darüber beklage, dass die Deutschen „zu wenig revolutionär“ seien, dann solle er mal auf das Jahr 1525 blicken. Da rollten die Köpfe außerordentlich, und die Bauernkriege waren ein Versuch, die genossenschaftliche Verfassung einer freien Republik herzustellen. Die Bauern scheiterten allerdings und bis ins 19. Jahrhundert hatten die Bauern in Deutschland dann recht wenig zu sagen. Erst mit dem Aufkommen des Bauernverbandes haben sie wieder etliche Privilegien errungen.
Die deutschen Städte
Als „atemberaubend“ bezeichnete Gerd Habermann die deutschen Städte, die Kultur der deutschen Stadt. Tatsächlich haben Städte es geschafft, in weitgehender Unabhängigkeit und Souveränität, zum Teil auf genossenschaftlicher Ebene und auch in Bünden, sich über Jahrhunderte als eigene Macht zu behaupten. Der große Vorteil sei, dass solche Bündnisse durch ihre Übersichtlichkeit und Dezentralisation nicht in der Lage waren, große Kriege zu führen. Sie mussten sich vielmehr auf die Wirtschaft konzentrieren.
Ausblick
Um die deutsche Freiheit stünde es derzeit jedoch wieder einmal schlecht, so Habermann. „Es sieht wirklich miserabel aus. Aber es hilft ja nicht, wenn man das immer wieder sagt.“ Doch habe jeder seine Möglichkeiten. Von keinem werde verlangt, „dass er morgen Deutschland regiert. Sie haben Verwandte und Sie haben die richtigen Ideen mit Mises Handbüchern und mit Hayek und mit Röpke und all den tollen Denkern, die wir haben“, wandte er sich in seinem Schlusswort an die Zuhörer. „Nun gehen sie hinaus und werben Sie für diese wunderbaren Ideale, gegen die ja eigentlich auch die Leute, die sie angreifen, im Grunde nichts haben können.“
Die aktuellen Krisen der Freiheit und Ihre Bewältigung
Seinen Vortrag über die aktuellen Krisen der Freiheit und ihre Bewältigung begann der Philosoph, Schriftsteller und Publizist Gunnar Kaiser indem er einging auf die „heutzutage etwas subtileren Methoden der Zensur“, denen auch sein eigener YouTube-Kanal Kaiser TV zum Opfer gefallen sei. Selbst nach einer erfolgreichen Klage zahle YouTube „einfach trotzdem das Geld nicht. Sie weigern sich nach wie vor“. Weitere Zensurmethoden seien die Löschung von Videos und die Einschränkung der Reichweite, die man zunächst gar nicht bemerke, erst wenn man feststellte, dass die Abonnentenzahl und die Klicks zusehends abnehmen.
Die Gefahren für die Freiheit
So gehe auch die Freiheit immer „stückchenweise verloren“. Die Freiheit könne auch nicht alleine durch die Einschränkung der Machtkonzentration des Staates gerettet werden. Auch nicht durch einen Appell an die Wissenschaft, Vernunft oder Aufklärung.
Sehr persönlich beschreibt er seinen Weg der letzten Zeit, den er mit einer Krebserkrankung gegangen ist. Er führte ihn zu neuen philosophischen Erkenntnissen und im Rahmen des Vortrages ging er auf die Gefährdung der Freiheit durch einen Verbesserungskult ein, ein Verbesserungskult am Menschen mit den Mitteln der Technik und insbesondere der Medizin. Gunnar Kaiser begann diese Ausführungen mit Fragen zur Conditio humana: Ist der Mensch ein Mängelwesen, das dazu verdammt sei, krank zu werden? Sind Menschen dazu verpflichtet, moralisch oder sogar staatlich gesetzlich, gesünder zu werden?
Der medizintechnisch „verbesserte“ Mensch
Technik könne den Menschen helfen, sich selbst zu übertreffen: „Wir leben in einer Technosphäre oder in einem Technozän.“ Gunnar Kaiser machte darauf aufmerksam, dass es auch eine dämonische Seite der Technik gibt und Technik den Blick auf Krankheit und Gesundheit verändere – „und damit auch unseren Blick auf uns selbst als menschliche Wesen“.
Für Kranke entstünde so Spannung. Spannung zwischen der Hoffnung, das Schicksal abzuwenden und frei von den natürlichen (gesundheitlichen) Beschränkungen zu sein – und dem Schauder vor der technischen Medizin. „Tauschen wir die Abhängigkeit von der Natur gegen eine Abhängigkeit von der Technik ein?“
Seine Antwort: „Wir haben die Abhängigkeit von den Medizinmännern eingetauscht, aber sind jetzt abhängig vom medizinischen System, vom Gesundheits- oder Krankheitssystem.“ Samt der Möglichkeit eines technischen Versagens, von medizinischer Bürokratie, von lähmender Abhängigkeit.
Transhumanismus
Die eigentliche Gefahr, die akute Bedrohung der Freiheit“, so Kaiser, „liegt auch in der Ideologie des Transhumanismus, der genau diese technische Verbesserung des menschlichen Wesens vornimmt.
Transhumanismus ziele als Richtung oder Ideologie auf die Verbesserung des Menschen. Schwerpunkte sind die Anwendung neuer und künftiger Technologien:
Nanotechnologie, Biotechnologie, Gentechnik, regenerative Medizin, Gehirn und Gehirn-Computer-Schnittstellen, das Hochladen des menschlichen Bewusstseins, so was wie eine Cloud, Prothetik, Superintelligenz“, und so weiter.
Niemand solle dazu gezwungen werden, sondern es soll ein „Angebot auf dem Markt“ sein. Doch: „Tauschen wir damit nur die Abhängigkeit von der Natur gegen Abhängigkeit von der Technik ein?“ Und auch in eine Abhängigkeit von denen, die diese Technik besitzen, die sie dann verkaufen oder verleihen?
Wir alle haben so viele Vorteile durch die technische Weltbeherrschung, aber wir merken vielleicht nicht, in welchen Teufelspakt wir gekommen sind, oder?
Abhängigkeit von der Natur oder von der Technik?
Gab es möglicherweise für Jäger und Sammler mehr „Freiheiten“, gerade weil sie eine nomadische Gesellschaft lebten? Forscher nehmen an, dass die Jäger- und Sammler-Gesellschaften circa 15 Stunden pro Woche arbeiten mussten, um ihren Lebensstandard zu halten. Das stehe in starkem Kontrast zu unserer heutigen Gesellschaft.
Was ist, wenn all die Anstrengungen, denen wir jetzt mit Wissenschaft und Technik sowie politischen und sozialen Verbesserungen nachgehen – und auch verständlicherweise nachgehen –, nur dem Ziel gelten, dass wir bereits während der meisten Zeit unserer Geschichte erreicht hatten? Kann uns die Technik – und speziell – kann uns der Transhumanismus, diese Art von Fortschritt, die ich jetzt hier menschlichen Fortschritt nennen möchte, liefern?
Technokratie und Transhumanismus
Es sei schwierig, den Technokraten und Transhumanisten einen Riegel vorzuschieben.
Man bräuchte ein globales Moratorium. Weil man eingesehen hat, dass mit der unendlichen Verbesserung des Menschen – die sich auf eine Mentalität gründet, die die menschliche Natur im Grunde genommen beherrschen möchte – dass mit dieser Verbesserung das menschliche Wesen nicht nur verändert, sondern sogar abgeschafft wird.
„Ist dieses Vorhaben der Transhumanisten tatsächlich akut aktuell und eben virulent?“, fragte Gunnar Kaiser. Seiner Meinung nach ja, die Transhumanisten seien in den großen Machtzentren angekommen.
Ist das transhumanistische Vorhaben tatsächlich umsetzbar oder ist es eine Illusion? Wenn ja, kommt es dann tatsächlich zu Verbesserungen des Menschen bis ins unendliche? – Dann schafft sich der Mensch selbst ab.
Eine Mentalitätswende im Hinblick auf die Frage: Was macht den Menschen aus?
Doch was könnten wir dem entgegenstellen? Gunnar Kaisers Fazit lautete: Es müsste zu einer grundlegenden Mentalitätswende kommen, nicht nur zu einer Reduzierung staatlicher Macht. Zu einer geistigen Wende in Bezug auf das, was wir denken, was das Wesen des Menschen ausmacht. Das sei das Grundproblem. Der reduzierten Sicht auf den Menschen, der nur Körper sei, ein technologisch beherrschbarer Körper, müsse ein geistiger Begriff des Menschen gegenübergestellt werden – der dann „gipfelt in dem Begriff der Würde des Menschen“.
Oliver Signus ist seit drei Jahrzehnten journalistisch tätig. Er arbeitete 28 Jahre als Redakteur in verschiedenen Lokalredaktionen. Als gelernter Bankkaufmann war er außerdem in der Pressearbeit für Unternehmen tätig. Darüber hinaus war er als freier Mitarbeiter von Content Marketing Agenturen engagiert. Unter anderem schrieb er Texte und führte Interviews für Telekommunikations-Unternehmen, Chemiekonzerne und befasste sich mit wirtschaftlichen Themen. Zudem war er im Verlagswesen im Bereich der Buchproduktion und der Texterstellung tätig. Seit April 2022 arbeitet Oliver Signus als freier Journalist.
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