Die Freiheitskultur des Westens – ihre Krisen, ihre Zukunft. Teil 1

7. November 2022 – von Oliver Signus

Oliver Signus

Freiheit ist nicht etwas, „das so einfach in der Welt ist“, sagte Dr. Torsten Polleit in seiner Begrüßung am 8. Oktober 2022 anlässlich der 10. Jahreskonferenz des Ludwig von Mises Instituts Deutschland vor 200 Gästen im Hotel „Bayerischer Hof“ in München. „Unsere Freiheit muss intellektuell verstanden und rationalisiert und gegen Angriffe immer wieder aufs Neue verteidigt werden. Freiheit ist kein Selbstläufer“, betonte er.

Die Freiheit ist in Gefahr

Und diese Freiheit ist seit Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie so stark bedrängt worden, wie es derzeit der Fall ist. Der „Feldzug“ gegen die Energie- und Nahrungsmittelproduktion, der mit dem Kampf gegen den Klimawandel begründet wird, und staatlich diktierte, freiheitsberaubende Zwangsmaßnahmen, die mit dem Coronavirus gerechtfertigt werden, nennt Polleit als prominenteste Beispiele dafür.

„Ich interpretiere sie als Elemente einer ‚Great Reset‘-Agenda, mit der das wenige, was von der kapitalistischen Ordnung, vom freien Wirtschafts- und Gesellschaftssystem im Westen noch übrig ist, auch noch zerschlagen werden soll.“ Der geplante Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wird die Volkswirtschaften in den Abgrund stoßen, denn es ist illusorisch zu glauben, Öl-, Kohle- und Gasenergie ließen sich im politisch diktierten Zeitplan durch erneuerbare Energien ersetzen. Schon jetzt zeigen sich die Anfänge dieser „entgrenzten Politik“: Firmen schließen, Existenzen werden zerstört, Arbeitsplätze gehen verloren, die Menschen verarmen, nicht zuletzt, weil die staatlichen Zentralbanken auch noch das Geld durch Hochinflation entwerten. Das Überleben vieler Menschen auf dieser Welt ist bedroht.

Thorsten Polleit

„Sie fragen sich vielleicht: Was treibt diejenigen an, die den Great Reset propagieren, und diejenigen, die sich zu Befürwortern und willigen Helfern dieses Programms machen?“ Das Handeln der Menschen hängt von den Ideen ab, die sie als gut und richtig ansähen, zitierte Polleit Ludwig von Mises. So gesehen ist zu befürchten, dass viele Menschen einer Neuauflage der „marxistischen Verelendungstheorie“ auf den Leim gehen: Übelstände werden herbeifantasiert oder überdramatisiert, Angst und Schrecken geschürt, um die Menschen gefügig zu machen. Missstände aller Art werden der freien Wirtschaft angelastet, mit dem Ziel, sie abzuschaffen. Das Narrativ lautet: Der moderne Mensch vernichtet den Planeten durch seinen Ressourcenverbrauch, und nur der Staat kann das drohende Unheil noch abwenden. „Und zwar indem der Staat Schluss macht mit individueller Freiheit, Eigentum, Privatsphäre, Konsumfreude, freien Märkten.“ Ein alles und jeden kontrollierender „Allmächtiger Staat“, ein erlesener Kreis der Erhellten aus Staat und Großunternehmen, soll die Dinge zum Besseren wenden. Und um Opposition dagegen zu ersticken, greifen die „Great Reset“-Befürworter zur „Immunisierungsstrategie“ der Marxisten: Anders Denkende werden verspottet, verächtlich gemacht, diskreditiert, bedroht, an Leib und Leben geschädigt.

Die sozialistische Lehre ist als intellektueller Irrtum entlarvt

„Doch die gute Nachricht ist: Die sozialistisch-marxistische Lehre ist längst als intellektueller Irrtum, als Fehler entlarvt – nicht zuletzt durch die Arbeiten von Ludwig von Mises aus den frühen 1920er Jahren“, führt Polleit weiter aus. Daher soll die Konferenz einen Beitrag dazu leisten, die intellektuelle Überlegenheit der Freiheitslehre gegenüber dem Sozialismus-Kommunismus herauszuarbeiten, sie zu erkennen und zur festen inneren Überzeugung zu machen.

„Ich bin sicher, sie wird Ihnen neue Einsichten, vor allem auch Mut und Zuversicht vermitteln, und sie werden sehen: Nicht die finstere Vision, die der aus der neomarxistischen Ideen-Hexenküche stammende Umsturzversuch in die Welt bringen will, hat Zukunft.“ Die Zukunft gehört vielmehr der Lehre der individuellen Freiheit, des Eigentums, der freien Märkte, der Gleichheit vor dem Gesetz. „Es ist die Freiheitslehre, die alle Probleme, die sich der Menschheit stellen, einer friedvollen und produktiven Lösung zuführen kann“, schloss Polleit seine Begrüßung.

Der Dualismus zwischen Herrschaft und Freiheit

Andreas Tiedtke

Vorstand Dr. Andreas Tiedtke hieß die Gäste ebenfalls herzlich willkommen. „Wir freuen uns sehr, dass Sie unserer Einladung wieder so zahlreich gefolgt sind! Seit zehn Jahren gibt es die Jahreskonferenzen des Ludwig von Mises Institut Deutschland nun bereits, und auch wenn sich die Narrative ändern, mit welchen politische Akteure ihre jeweilige Agenda begründen, der Dualismus zwischen Herrschaft und Freiheit besteht fort“, betonte der Vorsitzende. Ein Dualismus, für den Immanuel Kant bereits im 18. Jahrhundert psychologische Ursachen gefunden hat: Ein Mangel des Mutes und der Entschließung hindere die Menschen, von ihrem Verstand Gebrauch zu machen. Die Menschen hätten Angst vor der Selbstbestimmung, Angst vor der Freiheit. Sie seien von den selbsternannten Vormündern der Gesellschaft verunsichert worden und ihres Selbstvertrauens beraubt, zitierte Tiedtke den Philosophen. „Dieser Dualismus zwischen Knechtschaft und Freiheit hat hier im deutschsprachigen Raum vom 18. bis zum 20. Jahrhundert maßgebliche Prägung erfahren. Namen wie Immanuel Kant und Ludwig von Mises stehen für die Seite der Freiheit, aber auch die Geistesgeschichte des Kollektivismus und der Knechtschaft wurde hier geprägt von Personen wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel oder Karl Marx“, führte Tiedtke aus.

Der Liberalismus ist fester Bestandteil der Aufklärung

Der Liberalismus des 19. Jahrhunderts – obwohl er nur eine kurze Blütezeit hatte – war mehr als das zufällige Ergebnis der Geschichte. Er war Ausdruck der logischen und konsequenten Anwendung der Geisteswissenschaft auf die Gesellschaft, der Liberalismus war Teil der Aufklärung. „Ludwig von Mises wusste, dass es nur eine Form des friedlichen Zusammenlebens geben kann, und das ist der Kapitalismus!“ Damit hat Mises allerdings nicht das gemeint, was heute landläufig unter Kapitalismus verstanden wird – etwa Hochfinanz, Wall-Street oder Public Private Partnership. „Mises verstand unter Kapitalismus den freiwilligen ökonomischen Austausch unter Einsatz von Kapitalgütern und die Abwesenheit von Gewaltandrohung, um Austausch zu erzwingen, also die Abwesenheit staatlichen Interventionismus‘“, erläuterte Tiedtke und zitierte den Ökonom wie folgt: „Bestünde der Gegensatz von Allgemeininteresse des Ganzen und Sonderinteresse des Einzelnen, wie die kollektivistische Lehre es behauptet, dann wäre überhaupt gesellschaftliches Zusammenwirken der Menschen unmöglich. Die Wissenschaft von der Gesellschaft beginnt damit, dass sie diesen Dualismus überwindet. Da sie innerhalb der Gesellschaft Verträglichkeit der Interessen der einzelnen Individuen untereinander sieht und keinen Gegensatz zwischen der Gesamtheit und dem Einzelnen findet.“

Doch für welche Seite dieses Dualismus haben sich die Machthaber immer wieder entschieden? Nicht für die des freiwilligen Austausches zwischen den Menschen, sondern für die Seite des Konfliktes. Jeder Konflikt ist eine Gelegenheit, Krisen zu „managen“, nicht etwa zu überwinden oder zu lösen. Die Narrative der Machthaber mögen sich im Laufe der vergangenen zwei Jahrhunderte geändert haben, aber die Stoßrichtung bleibt immer dieselbe: „Das Schüren von Angst, Zwietracht und Konflikten und der Ausbau dessen, was Mises Interventionismus nannte, also die Ausübung von Herrschaft einer Gruppe von Menschen über den Rest mit den Mitteln Zwang und Propaganda“, erläuterte der Vorstand.

Die neuen Narrative propagieren Verzicht und soziale und ökonomische Armut

Versprachen die Kommunisten und Sozialisten noch ein Arbeiter- und Bauernparadies und die Mehrung des Wohlstandes der Massen, so handeln die heutigen Narrative von Verzicht, Distanz, Desozialisierung und Deindustrialisierung. Medizinische Zwangsmaßnahmen, Zwangsabgaben auf Energiepreise, Insektenproteine statt Fleisch und ÖPNV statt eigenem Auto und so weiter werden begründet mit Mutmaßungen, die weder naturwissenschaftlich testbar noch logisch zwingend sind, sondern die willkürlich, die ideologisch sind.

Ludwig von Mises und Edward Bernays – Sigmund Freuds Neffe und Begründer der modernen Propaganda – waren sich darin einig, dass die „Masse der Menschen“ nicht ihre eigenen Ideen entwickelt, sondern sie den Ideen von „Meinungsführern“ oder Vorbildern folgt. Tiedtke weiter: „Und solche Ideen werden mit Propaganda verbreitet. Edward Bernays definierte moderne Propaganda als das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu (…) einer Idee oder (…) Gruppe zu beeinflussen.“

Es braucht Vernunft – und Mut und Entschlossenheit

Das wirksamste Mittel gegen falsche Propaganda sei die fortwährende Aufklärung der Öffentlichkeit, sodass diese erkennt, dass die Propaganda unwahr oder unsozial ist. „Ich meine, Aufklärung ist nicht nur eine intellektuelle Herausforderung“, so Tiedtke, „sondern – wie Kant es bereits sagte – auch eine emotionale. Es gilt nicht nur, die Vernunft zu stärken, sondern ebenso den Mut und die Entschlossenheit der Öffentlichkeit. In einer Zeit, in der der Dualismus zwischen Freiheit und Herrschaft vollständig auf eine Seite zu kippen droht, ist es an uns, an Ihnen, liebe Referenten und liebe Zuhörer, die Fackel der Freiheit und der Aufklärung hochzuhalten in der Dunkelheit kollektivistischen Wahns, rücksichtslosen Strebens nach Macht und masochistischer Selbstgeißelung. Ich wünsche mir, dass Sie, liebe Vortragende, sich nicht beirren oder verängstigen lassen, sondern dass Sie die Fackel der Freiheit heute zum Leuchten bringen, und Sie, liebe Zuhörer, diese Leuchtfeuer in ihren Familien, Freundeskreisen und Unternehmern scheinen lassen. Lassen Sie uns hier und heute ein Licht für den Frieden und die Freiheit entzünden, das uns anleitet und hinführt zu dem Tag, an dem die Sonne wieder scheinen wird.

Die Freiheitskultur des Westens ist durch stockdustere Zeiten gegangen, und doch kam nach der Dunkelheit ein Ludwig Erhard wie ein Phönix aus der Asche und hat das Licht der Freiheit inmitten von Trümmern neu entzündet. Das Nachglühen dieses Lichtes ist bis heute noch nicht vollständig erloschen: Der lebende Beweis hierfür sind Sie, liebe Referenten und Gäste. Lassen Sie uns diesem Licht heute eine neue Strahlkraft geben, damit wir Leuchtfeuer für Frieden und Selbstbestimmung entfachen nicht nur im Verstand der Menschen, sondern auch in ihren Herzen!“

Fiat-Geld und die Corona- und Klima-Politik: Die real existierende Postmoderne

Michael Esfeld

Für den Vortrag „Grenzen der Freiheit in der modernen Gesellschaft“ hatte das Ludwig von Mises Institut Deutschland Professor Dr. Michael Esfeld eingeladen, den bekannten Wissenschaftsphilosophen der Universität Lausanne und Mitglied der Leopoldina, Deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften. Er begann seinen Vortrag mit der Frage: Was haben das unbegrenzte Gelddrucken und die Corona- und Klima-Maßnahmen gemeinsam? Offensichtlich ist Ersteres die Voraussetzung für Letzteres. Ohne die Möglichkeit für Regierungen, willkürlich Geld aus dem Nichts zu schaffen, würde es weder die Corona-Lockdowns noch die Wende hin zu ineffizienten und unzuverlässigen Energiequellen geben, weil dann die Menschen die wirtschaftlichen Folgen dieser Politik direkt im Portemonnaie spüren würden. Doch die Parallelen gehen tiefer.

Zwei Errungenschaften: Wissenschaft und Rechtsstaat

Nach der schmerzhaften Erfahrung der Religionskriege im 16. und 17. Jahrhundert entwickelten sich sowohl die moderne Wissenschaft als auch der moderne Rechtsstaat als Befreiung davon, Macht auszuüben, indem eine bestimmte Auffassung von Gemeinwohl und Seelenheil mit Zwang durchgesetzt wird.

In der Wissenschaft spielt Autorität keine Rolle. Man muss Beweise und Argumente für die Behauptungen liefern, die man aufstellt, und diese Behauptungen werden einer rigorosen Prüfung unterzogen.

Der moderne Rechtsstaat verzichtet darauf, eine bestimmte Auffassung eines Gemeinwohls umzusetzen. Er ist stattdessen auf den Schutz der Freiheitsrechte eines jeden Menschen ausgerichtet: Jede Person ist frei, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es für gut und richtig hält, solange sie allen anderen Personen die gleiche Freiheit einräumt.

Wissenschaft und Rechtsstaatlichkeit sind die beiden Säulen der Moderne: Die moderne Gesellschaft wird durch die Achtung der Menschenrechte aller und die Anerkennung objektiver Tatsachen zusammengehalten, die von Wissenschaft und Alltagsverstand entdeckt werden.

Mittlerweile erleben wir jedoch den Übergang zur Postmoderne. Die intellektuelle Strömung der Postmoderne stellt den Gebrauch von Vernunft als eine weitere Form der Ausübung von Zwang dar: Es gibt keine objektiven Tatsachen, die mit Vernunft entdeckt werden können, und es gibt keine universellen Menschenrechte, die jeder Person aufgrund dessen zustehen, dass sie mit Vernunft im Denken und Handeln ausgestattet ist. Sobald die Postmoderne zu einer politischen Macht wird, führt sie zu einem neuen Totalitarismus.

Abwehrrechte vs. Anspruchsrechte

Fiat-Geld läutete die erste, wirtschaftliche Phase dessen ein, was man als „real existierende Postmoderne“ bezeichnen kann; die Corona- und Klima-Maßnahmen läuten dessen zweite, totalitäre Phase ein, die alle Bereiche des Zusammenlebens betrifft.

Die Goldbindung des US-Dollars brach 1971 zusammen, weil der Staat immer mehr Wohlfahrtsansprüche nach innen befriedigen wollte, ohne Wohlstand zu schaffen (Johnsons „Great Society“) und gleichzeitig Machtansprüche auch mit militärischen Mitteln nach außen durchsetzte (Vietnamkrieg).

Vor die Wahl gestellt, diese Ansprüche der Realität anzupassen oder die Illusion einer Realität zu schaffen, um diese Machtansprüche zu befördern, entschieden sich die USA – und darüber hinaus alle anderen Staaten – für Letzteres. Schließlich hat auch die Schweiz 1999 jede Form der Bindung ihrer Währung an Gold aufgegeben.

Das ist die real existierende Postmoderne, die mit dem Rechtsstaat bricht. Dessen Aufgabe ist der Schutz der Abwehrrechte gegen ungewollte, äußere Eingriffe in die Freiheit zur selbstbestimmten Lebensführung.

Der Wohlfahrtsstaat hingegen wird durch die Gewährung von Anspruchsrechten auf alle Arten von Leistungen zusammengehalten. Diese Anspruchsrechte werden von der Staatsgewalt geschaffen, um deren Einfluss auszuweiten. Ihre Erfüllung wird schließlich von der unbegrenzten Schöpfung von Fiat-Geld abhängig.

Die zweite Phase der Postmoderne

Mit den Corona- und Klima-Maßnahmen tritt die real existierende Postmoderne in ihre zweite, totalitäre Phase ein: Sie umfasst nun alle Lebensbereiche.

Es gibt keine Privatsphäre mehr: Die Corona-Lockdowns regulieren soziale Kontakte auch innerhalb der Kernfamilie. Nicht einmal der eigene Körper unterliegt mehr der Selbstbestimmung: Er steht dem Staat zur Verfügung, wie die Corona-Impfkampagne bis hin zu Impfanweisungen zeigt.

Die Klima-Maßnahmen erlauben beliebige Eingriffe bis in die Intimsphäre hinein, wie Anweisungen zum kalten Duschen oder sich mit Waschlappen zu begnügen, statt zu duschen. Mit der Ergänzung der Klima-Maßnahmen durch die Russland-Sanktionen sollen wir für die Freiheit frieren und generell eine Einschränkung unserer Lebensqualität und unserer Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, hinnehmen.

Gemeinsam ist all diesem eine absichtlich herbeigeführte Verknappung von Ressourcen, die zu umfassender sozialer Kontrolle führen kann.

Freiheiten als Privileg für Konformität

Ein erster Aspekt, der das gegenwärtige System als spezifisch postmodern kennzeichnet, ist die Konstruktion einer postfaktischen Realität, die allen aufgezwungen wird.

Corona-Wellen sind eine Tatsache. Aber es gibt keine Fakten, die belegen, dass dieser Virusausbruch gefährlicher wäre als frühere Virenausbrüche wie die Hongkong-Grippe 1968 bis 1970 oder die Asiatische Grippe 1957 bis 1958, die stets allein mit medizinischen Mitteln behandelt wurden.

Klimawandel ist eine Tatsache. Aber es gibt keine Fakten, die eine reelle – statt lediglich in Modellen herbeigerechnete – Gefahr eines menschengemachten, lebensbedrohlichen Klimawandels beweisen, oder Fakten, die die Fähigkeit von Wissenschaft und Politik belegen, durch Zwangsmaßnahmen und Planwirtschaft den Wandel des Weltklimas steuern können.

In der Moderne war es Aufgabe des Staates, die Grundrechte zu schützen. In der real existierenden Postmoderne gewährt der Staat Freiheiten als Privileg für Konformität.

Der zertifizierte Mensch ersetzt den mündigen Bürger

Der Mechanismus, der auch viele Wissenschaftler, die von sich aus keine Sympathie für die intellektuelle Postmoderne haben, verführt hat, ist dieser: Es wird suggeriert, dass man das Wohlergehen anderer gefährdet, indem man seinem normalen alltäglichen Lebenswandel nachgeht. Jede Form von direkter sozialer Interaktion kann zur Verbreitung des Coronavirus beitragen. Jede Aktivität hat Auswirkungen auf die nichtmenschliche Umwelt, die zum Klimawandel beitragen könnte.

Von dem Generalverdacht, durch den eigenen alltäglichen Lebenswandel andere zu schädigen, befreit man sich durch den Erwerb eines Sozialpasses – wie des Impfpasses oder einer anderen Form eines Zertifikats –, mit dem man seinen Gehorsam beweist. Der zertifizierte Mensch ersetzt so den mündigen Bürger. Belohnungen für Konformität treten an die Stelle von Grundrechten.

Der wichtigste Unterschied zwischen dem aktuellen postmodernen Totalitarismus und früheren Totalitarismen ist: Das große Narrativ eines absolut Guten – die klassenlose Gesellschaft als Endziel der Geschichte im Kommunismus – wird durch viele kleine Narrative ersetzt. Sie betreffen Teilgüter wie Gesundheitsschutz, Klimaschutz und so weiter. Jede dieser Erzählungen impliziert, wenn sie dominant ist, eine ebenso umfassende soziale Kontrolle wie einst die großen Erzählungen.

Hierin liegt die Gefahr der real existierenden Postmoderne: Wenn ein solches Narrativ zusammenbricht – wie derzeit das Corona-Narrativ –, ist dies nicht das Ende der Kontrolle. Man kann leicht von einer kleinen Erzählung zur nächsten wechseln – von Corona über das Klima zu verschiedenen Arten von „sozialer Gerechtigkeit“ und so weiter –, um eine allumfassende soziale Kontrolle aufrechtzuerhalten.

Die Zukunft der Freiheit

Es ist wichtig, aber nicht ausreichend, das Corona-Narrativ, das Klima-Narrativ und so weiter zu entwirren. Man muss die real existierende Postmoderne an ihren Wurzeln packen. Das bedeutet eine Rückbesinnung auf die Grundlagen der Moderne: Rechtsstaatlichkeit als Nichteinmischung in die Lebensgestaltung der einzelnen Menschen.

Wann immer man die Rolle des Staates erweitert, um im Namen der „sozialen Gerechtigkeit“ oder eines vermeintlichen Gemeinwohls Anspruchsrechte zu fördern, sind der Regulierung des Lebens der Menschen letztlich keine Grenzen mehr gesetzt.

Machtkonzentration ist immer ein Übel. Sie führt mit der Zeit unweigerlich zu Missbrauch. Es ist eine Illusion, zu glauben, dass es einen guten, mit Zwangsgewalt ausgestatteten Staat geben könnte, der die Gesellschaft im Sinne von „sozialer Gerechtigkeit“ regulieren könnte (der Wohlfahrtsstaat mit seiner Abhängigkeit von Fiat-Geld) oder, noch schlimmer, ein allgemeines Gut durch die Regulierung auch des Privatlebens durchsetzen könnte. Der Weg zurück in die Freiheit besteht darin, uns von dieser Illusion zu befreien.

Der öffentliche Gebrauch der Vernunft muss nach Kant jederzeit und unter allen Bedingungen frei sein, um Aufklärung zu ermöglichen. Es ist daher von größter Bedeutung, gegen die „Cancel Culture“ anzugehen.

Wissenschaftler und Intellektuelle sollten ihrer Verantwortung gegenüber den Bürgern, die sie durch ihre Steuern finanzieren, in ihrem öffentlichen Gebrauch der Vernunft nachkommen, anstatt in Selbstzensur zu gehen und sich von Politikern und deren Sprachrohren in den Medien vorschreiben zu lassen, was man sagen darf und was nicht.

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, ist das Motto der Aufklärung nach Kant. Wenn genügend Menschen diesen Mut wieder aufbringen, werden wir wieder den Weg einschlagen, der zum friedlichen Zusammenleben führt, zum technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt und damit zu mehr Lebensqualität und Entwicklungschancen für ein selbstbestimmtes Leben für alle: Das ist der Weg der faktenbasierten Wissenschaft und eines Rechtsstaates, der die Grundrechte jedes Menschen wahrt, schloss der Wissenschaftsphilosoph seinen Vortrag.

Freiheit braucht einen freien Markt für Geld

Thorsten Polleit

In seinem Vortrag „Warum Freiheit einen freien Markt für Geld braucht“ widmete sich der Ökonom Professor Dr. Thorsten Polleit, Präsident des Ludwig von Mises Instituts Deutschland, unter anderem der Frage, ob Geld ebenfalls zu den „materiellen Lebensgrundlagen wie Kleidung, Nahrungsmittel oder Energie gehört.“ Aus seiner Sicht ist diese Frage mit einem klaren „Ja“ zu beantworten, da der Wohlstand des Menschen entscheidend von der Geldverwendung abhängt: „In einer Geldwirtschaft wird der Tauschwert aller Güter in Geldeinheiten ausgedrückt.“ Ohne Geld wäre unser Wohlstand in einer Volkswirtschaft, die Milliarden von Menschen ernährt, nicht denkbar.

Geld ist aber auch auf das Engste mit dem Freiheitsbegriff verbunden. Freiheit bedeutet nicht nur Eigentum „am eigenen Körper“, sondern dass wir uns auch Besitz aneignen und ihn beanspruchen – ohne jedoch andere zu schädigen. „Das Eigentum selbst ist ein Apriori, eine Kategorie des menschlichen Handelns.“ Eigentum – und damit auch die Freiheit – sind ethisch fest begründet. „Der unbedingte Respekt vor dem Eigentum erfüllt den Universalitätsanspruch“, er gilt für alle Menschen gleichermaßen. Herrschaft – und damit Zwang – wird nach dieser Definition ausgeschlossen. Freiheit kennt nur freiwillige Kooperation.

Das Geldmonopol wurde durch Zwang geschaffen

Geld ist ein Gut wie jedes andere auch. Allerdings ist es so, wie wir es heutzutage verwenden, nicht das Ergebnis einer freiwilligen Übereinkunft. Vielmehr haben sich die Staaten – die ebenfalls nicht durch Freiwilligkeit zustande gekommen sind – sich das „Geldproduktionsmonopol“ durch Zwang und Gewalt verschafft.

In seinem Regressionstheorem, mit dem sich Ludwig von Mises zu Carl Mengers Theorie der Geldentstehung äußert, heißt es, dass ein Gut, bevor es zum Geld gewählt wurde, bereits einen Marktwert gehabt haben muss. Dieser erklärte sich aus der nichtmonetären Wertschätzung des betreffenden Gutes, den die Menschen freiwillig als Tauschmittel – als Geld – ausgewählt haben. Damit ist auch ausgeschlossen, dass eine „Obrigkeit“ das Geld gebracht hat.

Das Sach- oder Warengeld ist als Folge eines langen Prozesses staatlich monopolisiertem Geld gewichen – dem Fiat-Geld. Warum das so ist, beschreibt Murray N. Rothbard (1926-1995) in seinem 1963 erschienen Buch „What has government done to our money“. Er zeigt darin auf, dass diejenigen, die über andere herrschen (Kaiser, Könige, Parlamentarier), das Geldmonopol an sich reißen und erklärt, wie das im Einzelnen geschieht.

Das Fiat-Geldmonopol ist mit einer gewaltigen Herrschaftsmacht verbunden. Der Staat kann damit das Wirtschaftsgesehen steuern, sich die Zustimmung der Wähler erkaufen und die Menschen in Abhängigkeit bringen – zum Beispiel als Arbeit- oder Auftraggeber. Kriege kann der Staat ebenfalls relativ problemlos finanzieren – ebenso wie Umsturzvorhaben wie den „Great Reset“ samt der Installation einer „Neuen Weltordnung“. Auch missbraucht der Staat sein Geldmonopol. So schreibt Friedrich August von Hayek: „Mit der einzigen Ausnahme der 200 Jahre der Goldwährung haben praktisch alle Staaten der Geschichte ihr Monopol der Geldausgabe dazu gebraucht, die Menschen zu betrügen und auszuplündern.“

Wäre das Fiat-Geld die beste aller Lösungen, müsste der Staat es nicht mit Steuern und Regularien privilegieren und Alternativen ausschalten, so dass ein Wettbewerb um „das beste Geld“ erst gar nicht aufkommen kann. „Wenn aber das Geld vorgeschrieben wird (…), verletzt das nicht nur unsere Freiheit bei der Geldwahl, sondern das Diktat, Fiat-Geld benutzen zu müssen, zerstört alle Freiheiten.“

Ludwig von Mises erkannte die zerstörerische Wirkung des Fiat-Geldes

Das erkannte Ludwig von Mises bereits 1912, als er schrieb:

Es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, dass der Bestand der modernen Organisation des Tauschverkehres für die Zukunft gesichert sei. Sie trägt in ihrem Innern bereits den Keim der Zerstörung. Die Entwicklung des Umlaufsmittels (gemeint ist Fiat-Geld) muss notwendigerweise zu ihrem Zusammenbruche führen.

Mises verweist dabei auf die Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen, die das Fiat-Geld verursacht hat. Er denkt, dass die Menschen nicht verstehen, was diese Krisen ausgelöst hat. Stattdessen sehen sie den Staat als Retter aus der Misere. Der Staat erhält dadurch immer mehr Macht und knebelt Wirtschaft und Gesellschaft mit einer Vielzahl von Regularien (Gesetze, etc.). Am Ende entsteht „eine kollektivistisch-sozialistische Apparatur, die den Menschen Elend, Unterdrückung und Gewalt bringt. So ist der Staat seit dem Ende des Goldgeldes Anfang der 1970er Jahre auf dem Vormarsch auf Kosten bürgerlicher und unternehmerischer Freiheiten.

Währungswettbewerb soll ausgeschaltet werden

Einen Wettbewerb zwischen den Währungen mögen die Staaten nicht, weil er ihren Missbrauchsspielraum einengt. Wird eine Währung zu stark, fliehen die Menschen in eine andere, weniger inflationäre. Daher streben die Staaten ein internationales Fiat-Geld-Kartell an. Das logische Ziel ist die Schaffung einer zentral gelenkten „Welt-Fiat-Währung“, verbunden mit einer Art „Weltregierung“. Eine Vereinheitlichung „im Kleinen“ hat es mit der Einführung des Euro bereits gegeben. Der Plan, digitales Zentralbankgeld auszugeben, wird dem Drang nach einer global einheitlichen Währung einen noch größeren Schub verleihen. Das Bargeld wird nicht nur verdrängt – den Menschen wird damit auch ein „Fluchtfenster“ verschlossen. Die privatwirtschaftlichen Elemente des Geld- und Kreditsystems sind Geschichte, die Macht des Staates erreicht ungeahnte Ausmaße.

Eine Abkehr vom Fiat-Geld und ein freier Markt für Geld sind möglich

Die Geschichte hat aber auch gezeigt, dass solche Entwicklungen korrigierbar sind. Es gibt keine ökonomischen Gründe, warum der Staat das Geld monopolisieren sollte. „Das staatliche Fiat-Geld ist mit schweren ökonomischen und ethischen Defekten behaftet.“

Die Alternative zum Fiat-Geld ist ein freier Markt für freies Geld. Dabei hat jeder die Freiheit, das Geld nachzufragen, das er für das Beste hält. Im freien Markt bestimmen die Menschen, was als Geld verwendet wird. Entscheiden sie sich zum Beispiel für Gold, gibt es natürlich ebenfalls Kredite, Börsengänge, Internetbanking usw.

Anders als heute würde in einem freien Markt die Geldmenge durch die Kreditvergabe der Banken nicht mehr verändert. Es gäbe keine politisch erzeugte Inflation, keine Zentralbank, keine Zinsmanipulationen. „Und weil dadurch die Kriegsführung sehr teuer, quasi unbezahlbar wird, würde auch die Welt friedlicher.“

Die Machtstrukturen des Staates stehen einem freien Markt für Geld jedoch entgegen. Daher müssen die Menschen ihr Recht auf Selbstbestimmung einfordern, es muss zu Sezessionen kommen, und aus den großen Staatseinheiten müssen kleine, souveräne Einheiten werden. Im freien Markt werden alle Regularien und Gesetze abgeschafft, die ihm entgegenstehen (z. B. Mehrwert- und Kapitalertragssteuer auf Edelmetalle und Kryptoeinheiten). Entsteht irgendwo auf der Welt nur ein Referenzprojekt, werden sich Nachahmer finden.

Das Ende des Fiat-Geldes

Entsteht ein freier Markt für Geld, würde dies das Ende des Fiat-Geldes bedeuten. Der Weg zum „guten Geld“ ist machbar, allerdings nicht mit dem Staat, so wie wir ihn heute kennen. Will man die Freiheit des Menschen erhalten bzw. zurückerobern, muss man auch die Idee des Staates überdenken. Dem jetzigen Zwangs- und Gewaltmonopol steht die freiwillige Kooperation gegenüber. „Und die Idee der auf Freiwilligkeit beruhenden Privatrechtsgesellschaft, in der für alle das gleiche Recht gilt.“

In Zeiten einer wirtschaftlichen und moralischen Gesellschaftskrise wie heute ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass immer mehr Menschen die Entschlossenheit und den Mut finden – um mit dem Philosophen der Aufklärung, Immanuel Kant (1724–1804), zu sprechen –, sich ihres ​Verstandes zu bedienen und den Staat und sein Fiat-Geldsystem als das sehen, was sie wirklich sind: Zerstörer der Freiheit, des Wohlstands und des Friedens.

Oliver Signus ist seit drei Jahrzehnten journalistisch tätig. Er arbeitete 28 Jahre als Redakteur in verschiedenen Lokalredaktionen. Als gelernter Bankkaufmann war er außerdem in der Pressearbeit für Unternehmen tätig. Darüber hinaus war er als freier Mitarbeiter von Content Marketing Agenturen engagiert. Unter anderem schrieb er Texte und führte Interviews für Telekommunikations-Unternehmen, Chemiekonzerne und befasste sich mit wirtschaftlichen Themen. Zudem war er im Verlagswesen im Bereich der Buchproduktion und der Texterstellung tätig. Seit April 2022 arbeitet Oliver Signus als freier Journalist.

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Der zweite Teil des Konferenzberichts  folgt demnächst auf Misesde.org.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Eigene Bilder

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