„Waschlappen“ in der Politik – Ursachen und Auswirkungen der Politisierung aller Lebensbereiche

23. September 2022 – von Rainer Fassnacht

Rainer Fassnacht

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält Waschlappen für eine brauchbare Erfindung, und der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck rät, nur kurz und kühl zu duschen.

Blick auf „Waschlappen“ in der Politik

Beide Aussagen fielen nicht im privaten Gespräch unter Freunden, sondern wurden von Amtsträgern mit fünfstelligen Monatsgehältern öffentlich getätigt und waren als Appell zu verstehen. Daher lohnt es sich, einen genaueren Blick auf „Waschlappen“ in der Politik zu richten beziehungsweise zu fragen, warum sich der Staat immer mehr ins Privatleben einmischt.

Die genannten Beispiele sind nur die Spitze eines Eisberges, der kontinuierlich wächst. Derzeit beziehen sich zahlreiche „Vorschläge“ und Regelungen aus der Politik auf das Thema Energiesparen. Die Waschlappennutzung ist derzeit (noch) keine Zwangsmaßnahme – anderes schon. Beispielsweise umfassen die Entwürfe für neue Regeln und Verbote detaillierte Heiztemperatur- oder Beleuchtungsvorgaben ebenso wie Vorgaben zum Offenhalten oder Schließen von Türen.

Deutlicher als zuvor werden inzwischen auch von offiziellen Stellen Empfehlungen zur Ausstattung im Falle eines Blackouts gegeben.

Deutlicher als zuvor werden inzwischen auch von offiziellen Stellen Empfehlungen zur Ausstattung im Falle eines Blackouts gegeben. Diese Krisenbevorratung wurde noch vor kurzer Zeit als Panikmache etikettiert. Menschen, die Vorräte anlegten oder entsprechende Hinweise gaben (Prepper), wurden pauschal in die rechte Ecke gestellt.

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Schon Wochen vor der aktuellen „Waschlappenpolitik“ schrieb ein englischer Kommentator im Telegraph, dass politische Empfehlungen zur Katzenwäsche ein Symptom schlechter Politik sind:

Deutschland, das einst bewundert und beneidet wurde, ist heute das Paradebeispiel für den Schaden, den eine schlechte Energie- und Außenpolitik anrichten kann.

Diese Bewertung trifft den Nagel auf den Kopf. Auch wenn Politik und Medien mit aller Kraft versuchen, einen anderen Eindruck zu vermitteln: Der russische Angriff auf die Ukraine war nicht die Ursache der aktuellen Probleme, sondern hat diese nur offensichtlicher gemacht und verstärkt. Wer die Gesetzte der Natur und der Ökonomik aus ideologischen Gründen ignoriert, sollte nicht überrascht sein, wenn die erwartbaren Folgen dieser ideologischen Ignoranz schmerzhaft eintreten.

Es gibt mehrere Ursachen für die zunehmende Einmischung des Staats in unser Privatleben, die zudem noch gegenseitig wechselwirken. Blicken wir auf einige der ökonomischen Ursachen:

Planwirtschaft funktioniert nicht

… es herrscht Macht statt Markt.

Was wir derzeit im Bereich der Energiepolitik erleben, ist Planwirtschaft. Politische Pläne verdrängen freiwillige Tauschbeziehungen – es herrscht Macht statt Markt.

Die Verdrängung von Markt- durch Planwirtschaft lässt sich auch für zahlreiche andere Bereiche konstatieren. Aufmerksame Beobachtung der eigenen Lebensumstände oder ein Blick in die Schlagzeilen genügt, um das beachtliche Ausmaß der Veränderungen zu erkennen.

Doch Planwirtschaft funktioniert nicht! Egal, welche Absichten und Motive ihre Befürworter auch haben. Braune oder rote Planwirtschaft haben ebenso wenig funktioniert wie die heutige grüne Planwirtschaft. Warum wird dennoch weitergemacht?

Geht es nach dem hoffnungsvollen Motto „Wenn wenig Planwirtschaft nicht funktioniert, brauchen wir eben mehr davon“ oder „das sind nur Startschwierigkeiten in der realen Welt, theoretisch müsste es später funktionieren“?

Wer diese Hoffnungen hegt wird eine herbe Enttäuschung erleben, denn bereits 1920 wurde von Ludwig Mises (1881 – 1973) aufgezeigt, dass und warum Planwirtschaft scheitert. Die Misserfolge der diversen „Experimente“ der Vergangenheit waren kein Zufall, sondern unvermeidlich. Auch die heutige Planwirtschaft wird scheitern. Auf dem Weg dahin gehen Freiheit und Wohlstand verloren, die heutigen staatlichen Eingriffe in das Privatleben sind Merkmale dieser Entwicklung.

Die Interventionsspirale kennt keinen Rückwärtsgang

Schon die ersten planwirtschaftlichen Eingriffe führen zu ungewollten Nebenwirkungen – oder gewollten Wirkungen, je nachdem, was beabsichtigt war. Um diese einzudämmen, erfolgen weitere Maßnahmen, welche ihrerseits zu ungewollten Nebenwirkungen führen (oder zu beabsichtigten Wirkungen, je nach Intention).

… [es] wird nicht mehr nach den Bedürfnissen der Kunden produziert, sondern nach den Vorstellungen der Politiker …

Bei einer staatlichen Preisfixierung beispielsweise verschiebt sich das Problem vom Preis auf die Menge. Wird zusätzlich die Menge reguliert, handelt es sich nunmehr um eine sogenannte Kommando- oder Zuteilungswirtschaft. Jetzt wird nicht mehr nach den Bedürfnissen der Kunden produziert, sondern nach den Vorstellungen der Politiker, und es kommt zu Überproduktion (Verschwendung) oder Mangelversorgung (leere Regale).

Wenn ein Politiker beispielsweise nur eine Preisfixierung wollte, etwa einen Höchstpreis auf Mieten oder auf Gas, dann sind die Auswirkungen auf die Angebotsmenge (Rückgang des Angebots) unbeabsichtigt. Wollte der Politiker aber eine Kommando- und Zuteilungswirtschaft anstatt einer Marktwirtschaft, dann ist dies keine unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern ein erwünschter Zwischenschritt.

So reihen sich die Interventionen aneinander und weiten sich aus. Damit verbunden werden die Eingriffe im Zeitablauf detaillierter und greifen tiefer ein. Mises schrieb:

Die Eingriffe können zweierlei Art sein: sie können entweder produktionspolitische Eingriffe sein, d.h. Befehle, die die Produktion unmittelbar hemmen oder erschweren, oder preispolitische Eingriffe, die darauf hinauslaufen, Preise von Gütern und Dienstleistungen anders festzusetzen, als der unbehinderte Markt sie bilden würde.

Die heutigen Eingriffe kennen noch eine dritte Art, den konsumpolitischen Eingriff also direkt an den Konsumenten gerichtete Ge- und Verbote. Das geplante Verbot des Einbaus von Gasheizungen ist dafür ein Beispiel.

Die Frage „Macht oder ökonomisches Gesetz“ ist beantwortet, wie Eugen Böhm-Bawerk (1851 – 1914) schon 1914 im gleichlautenden Text am Beispiel der funktionellen Verteilung von Arbeits- und Kapitaleinkommen aufgezeigt hat. Ein Streik setzt ökonomische Gesetze ebenso wenig außer Kraft wie andere Zwangsmaßnahmen, das obige Beispiel zur Preisfixierung verdeutlicht dies.

Doch obwohl der Ausgang voraussehbar ist, wird der Kampf zwischen Macht und Markt immer wieder aufs Neue aufgenommen – sei es wissentlich oder aus Unwissen oder um (wider besseres Wissen) Wähler zu gewinnen, in der Hoffnung, dass die „Nachwehen“ erst in späteren Legislaturperioden offensichtlich werden.

Ein aktuelles Beispiel liefert die beabsichtigte Priorisierung des Transports von Energierohstoffen gegenüber anderen Gütertransporten und Personenverkehr. Diese Maßnahme soll die Folgen der verfehlten Energiepolitik dämpfen, kann aber ihrerseits zu Auswirkungen auf die Versorgung mit Lebensmitteln oder anderen Gütern des täglichen Bedarfs führen oder Lieferketten so empfindlich stören, dass „plötzlich und unerwartet“ weitere Dominosteine fallen.

Jede neue politische Intervention schlägt neue Wellen und erodiert Freiheit und Wohlstand. Den politischen Akteuren und Aktivisten scheint dies egal zu sein – sieht man von denjenigen Politikern ab, die sich eine ökologische Kreislauf- oder Schrumpfwirtschaft oder staatliche Kontrolle der Produktionsmittel ausdrücklich auf ihre Fahnen geschrieben haben. Der kurzfristige Vorteil der bevorzugten Gruppe wird höher gewichtet als die mittel- und langfristigen Folgen für diese und andere Teile der Gesellschaft. Die heutigen staatlichen Eingriffe in das Privatleben sind Merkmale dieser Entwicklung.

Die Veränderung des Charakters der Steuern erleichtert und befeuert Interventionen

Ursprünglich, im Liberalismus des 19. Jahrhunderts beschränkte sich die Aufgabe des Staates auf die Gewährung von innerer und äußerer Sicherheit. Diese Aufgaben wurden durch Steuern finanziert. Anders ausgedrückt, Steuern waren primär Finanzierungsinstrument. Heute sind Steuern zu einem großen Teil Lenkungsinstrument.

Dabei soll das Steuersystem mittels Belastung unerwünschtes Verhalten verhindern. Die Verdrängung der Marktwirtschaft und die Zunahme der Interventionen werden durch diesen Perspektivwechsel stark erleichtert.

Im Falle der Lenkungssteuern sind den Ideen für Eingriffe … keine Grenzen mehr gesetzt.

Im Fall reiner Finanzierungssteuern ist die nötige Erhebung auf die Kosten für Gerichte, Polizei und Militär beziehungsweise die Werkzeuge zur Sicherstellung der inneren und äußeren Sicherheit beschränkt. Im Falle der Lenkungssteuern sind den Ideen für Eingriffe – und damit dem Volumen der Steuererhebung – keine Grenzen mehr gesetzt. Wir haben es mit einer „nach oben offenen Wünscheskala“ zu tun.

Die Entwicklung der Steuer- und Abgabenlast im Zeitablauf verdeutlicht die Folgen, welche die Veränderung des Charakters der Steuern für die Zahlungspflichtigen haben. Und der internationale Vergleich zeigt, dass deutsche Politiker besonders „kreativ“ im Erfinden neuer Interventionen sind. Deutschland fällt in vielen Bereichen zurück, doch bei der Steuer- und Abgabenlast halten wir uns auf den Podiumsplätzen – wie übrigens auch bei den Energiepreisen. Die heutigen staatlichen Eingriffe in das Privatleben sind Merkmale dieser Entwicklung.

Fazit

… die „Waschlappenpolitik“ bezahlen wir mit Freiheits- und Wohlstandsverlusten.

Die zunehmende Einmischung des Staates in unser Privatleben beziehungsweise die „Waschlappenpolitik“ bezahlen wir mit Freiheits- und Wohlstandsverlusten. Die ökonomischen Ursachen sind kein Geheimnis: Die Planwirtschaft wird ausgebaut, die Interventionsspirale weitergedreht und die Aufblähung des Steuervolumens vorangetrieben.

Wer glaubt, dass die Missachtung ökonomischer – und auch naturwissenschaftlicher – Fakten ohne Folgen bleibt, wenn dies aus „guten Gründen“, moralisch gefestigten Positionen oder ideologischen Überzeugungen heraus erfolgt, irrt. Wer beispielsweise Preise „deckelt“, verringert das Angebot.

Es ist wichtig zwischen Ursachen und Symptomen zu unterscheiden. Den Waschlappen zu verwenden oder kurz und kalt zu duschen, löst die Probleme nicht. Nicht der Waschlappen ist der Ansatzpunkt für Veränderungen, sondern die Politik jener Menschen, denen wir solche Appelle und zahlreiche Eingriffe in unser Privatleben verdanken.

Rainer Fassnacht ist ausgebildeter Kaufmann und studierter Diplom-Ökonom. Er lebt in Berlin und ist Autor des Buchs „Unglaubliche Welt: Etatismus und individuelle Freiheit im Dialog“. Auch in seinen sonstigen, unter anderem vom Austrian Economics Center in Wien veröffentlichten Texten, setzt er sich für die Bewahrung der individuellen Freiheit ein.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Titel-Foto: Adobe Stock

 

 

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