Realer Sozialismus: Ein Albtraum

22. März 2021 – von Richard M. Ebeling

Richard M. Ebeling

Es ist manchmal erstaunlich, wie kurz das historische Gedächtnis der Menschheit sein kann. Wenn Sie einige Personen in der amerikanischen Wissenschaft und in den sozialen Medien hören, würden Sie denken, der Sozialismus sei eine neue und glänzende Idee, die noch nie zuvor ausprobiert wurde und die eine wunderbare Zukunft des Friedens, der Liebe und des Überflusses für alle verspricht. Es ist, als ob es die hundert Jahre umgesetzten Sozialismus in den vielen Ländern auf der ganzen Welt niemals gegeben hätte.

Wenn die Wirklichkeit des realen Sozialismus im 20. Jahrhundert angesprochen wird, bestehen viele „progressive“ und „demokratische“ Sozialisten darauf, dass keine dieser historischen Episoden Beispiele für einen „echten“ Sozialismus waren. Es waren bloß die falschen Leute verantwortlich, es wurde nicht richtig umgesetzt, die politischen Umstände haben eine „faire Chance“ einer erfolgreichen Arbeit verhindert, es sind alles Lügen oder Übertreibungen über das vermeintliche “Schlechte” oder die brutalen Erfahrungen unter diesen sozialistischen Regimen. Man kann nicht den Sozialismus dafür verantwortlich machen, dass es einen Lenin, einen Stalin, einen Vorsitzenden Mao, einen Fidel Castro, einen Kim Il-Sung, einen Pol Pot, einen Hugo Chavez oder sonst jemanden gegeben hat …

Tyrannei, Terror, Massenmord und wirtschaftlicher Stillstand zusammen mit politischer Ausbeutung und Privilegien für die wenigen an der Spitze der sozialistischen Regierungshierarchien waren kein Bild davon, wie Sozialismus wirklich sein kann. Lasst uns ihm einfach noch eine Chance geben. Und dann noch eine Chance und noch eine und dann noch eine.

Die Statistiklügen der Sowjets wurden im Westen zu oft für bare Münze genommen

Diese Geisteshaltung ist wirklich nichts Neues. Während des gesamten 20. Jahrhunderts gab es viele Apologeten, die Ausreden parat hatten und jede Propaganda, die von den Sprachrohren des sozialistischen Regimes in Sowjet-Russland ausgespuckt wurde, unhinterfragt geglaubt haben. Sie verschlossen die Augen vor den harten Fakten, was dort wirklich vor sich ging. Diejenigen, die aus dem als UdSSR bekannten Gefangenenlager fliehen konnten und erzählten, wie das Leben im Arbeiterparadies tatsächlich war, wurden ignoriert oder als Menschen mit antisowjetischer Haltung verspottet. Warum sonst hätten sie ihr wundervolles sowjetisches Mutterland verlassen?

Eine andere Ausprägung dieser Blindheit war die rückhaltlose Akzeptanz der sowjetischen Wirtschaftsstatistik durch viele renommierte Sowjet-Experten im Westen, einschließlich der „professionellen“ Analysten innerhalb der Geheimdienste von Ländern wie den Vereinigten Staaten. Sowohl vor als auch nach dem Zweiten Weltkrieg hielt eine Mehrheit dieser Wissenschaftler und Analysten die von der Sowjet-Regierung veröffentlichten offiziellen Statistiken und die dazugehörigen Daten darüber, wie wunderbar und erfolgreich die zentral geplante sowjetische Wirtschaft war, für zuverlässig. Die eigene Propaganda verkündete die Erfolge der sowjetischen Planwirtschaft – einschließlich der erzwungenen Kollektivierung der Landwirtschaft –, die durch die Einführung von Fünfjahresplänen in den 1930er Jahren zu einem Industrieland geworden sein sollte. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg brachten die sowjetisch-staatlichen Planungsbehörden riesige Mengen statistischer Daten heraus, aus denen hervorging, dass in der Nachkriegszeit alles auf dem besten Weg zum sozialistischen Wohlstand war.

Der Führer der kommunistischen Partei, Nikita Chruschtschow, gab 1961 stolz bekannt, dass in zwanzig Jahren – also in den 1980er Jahren – das sowjetische Volk in der lang versprochenen und erwarteten Zukunft eines Kommunismus ohne Knappheit leben werde. Der bekannte amerikanische Ökonom und spätere Nobelpreisträger Paul Samuelson (1915-2009) hatte in seinem weit verbreiteten Wirtschaftslehrbuch in den 1960er und 1970er Jahren und sogar bis in die 1980er Jahren veröffentlichten Ausgaben darauf hingewiesen, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich das sowjetische das amerikanische Bruttoinlandsprodukt überholen werde. Der sowjetische Sozialismus würde seine wirtschaftliche Überlegenheit gegenüber dem amerikanischen Kapitalismus zeigen.

Westliche Korrespondenten in Moskau berichteten über die Wirklichkeit im sowjetischen Sozialismus

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen gab es unter den in Moskau stationierten westlichen Pressekorps berüchtigte Apologeten und Propagandisten für die Sowjetunion. Der abenteuerlichste von ihnen war der Korrespondent der New York Times, Walter Duranty (1884-1957), der sogar einen Pulitzer-Preis für seine Vertuschungsberichterstattung über die Hungersnot in den frühen 1930er Jahren während Stalins erzwungener Kollektivierung des Landes erhielt, die den Tod von mindestens 12 Millionen Männern, Frauen und Kindern zur Folge hatte.

Aber es gab auch aufrechte westliche Berichterstatter, die in dieser Zeit aus der Sowjetunion berichteten. Als sie von ihren Touren in Moskau nach Hause kamen und frei von der sowjetischen Zensur waren, die sie darin beschränkte, was sie aus dem Land ihren Zeitungsredakteuren im Westen schicken konnten, erzählten sie die Lebenswirklichkeit sehr detailliert. Zwei der besten von ihnen waren meiner Meinung nach William Henry Chamberlin (1897-1969) in seinen Büchern Soviet Russia: A Living Record and a History (1931), Russia’s Iron Age (1934) und Collectivism: A False Utopia ( 1937) und Eugene Lyons (1898-1985) in seinen Schriften Moscow Carousel (1935) und Assignment in Utopia (1937).

In den 1970er und 1980er Jahren wurden insbesondere unzensierte Berichte über das wirkliche Leben im sowjetischen Sozialismus enthüllt. Keine zuckerbestäubten, trockenen statistischen Daten. Im typischen Berichterstattungsstil erklärten die Korrespondenten die Logik der geplanten Gesellschaft, indem sie endlose Geschichten über die Absurditäten erzählten, wie die zentrale Planung einer Wirtschaft aus der Perspektive gewöhnlicher Menschen, die ihrem Alltag nach gingen, tatsächlich ablief. Genauso wie über die Unterdrückung, Verhaftung und Folter aller derjenigen, die im Verdacht standen, „anti-sowjetische“ Gedanken und Handlungen nachzugehen.

Meiner Ansicht nach finden sich unter den informativsten Berichten Hedrick Smith, The Russians (1976), Robert G. Kaiser, Russia: The People and the Power (1976), David K. Shipler, Russia: Broken Idols, Solemn Dreams (1983), Michael Binyon, Life in Russia (1983), Kevin Klose, Russia and the Russians: Inside the Closed Society (1984), David Willis, Klass: How Russians Really Live (1985), David Remnick, Lenin’s Tomb: The Last Days of the Soviet Empire (1993) und Scott Shane, Dismantling Utopia: How Information Ended the Soviet Union (1994).

Die Absurditäten und Korruptionen der sozialistischen Zentralplanung

In staatlichen Unternehmen wurden die Fertigungsziele erreicht, indem Bauteile oder Fertigprodukte hergestellt wurden, die die Mengen- und Tonnagequoten des „Plans“ erfüllten, die in Größe, Form oder Funktionalität unbrauchbar waren, aber den geforderten Produktionszielen der Zentralplaner aus Moskau entsprachen. Es gab minderwertige und schlecht verarbeitete Konsumgüter, die nicht mit den Wünschen der sowjetischen Konsumenten in Bezug auf Stil, Eigenschaften oder Größe übereinstimmten. Solange aber die Produktionsziele zumindest auf dem Papier erreicht wurden, spielte es keine Rolle, wie stagnierend, ärmlich und frustriert das Leben der normalen Sowjet-Bürger war, Hauptsache die Behörden der kommunistischen Partei auf mittlerer Ebene im ganzen Land und die zentralen Planungsbeamten in Moskau konnten gegenüber den höheren Ebenen der Sowjet-Macht versichern, dass alles nach Plan lief.

Es spielte keine Rolle, wie wirtschaftlich ineffizient, verschwenderisch und fehlverteilt Rohstoffe, Maschinen und Menschen durch eine hypothetisch zentral geplante Koordinierungsallmacht auch immer gewesen waren. Wenn die Mengen und Arten von Rohstoffen und Waren, die von den Planungsbehörden jeder Produktionsanlage und Fabrik zugewiesen wurden, zu gering oder zu hoch waren, um die planwirtschaftlichen Produktionsvorgaben zu erfüllen, verfügten die Produktionsleiter der Anlagen immer über einen Beschaffer, der in anderen Fabriken die benötigten Dinge eintauschte oder sonst wie besorgte, um die monatlichen Produktionsziele zu erreichen. Die eigenen überschüssigen Rohstoffe und Waren standen ihnen dabei als Tauschmittel zur Verfügung, um diese zu bezahlen. Nicht dass dieser informelle und illegale Faktor- und Rohstoffmarkt etwas mit echter Kosteneffizienz oder Produktivität zu tun gehabt hätte. Es ging nur darum, das zu haben, was man minimal brauchte, um sicherzustellen, dass man das Planziel für diesen Monat erreicht hatte.

Wenn das einmal nicht geklappt hatte, mussten die Zahlen nur unbemerkt frisiert werden, die an die zentralen Planungsbohnenzähler weiter oben gemeldet wurden. Und wenn es doch von jemandem weiter oben in der Partei und in der Planungshierarchie entdeckt wurde, konnten persönliche Geschenke und Gefälligkeiten sicherstellen, dass das „Frisieren der Bücher“ „zwischen Freunden“ möglich blieb. Die den Waren zugewiesenen Preise waren bedeutungslos und wurden von den Planungsbehörden Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zuvor festgelegt, ohne Bezug auf die Wirklichkeit oder auf das tatsächliche Angebot und den Bedarf. Endlose Schlangen vor den Geschäften für benötigte Güter lösten die Rationierungsprobleme der sowjetischen Gesellschaft. Wertlose Waren lagen einfach in den Regalen von unbesuchten staatlichen Einzelhandelsgeschäften rum, die von Regierungsangestellten besetzt waren, die sich ein Dreck darum kümmerten, solange sie ihren Lohn erhielten und stundenlang von der Arbeit „verschwinden“ konnten, um ihre eigenen, dringend benötigten Einkäufe zu erledigen. Daher stammt der geflügelte sowjetische Satz: „Sie geben vor, uns zu bezahlen, und wir geben vor, zu arbeiten.“

Erlebnisse des sowjetischen Konsumentenlebens in der sozialistischen Utopie der Sowjetunion

Ich war Anfang der neunziger Jahre häufig in der ehemaligen Sowjetunion unterwegs, um Beratungsarbeiten zu Marktreformen und Privatisierungen durchzuführen, einige davon mit der Moskauer Stadtregierung und dem russischen Parlament, aber hauptsächlich mit anti-sowjetischen Regierungsmitgliedern im sowjetischen Litauen, die entschlossen waren, die nationale Unabhängigkeit ihres Landes zurückzugewinnen und eine marktorientierte Wirtschaft wiederherzustellen. (Siehe hierzu meinen Artikel „Witnessing Lithuania’s 1991 Fight for Freedom from Soviet Power“.)

Als ich in Moskau war, ging ich mehrmals zum GUM-Kaufhauskomplex mit Blick auf den Kreml über den Roten Platz. Heute, im post-sowjetischen Russland, wurde es mit Geschäften und Boutiquen modernisiert, die sich nicht wesentlich von solchen Einkaufsvierteln in Paris, London oder New York unterscheiden. Aber damals war alles im Besitz vom und verwaltet durch den Sowjet-Staat und wurde durch die Erzeugnisse und Quoten der zentralen Planungsbehörde GOSPLAN beliefert.

Das Gebäude hatte ein U-förmiges Inneres mit drei Ebenen, auf denen sich verschiedene Einzelhandelsgeschäfte für die „Menschen“ verteilten. Das Gebäude war alt und baufällig, mit abblätternder Farbe, Löchern und Rissen in den Wänden, Gängen und Handläufen. Der Ort war wirklich schmuddelig. Es war ein herausragendes Beispiel für die Errungenschaften des sowjetischen Sozialismus im Dienste der arbeitenden Massen im hellen und schönen sozialistischen Paradies.

Mürrische und müde aussehende Menschen gingen mit leeren Blicken auf den drei Ebenen umher, während sie an einem Geschäft nach dem anderen mit den meist leeren, an deprimierend grauen und kahlen Wänden befestigten Regalen vorbeigingen. Das Verkaufspersonal stand mit keiner oder wenigen Waren hinter den Schaltern. Ihre leeren Blicke ins Nirgendwo wurden nur unterbrochen, wenn einige Kunden eine Frage stellten oder etwas kaufen wollten. Offensichtlich waren die Leitsprüche im sowjetisch-sozialistischen Einzelhandel: „Bediene den Kunden mit einem unhöflichen Stirnrunzeln und harschen Worten“ und „Der sowjetische Verbraucher hat niemals Recht und ist noch weniger gerne gesehen.“

Nach der Weisheit der sowjetischen Zentralplanung gab es keine Supermärkte im westlichen Stil. Stattdessen gab es separate Einzelhandelsgeschäfte für bestimmte Arten von Waren. Ich stand in einer Schlange vor einem „Brotladen für das Volk“ und stand mir wartend die Beine in den Bauch, um an die Theke zu gelangen, an dem ich einem Ladenangestellten sagte, welche der begrenzten Brotsorten ich wollte. Ich erhielt einen Beleg mit der gewünschten Menge Brot und wurde angewiesen, mich in eine zweite Schlange zu stellen und zu warten, an deren Ende ich das Brot bezahlte, das ich kaufen wollte. Ich erhielt dann eine Quittung und wurde angewiesen, mich an einer dritten Schlange anzustellen, bei der ich nach erneut langem Warten das Brot abholen konnte, für das ich bezahlt hatte.

Aber wie das Sprichwort so schön heißt, der Mensch lebt nicht vom Brot alleine. Also machte ich mich auf die Suche nach Einzelhandelsgeschäften für Milch- und Fleischprodukte, die nicht unbedingt in der Nähe des Ortes waren, an dem ich das Brot erhalten hatte. Und bei jedem dieser Geschäfte wiederholte sich das Spielchen der drei Schlangen von neuem. Jetzt, mit den vollen Taschen, die alles enthielten, was ich glücklicherweise in diesen Läden hatte erwerben können, fand ich endlich einen Laden, in dem Wasser in Flaschen und die sowjetische Version von Limonaden zu erwerben waren. Ich reihte mich in eine Schlange ein, die bis weit auf die Straße reichte, und als ich nach langem, langem Warten fast die Theke im Ladeninneren erreicht hatte, wurde verkündet, dass der Tagesvorrat aufgebraucht war, und allen wurde mitgeteilt, dass sie morgen wiederkommen sollten. Aber selbst im sozialistischen Paradies gab es Möglichkeiten, zu einem glücklichen Ende zu kommen. Aus einer Ecke im Laden rief eine Schwarzhändlerin, dass sie von allem genug habe – natürlich zum sowjetischen „Marktpreis“. Ich hatte zuvor schon bemerkt, dass dieselbe Frau, die jetzt eine Fülle von dem anbot, was die Leute wollten, in einer Tür im Laden stand, die zum Hinterzimmer führte, in dem die Vorräte an Wasser in Flaschen und Soda aufbewahrt wurden. Was für ein Zufall!

Unter den wachsamen Augen der Diener des Sowjet-Staates

Ich war oft in Moskau im Cosmos Hotel, das Ausländern vorbehalten und das für Sowjet-Bürger versperrt war. Es sei denn, sie gehörten natürlich zu den von der Partei anerkannten Prostituierten, die ihre Gewinne mit ihren Zuhältern der Partei teilten und/oder ausgewählte Ausländer ausspionierten Besucher, an denen die sowjetischen Behörden besonders interessiert waren. Ich ging einmal aus und kehrte an diesem Abend nicht ins Hotel zurück. Als ich am nächsten Morgen zurückkam, fuhr ich mit dem Aufzug auf meine Etage und als sich die Türen öffneten, wurde ich von einer der sowjetischen Matronen begrüßt, die jeder Etage zugewiesen waren, und gegrillt, wo ich die ganze Nacht gewesen war. „Es ist aufgefallen“, dass mein Bett unberührt geblieben war, über meine Bewegungen müsse man schließlich Bescheid wissen. Wie man so schön sagt: „Jemand wacht über dich.“

Ich mietete ein Auto in diesem Moskauer Hotel, damit meine zukünftige Frau und ich für ein langes Wochenende nach Leningrad fahren konnten, und sie mir die Stadt zeigen konnte, in der einige ihrer Freunde lebten. Ich wurde von allen gewarnt, dass ich beim Parken die Scheibenwischer abnehmen und im Auto wegschließen musste, wenn ich nicht wollte, dass sie gestohlen wurden. Mehrere Leute sagten mir, dass ich besser sicherstellen sollte, dass ich den Benzintank aufgefüllt und mehrere tragbare Benzinkanister ausgeliehen hatte, um den Tank auf dem Weg wieder aufzufüllen, da es auf den 500 Meilen Straße zwischen den beiden Städten fast keine Tankstellen gab. Im sozialistischen Wunderland gab es auch in Moskau nur wenige Tankstellen. Nachdem ich eine gefunden hatte, musste ich zwei Stunden in einer Schlange warten, um mit dem Auto endlich zur Zapfsäule vorzufahren. Außerdem legte meine Verlobte großen Wert darauf, viel Essen und Getränke für die Reise einzupacken, da es entlang der Straße weder Restaurants noch Rastplätze gab (außer einfach von der Straße in den Wald abzubiegen). Und das auf der Hauptstraße zwischen den beiden Vorzeigestädten der Sowjetunion!

Ich hatte auch die Freude, von einem Milizsoldaten (Polizisten) wegen eines Verkehrsverstoßes in der Nähe der Lubjanka, dem Hauptquartier des KGB, angehalten zu werden, und ich übte mich in der Kunst des Bestechens, obwohl ich beim Fahren nichts falsch gemacht hatte. Ich hatte das Vergnügen, zu versuchen, Medikamente in der sozialistischen Gesellschaft der „kostenlosen“ Gesundheitsversorgung zu bekommen. Es war schon schwierig genug, die richtige Person in einer „Volksklinik“ zum richtigen Preis zu finden. Und selbst wenn man eine solche Person gefunden und das Geld hatte, um das Bestechungsgeld zu bezahlen, bestand die Möglichkeit, dass das benötigte Antibiotikum einfach nicht verfügbar war. Ich hatte auch die Gelegenheit, zu versuchen, in einem Restaurant zu Abend zu essen und festzustellen, dass das sozialistische Moskau nur über sehr wenige für die breite Öffentlichkeit offenstehende Restaurants verfügte. Und dass es bei den wenig geöffneten Restaurants erforderlich war, den Portier zu bestechen, um Zutritt zu erhalten, nur um dann herauszufinden, dass 90 Prozent von allem, was auf dem Menü abgedruckt war, leider nicht verfügbar war.

In der Lobby des alten Russiya Hotels unweit des Kremls trank ich mit meiner zukünftigen Frau Kaffee, als ich bemerkte, dass eine dieser Hotelmatronen auf einer Bank an der Wand saß und eine kleine Kamera unter dem Mantel auf ihrem Schoß hatte und schnell ein Bild von uns schloss, bevor sie die Kamera wieder unter ihrem Mantel versteckte. Irgendwo im Archiv der Geheimpolizei befindet sich das erste gemeinsame Foto von uns beiden. Wenn ich bloß einen 8×10-Hochglanzabzug davon bekommen könnte! Als wir beschlossen zu heiraten, sagte mir ein Beamter der einzigen Moskauer Amtsstelle die Heiratsurkunden für Sowjet-Bürger ausstellte, die Ausländer heiraten wollten, dass ich ein notariell beglaubigtes Dokument der Generalstaatsanwaltschaft in jedem der 50 Bundesstaaten der USA benötigen würde, das bescheinigte, dass ich nicht in diesem Staat verheiratet war. Mit anderen Worten, ich musste 50-mal Dokumente nachweisen, bevor eines der Dokumente abgelaufen war. Wir haben dann schließlich in den USA geheiratet.

Was für eine Welt war doch der Sozialismus in der Praxis! Eine Welt, die der österreichische Ökonom Ludwig von Mises mit einem seiner kürzeren Bücher als Planned Chaos (1947) bezeichnete. Aber noch mehr war die Spiegelwelt des sowjetischen Sozialismus eine völlig verdrehte Version von Alice im Wunderland mit dem buchstäblich geplanten Wahnsinn.

Als der französische Soziologe Gustave Le Bon 1899 Die Psychologie des Sozialismus veröffentlichte, befürchtete er, dass „zumindest eine Nation unter [der Errichtung eines sozialistischen Systems] leiden muss, um der Welt eine Lektion zu erteilen. Es wird eine dieser praktischen Lektionen sein, die allein die Nationen erretten kann, die von den Träumen des Glücks, die die Priester des neuen [sozialistischen] Glaubens vor unseren Augen zeichnen, verwirrt sind.“ Ist es wirklich notwendig, alles noch einmal zu erleben? Hoffen wir nicht.

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Aus dem Englischen übersetzt von Arno Stöcker. Der Originalbeitrag mit dem Titel Socialism-in-Practice Was a Nightmare, Not Utopia ist am 23.2.2021 auf der website des American Institute for Economic Research erschienen.

Richard M. Ebeling, Senior Fellow des American Institute for Economic Research, ist BB&T Distinguished Professor of Ethics and Free Enterprise Leadership am The Citadel in Charleston, South Carolina.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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