Wie der Sozialismus Schweden geschadet hat

2.11.2015 – von Yonathan Amselem.

Der Einstieg von Bernie Sanders ins Rennen um die US-amerikanische Präsidentschaft hat eine landesweite Kontroverse über den Sozialismus und seinen potentiellen Beitrag zur Lösung zahlreicher realer und gefühlter Probleme losgetreten, die die Amerikaner derzeit durchleiden. Über seine ganze politische Laufbahn hinweg war Sanders nie darum verlegen, sich öffentlich als Sozialist zu bezeichnen; er war dabei aber stets darum bemüht, sich klar von den unschönen Erscheinungsformen in Nordkorea, Kuba, Venezuela, Bolivien und anderen kollektivistischen Alpträumen abzugrenzen. Wie viele progressive Sozialisten es zu tun pflegen, betrachtet Sanders sich selbst als einen „demokratischen“ Sozialisten, der eher Gemeinsamkeiten mit den reichen skandinavischen Ländern aufweist.

Es ist immer wieder erstaunlich zu beobachten, wie progressiv eingestellte Menschen wie Sanders sich ein reiches Land, wie beispielsweise Schweden, ansehen und automatisch davon ausgehen, der hohe Lebensstandard in diesem Land sei nicht etwa das Resultat einer Laissez-faire Politik in der Vergangenheit, mit einer geringen Staatsverschuldung, einer unabhängigen Geldpolitik, dem Fehlen eines zentralstaatlich verwalteten Mindestlohns, dem starken Schutz von Eigentumsrechten, einer vernünftig geführten Zentralbank, niedrigen Steuersätzen für Unternehmen oder selbst so kleinen Schritten wie in Schweden, wo erste Ansätze einer Privatisierung im Gesundheitssektor, im sozialen Bereich oder in der Bildung zu beobachten sind. Stattdessen gehen sie davon aus, der hohe Lebensstandard der Schweden sei das Produkt von hohen Steuern und einer verstaatlichten Industrie.

Man stelle sich nur einmal vor, der US-amerikanische Basketballspieler LeBron James würde mit dem Rauchen anfangen: Jeder Erfolg auf dem Basketballfeld würde nicht ob, sondern trotz seiner destruktiven Angewohnheit zustande kommen. In gleicher Hinsicht ist der wirtschaftliche Erfolg Schwedens trotz seiner sozialistischen Umtriebe entstanden.

Da von progressiver Seite immer wieder Schweden als Musterbeispiel für das Paradies auf Erden angeführt wird, werde ich mich auf dieses skandinavische Land konzentrieren. Ein (sehr) kurzer Abriss über die schwedische Geschichte kann dabei hilfreich sein, zu verstehen, wie der gegenwärtig hohe Lebensstandard entstanden ist und auf welche Art und Weise der schwedische Sozialismus die Produktivität des Landes unnötigerweise ausgebremst hat.

Schweden: Durch Laissez-faire Kapitalismus von lähmender Armut zu unerwartetem Wohlstand

Vor ungefähr 250 Jahren war das Gebiet des heutigen Schwedens nicht mehr als eine zugefrorene Tundra, bewohnt von einer geknechteten Masse hungernder Bauern. Ihr Leben wurde streng überwacht von einer Reihe von Königen, Aristokraten und anderen Personen mit einem ähnlich, künstlich hohem Ansehen. Der preisgekrönte Autor Johan Norberg betont in seinem ausgezeichneten Werk über Schweden, es habe erst eine Reihe von klassisch-liberal geprägten Revolutionären bedurft, um den Eliten die Kontrolle zu entreißen und Schweden auf einen Pfad des Wohlstands zu führen.

Zaren, die Konzessionen und Genehmigungen vergaben, ein erdrückendes Gildensystem und eine Litanei weiterer, den freien Handel  belastende Regulierungen wurden in Folge dessen drastisch gekürzt oder gleich ganz abgeschafft. In den hundert Jahren zwischen 1850 und 1950 verdoppelte sich die Bevölkerung und die Realeinkommen der Schweden vervielfachten sich fast um das zehnfache. Trotz der beinah vollkommenen Abstinenz eines Wohlfahrtsstaates oder dem massiven staatlichen Eingriff in die Wirtschaft, war Schweden 1950 das viertreichste Land der Welt. Das außerordentliche Wachstum Schwedens in dieser Zeit konkurrierte sogar mit dem der Vereinigten Staaten (Schweden nahm nicht am Zweiten Weltkrieg teil). Tatsächlich war die Kapitalakkumulation und die Vermögensbildung während der Großen Depression in den 1930er Jahren so enorm, dass selbst die Sozialdemokraten im Parlament eine Form der heilsamen Zurückhaltung übten, um die weitere Wohlstandsmehrung nicht zu stören. Wie es in jedem anderen Land der Erde der Fall war, wurde auch Schwedens beeindruckender Kapitalstock durch das Handeln von freien Unternehmern in einer freien Marktwirtschaft erarbeitet.

Das schwedische Experiment mit dem “skandinavischen Sozialismus” ist relativ jung und hat sich verheerend auf das Wachstum ausgewirkt

In den Jahrzehnten nach seinem imposanten Wachstum begannen um staatlichen Schutz bemühte Großunternehmen, im Verbund mit ambitionierten Politikern und Gewerkschaftsführern, Schweden erstmals sozialistische Konzepte aufzuzwingen. Mit der Zeit verdoppelten sich die Staatsausgaben und in einigen Bereichen verdoppelte oder gar verdreifachte sich die Steuerlast. Trotz dieser katastrophalen Veränderungen wies die OECD Schweden 1970 weiterhin als das viertreichste Land der Welt aus. Bis zum Jahr 2000 sank Schweden hingegen auf Platz 14 ab. Dr. Per Bylund von der Oklahoma State University hat bereits darauf hingewiesen, dass in Schweden zwischen 1950 und 2000 netto nicht ein einziger Arbeitsplatz im privaten Sektor zusätzlich entstanden ist. Der skandinavische Sozialismus hat die einst unternehmerisch orientierten und wohlhabenden Menschen in der Zeit regelrecht eingefroren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben große schwedische Unternehmen keinen großen Anreiz, besonders innovativ zu sein (und sind es auch nicht gewesen). Viele Unternehmen leben ausschließlich von staatlichen Aufträgen, deren Wert sich unmöglich feststellen lässt, da kein System des freien Handels existiert, aus dem sich Preise für Güter und Dienstleistungen ableiten ließen.

Schweden war es nur möglich, ungeachtet der unbeholfenen sozialistischen Konzepte, so lange und so komfortabel zu leben, weil in den Jahrzehnten zuvor ein riesiger Kapitalstock erwirtschaftet wurde – ganz zu schweigen von der zu dieser Zeit praktizierten vernünftigen Geldpolitik. Nichtsdestotrotz vernichtet dieser Kapitalverzehr nach und nach den Reichtum Schwedens. 2007 merkte Professor Mark J. Perry von der George Mason University an, dass Schweden, würde es den USA als 51. Bundesstaat beitreten, das ärmste Bundesland in Bezug auf die Arbeitslosenquote und das durchschnittliche Haushaltseinkommen wäre, sogar noch hinter Mississippi. Der schwedische Wohlfahrtsstaat verhindert auf so dramatische Art und Weise die Wohlstandsmehrung von schwedischen Haushalten, dass in einer IEA-Studie von 2012 zu lesen ist, amerikanische Schweden verdienen, obwohl sie in etwa eine ähnliche Arbeitslosenquote aufweisen wie Schweden in Schweden, jährlich im Durchschnitt 53 Prozent mehr.

In den letzten Jahren ist die schwedische Gesetzgebung langsam dazu übergegangen, Teile der verstaatlichten Sektoren wie den Gesundheitssektor, den sozialen Bereich und das Bildungswesen zu privatisieren. Im vergangenen Jahr stellte das Reason-Magazin in einem Beitrag fest, dass in Schweden, dessen staatliches System bis dahin dadurch gekennzeichnet war, dass Krebspatienten mitunter ein Jahr auf ihre Behandlung warten mussten, die Zahl der privaten Krankenversicherungen explodiert ist. Dieser Trend hat seitdem weiter zugenommen. Darüber hinaus hat Schweden damit begonnen, privaten Anbietern Zugang in das Bildungswesen zu gestatten; erste Ergebnisse zeigen, dass nicht nur die Kosten gesunken, sondern auch die Elternzufriedenheit und die Lernergebnisse gestiegen sind.

Bernie Sanders hat die falschen Schlüsse aus dem skandinavischen Modell gezogen

Bernie Sanders hingegen singt immer noch das hohe Lied von einem Amerika mit einer umfassenden staatlichen Gesundheitsversorgung, bezahltem Mutterschaftsurlaub, einem weiteren Ausbau der sozialen Absicherung durch eine höhere Einkommenssteuer, verpflichtende Urlaubstage und Krankengeld, kostenlose weiterführende Bildung, sowie dem Erlass von einem Haufen weiterer progressiver Gesetze. Wie es scheint hat er nur vergessen, Obdachlosen Segelyachten zu versprechen.

Das grundlegende Problem mit Sozialisten wie Bernie Sanders ist, dass sie in keinster Weise an die Gesetze des Marktes glauben (geschweige denn sie verstehen). Wie es Ludwig von Mises einmal ausgedrückt hat, ist Sozialismus keine Wirtschaftstheorie, sondern eine Theorie der Umverteilung. Nur der freie Handel koordiniert Unternehmer und ihre Ressourcen so, dass Güter und Dienstleistungen entstehen, die die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten befriedigen. Sozialisten à la Bernie Sanders spielen in diesem Prozess keine Rolle. Alles was sie tun ist, im Nachhinein aufzutauchen und die Früchte des Erfolges für sich zu beanspruchen. Schweden ist diesem Weg des parasitären Sozialismus mit seinem in der Vergangenheit erarbeiteten Wohlstand gefolgt und es hat Schwedens Produktivität erdrückt.

Eine skandinavisch angehauchte Politik, so wie sie Sanders propagiert, hat das Wachstum Schwedens, wie es vorherzusehen war, für Jahrzehnte gestört. Die Vorstellung, man könnte den skandinavischen Sozialismus in einem Land mit 320 Millionen Menschen etablieren, ohne die Arbeitsmobilität zu zerstören, durch Steuern Kapital zu vernichten und die Innovationskraft stark zu beschneiden, wo sie am meisten gebraucht wird, ist eine arge (Selbst-)Täuschung. Schweden kehrt langsam zu seinen kapitalistischen Wurzeln zurück. Wir sollten dies ebenfalls tun.

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Aus dem Englischen übersetzt von Arno Stöcker. Der Originalbeitrag mit dem Titel How Modern Sweden Profits from the Success of Its Free-Market History ist am 16.10.2015 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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Yonathan Amselem ist „Asset Protection“-Anwalt in Washington, D.C.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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