Wie Sie missinformiert werden: Beispiel Russland

24.4.2015 – von Stephan Ring.

Viele Analysten drehen den Zusammenhang zwischen Analyse und Meinung um. Normalerweise wäre es so: Man analysiert, was ist und was auf dieser Basis mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sein könnte. Und dann bildet man sich anhand dessen eine Meinung. Oft hat man jedoch das Gefühl, dass von vornherein ein Ergebnis feststeht und dann die entsprechenden Datenreihen herausgesucht werden, die dies stützen. Man könnte das „Wunsch-als-Vater-des-Gedanken-Phänomen“ nennen.

Ein aktuelles Beispiel ist eine Studie der den Amerikanern nahestehenden Weltbank zu Russland. Die Volkswirte weisen auf 51 Seiten nach, dass der Doppelschlag aus Ölpreisverfall und westlichen Sanktionen die Wirtschaft 2015 tief in die Rezession treiben muss.

Um 2,9 bis 4,6 Prozent soll das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr zurückgehen, so die verschiedenen Szenarien. Erst 2016 könne die Konjunktur dann wieder mit Glück halbwegs zu einer Stagnation zurückfinden. Eindringlicher kann man es kaum darstellen.

Mit eingängigen Grafiken wird dies pseudowissenschaftlich unterlegt. Das folgende Schaubild in der Studie scheint ja an Klarheit nichts zu wünschen übrig zu lassen: Rubelkurs und Ölpreis rauschen gemeinsam zu Tal.

Dabei bricht die Grafik genau da ab, wo es mit dem Gleichlauf ein Ende hat (28. Januar 2015). Verlängert man das Schaubild bis Mittwoch 8. April 2015, also nur 8 Tage nach dem Veröffentlichungsdatum der Studie, sieht es so aus: Der Rubel erholte sich zunächst gegen den Ölpreis, und inzwischen geht es sogar mit dem Preis für das „Schwarze Gold“ wieder etwas aufwärts.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nun soll man solche kurzfristigen Entwicklungen nicht überbewerten. Tatsache aber ist: Der Rubel hat sich von seinem Katastrophentief im Dezember 2014 und Januar 2015 wieder deutlich lösen können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Rubelkurs ist insofern wichtig, weil die Studie der Volksbank aus der Währungsschwäche eine hohe Inflation in Russland ableitet, die die Reallöhne sinken lässt und dadurch die Konjunktur in die Rezession drückt. Das muss aber wohl, wie die aktuelle Entwicklung zeigt, nicht so sein, schon gar nicht im befürchteten Ausmaß. Zumal die russische Regierung der heimischen Wirtschaft durchaus unter die Arme greift. Und dafür stehen in guten Zeiten aufgehäufte Mittel zur Verfügung. Acht Prozent vom Bruttoinlandsprodukt stecken allein in zwei großen Fonds.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine weitere Kernthese der Studie: Die Sanktionen der EU und der USA schwächen Moskau gewaltig. Von Details abgesehen, müsste sich deren verheerende Wirkung in der Außenhandelsbilanz zeigen. Aber das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, im Warenaustausch fährt Russland immer noch einen dicken Überschuss von in den letzten 12 Monaten bis Ende Januar immerhin 186 Milliarden Dollar ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Teil davon beruht auf Dienstleistungen, bei denen die Russen in der Bilanz im Minus sind. Einen weiteren Teil zehren Kapitalabzüge auf, da Investoren und Anleger 2014 Geld aus Russland abgezogen haben. Aber von einer prekären Liquiditätslage wie Griechenland ist Moskau meilenweit entfernt. Zum Beispiel verfügte das Land trotz diverser Rubelstützungen am 31. Januar 2015 immer noch über Devisenreserven von stolzen 376,2 Milliarden Dollar.

Was soll das Ganze nun am Ende aussagen? Lassen wir die Frage, wie tief Russland dieses Jahr in die Rezession fährt, einfach weg. Lassen wir auch außen vor, ob es überhaupt für die Bürger der Welt wünschenswert ist, dass eine G8-Nation aus der Weltwirtschaft – zumindest partiell – ausgeschlossen werden soll. Kommen wir einfach zur Frage, ob das ganze Vorhaben, in der gewählten Form Aussicht auf Erfolg hat?

So sicher nicht. Immer noch schwimmt Russland im Geld und bekommt nun offenbar auch seine Währung in den Griff. Und selbst die hohe Inflation beruht weitgehend auf dem Rubelverfall des letzten Jahres. Wenn sich die Währung 2015 auch nur auf dem niedrigen Niveau stabilisieren kann (sie steigt ja sogar wieder), dann ist Anfang 2016 dieser Schub verarbeitet. Ein Volk, das reale Güter produziert, die von anderen gebraucht werden, ist eben nicht so einfach zu boykottieren.

Wollte man echt Druck ausüben, müsste man die Öl- und Gaslieferungen aus Russland boykottieren. Das aber kann sich Europa nicht leisten, weil sonst hier buchstäblich der Ofen aus ist. Der ganze Rest ist Wortgekringel.

Diese Studie der Weltbank ist einmal mehr ein Beispiel dafür, dass mit öffentlichen Geldern nicht echte Information, sondern Manipulation finanziert wird. Im konkreten Fall kommt es einem aber eher wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde vor. Dass Russland seine eigenen Zahlen nicht kennt und sich dafür auf die amerikanischen Volkswirte der Weltbank stützt, ist eher unwahrscheinlich.

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Quellen:

The Dawn of a New Economic Era? Russia Economic Report No. 33, 1 April 2015; World Bank Group, Seite 28-29, http://www.worldbank.org/content/dam/Worldbank/document/eca/russia/rer33-eng.pdf

The Dawn of a New Economic Era? Russia Economic Report No. 33, 1 April 2015; World Bank Group, Seite 18, http://www.worldbank.org/content/dam/Worldbank/document/eca/russia/rer33-eng.pdf

International Investment Position in International Reserves of the Russian Federation for 2015, Central Bank of Russia, http://www.cbr.ru/eng/statistics/print.aspx?file=credit_statistics/iip_ira_15_e.htm&pid=svs&sid=mipzrRF

Foto Startseite: © Mikhail Olykainen – Fotolia.com

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Dr. Stephan Ring ist Jurist und Vorstand des Ludwig von Mises Institut Deutschland.

 

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