Wie durch Sparen die Wirtschaft wächst

19.12.2014 –von Daniel J. Sanchez.

Daniel J. Sanchez

In den 1980ern hat Irwin Schiff, ein Anti-Steuern-Aktivist, politischer Gefangener und Vater des Freier-Markt-Verfechters Peter Schiff, ein wunderbares Comicbuch namens How an Economy Grows and Why It Doesn’t geschrieben, das wirtschaftliche Prinzipien mittels einer unbeschwerten Geschichte vermittelt.

Der Comic beginnt mit drei Inselbewohnern  – Able, Baker und Charlie – die sich von Fischen ernähren, die sie im Meer fangen. Sie haben keine Werkzeuge zur Verfügung, daher müssen sie ihre bloßen Hände benutzen. Fisch ist für die Inselbewohner ein Konsumgut: Etwas, was benutzt wird, um ihre Ziele direkt zu verfolgen (in diesem Falle das Ziel, den Hunger zu stillen und nicht zu verhungern). Aber Fisch kann nur ein Konsumgut sein, wenn er auch zum Konsum bereitsteht. Die Fische haben keinen Nutzen für die Inselbewohner, wenn sie immer noch im Meer schwimmen. Also müssen die Inselbewohner produzieren. Sie müssen das Produkt namens „Fisch auf dem Teller“ produzieren. „Fisch auf dem Teller“ ist genauer gesagt das wahre Konsumgut und nicht einfach nur „Fisch“ an sich.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um „Fisch auf dem Teller“ zu produzieren, müssen die Inselbewohner ihre produktiven Ressourcen, oder Produktionsfaktoren, benutzen. In diesem Fall ist deren Arbeit die Tätigkeit des Fischfangs: ihre Augen zu benutzen, um den Fisch zu sehen und ihre Hände zu benutzen, um den Fisch zu fangen. Ein anderer Faktor, den sie benutzen müssen, ist das Land, bzw. die natürlichen Ressourcen: in diesem Fall, die „Fische im Meer“. „Fangarbeit“ + „Fische im Meer“ = „Fisch auf dem Teller“.

Indem sie nur ihre bloßen Hände verwenden, können die Inselbewohner einen Fisch am Tag produzieren, womit es sich dabei um eine sehr niedrige Produktivität handelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie Schiff erwähnt, handelt es sich bei einer solch niedrigen Produktivität um „Überleben und das war’s auch.“ Es ist ein Zustand der extremen Armut. Die Inselbewohner haben wenig Freizeit und auch nicht die Zeit, etwas anderes zu produzieren, was sie genießen könnten. Sie sind auch extrem verletzlich. Was, wenn sie krank werden oder sich ihre Hände verletzen? Eine einzige schlechte Woche könnte den Hungertod bedeuten. Ein Leben mit solch einer geringen Produktivität ist ein Leben am Limit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie eine Disney-Prinzessin träumt Able von „etwas mehr“. Er hat die Armut satt und möchte seinen Lebensstandard irgendwie erhöhen. Er entwickelt die Idee, ein Netz zu bauen, um schneller Fische zu fangen (und so seine Produktivität zu erhöhen).

Das Netz ist eine dritte Art von Faktor: ein Kapitalgut oder ein im Vorfeld von Menschen produzierter Produktionsfaktor. Um ein Netz zu produzieren, braucht es ebenfalls Faktoren wie die natürlichen Materialien vom Land, wie Stöcke und Lianen, und eine Netz-bauende Arbeitskraft. Das Netz zu bauen braucht einen ganzen Tag Arbeit.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das ist ein ganzer Tag, an dem Able keine Fische fängt. Seine Arbeitskraft ist knapp, sie kann nicht gleichzeitig für den Fischfang und für den Netzbau verwendet werden, und so muss sie gewirtschaftet werden: für eines von beiden verwendet werden.

Und wenn Able keine Fische fängt, ist er an dem Tag hungrig. Das Netz zu bauen braucht ein Opfer: Konsumverzicht.

Able muss sich zwischen zwei unterschiedlichen Produktionsmethoden entscheiden. Bleibt er dabei, mit der bloßen Hand Fische zu fangen oder fischt er mit einem Netz? Er muss jeweils die Vorteile und Nachteile in Betracht ziehen.

Der Vorteil dabei, mit bloßer Hand zu fischen, ist, dass es nur eine sehr kurze Produktionszeit braucht. Able fängt mit der Produktion an und wird noch am selben Tag essen können. Der Nachteil ist die geringe Produktivität und somit auch Ables chronischer Zustand der Armut.

Der Vorteil vom Netzfischen ist die höhere Produktivität, laut dem Comic zwei Fische am Tag; aber wir erhöhen aus Demonstrationsgründen die Produktivität des Netzfischens auf drei Fische am Tag. Der Nachteil vom Netzfischen ist, dass es zuerst eine längere Produktionszeit hat. Es braucht einen Tag um das Netz zu bauen und einen weiteren Tag, um es zu verwenden. So würde Able mit der Produktion anfangen und nur zwei Tage später etwas zu essen kriegen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Able steht vor einer Entscheidung. Er kann entweder in der Primitivität bleiben, oder er kann sich über sie erheben. Wie auch immer, einfach nur die Idee und das Know-How für die Produktion eines Netzes zu haben ist für Able kein sofortiger, kostenloser Vorteil. Er wäre kostenlos, wenn es sich dabei einfach um die Auswahl zwischen „1 Fisch heute“ und „3 Fische heute“ handeln würde. Offensichtlich ist „mehr“ automatisch besser als „weniger“, wenn alles andere dabei gleich bleibt. Aber die anderen Dinge bleiben nicht gleich: Ein Unterschied in der Zeit ist eine notwendige Betrachtung wert. Es geht nicht nur um „mehr“ oder „weniger“; es geht um „mehr und später“ oder „weniger und früher“.

Also ist die Entscheidung, ob Able eine Netz-Technologie verwendet, ein Kompromiss: ein „Tausch“, über den er nachdenken muss. Gibt er den „weniger und früher“-Ertrag, der mit der Handfischerei kommt, im Austausch für den „mehr und später“-Ertrag, der durch das Netzfischen entsteht, auf?

Die Antwort darauf hängt von Ables persönlicher Zeitpräferenz ab, also wie wichtig ihm die Unmittelbarkeit ist, in der er seine Ziele erreicht: Die Wichtigkeit des „früher“. Je niedriger die eigene Zeitpräferenz ist, desto eher ist man bereit, auf einen sofortigen Konsum zu verzichten und umgekehrt.

Beispielhaft zeigt der Comic später, dass die Zeitpräferenzen von Baker und Charlie zu hoch sind, als dass sie ebenfalls Netze bauen. Heute auf eine Mahlzeit zu verzichten ist für sie ein zu großes Opfer, selbst wenn es bedeuten würde, dass sie morgen drei mal so viel essen könnten. Wenn die Netzfischerei produktiver wäre, würde das Vorhaben attraktiver erscheinen; z.B. wenn die Netzfischerei fünf mal produktiver wäre, wären sie bereit, zu warten. Ihre Zeitpräferenzen sind nicht unendlich hoch, aber sie sind ebenfalls nicht niedrig genug, als dass sie sich an diesem Kapitalprojekt beteiligen.

Ables Zeitpräferenz ist niedrig genug und so ist er bereit, seinen Konsum hinauszuzögern, das Kapitalgut zu produzieren und seine Produktivität zu erhöhen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Tag, nachdem Able zum ersten mal mithilfe des Netzes Fische fängt, hat er genug überflüssige Fische, um nicht den ganzen Tag Fische fangen zu müssen, weil er mit dem leben kann, was er bereits gefangen hat. Stattdessen kann er den Tag damit verbringen, noch mehr Kapitalgüter zu kreieren, um seine Produktivität noch weiter zu erhöhen. Zum Beispiel baut er eine Harke, um Möhren anzubauen. Und er kann den zusätzlichen Ertrag vom Möhrenanbau dazu verwenden, seinen Kapitalaufbau zu steigern. Während er immer produktiver wird, kann er es sich leisten, mehr Ressourcen für die Freizeit und den Komfort zu verwenden.

So platziert Ables niedrige Zeitpräferenz ihn in die Überholspur einer aufsteigenden Spirale: einem tugendhaften „Zyklus des Wachstums“. Sparen (Konsum hinauszuzögern) ermöglicht mehr Kapitalgüter, was die Produktivität erhöht, was mehr zum sparen erzeugt, und so weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mit jeder Runde in diesem Kreis wird er wohlhabender, da sich gleichzeitig sein Kapitalstand und sein Lebensstandard erhöhen. Und mit jeder Runde bewegt er sich weiter weg vom Limit und in Richtung von mehr Sicherheit und Wohlbefinden. Dieser Zyklus des Wachstums ist, nebenbei bemerkt, die Art und Weise, mit welcher sich auch in einer komplexen Marktwirtschaft der Lebensstandard erhöht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aber dann denken die anderen auf der Insel darüber nach, was Able mit seinen neuen üppigen Ressourcen machen soll. Ein Mann sagt: „Gib uns einen Anteil!“ Das ist ein Beispiel für den auf Neid basierenden egalitaristischen Ethos, der Völker über die ganze Geschichte und Vorgeschichte beeinträchtigte und sie arm und primitiv zurückließ. Wie Murray Rothbard schrieb:

Tatsächlich neigt die primitive Gesellschaft, weit weg vom Zustand des Glücklichsein, der Harmonie und Idylle, sehr viel eher dazu, von Verdacht und Neid den Erfolgreicheren und Bessergestellten gegenüber durchdrungen zu sein – ein Neid, der so allgegenwärtig ist, dass er alle persönliche und wirtschaftliche Entwicklung, durch Furcht davor, verhindert. Der deutsche Soziologe Helmut Schoeck hat in seinem wichtigen Werk Der Neid und die Gesellschaft mehrere Studien bezüglich dieses allgegenwärtigen Effektes erwähnt. So hat der Anthropologe Clyde Kluckhohn innerhalb der Navaho das Fehlen jeglicher Konzepte des „persönlichen Erfolgs“ oder einer „persönlichen Errungenschaft“ entdeckt. Solch ein Erfolg wurde nämlich sofort mit dem Ausnutzen anderer begründet und so befindet sich der bessergestellte Navaho-Indianer unter dem konstanten sozialen Druck, sein Geld wegzugeben. Allan Holmberg fand heraus, dass der Siriono-Indianer von Bolivien nur alleine und in der Nacht isst, da, falls er bei Tage isst, sich eine Menschenmenge um ihn versammelt, um ihn mit neidischem Hass anzustarren.

Wenn man jedes mal dazu bedrängt wird, seinen „überschüssigen Wohlstand“ anderen zu überlassen, sobald man mehr spart, schreckt das nur vom sparen ab. Und sich von Ersparnissen zu verabschieden heißt, sich vom Zyklus des Wachstums zu verabschieden. Das führt auch zum Eintritt in den Zyklus der Verarmung. Niedrige Ersparnisse können nämlich zum Kapitalkonsum drängen. Kapital zu „konsumieren“ heißt nicht etwa, „das Netz zu essen“. Es bedeutet vielmehr, dass das Netz mit zunehmender Benutzung verschleißt und dass man für die Reparatur und Instandhaltung des Netzes eventuell konsumierte Ressourcen weg vom Konsum und hin zur Reparatur lenkt. Mit fehlenden Ersparnissen werden Kapitalgüter weniger repariert. Das Netz reißt irgendwann und Fische fangen an, durchzuschwimmen; so muss der Angler wieder bei einer niedrigen Produktivität mit der Hand fischen und findet sich am Limit wieder.

Ein anderer Inselbewohner winkt Able mit einer Keule zu und fragt, „Wie wärs damit?“ und droht somit, Ables Ersparnisse zu plündern. Solche Räuberunwesen haben ganze Völker in der Geschichte der Menschheit arm gehalten. Konstante Überfälle von wandernden Horden werden ebenfalls vom Sparen abschrecken und den Zyklus des Wachstums brechen. Manchmal nisten sich die Räuber ein und verwandeln sich selbst durch Propaganda in einen „Staat“ und ihr Plündern in „Besteuerung“. Was besonders verheerend für den Zyklus des Wachstums ist, ist die Art von Plünderei durch den Staat namens „Ächtung“. In den Zeiten der Antike wurden die Individuen, die es geschafft haben, sich genug Wohlstand aufzubauen, zu One-Stop-Läden für Beute, und der Staat ließ sich Gründe einfallen, um sie einzukerkern oder hinzurichten um deren gesamte Enteignung zu vereinfachen. Das erklärt auch, dass an Orten und in Zeiten, in denen die Fürsten ganz besonders habgierig waren, häufig unter Wut und Zorn richtige “Schätze vergraben wurden”. Natürlich plündern moderne Demokratien ebenfalls, oft unter dem Deckmantel des Egalitarismus und durch „progressive Steuern“. Je mehr man spart, desto mehr wird man besteuert. Das ist ebenfalls sehr schädlich für den Zyklus des Wachstums.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dann fragt ein kleiner Vogel, ob Ables Vorliebe zur Kapitalanhäufung „gierig“ und „schlecht“ sei. „Schlecht für wen?“, fragt eine weise Eule. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Fischen, die Able essen kann, und nur eine begrenzte Anzahl von Verwendungszwecken für seine Netze. Um sich maximal von seiner gewaltigen Produktivität zu bereichern, muss er anderen seine Produkte im Austausch für Güter und Dienstleistungen anbieten. Und durch Austausch wie Investitionen, Kredite und Löhne erlangen die Nicht-Sparer einen Zugang zu Kapitalgütern, der ihnen sonst außer Reichweite blieben. Zum Beispiel vermietet Able seine Netze und verleiht seine Fische gegen Zins. Das ermöglicht Individuen mit einer höheren Zeitpräferenz, wie Baker und Charlie, ihre Produktivität und ihren Lebensstandard zu erhöhen. Und da jeder Austausch per Definition von beiden bereitwilligen Teilnehmern als vorteilhaft angesehen wird, gilt es, dass der Sparer der Öffentlichkeit mehr dient, je mehr er tauscht.

Ersparnisse und Kapital nützen jedem, nicht nur dem Sparer und dem Kapitalansammler. Der Zyklus des Wachstums hebt jede Gemeinschaft. Und wenn Egalitarismus und Plünderung dem Sparen entgegentreten, hält es die gesamte Gemeinschaft unten, und das beeinträchtigt nicht nur die Sparer, sondern auch jeden, der möglicherweise mit den Sparern getauscht hätte.

Es gibt nichts „faules“ an Ersparnissen, Kapitalansammlung, Produktivität und friedlich geschaffenem Wohlstand. Aber um ein altes Sprichwort umzuformulieren: Fische und plündernde Besucher fangen schnell an, zu stinken.

Wie Ludwig von Mises schrieb:

In diesem endlos ununterbrochen fortschreitenden Produktionsprozess ist jeder Schritt auf dem Sparen und auf der Vorarbeit der Vergangenheit aufgebaut. Wir sind die Erben unserer Vorfahren, durch deren Sparen die Kapitalgüter gebildet wurden, mit denen wir arbeiten. Von dem Ursparen der Fischer, die einen Teil ihrer Arbeit nicht der Sorge für den nächsten Tag, sondern durch Herstellen von Netzen und Booten der Vorsorge für spätere Tage gewidmet haben, ziehen auch wir heute noch Nutzen. Hätten die Söhne dieser Fischer das so gebildete Kapital wieder aufgezehrt, indem sie die Zwischenprodukte – Netze und Boote – aufgebraucht hätten, ohne für Ersatz durch Widmung eines Teils ihrer Arbeit zu sorgen, dann hätte der Kapitalbildungsprozess von Neuem beginnen müssen. Das erste Kapital ist nur aus den ursprünglichen Produktionsfaktoren (Arbeit und naturgegebenen Produktionsmitteln) gebildet worden, und wenn wir Späteren weiteres Kapital durch Sparen von Gütern bilden, die durch Kombinieren von drei Gruppen von Produktionsfaktoren, nämlich Arbeit, naturgegebene sachliche Produktionsmittel und produzierte Produktionsmittel, erzeugt wurden, so ist das nur dem Umstande zuzuschreiben, dass wir dank dem von unseren Vorfahren ererbten Kapital in der Kapitalbildung nicht mehr von Frischem anfangen müssen.[Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens, S. 451]

Aus dem Englischen übersetzt von Vincent Steinberg. Der Originalbeitrag mit dem Titel How Saving Grows the Economy ist am 10.10.2014 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Foto:  Mises Institute

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Daniel J. Sanchez ist Direktor der Mises Academy.

 

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