Liberale Drogenpolitik? Ein Debakel.

5.11.2014 – Die Partei “Das Neue Österreich” (Neos) im Fadenkreuz der veröffentlichten Meinung

von Andreas Tögel.

Andreas Tögel

Mehr haben sie nicht gebraucht, die „Neos“! Kaum haben sie ihre Forderung nach einer Legalisierung von Cannabis erhoben, da fällt auch schon eine geifernde Meute hauptberuflicher Meinungsmacher über sie her. Kaum einer davon beschäftigt sich mit der Idee selbst. Was für die Damen und Herren Journalisten ausschließlich zählt, ist die damit angeblich verbundene „Selbstbeschädigung“ der Partei. Voll Häme kommentieren sie, wie sehr die sich damit ins Abseits katapultiert habe, wie taktisch unklug es doch sei, eine derartige Forderung im spießigen (und im übelsten Sinn des Wortes erzkonservativen) Österreich zu erheben. Kurzum: Die Medien interessieren sich ausschließlich für ihre Auswirkungen auf künftige Wahlgänge. Wir lernen daraus: Egal, wie intelligent eine Idee auch immer sein mag; Wer den Gusto der Hauptstrommedien im Lande nicht trifft, wird medial hingerichtet.

Der Autor dieser Zeilen hegt keinerlei Sympathien für die Neos. Ideengeschichtliche Flachwurzler und Leichtmatrosen, wie die vom selig entschlafenen, ultralinken „Liberalen Forum“ oder deren rezentem, rosaroten Aufguss, schaden der liberalen Sache mehr, als sie ihr nichts nutzen. Doch mit der vom Boulevard skandalisierten Forderung nach Drogenfreigabe, wurde ausnahmsweise einmal einem wirklich liberalen Gedanken entsprochen: Vom Staat in Ruhe gelassen zu werden, so lange man Dritten keinen Schaden zufügt. Wer sich in seinem Wohnzimmer betrinkt, bekifft, vollkokst oder einen Schuß setzt, soll das unbehelligt tun dürfen. Drogenkonsum ist nämlich der Inbegriff eines „opferlosen Verbrechens“, das man in einer freiheitlichen Gesellschaft straffrei begehen können muß.

Das ist kein Plädoyer für die Drogensucht! Wer konsequent für die selbstbestimmte Entscheidung des Bürgers eintritt, wird alles ablehnen, was der individuellen Entscheidungsfreiheit entgegensteht – auch die Abhängigkeit von Drogen. Es geht vielmehr um die Konsequenz aus der Vorstellung, daß freie (und wahlberechtigte) Bürger selbst darüber entscheiden können sollen, wie sie ihr Leben gestalten, ohne dazu die Erlaubnis Leviathans einholen zu müssen. Es sei daran erinnert, daß bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg – beiderseits des Atlantiks – so gut wie keine Drogengesetze existierten. Jeder konnte mehr oder weniger ungestraft jedes Rauschmittel konsumieren, das ihm in die Finger kam (Kokain war zu dieser Zeit etwa als Mittel gegen Zahnschmerzen sehr beliebt). Es ist nicht bekannt, daß zu dieser Zeit große Teile der Bevölkerung zu Drogenjunkies verkommen wären.

Daß heute über die „Drogenfreigabe“ debattiert wird, ist bezeichnend! Es handelt sich dabei um eine Konsequenz aus politischen Fehlern, die in der Vergangenheit begangen wurden. Das Unheil begann mit einer paternalistischen Verbotspolitik, die, von Puritanern und Frauenverbänden lanciert, zu Beginn der 1920er-Jahre von den USA ihren Ausgang nahm. Mit der dort verhängten Alkoholprohibition schlug nämlich die Geburtsstunde des organisierten Verbrechens, das den internationalen Drogenhandel bis heute fest im Griff hält. Daß die UNO im Jahr 1961 mit ihrem „Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel“ auf den Verbotszug aufspringen zu müssen glaubte, verschlimmerte die Lage noch. Das wenig überraschende Ergebnis der globalen Verbotspolitik kann man etwa in Nordmexiko bewundern, wo Jahr für Jahr tausende Todesopfer eines brutalen Drogenkrieges zu beklagen sind. Außerdem in den USA selbst, wo mehr als 50 Prozent aller Gefängnisinsassen wegen Drogendelikten (z. B. Beschaffungskriminalität) einsitzen. Ein schöner Erfolg, fürwahr!

Drogenabhängig zu sein, ist ein Übel! Daß der seit Jahrzenten weltweit geführte „Krieg gegen die Drogen“ an allen Fronten verloren ist, ist indessen offensichtlich. Wer weiter daran festhält, wird zwar – wie schon bisher – keinesfalls verhindern, daß Drogen konsumiert werden. Er nimmt aber – und zwar ungeachtet der bedeutenden Frage, inwieweit der Staat das Recht hat, sich zum Erzieher seiner Bürger aufzuschwingen – eine ganze Reihe negativer Konsequenzen in Kauf. Denn Drogenkriminalisierung führt zu erheblichen Kollateralschäden. Eine unaufgeregte, pragmatische Annäherung an das Thema sollte dahin gehen, abzuwägen, welche Politik geringere Folgekosten (nicht nur materieller Natur!) generiert. Wer sich mit dieser Frage seriös auseinandersetzt, wird erkennen, daß eine liberale Drogenpolitik die mit Abstand beste Alternative bietet.

Legaler Zugang zu Drogen beraubt das organisierte Verbrechen seiner wichtigsten Geschäftsbasis. Der damit verbundene Preisverfall enthebt viele Konsumenten der Notwendigkeit, sich auf illegale Weise Geld zu verschaffen. Die Folgekriminalität kommt damit zum Erliegen. Ein legaler Drogenmarkt sorgt überdies für eine bessere Qualität des Angebots und damit für weniger, durch verunreinigten Stoff verursachte Probleme. Vor allem aber: Eine liberale Drogenpolitik nimmt dem Staat einen entscheidenden Vorwand zur weiteren Intensivierung der Überwachung, Bevormundung und Unterdrückung seiner Bürger!

Wer seine Kritik bevorzugt auf die Sozialisierung der Kosten für die Therapie von Drogensüchtigen richtet, hat zwar grundsätzlich recht, sollte aber nicht auf halbem Wege Halt machen. Er sollte besser die „soziale Krankenversicherung“ in Frage stellen (die faktisch weder „sozial“ noch eine Versicherung ist). Denn mit gleichem Recht darf auch gefragt werden, weshalb sportliche, ernährungsbewußte, normal veranlagte Nichtraucher, für die Behandlung von Stoffwechsel- und Gelenkserkrankungen bewegungsfauler, qualmender Vielfraße und Alkoholiker, oder für die Behandlung von an Aids erkrankten, promiskuitiven Schwulen aufkommen sollen. Die Konsequenz aus der Kritik der Kostenexternalisierung kann wohl nur in einem vollständigen Rückzug des Staates aus der Krankenversicherung und der damit verbunden Förderung des „Moral Hazard“ bestehen.

Zurück zur Realpolitik: Die Frage der Drogenfreigabe ist da, wo selbst die berufliche Interessenvertretung zwangsweise erfolgt (wie das in Österreichisch der Fall ist, wo bekanntlich der Balkan beginnt), fraglos ein Orchideenthema. Mit derlei Forderungen läuft man dort geradewegs in ein Minenfeld. Somit sinkt wohl auch der Wählerzuspruch derjenigen, die eine liberale Drogenpolitik auf ihre Fahnen schreiben. Bleibt die Frage, ob ein politisches System der Weisheit letzter Schluß sein kann, in dem jemand, der die Wahrheit sagt und/oder grundvernünftige Forderungen erhebt, damit seine Aussichten zerstört, gewählt zu werden…?

Die „Neos“ brauchen einem nicht leid zu tun. In einem Land, in dem es schon vier andere sozialistische/sozialdemokratische Parteien gibt, ist eine fünfte so nützlich wie ein Kropf. Und eine einzige gute Idee macht noch lange keine wählbare Partei!

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Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter “Austrian”.

 

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