An der Eigenverantwortung kommt man nicht vorbei

4.7.2014 – Interview mit Rahim Taghizadegan zu seinem Buch “Österreichische Schule für Anleger”.

Herr Taghizadegan, was darf ein Investor von Ihrem neuen Buch, das Sie zusammen mit Ronald Stöferle und Mark Valek geschrieben haben, erwarten?

Rahim Taghizadegan

Die bislang umfassendste und am tiefsten gehende Anwendung der Österreichischen Schule der Ökonomik auf Fragen der Vermögensanlage, die weit über bisherige Darstellungen hinausgeht. Einerseits ist das Buch theoretisch fundiert und liefert zahlreiche neue Einsichten in die Hintergründe der Österreichischen Schule, über zu Unrecht vergessene Praktiker dieser Tradition, in die Wirtschaftsgeschichte, Geldtheorie und Anlagephilosophie. Andererseits kommt auch die Praxis nicht zu kurz, mit einer Darstellung aller relevanten Analyseinstrumente, zahlreichen Grafiken, konkreten Portofoliostrukturen, aktuellen Einschätzungen und Szenarien, sowie einer kritischen Überprüfung alternativer Anlageformen von Bitcoin bis Mikrokrediten. Investoren und Unternehmer sind zwar die primäre Zielgruppe, doch das Buch ist für jeden interessant, der sich entweder tiefer mit der Österreichischen Schule auseinandersetzen möchte – ganz unabhängig von Anlagefragen – oder allgemein eine alternative, aber dennoch fundierte und seriöse Perspektive auf das Wirtschaftsgeschehen und seine Hintergründen kennenlernen möchte.

Und was nicht?

Kein ideologisches Pamphlet, keine Verkaufsbroschüre, kein Neuaufguß von hinlänglich Bekanntem, keine schlampige Zusammenfassung von Sekundärliteratur, keine unseriöse Kristallkugel oder konkrete Titelauflistung zum Pushen.

Die Österreichische Schule stellt das Sparen vor Investieren und Konsumieren. Was haben Sparen und Moral miteinander zu tun?

Abnehmende Sparneigung und Zunahme unmoralischen Verhaltens zeigen eine historisch interessante Korrelation. Sparen ist, insbesondere in einem inflationären Umfeld, Selbstbeschränkung – Mises spricht von einem „Scheinopfer“. Freilich geht es mir nicht um eine schlichte Moralisierung, sondern eine moralische Verteidigung des Sparens, insbesondere des heute verunglimpften und unter moralischen Verdacht gestellten Hortens. Zur Frage darf ich auf meinen unlängst hier veröffentlichten Artikel „Im Sparen liegt die Moral“ verweisen.

Sie schreiben, dass Wissen über die Österreichische Geld- und Konjunkturtheorie und über das Teilreserve-Banksystem für einen Anleger ein Nachteil sein kann … inwiefern?

Die klaren, weitgehend auf Hausverstand beruhenden Ansätze der Österreichischen Schule können schnell zu einem Dogmatismus und zu Ungeduld führen. Ich bemühe mich seit 18 Jahren darum, die Österreichische Schule als wissenschaftliche Tradition wiederzubeleben. Erst seit der letzten Finanzkrise, als die Menschen wieder einmal Angst um ihr Geld bekamen, haben sie einen materiellen Anreiz, sich mit Alternativen zu beschäftigen – wodurch die Österreichische Schule nun auch wieder stärker im deutschsprachigen Raum rezipiert wird. So folgt freilich auch die Österreichische Schule Hypes; insbesondere korreliert das Interesse an ihr mit dem Goldpreis. Sobald eine Strömung größer wird, zieht sie unseriöse oder ideologisch verengte Proponenten an, die aus ein paar wenigen Lehrsätzen ungeduldig Heilslehren oder schnelles Geld machen wollen. Einige „zyklische Austrians“ haben wohl viel Geld mit Goldspekulation verloren, während die „kontrazyklischen Austrians“, die schon am Thema dran waren, bevor die Krise in die Schlagzeilen kam, gewiß sehr gut gefahren sind. Natürlich kann auch die Österreichische Schule, wenn sie nicht wissenschaftlich betrieben, sondern als fertige Ideologie verstanden und verkauft wird, zu gefährlichen Scheuklappen führen, die insbesondere Anleger teuer zu stehen kommen können.

Als “Anlegerbuch” unterscheidet sich Ihres fundamental von dem, was bisher in dieser Kategorie auf dem Markt war. Sie wollen mit den Theorien der Österreichischen Schule auch “Mut, Klugheit und Achtsamkeit” vermitteln…

Nicht mit den Theorien, sondern weil ich die Ökonomik für ein zwar wichtiges, aber nur kleines Teilgebiet halte, eine Hilfswissenschaft. Ökonomische Theorie alleine wird die Welt nicht zum Besseren wenden und reicht nicht aus, um unternehmerischen Erfolg zu haben. Theorie – die Muße zur Reflexion und zum Versuch, die Welt besser zu verstehen – zählt zur klassischen Tugend der Klugheit. Das Besserwissen reicht aber nicht aus, wie die Österreichische Schule lehrt, wesentlich ist die unternehmerische Übernahme von Verantwortung für Entscheidungen, das Schultern der Bürde der Ungewißheit. Diese Ungewißheit kann einem niemand abnehmen (allenfalls ein Unternehmer in gewissem Maße seinen Angestellten), auch nicht das beste Anlegerbuch. Unser Buch vermittelt kluge Prinzipien, macht Mut, wo andere nur ohnmächtig politisieren. Sein Wert kann allenfalls darin liegen, daß die Leser achtsamer werden und vielleicht etwas sehen, was sie vorher übersehen haben. Was das konkret sein wird, ist Gegenstand der jeweiligen individuellen und dadurch unterschiedlichen Praxis, die einem nur falsche Gurus abnehmen können. An der Eigenverantwortung kommt man nicht vorbei.

Wie würde der Wirtschaftsphilosoph Rahim Taghizadegan 100.000 € investieren, die er langfristig nicht als Liquidität benötigt?

In meine eigene Unternehmung, also den Aufbau einer Universität im ursprünglichen Sinne, ganz anders als die staatlichen Anstalten für die Produktion von „Experten“ und akademischem Proletariat und anders als die Titelschmieden im durch staatliches Crowding-Out allzu engen privaten Bereich. Das ist womöglich eine enttäuschende Antwort; alle warten auf den Guru, der ihnen sagt, was konkret sie wann konkret kaufen sollen, um schnell reich zu werden. Zum Trost: In unserem Buch finden sich konkrete Anleitungen zu einem persönlichen Portfolio, die helfen, solche Entscheidungen klug anzugehen.

Vielen Dank, Herr Taghizadegan.

Das Interview wurde im Juni 2014 per e-mail geführt. Die Fragen stellte Andreas Marquart.

Weitere Informationen zum Buch “Österreichische Schule für Anleger” – erschienen im FinanzbuchVerlag – finden Sie hier.

Kommende Woche, am 10./11. Juli, unterrichtet R. Taghizadegan bei einem Intensivseminar in Wien die Österreichische Schule in ihrer gesamten Breite – einige Plätze sind noch frei: Nähere Infos & Anmeldung

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Rahim Taghizadegan ist Wirtschaftsphilosoph und Gründer des unabhängigen Instituts für Wertewirtschaft in Wien. Er lehrte unter anderem an der Universität Liechtenstein, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität Halle. Er ist mehrfacher Bestseller-Autor und gefragter Vortragender, insbesondere zur Österreichischen Schule der Ökonomie, im In- und Ausland.

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