Die „Vollgeld“-Utopie

25.6.2014 – von Susanne Kablitz.

Susanne Kablitz

Ja, sie hört sich in der Tat sehr verführerisch an. Die Vollgeld-Initiative in der Schweiz gewinnt mit jedem Tag der sogenannten Finanzkrise Verbündete und Förderer hinzu. Die Vollgeld-Initiative, die hier in Deutschland in ähnlicher Form unter der sogenannten Monetative um Professor Huber einem immer breiteren Publikum bekannt wird, bietet vordergründig durchaus gute Argumente und enorme Vorteile gegenüber unserem derzeitigen System.

Die Schuldigen der Finanzkrise sind schnell ausgemacht und so soll es dem privaten Bankensystem an den Kragen gehen, das als Verursacher allen Übels mit dem zweifellos grundsätzlich machtvollen Instrument der Geldschöpfung aus dem Nichts unmoralische Gewinne erzielt, der Spekulation Tür und Tor öffnet und somit zwangsläufig Finanzkrisen auslöst.

Die Argumente für die Einführung des Vollgeldes auf der entsprechenden Homepage gehen sodann auch gleich wirksam in den Kopf des von Sorgen und Ängsten geplagten Lesers, dem von den Medien wirkungsvoll eingeredet wird, dass das private Bankensystem Teufelszeug ist und die Geldschöpfung doch nun bitte in staatliche Hände gehört (wo es im Übrigen längst ist).

Grundsätzlich ist es in der Tat so, dass viele Bankiers schon vor Jahrhunderten Mittel und Wege fanden, Ihre Kunden zu benachteiligen. Es hat zwar mit der Bank von Amsterdam auch positive Beispiele gegeben, aber sie sind bis heute selten. Das Grundübel liegt darin, dass Banken nicht zwischen einer Einlage, für die vom Einleger ein Zins oder eine Gebühr zu zahlen ist und die Einlage grundsätzlich nur zur sicheren Aufbewahrung und im Eigentum des Einlegers hinterlegt wird und der Tatsache, dass Ersparnisse gegen einen Risikozins an andere Marktteilnehmer verliehen werden, unterscheiden. Es kommt zu einem Missbrauch der Rechtsgrundlagen und dieses Argument der Vollgeldanhänger ist ohne jeden Zweifel überaus angebracht.

Da Banken grundsätzlich „Geld aus dem Nichts“ schaffen können, weil sie nur eine Mindestreserve halten müssen, ist in wirtschaftlichen Aufschwungzeiten in der Tat ein großes Problem, wie man das sehr schön in Spanien mit der Immobilienblase gesehen hat. Grundsätzlich verleiht die Bank jedoch kein Geld, wenn nicht entsprechende Sicherheit hinterlegt und davon ausgegangen werden kann, dass das Geld vereinbarungsgemäß mit Zins zurückgezahlt wird. Denkt man an die Zeit des „Wirtschaftswunders“ in den 50er Jahren zurück, so wird schnell klar, dass Kredite, die kluge Investitionen möglich machen, durchaus sinnvoll sind.

Die Vollgeld-Initiative sieht in dieser Geldmengenausweitung der privaten Banken DIE große Problematik und fordert, dass nur noch die Nationalbank oder hier in Deutschland eine „vierte Gewalt“- die Monetative – darüber die Macht und die Entscheidungsgewalt haben soll, wieviel Geld geschöpft werden soll. Bei all diesen Forderungen wird nicht nur konsequent ignoriert, dass es ohne Zentralbanken die derzeitige Krise und andere davor gar nicht gegeben hätte – nein, es wird ihnen sogar bescheinigt, dass diese Einrichtungen das Unheil der „Märkte“ wieder gerade biegen müssten und somit nur die Brandlöscher seien.

Nun kann man es simpel fassen und Professor Huber in seiner Funktion als staatlich subventioniertem Lehrmeister eine grundsätzlich etatistische Einstellung bescheinigen, die ihn auf dem „Staatsauge“ blind sein lässt – es wäre aber wohl zu einfach, zumal immer mehr Menschen in dessen vermeintlichem Beglückungsmodell eine Rettung unserer desaströsen Finanzlage sehen. Schaut man sich auf der Homepage einmal näher um, so entdeckt man dort allerlei „Argumentationshilfen“, die vor allem gegen die Lehren der Österreichischen Schule der Nationalökonomie sprechen (sollen). Und hier schießen jedem „Austrian“ schon recht bald dicke Tränen der Trauer in die Augen. Professor Huber bescheinigt dem Free Banking sodann schon zu Beginn seiner Ausführungen ein „ultraliberales“ Gegenprogramm zum „ordoliberalen“ Vollgeldkonzept. Ultra soll in diesem Zusammenhang wohl etwas Radikales ausdrücken und somit einen negativen Beigeschmack bekommen, wogegen Ordo für den Ausgleich, für das Maßvolle steht. Bei näherer Betrachtung sollten dem aufmerksamen Leser dann an dieser Darstellung doch erhebliche Zweifel aufkommen, denn: Steht für die Austrians der Wille aller! Menschen im Vordergrund, huldigen die Vollgeldanhänger dem Willen des Staates. Mit Liberalismus im ursprünglichen Sinne hat denn das Ganze auch nicht mehr im Entferntesten etwas zu tun, da der Staat, der im Augenblick „nur“ der Auftraggeber und Hauptprofiteur des in Bankenhand gelegten Staatsmonopols ist, dann zum Schöpfer und (auch offiziell) zum Alleingewaltenträger mutiert. Es ist bezeichnend für die etatistische Dressur so mancher Bürger, dass sie immer noch der Überzeugung sind, dass staatliches Geld über Zentralbanken oder Notenbanken für Stabilität sorgen. Wenn sich diese Bürger allerdings in einer so omnipräsenten Rolle befinden wie Professor Huber dies für sich reklamiert, sind solcherlei Standpunkte nun ein weiteres Merkmal dafür, dass unsere Sprache zu einem Müllhaufen der Verdrehungen verkommt und den Menschen nur der Wechsel vom Regen in die Traufe zugestanden wird.

Professor Huber bescheinigt den Austrians „keinerlei Verständnis für die staatliche Geldhoheit zu haben“. Jeder Austrian wird hier nur fragen: „Warum auch?“  Er stellt fest, die Neo-Austrians hätten „anti-staatliche blinde Flecken“. Auch das stimmt, nur leider lehnen noch viel zu wenige Menschen das staatliche Monopol ab. Wir arbeiten aber daran! So wollen die Austrians angeblich die „Bankenindustrie nicht für ihre Fehler verantwortlich machen“. Ganz falsch! Die Austrians sind die einzigen, die die jahrhundertelange Kaufmannsehre wieder zu Leben erwecken wollen, wonach die Haftung beim Verursacher liegt. Die Austrians verlieren sich allerdings nicht in der dümmlichen Theorie von der Alleinschuld der Banken, der so viele Staatstreue anhängen, sie verwechseln schlicht und ergreifend nicht Ursache mit Wirkung.

Die Liquidität, die massenhaft in die Märkte geströmt ist, haben die Zentralbanken zu verantworten, die Geschäftsbanken haben davon lediglich enorm profitiert. Die Finanzierung der Schulden, deren Ursache in den nicht mehr bezahlbaren Wohlfahrtsstaaten zu finden ist, ist zur Hauptaufgabe der Zentralbanken geworden. Die D-Mark, die unter Aufsicht der deutschen Bundesbank angeblich stabil war, hat zwischen 1948 und der Einführung des Euro rund 85 Prozent ihres Wertes verloren. Es war schon immer so, dass Regierungen Geld zu ihrem eigenen Zweck missbraucht haben. Dass eine Notenbank mit dem Monopol der Geldschöpfung oder auch eine „vierte Gewalt“ nun urplötzlich die Moral neu entdecken, ist eine gefährliche Utopie. Die Menschen werden so  in eine noch größere Abhängigkeit getrieben, indem sie vom Staat (der aus Menschen besteht) oder einer sonstigen Institution (die aus Menschen besteht) noch abhängiger werden als sie es ohnehin schon sind. In einer nachvollziehbaren Wut auf die Kasinomentalität der Banken ist das ein oder andere Argument der Vollgeldbefürworter durchaus nachvollziehbar. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass ein staatliches Geldmonopol, das über Geldmenge und Geldverteilung zu Gericht sitzt und durch den nicht mehr zu zahlenden Zins auch noch jeglicher Disziplin enthoben ist, ist an Ignoranz kaum noch zu überbieten.

Dass eine Behörde genau feststellen kann, was die optimale Geldmenge ist, bezeichnete schon Friedrich August von Hayek als Anmaßung von Wissen und stellte klar, dass nur der Markt, also die miteinander im Handel stehenden Menschen, darüber entscheiden können, was optimal ist. Die Vollgeld-Initiative basiert auf der gleichen Kunstwährung wie dies derzeit der Fall ist; mit der Forderung, dass das Geld ausschließlich von der Notenbank oder wie in Deutschland durch die „vierte Macht“ geschöpft und dann zinslos der Regierung überlassen wird, die es durch öffentliche Ausgaben in Umlauf bringt, sind wir inmitten einer Voodoo-Ökonomie, die nur eines kennen kann: Die permanente Geldentwertung. Die Ausführungen, die auf der Homepage zum Vollgeldsystem zu finden sind, sind in negativer Hinsicht unbedingt lesenswert, vor allem, wenn solche Aussagen dort ihren Niederschlag finden:

“Aber eine heutige Zentralbank ist weit davon entfernt, eine Zentralplanungsagentur im Bereich von Geld und Banken zu sein!“

Nun, wir leben wohl in völlig verschiedenen Welten; anders ist das nicht zu erklären.

Dieser Artikel erschien in einer gekürzten Fassung zunächst in der „Jungen Freiheit“.

http://vollgeld.de/neo-austrians-zwischen-free-banking-und-gold-standard-lektuere-hds

http://www.vollgeld-initiative.ch/

—————————————————————————————————————————————————————————-

Susanne Kablitz, Jahrgang 1970, ist Fachwirtin für Finanzdienstleistungen, Honorarberaterin, Trainerin und Dozentin rund um Finanz- und Wirtschaftsthemen. Mit ihrer Firma “Das Erfolgsprinzip” ist sie seit 2002 selbstständig tätig. Im Oktober initiierte sie den Hayek-Club für Krefeld und den Niederrhein und ist seit Juli 2013 Mitglied der Hayek-Gesellschaft. Im März 2013 gründete sie ihren Blog www.susannekablitz.wordpress.com, den sie als “stolze Österreicherin” mit viel Leidenschaft für die Schreiberei betreibt und der ihrem tiefen Respekt vor geistigen Größen wie u.a. Ludwig von Mises, Friedrich August von Hayek, Murray Rothbard, Henry Hazlitt, Roland Baader und deren aktiven Nachfolgern Ausdruck verleiht. Seit dem November 2013 ist sie die Bundesvorsitzende der Partei der Vernunft.

Vor kurzem ihr sein neues Buch erschienen, das sie zusammen mit Christoph Braunschweig geschrieben hat, mehr Informationen hier: Kluge Geldanlage in der Schuldenkrise -Austrian Investing-

Soziale Medien:
+ posts
Kontaktieren Sie uns

We're not around right now. But you can send us an email and we'll get back to you, asap.

Nicht lesbar? Text ändern. captcha txt

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen