Das bedingungslose Grundeinkommen ist unsozial

11.9.2017 – von Andreas Tiedtke.

Andreas Tiedtke

Die Propaganda für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) hat stark zugenommen. Prominente Befürworter sind zum Beispiel der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, der Philosoph Richard David Precht oder Yanis Varoufakis, der ehemalige griechische Finanzminister. Götz Werner meint: „Grundeinkommen bietet die Möglichkeit die eigenen Talente in der Gesellschaft wirksam werden zu lassen. Jeder kann zeigen, was er kann. Es eröffnet die Freiheit ‚Lebensunternehmer‘ zu werden.“[1] Der Sozialist Yanis Varoufakis weiß: „Es ist nicht eine Frage, ob wir es [das BGE] wollen oder nicht. Es wird ein wichtiger Bestandteil eines jeden Versuchs sein, den Kapitalismus zu zivilisieren. Denn der Kapitalismus leidet am Krampf der von ihm selbst hervorgebrachten Technologien die ihn untergraben.“[2] Und nun soll es in Schleswig-Holstein nach dem Willen der dortigen Jamaica Koalition zu einem „BGE-Feldversuch“ kommen; die Rede ist von einem verdienstunabhängigen Grundeinkommen von 1.000 Euro für Erwachsene und 500 Euro für Kinder.[3] Im Gegenzug würden Hartz-IV, Kindergeld oder Aufstockungsleistungen wegfallen und der Staat würde so Bürokratiekosten einsparen.

Viele Befürworter des BGE sehen ein solches nicht nur als Anspruch auf Teilhabe am „Volkswohlstand“. Sie befürchten auch, dass durch die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung Arbeitsplätze wegfallen könnten. So berichtet die Schweizer Handelszeitung, dass im Kanton Genf geplant sei, Einzelhändler, die Self-Scanner-Kassen verwenden, mit einer Strafsteuer zu belasten: Für jede automatische Kasse sollten die Supermarkt-Betreiber 10.000 Franken monatlich bezahlen müssen, also ungefähr den Monatslohn zweier Kassiererinnen.[4] Solche Strafsteuern könnten nach Meinung von BGE-Befürwortern dazu dienen, das BGE für die von Arbeit Ausgeschlossenen zu finanzieren.

Die Menschen arbeiten hauptsächlich des Gehaltes wegen, auch wenn Arbeit auch Spaß machen kann

Die Argumente der Befürworter von BGE und „Maschinensteuern“ sind vielfältig. Das staatsfinanzierte[5] Nachrichtenmagazin Tagesschau bewirbt ein BGE in einem Werbevideo[6] zum Beispiel mit der erfahrungsnahen[7] Tatsache: Der Mensch arbeite nicht des Geldes wegen. Als „Beweis“ wird auf eine Studie in Israel verwiesen: Drei Gruppen hätten Spendengelder gesammelt, zwei davon hätten unterschiedlich große Anteile der gesammelten Spenden behalten dürfen und die Gruppe, deren Mitglieder gar nichts von den Spendeneinnahmen behalten durfte, hätte letztlich am meisten gesammelt. Mehr erfahren wir über das Experiment nicht. Daraus wird geschlussfolgert, dass der Mensch vor allem wegen der Anerkennung und des Sinnes arbeite – und nicht wegen des Gehaltes.[8]

Der bedeutende österreichische Ökonom Ludwig von Mises hingegen stellte fest, dass Arbeit für den Menschen zwar auch Freude bringen kann, aber Arbeit generell als Leid und Aufwand empfunden wird.[9] Die Arbeit wird nicht wegen der Arbeitsfreude geleistet, sondern wegen des mittelbaren Arbeitsgenusses, also des Lohnes oder Gehaltes wegen. Und sicher mögen zwei Stunden Holzhacken am Wochenende dem gestressten Bankangestellten Spaß machen, aber 8 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche würde er dies wohl kaum tun wollen.

Macht Arbeit krank?

Darüber hinaus wird in dem Tagesschau-Video angeführt, dass die Leute bei der Einführung eines BGE weniger krank würden. Dies habe eine Studie in Kanada gezeigt, wo das BGE testhalber in einer Gemeinde eingeführt worden sei. Wir erfahren zwar nichts über Daten und Schlussfolgerungen, wie etwa: War der Rückgang der Krankheitsrate signifikant? Könnte der Rückgang auch andere Ursachen haben als die Einführung des BGE? Nichtsdestotrotz ist es nicht von der Hand zu weisen, dass der Stress am Arbeitsplatz zuzunehmen scheint: Nach dem DAK-Gesundheitsreport 2013 haben sich die Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen innerhalb von 15 Jahren mehr als verdoppelt.[10]

Gründe des Arbeitsleides: Inflation, hohe Abgaben und Steuern verschlingen den größten Anteil des Arbeitseinkommens

Andreas Marquart, Vorstand des Ludwig von Mises Instituts Deutschland, fragt deshalb zurecht, warum sich die Arbeitszeit der Menschen trotz all des erreichten Wohlstandes nicht reduziert habe, etwa entsprechend der Steigerung der Produktivität?[11] Warum gibt es noch so viele prekäre Arbeitsverhältnisse, müssen manche Arbeitnehmer mehreren Anstellungen nachgehen und warum können viele Arbeitende mit ihren Einkünften nur unzureichend fürs Alter vorsorgen?

Ein Grund hierfür ist sicherlich das staatliche Fiat-Geld-System:[12] Die Inflation der Geldmenge durch die staatlichen Notenbanken führt zu einer Verringerung der Kaufkraft des Geldes, einer Entwertung der Ersparnisse der Arbeitenden und zu einer Vermögenspreis-Inflation. Die wachsende Ungleichheit der Vermögensverteilung in der Gesellschaft, die Begünstigung der Reichen[13] und die hohen Hauspreise (und infolgedessen Mieten), sind Folgen dieser Vermögenspreisinflation, über die in den Hauptstrommedien kaum berichtet wird.

Ein weiterer Grund ist die hohe Steuer- und Abgabenlast, die dazu führt, dass die Arbeitenden über den Großteil ihrer Einkünfte überhaupt nicht verfügen können: Denn neben den Zwangsabgaben wie etwa Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge müssen noch allerhand weitere Abgaben bezahlen: Passgebühren, Grundsteuer, Grunderwerbsteuer, Hundesteuer, Energiesteuer, Kfz-Steuer, Mehrwertsteuer, Biersteuer, Tabaksteuer, Baugenehmigungsgebühren, Steuerberaterkosten, IHK- und Handwerkskammer-Beiträge, ARD ZDF Deutschlandfunk Beitrag, Kanalabgabe, Straßenausbaubeiträge etc. Die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Ein Facharbeiter arbeitet in Wahrheit nicht bis Mitte des Jahres, sondern oft bis in den Herbst hinein für den Staat, wenn man alle Abgaben addiert, deren Zahlung er nicht verweigern darf, weil ihm sonst staatliche Zwangsmaßnahmen drohen.

Zynismus: Sollen doch die anderen arbeiten!

Auch kann entgegen der Behauptung des Tagesschau-Videos mit einem BGE nicht der „Druck“ von den Menschen genommen werden, der auf ihnen laste, weil sie die Kosten für Miete, Strom und Essen und dergleichen ständig verdienen müssten. Das ist geradezu zynisch, denn damit Häuser gebaut, instandgehalten und beheizt werden können, Strom produziert und Essen gekocht und ausgegeben werden kann, braucht es menschliche Arbeit.

Die sozialistische Propaganda ist hier tückisch: Es wird suggeriert, dass zur Befriedigung der Grundbedürfnisse gar nicht gearbeitet werden müsse. Ludwig von Mises meinte hierzu:

Die Arbeit wird zur Qual, wenn man glaubt, man überwinde das Arbeitsleid nicht freiwillig, um einen Erfolg zu erzielen, den man höher bewertet als das Freisein von Arbeitsleid, sondern dass man durch eine ungerechte Gesellschaftsordnung gezwungen werde, für das Wohl anderer, der Ausbeuter, die Frohn der Arbeit auf sich zu nehmen. Die Arbeitsfreude entspringt in letzter Linie der Einsicht, dass doch das Freisein von Arbeitsleid niedriger bewertet wird als der Erfolg und Ertrag der Arbeit; der Arbeiter findet sich mit der Tatsache ab, dass nun einmal auf dieser Erde Erfolge nur durch Plage erreicht werden können. Die Propaganda der Gegner […] hat dem Arbeiter diese Einsicht wieder genommen. Der moderne Gewerkschaftsgenosse glaubt, dass der Kapitalismus allein daran schuld sei, dass er Arbeitsleid erdulden müsse. […] Im Lichte dieser Auffassung wird die Arbeit dem Arbeiter zur unerträglichen Qual.[14]

Ein BGE führt zu höheren Steuern, höheren Preisen und geringerem Kapitalaufbau

Als nächstes behauptet der Sprecher im Tagesschau-Video, dass ja auch heute schon Rente, Arbeitslosengeld, Harzt IV usw. gezahlt würden. Das koste bereits rund 850 Milliarden Euro pro Jahr. Da das BGE zu spottbilligen 1 Billion Euro im Jahr zu haben sei, rede man quasi über Peanuts: Gerade mal 150 Milliarden Euro Differenz.

Wie die 150 Milliarden Euro „Mehrkosten“ berechnet wurden, darüber erfahren wir freilich nichts. Letztlich kann es nur eine Schätzung sein. Selbst wenn es „nur“ 150 Milliarden Euro wären, müssten diese zusätzlich vom Steuerzahler aufgebracht werden. Da die knappen Mittel immer nur einmal verwendet werden können, führt dies – unter sonst gleichen Umständen – zu einer Verringerung des Kapitalaufbaus. Und entgegen dem Maschinenstürmer-Geistesgut des 19. Jahrhunderts ist Kapitalaufbau nichts Furchtbares, sondern im Gegenteil führt Kapital dazu, dass mit der gleichen Menge Arbeit mehr Güter und Dienstleistungen produziert werden können.

Beispiel: Wenn Sie Fische mit den Händen fangen, werden Sie weniger fangen, als wenn Sie eine Angel oder einen Kescher benutzen. Die Angel oder der Kescher sind das Kapital. Und wenn Sie noch mehr Kapital haben, sagen wir ein Boot und ein Netz, werden Sie mit der gleichen Menge Arbeit noch mehr Fische fangen.

Die Obergrenze von Löhnen und Gehältern im Marktprozess wird von den Erwartungen der Unternehmer bestimmt, welche zusätzlichen Umsatzerlöse sie durch die Einstellung des Arbeiters erzielen können.[15] Mit anderen Worten: Die Summe der erwarteten Marktpreise der Produkte und Dienstleistungen, die zusätzlich durch die Arbeitskraft hergestellt werden können, bildet die Obergrenze für das Gehalt des Arbeitnehmers. Das ist es, was die Ökonomen unter der Grenzproduktivität der Arbeit verstehen.[16] Nimmt das Kapital zu und können mit der gleichen Menge Arbeit mehr Produkte und Dienstleistungen hergestellt werden, steigt also die Grenzproduktivität der Arbeit und dadurch auch die Löhne und Gehälter. Vom Kapitalaufbau profitieren also Arbeiter und Verbraucher. Bei höheren Steuern und dadurch verringertem Kapitalaufbau steigen Löhne und fallen Preise langsamer als ohne die höheren Steuern. Das BGE führt also ökonomisch betrachtet zu höheren Preisen und niedrigeren Löhnen als ohne BGE.

Strafsteuern wegen Digitalisierung und Automation machen die Volkswirtschaft nicht reicher, sondern ärmer

Absurd sind unter diesem Gesichtspunkt die von vielen BGE-Befürwortern geforderten Strafsteuern auf Maschinen, Roboter oder digitale Geräte. Wie gezeigt führt Kapital zu einer Zunahme der Löhne und Gehälter, und nicht umgekehrt. Die Industrialisierung hat nicht dazu geführt, dass die Arbeiter der industrialisierten Länder gegenüber den Arbeitern der nicht-industrialisierten verarmten, sondern im Gegenteil:

Mit dem Fortschreiten der Kapitalbildung hat sich das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit zugunsten der Arbeit verschoben. […] Da die kapitalistische Produktion auch die Produktivität der Arbeit in gewaltigstem Masse gesteigert hat, führte das zu einer Hebung der materiellen Lage der Lohnarbeiter, die man als märchenhaft bezeichnen muss, wenn man sie mit dem Lebensstandard der Arbeiter vergangener Zeiten vergleicht. (Ludwig von Mises)[17]

Durch Automation gehen Arbeitsplätze nicht „verloren“, sondern werden in andere Wirtschaftszweige verlagert

Schon die sozialistische Propaganda, dass durch Automation Arbeitsplätze wegfielen, ist grundfalsch:[18] Durch Automation wird Arbeit effizienter. Der Einsatz z. B. von Scanner-Kassen bedeutet zunächst nur, dass mit derselben Anzahl Arbeitnehmer mehr Produkte und Dienstleistungen angeboten werden können als ohne Scanner-Kassen. Der Effekt der Zunahme des Angebots führt zu einem Rückgang des Grenznutzens[19] für die jeweiligen Produkte gegenüber dem Grenznutzen, den andere Produkte für die Käufer haben. Der technologische Fortschritt in dem einen Bereich macht es möglich, dass nun Güter und Dienstleistungen in anderen Bereichen hergestellt werden können, was vorher nicht möglich war, weil die Arbeit in dem Wirtschaftszweig gebunden war, der nun durch technologischen Fortschritt effizienter produzieren kann. Dadurch können nun weniger drängende Bedürfnisse der Verbraucher befriedigt werden, die vorher unbefriedigt bleiben mussten. Die Arbeitsplätze fallen also nicht weg, sondern durch den Kapitaleinsatz verlagern sich die Arbeitsplätze in andere Wirtschaftszweige, die andere Produkte und Dienstleistungen herstellen.

So waren im Jahr 1900 noch rund 38 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt.[20] Durch Kapitaleinsatz, wie Traktoren, Mähdrescher, Düngemittel etc., ist die Arbeit produktiver geworden und die Anzahl der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft ist im Jahr 2011 auf nurmehr 1,6 Prozent zurückgegangen. Pro Hektar Agrarfläche waren 1900 noch 30,6 Arbeitskräfte tätig, 2011 waren es nurmehr 3,3. Heute produziert ein Landwirt mehr als das 13-fache, was er noch nach dem Krieg 1949 produziert hat.

Diese Arbeitsplätze sind nicht „weggefallen“, sondern es konnten Arbeitsplätze in anderen Bereichen entstehen, in denen nicht so dringende Bedürfnisse wie Ernährung erfüllt werden. Es wäre nicht vorstellbar, dass sich heute Menschen mit der Herstellung von Elektrofahrrädern, Stand-Up Comedy, Smartphones, Fernsehgeräten, Staubsaugern, Büchern, Erziehung, Kosmetik etc. beschäftigten, wenn nach wie vor der größte Anteil der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft tätig sein müsste.

Hohe Löhne und Gehälter sind die Folge von Kapitaleinsatz

Ob und wie technische Innovationen in der Wirtschaft umgesetzt werden, ist nicht zu allererst eine Frage technischer Machbarkeit, sondern eine Frage ökonomischer Realisierbarkeit. Das alleinige technische Wissen ist nicht ausreichend, um technische Neuerungen wirtschaftlich umzusetzen. Die Volkswirtschaft muss über die nötigen Ersparnisse verfügen, also über das Kapital. Den Unternehmern z.B. in Pakistan sind die Methoden westlicher Produktion und ihre Techniken bekannt. Was sie davon abhält, eine Wirtschaft nach westlichem Modell aufzubauen, ist nicht, dass die Gehälter in Pakistan um so vieles niedriger sind als im Westen, sondern ihnen fehlt es an Kapital.[21] Die Tendenz zu höheren Löhnen und Gehältern ist nicht die Ursache, sondern die Folge des Kapitaleinsatzes. Kapital wird nicht deshalb eingesetzt, weil Löhne und Gehälter so hoch sind, sondern hohe Löhne und Gehälter sind die Folge von Kapitaleinsatz.

Arbeitslosigkeit entsteht nicht durch Automation, sondern durch staatliche Zwangseingriffe in den Arbeitsmarkt

Die Hauptgründe für Arbeitslosigkeit sind nicht Folge des Marktes und der fortschreitenden Automation, sondern Folge staatlicher Eingriffe in den Arbeitsmarkt: Liegen z. B. Mindestlöhne über dem Marktpreis für den jeweiligen Arbeitslohn, steigen die jeweiligen Preise für Produkte und Dienstleistungen, die mit der Arbeitsleistung hergestellt wurden, und die Umsatzerlöse gehen zurück, weil diejenigen Käufer, die zu dem niedrigeren Preise gerade noch gekauft haben (Grenzkäufer), nicht mehr kaufen. Alles, was die Politiker mit Mindestlöhnen bewirken können, ist, dass Kapitaleinsatz von einer Branche zu einer anderen wechselt. Werden die Mindestlöhne von Kassiererinnen vom Staat höher festgesetzt, als es ihrer Grenzproduktivität entspricht, mag dies dazu führen, dass mehr Scanner-Kassen eingesetzt werden. Können die Kassiererinnen in anderen Wirtschaftszweigen keine Anstellung zum Mindestlohn finden, schafft der Staat durch den Mindestlohn institutionelle Arbeitslosigkeit. Und das Kapital, das hier in Gestalt der Scanner-Kassen im Einzelhandel eingesetzt wird, kann jetzt nicht in anderen Branchen eingesetzt werden, in denen es effizienter hätte eingesetzt werden können. Der Effekt des Mindestlohns ist nicht eine Erhöhung der Wirtschaftsleistung, sondern ein Rückgang in der Gesamtproduktion der Volkswirtschaft.[22]

Auch bei anderen Eingriffen in den Arbeitsmarkt, wie z. B. durch das Kündigungsschutzgesetz oder die Zwangsversicherung in der Kranken-, Arbeitslosen- oder Rentenversicherung, geben die Befürworter vor, dass sie besonders sozial seien. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Ein staatlicher Eingriff in den Markt ist nicht imstande, den Erfolg herbeizuführen, den die Regierung im Sinn hat.[23]

Es ist der Obrigkeit naturgemäß nicht gegeben, durch ein „Es werde“ etwas zu schaffen, was nicht schon dagewesen ist. […] Die Obrigkeit kann nicht erschaffen, sie kann aber durch ihren Befehl Vorhandenes zwar nicht aus der Welt des Seins, doch aber aus der Welt des Erlaubten tilgen. Sie kann nicht reicher, aber ärmer machen. (Ludwig von Mises)[24]

So sind zum Beispiel die Sozialversicherungsbeiträge keine Last für den Arbeitgeber, auch wenn rechtlich betrachtet ein Teil der Zwangsbeiträge durch den Arbeitgeber getragen werden muss. Wie gezeigt bestimmt die Grenzproduktivität der Arbeit die Höhe der Gehälter und diese wiederum wird von den Preisen bestimmt, die die Kunden für die Produkte und Dienstleistungen zu zahlen bereit sind. Der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen führt also nicht dazu, dass die Arbeitgeber zu Gunsten der Arbeitnehmer mehr für Arbeit ausgeben müssen, sondern diese Beträge sind voll den Arbeitskosten zuzurechnen. Die Sozialversicherungsbeiträge führen dazu, dass der Arbeitnehmer in der Verfügung über sein Gehalt beschränkt wird. Es beschränkt die Freiheit des Arbeitnehmers, seinen Haushalt entsprechend seinen eigenen Wünschen zu gestalten.[25] All diese Eingriffe des Staates in den Arbeitsmarkt verbessern also nicht die Lage der Arbeitnehmer, sondern sie sind schlimmer als das Übel, das ihre Befürworter zu beseitigen vorgeben.[26]

Leben auf der Axiom: Wird in Zukunft menschliche Arbeit überflüssig, weil Roboter sie voll ersetzen können?

Einige BGE-Befürworter geben vor, eine Zukunft vorauszuahnen, in der menschliche Arbeit derart entbehrlich sein wird, dass nicht mehr genug Arbeit für alle da sein wird. Das erinnert an Science Fiction Filme wie Star Trek oder den Animations-Film Wall E. Im Film Wall E leben die Menschen auf einem Raumfahrt-Kreuzschiff namens Axiom und gehen nurmehr dem Müßiggang nach. Alle früher von Menschen ausgeführten Arbeiten werden auf der Axiom durch Roboter erledigt, einschließlich der Herstellung und Wartung der Roboter selbst.

Selbst wenn solche Zustände künftig technisch möglich wären, ist es doch fraglich, ob sie ökonomisch möglich sind. Es ist zwar schon unter dem technischen Aspekt sehr zweifelhaft, dass Roboter produziert werden können, die wirklich alle menschlichen Tätigkeiten qualitätsgleich oder besser ausführen könnten, also auch z. B. die Arbeit von Erziehern, Richterinnen, Künstlern, Dirigenten, TV-Moderatoren, Drehbuchautoren, Psychotherapeuten etc., doch nehmen wir dies um des Argumentes Willen als gegeben an, müssten darüber hinaus die Ersparnisse in Form von Kapital vorhanden sein, diese Roboter zu bauen. Und die Gehälter der Menschen, die diese Tätigkeiten ausüben, müssten derart hoch sein, dass es günstiger wäre, sie durch Roboter auszuführen. Denn nur dann wird ein Unternehmer auf Roboter umrüsten. In dieser Vorstufe zur totalen Robotisierung, in diesem Zeitalter der Proto-Vollautomatisierung, müsste ein aus heutiger Sicht extrem hoher Wohlstand[27] vorherrschen. Unter sonst gleichen Umständen führte der extrem hohe Kapitalstock dazu, dass immer weniger dringende Bedürfnisse erfüllt werden könnten und die Menschen immer mehr Freizeit hätten. Abgeschlossen wäre der Zustand der Proto-Vollautomatisierung aber erst dann, wenn selbst zur Befriedigung des letzten, noch so exotischen menschlichen Bedürfnisses keinerlei menschliche Arbeit mehr erforderlich wäre.

Wäre dann das futuristische Schlaraffenland erreicht, in dem es keine menschliche Arbeit mehr braucht, um alle Güter und Dienstleistungen gleichwertig herzustellen, so würde nicht deswegen Arbeitslosigkeit vorherrschen, weil niemand mehr Arbeit finden kann, sondern weil es im Schlaraffenland nichts mehr zu arbeiten gibt, weil alles im Überfluss vorhanden ist. Die Tätigkeiten denen die Menschen dann nachgehen, mögen verschiedenste sein: Video-Spiele, Musik, Kunst, Sport, Dichtung, erotische Vergnügungen, Malerei etc. Es handelt sich dabei jedoch nicht mehr um Arbeit im volkswirtschaftlichen Sinne: solche Tätigkeiten, für die kein Austausch am Markt mehr stattfindet, sind nicht Gegenstand ökonomischer Betrachtung.

Falls Befürworter des BGE solche Zustände im Sinn haben, wenn sie für ein BGE plädieren, verkennen sie die heutige Realität völlig: Wir sind von solchen Zuständen weit entfernt! Die Klempner, Maurer, Rechtsanwälte, Manager, Gebäudereiniger etc., die heute einer bezahlten Arbeit nachgehen, tun dies, weil sie ohne ihr Gehalt eben nicht über die Mittel verfügten, die sie sich wünschen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, weil die Technologien und das Kapital eben nicht (oder auch noch nicht) in dem Ausmaß vorhanden sind, dass sie die Befriedigung ihrer Bedürfnisse aus einem Gehalt für leichtere oder weniger Arbeit finanzieren können.

Sinken des Grenznutzens der Arbeit – höhere Preise, ineffiziente Produktion, institutionelle Arbeitslosigkeit; Steigen des Grenznutzens der Freizeit

Nach der Einführung eines BGE würde zudem der Grenznutzen der Arbeit sinken: Werden die Kosten für die Elementarbedürfnisse des Lebens, wie Wohnung, Heizung, Strom und Essen, gedeckt, ist der Anreiz, den eine zusätzliche Lohneinheit für den Arbeitenden hat, geringer als ohne BGE. Die Arbeiten im Niedriglohnbereich, wie z. B. Gebäudereinigung oder Küchenhilfsdienste, müssten höher entlohnt werden. Werden die Putzkosten im Supermarkt erhöht, muss der Supermarkt von den Kunden höhere Preise verlangen als ohne die Kostenerhöhung. Ein BGE führt also auch aus diesem Grund – unter sonst gleichen Umständen – zu höheren Preisen. Auch hier werden die Unternehmer auf Automation zurückgreifen, wie z. B. Putz- oder Staubsaugerroboter, wenn dies im Produktionsprozess günstiger ist, als der Einsatz menschlicher Arbeitskräfte. Mit denselben Folgen wie oben: Ineffizienter Kapitaleinsatz und institutionelle Arbeitslosigkeit. Und umgekehrt zur Senkung des Grenznutzens der Arbeit würde der Grenznutzen der Freizeit zunehmen. Es würde also mehr konsumiert und weniger Kapital gebildet als ohne BGE, mit den oben bereits dargestellten Folgen.

Zunahme von Schwarzarbeit und staatliche Kontrolle

Zudem wird bei Einführung eines BGE der Anreiz, statt arbeiten zu gehen, sich etwas „hinzuzuverdienen“, voraussichtlich zu einer Zunahme der Schwarzarbeit führen.[28] Mit der gewohnten Folge von mehr Kontrolle und Überwachung durch den Staat, was wiederum aus Steuergeldern finanziert wird.

Mehr Zwangswirtschaft – weniger freiwilliges Handeln

Erwartungsgemäß bringt das Propaganda-Video der Tagesschau auch das Totschlagargument schlechthin: Die Mehrheit will es! 64% der EU-Bürger wären für ein BGE. Wie das in den einzelnen Ländern aussieht und wie tendenziös die Fragen für diese Umfrage gestellt wurden, wird nicht berichtet. Mehrheitsentscheidungen über die Frage, wem Geld abzunehmen und wem Geld zu geben sei, führen dazu, dass die Gelder der Netto-Steuerzahler[29] tendenziell von der politischen Klasse zu Gunsten anderer Wählergruppen umverteilt werden: Geht man davon aus, dass es in Deutschland gerade mal noch 15 Millionen[30] Netto-Steuerzahler gibt, aber rund 61,5 Millionen Wahlberechtigte[31], gelangt man zu dem Ergebnis, dass rund 46,5 Millionen Wähler davon ausgehen könnten, von höheren Steuern für die 15 Millionen per Saldo Zahlenden zu profitieren.[32]

Darüber hinaus ist bei der uneingeschränkten Anwendung des Mehrheitsprinzips Folgendes zu bedenken: Was wird aus dem, der die höheren Steuern nicht tragen möchte, die nötig werden, um die BGE-Empfänger zu bezahlen? Richtig, er wird gezwungen zu bezahlen. Es gibt grundsätzlich zwei Arten[33], an die Güter und Dienstleistungen anderer zu gelangen: Entweder durch freiwilligen Tausch oder durch Befehl unter Androhung von Zwang. Durch das BGE wird der Anteil des freiwilligen Wirtschaftens in der Gesellschaft vermindert zu Gunsten der Staatswirtschaft.

BGE schafft von Politikern abhängige Wähler

Für Politiker wäre das BGE grundsätzlich vorteilhaft: Die Menschen, die ihr Einkommen vom Staat beziehen, sind darauf angewiesen, dass der Staat anderen befiehlt, ihr Geld abzugeben, und es den BGE-Empfängern gibt. Ohne einen umverteilenden Staat hätten sie kein Einkommen. Die Politiker schaffen sich so abhängige, treue Wähler.

Ein BGE ist nicht sozial, sondern asozial

Zusammenfassend führt ein BGE zu verringertem Kapitalaufbau, höherer Belastung der Netto-Steuerzahler, niedrigeren Marktlöhnen, höheren Preisen und geringerer Produktivität als ohne BGE. Ökonomisch wirkt sich ein BGE also für die Volkswirtschaft insgesamt negativ aus. Belastet würden Arbeiter, Sparer, Angestellte und Selbständige. Gewinner wären die BGE-Empfänger und Politiker. Nachhaltig durchführbar ist eine Gesellschaftsordnung mit BGE nicht. Der Anreiz für die Belasteten, selbst BGE zu beziehen oder das Land zu verlassen, wird steigen. Und wenn dann zu wenige Arbeitskräfte da sind, werden die Politiker verpflichtende soziale Dienste oder ähnliches fordern; das heißt, sie werden die Arbeit einteilen, was nichts anderes bedeutet als: Zwangsarbeit. Irgendwann werden staatsfinanzierte Rundfunkprogramme und Internet-Seiten, Indoktrination an Schulen und Universitäten nicht mehr ausreichen, die Menschen im Land zu halten. Politiker werden dann Wegzugsteuern fordern – oder vielleicht noch andere, die Freiheit noch stärker einschränkende Maßnahmen?

Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist also alles andere als sozial, wie es die Befürworter so gerne für sich in Anspruch nehmen, sondern, ökonomisch und ethisch betrachtet: asozial.

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[1] http://www.wirtschaft-fuer-grundeinkommen.com/goetz-werner/
[2] http://www.wirtschaft-fuer-grundeinkommen.com/prof-dr-yanis-varoufakis-ehemaliger-griechischer-finanzminister/
[3] http://www.stern.de/wirtschaft/geld/grundeinkommen-soll-in-schleswig-holstein-erprobt-werden-7512614.html
[4] http://www.handelszeitung.ch/unternehmen/self-scanning-coop-droht-strafsteuer-von-20-millionen-1451138
[5] Solche Formulierungen kennen Sie, wenn kritisch über ein ausländisches Nachrichtenmagazin berichtet wird, jedoch nicht bei inländischen. Es stimmt aber auch hier.
[6] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-227265.html
[7] Das ist ironisch gemeint.
[8] Wenn Ihnen das absurd und lebensfremd vorkommt, scheinen Sie über gesunden Menschenverstand zu verfügen.
[9] Gearbeitet wird um des Ertrages und Lohnes willen. Die Arbeit erweckt Arbeitsleid. Ludwig von Mises, Nationalökonomie, 1940, S. 534 ff.
[10] Zitiert aus „Der Irrsinn des bedingungslosen Grundeinkommens, Andreas Marquart, http://www.misesde.org/?p=13214
[11] A.a.O.
[12] A.a.O. Ebenso: Louis Rouanet, Was Zentralbanken machen, ist sozial ungerecht, http://www.misesde.org/?p=16604
[13] A.a.O.
[14] A.a.O., S. 538.
[15] Vgl. Ludwig von Mises, Human Action, 1949, pg. 591.
[16] Die Untergrenze wird bestimmt durch die Angebote der Konkurrenten des Unternehmers.
[17] Ludwig von Mises, Nationalökonomie, S. 562.
[18] Ludwig von Mises, Human Action, pg. 768.
[19] Das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens besagt, dass jede zusätzliche Einheit eines Gutes im Vorrat eines Menschen weniger Wert für den Menschen haben muss, als die Einheit davor. Der Mensch befriedigt stets seine dringendsten Bedürfnisse zuerst. Deswegen kann er mit einer zusätzlichen Einheit immer nur weniger drängende Bedürfnisse befrieden als mit den vorgehenden Einheiten.
[20] http://www.bauernverband.de/12-jahrhundertvergleich
[21] Vgl. a.a.O.
[22] Vgl. a.a.O., pg. 770.
[23] Vgl. Ludwig von Mises, Kritik des Interventionismus, 1929, S. 114.
[24] A.a.O., S. 31.
[26] Ludwig von Mises, Human Action, pg. 613. Mises weist an dieser Stelle auch noch darauf hin, wie hochmütig und widersprüchlich es ist, dass Politiker behaupten, die normalen Leute könnten ohne Zwangs-Sozialversicherung nicht für sich selbst sorgen: Wenn diese Leute nicht über die Einsicht und die moralische Stärke verfügen sollten, für ihr eigenes Wohlergehen zu sorgen, wieso propagieren die deutschen Parteien dann, dass alle Staatsgewalt von diesen Leuten ausgehen solle, den Wählern? Sei es nicht absurd, Menschen mit der Auswahl der Regierung zu betreuen, die selbst einen Aufpasser brauchen, damit sie ihr Geld nicht zum Fenster hinausschmeißen? Sei es vernünftig, den Insassen die Auswahl der Wächter zu überlassen?
[27] Ludwig von Mises, a.a.O., pg. 770.
Wohlstand lässt sich nicht objektiv messen. Nach der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ist alles Werten subjektiv-individuell. Was dem einen wertvoll erscheint, kann für den anderen nutzloser Plunder sein.
[28] Andreas Marquart, http://www.misesde.org/?p=13214
[29] Netto-Steuerzahler ist, wer per Saldo mehr Steuern zahlt als er erhält. Die anderen sind Netto-Steuerempfänger. Wessen Gehalt aus Steuermitteln finanziert wird, der ist in der Regel Netto-Steuerempfänger, auch wenn er von seinem Gehalt Einkommen- und Umsatzsteuer etc. bezahlen muss.
[30] Die Zahl 15 Millionen stammt von einem Beitrag des deutschen Sozialwissenschaftlers Gunnar Heinsohn in der Neuen Züricher Zeitung: https://www.nzz.ch/meinung/auswanderungsland-deutschland-kompetente-wandern-ab-ld.104291. Es handelt sich bei den 15 Millionen um diejenigen Netto-Steuerzahler, die weder mittelbar noch unmittelbar beim Staat beschäftigt sind.
[31] https://www.bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2017/01_17_wahlberechtigte.html
[32] Das erklärt, weswegen politische Kampagnen wie: „Kein Steuerwettlauf nach unten“ oder „Steuern für Reiche rauf“ etc. so populär sind.
[33] Die dritte Art wäre, jemand schenkt Ihnen etwas.

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Dr. Andreas Tiedtke ist Rechtsanwalt und Unternehmer.

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