Robert Shiller sinnt darüber nach, was Verbraucher wollen sollten, und er ignoriert, was sie tatsächlich wollen

4.11.2015 – von G. P. Manish.

Robert Shiller nahm sich kürzlich in einem New York Times Artikel der Frage an, ob „eine unregulierte Wettbewerbswirtschaft für alle Beteiligten optimale Ergebnisse produziert“. Obwohl er bestimmte Aspekte einer freien Wettbewerbswirtschaft durchaus verteidigt, hat er doch Bedenken wegen des gleichzeitig anzutreffenden Ausmaßes an Manipulation und Betrug. In seinen Augen besteht eine Wettbewerbswirtschaft aus lauter Unternehmern, die darauf aus sind, Verbraucher zu Konsumentscheidungen zu verführen, die nicht in deren bestem Interesse liegen.

Zu viele Annahmen

Dieses Verständnis freier Märkte ist das Ergebnis einer bestimmten theoretischen Perspektive, die leider die herrschende Ökonomik prägt. Nach dieser im wesentlichen durch Vilfredo Pareto und John Hicks begründeten Sicht sind Märkte optimal, weil sie Ergebnisse von nahezu perfekter Rationalität hervorbringen. Die Präferenzen eines jeden Konsumenten sind hierbei annahmegemäß irrtumsfrei und spiegeln die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse wider. Entsprechend richtet sich der Verbraucher bei seinen Lebensmittelkäufen nach den Ratschlägen von Ernährungsexperten. Niemals begeht er Fehler, indem er Produkte verspeist, die als ungesund gelten. Er verwöhnt sich niemals mit Bonbons oder Schokolade.

Bei Entscheidungen, die seine Gesundheit betreffen, missachtet der Konsument niemals die Anweisungen seines Arztes. Rauchen oder exzessiver Alkoholgenuss kommen bei ihm ebenso wenig in Frage wie Bewegungsmangel. Obendrein verfügt jeder Konsument über perfektes Wissen hinsichtlich der am Markt geltenden Preise. Daher kommt es auch niemals vor, dass er etwas kauft, um später festzustellen, dass er anderswo günstiger hätte kaufen können. Derartige Irrtümer sind per Annahmen ausgeschlossen.

Der Wettbewerbsprozess stellt sicher, dass alle Ressourcen dorthin wandern, wo sie diese rationalen Konsumentenbedürfnisse am besten befriedigen und sich ein Gleichgewichtszustand einstellt, der für jeden optimal ist. Jeder Marktteilnehmer maximiert so seine Wohlfahrt, er verwendet sein knappes Geld für die Mittel, die seine am meisten begehrten Wünsche tatsächlich erfüllen.

Es vermag nicht ernsthaft zu überraschen, wenn ein neoklassischer Ökonom vor Entsetzen nach Luft schnappen muss, wenn er angesichts dieser Argumente für den freien Markt die Irrationalität der tatsächlichen Welt ins Auge nimmt. Die Konsumenten im Supermarkt sind ganz anders als die seiner theoretischen Modelle. Sie kaufen Süßigkeiten – und das häufig in Mengen – essen Junkfood, trinken viel zu viel Alkohol und treffen ein ganzes Bündel anderer Entscheidungen, von denen Experten der jeweiligen Gebiete abraten würden. Ja sie zeigen gar eine Vorliebe für Klatschmagazine, was jeder rational handelnde Mensch als pure Zeitverschwendung erachten würde.

Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu der Überzeugung, dass es sich bei den Herstellern dieser Güter zur Befriedigung völlig irrationaler Wünsche um Betrüger und Manipulatoren handeln muss. Profitgier zwingt sie angesichts des Wettbewerbs dazu, menschliche Schwachheiten ihrer Kunden auszubeuten und sie zu Kaufentscheidungen zu bewegen, zum Schaden ihrer wahren Wohlfahrt. Sie nützen schwache Momente der Konsumenten schamlos aus, wenn diese nicht in der Lage sind, wie Wissenschaftler oder Experten zu entscheiden und sich stattdessen Glitter und Einbildungen hingeben. Statt die Wohlfahrt zu maximieren, verführen Unternehmer hierbei die Verbraucher zu Entscheidungen, durch die sie sich schlechter stellen.

Beobachten, wie die Wirtschaft wirklich ist, nicht wie sie sein sollte

Ökonomen der Österreichischen Schule verteidigen die Marktwirtschaft mit einem ganz anderem Argument und zwar einem, das immun ist gegen Shillers Kritik. Im Zentrum dieser Verteidigung steht das Konzept der Konsumentensouveränität. Das wesentliche Merkmal einer freien Wettbewerbswirtschaft besteht darin, dass alle Entscheidungen von Unternehmern und alle Zuordnung von Ressourcen darauf ausgerichtet sind, die antipizierten Präferenzen der Verbraucher zu befriedigen, so irrational sie auch sein mögen.

Diese Präferenzen haben sich nicht gegenüber einer Rationalitätsprüfung zu rechtfertigen. Stattdessen spiegeln sie einfach die jeweils aktuellen Wertvorstellungen der Menschen wider, wie sie eben sind: Mit Irrtümern behaftet, nicht perfekt, und launisch. Ludwig von Mises stellt dazu fest:

„Nicht was der Mensch machen sollte, sondern was er tatsächlich tut, ist für die Praxeologie und Wirtschaftswissenschaft relevant. Aus medizinischer Sicht mag es richtig oder falsch sein, Alkokol oder Nikotin als giftig zu bezeichnen. Aber die Ökonomik muß den Preis von Tabak oder Likör wie er tatsächlich ist erklären und nicht, wie er unter völlig anderen Umständen sich einstellte.“

Die Konsumenten lenken den Markt, nicht die Produzenten

Die von Unternehmern für Produktionsfaktoren gebotenen Preise spiegeln ihre Erwartungen hinsichtlich dieser Präferenzen wider. Diejenigen, die mit ihren Erwartungen richtig lagen, werden mit Gewinnen belohnt, wer sich verschätzt, den strafen Verluste. Der wahre Herr im Reich der Märkte, der wahre Kapitän auf der Schiffsbrücke ist also der Konsument, so irrational und unwissend er auch immer sein mag. Er ist es, der entscheidet, was produziert wird und was nicht.

Jedes Verständnis von Wohlfahrt ist untrennbar mit der Befriedigung dieser unvollkommenen und irrationalen Präferenzen verbunden. Märkte maximieren die Konsumentenwohlfahrt, gerade weil sie den Launen und Einbildungen der Verbraucher nachkommen und nicht, weil sie den Wünschen von Menschen entsprechen, die von Wissen und vollkommener Rationalität geleitet sind, wie von Ökonomen unterstellt.

Wenn also ein Ökonom der Österreichischen Schule einen Supermarkt betritt, begegnen ihm nicht auf Schritt und Tritt Irrationalität, Manipulation und Betrug. Stattdessen sieht er das Wunder funktionierender Märkte am Werk; er findet die Fähigkeit des Preismechanismus bestätigt, die Launen und Spinnereien der Verbraucher zufrieden zu stellen. Das Angebot von Süßigkeiten und Klatschmagazinen in den Regalen vor der Kasse wertet er nicht als Manipulationsversuche der Unternehmer. Vielmehr entspricht für ihn diese Allokation von Ressourcen den Wünschen der großen Mehrheit seiner Mitmenschen. Die Fähigkeit von Unternehmern, diese Präferenzen richtig zu antizipieren und sie zu bedienen, fördert die Wohlfahrt, statt sie zu schädigen.

Es ist zwar wichtig, das System freier Märkte zu verteidigen, aber wie man es verteidigt, ist ebenso wichtig. Die Österreichische Schule setzt sich für den Marktmechnaismus nicht wegen seiner Vollkommenheit ein, sondern weil er uns erlaubt, zu prosperieren – bei allen uns angeborenen menschlichen Schwächen und Unvollkommenheiten.

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Aus dem Englischen übersetzt von Dr. Bernhard Pieper. Der Originalbeitrag mit dem Titel Robert Shiller Imagines What Consumers Should Want, While Ignoring What They Do Want ist am 27.10.2015 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

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G.P. Manish ist Assistenzprofessor für Volkswirtschaftslehre am Manuel Johnson Center for Political Economy, Troy University.

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