Woker Kulturkampf
Rezension
25. August 2025 – von Andreas Tögel
[HIER KLICKEN, um den Beitrag als PODCAST-FOLGE anzuhören.]
Im Folgenden lesen Sie eine Rezension des Buches „Woke Kulturpolitik. Ursprünge, Erscheinungsformen, Auswirkungen“ (*), herausgegeben von Alexander Ulfig, erschienen am 18. Juli 2025.
[(*) Mit * gekennzeichnete Links sind Partner-Links. Kommt über einen solchen Link ein Einkauf zustande, unterstützen Sie das Ludwig von Mises Institut Deutschland, das mit einer Provision beteiligt wird. Für Sie entstehen dabei keine Mehrkosten.]
„Woke“ hat heutzutage jedermann zu sein, der nicht in den Geruch des Ewiggestrigen und der Reaktion geraten oder als hartherziger Unmensch „gelesen werden“ will. Woke Politik spaltet die Gesellschaft, indem sie Menschen – etwa nach Geschlecht oder ethnischer Abstammung – in Gruppen einteilt, und steuert sie ambitioniert hinter die Errungenschaften der Aufklärung zurück. Woke Politik will alles Althergebrachte und jede Tradition zerschlagen und setzt an die Stelle (kalter) Vernunft (warme) Gefühle. Die Sozial- und Geisteswissenschaften, und insbesondere auch der ‚Kulturbetrieb‘, befinden sich inzwischen – und zwar beiderseits des Atlantiks – fest in der Hand woker Progressiver. In universitären ‚Orchideenfächern‘ wie Gender Studies, Queer Studies, Postcolonial Studies und Critical Whiteness Studies manifestiert sich die Umsetzung einer konsequent woken Bildungspolitik.
Im vollständigen Triumph der Wokeness erfüllt sich der zuerst vom brillanten, oft stark unterschätzten italienischen Denker und Mitbegründer der kommunistischen Partei Italiens, Antonio Gramsci (1891–1937) entwickelte Gedanke der „kulturellen Hegemonie“, die zu erringen eine nach seiner Einschätzung unabdingbare Voraussetzung für die Überwindung der liberalen, bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft darstellt. Gramsci, wiewohl Marxist, geht damit weit über die von Karl Marx formulierte, auf die Ökonomie und die daraus angeblich resultierenden Klassengegensätze fokussierte, rein materialistische Theorie hinaus.
Ludwig von Mises Institut Deutschland Konferenz 2025
Nur den wenigsten Zeitgenossen, am wenigsten den zeitgeistigen ‚Bobo‘[1]-Linken (die sich kaum jemals gründlich mit den geistigen Grundlagen des Kommunismus vertraut gemacht haben), sind sich des marxistischen Fundaments bewusst, auf dem die woke Ideologie beruht, die heute nicht nur an Universitäten, in Schulen, Redaktionsstuben und natürlich im Kunstbetrieb vorherrscht, sondern sich inzwischen sogar anschickt, auch alle anderen Lebensbereiche bis hin zu seichter Fernsehunterhaltung und Fußballturnieren zu dominieren.
Der vom deutschen Studentenführer Rudi Dutschke (1940 – 1979) in den 1960er-Jahren ausgerufene „lange Marsch durch die Institutionen“, der auf den Überlegungen Antonio Gramscis basiert, kann als erfolgreich abgeschlossen betrachtet werden. Die von Schulen, Medien und Kirchen gebildete ‚Zivilgesellschaft‘ – erweitert durch die zur Lebenszeit Gramscis noch nicht existenten ‚Nichtregierungsorganisationen‘ – befindet sich so gut wie vollständig in der Hand progressiver Kräfte. Die sozialdemokratische Wiener Kulturstadträtin Ursula Pasterk bezeichnete anno 1994 nicht zufällig das von ihr damals geleitete Kulturressort als „Ideologieressort“.
[(*) Mit * gekennzeichnete Links sind Partner-Links. Kommt über einen solchen Link ein Einkauf zustande, unterstützen Sie das Ludwig von Mises Institut Deutschland, das mit einer Provision beteiligt wird. Für Sie entstehen dabei keine Mehrkosten.]
Um auf das Thema des vorliegenden Buches zu kommen: Heute einen Kulturschaffenden zu finden, der sich politisch nicht links verortet, fällt alles andere als leicht.
Dreizehn Autoren beleuchten im vorliegenden Buch das Phänomen Wokeness aus sämtlichen denkbaren Perspektiven. Alle kulturrelevanten Bereiche wie Musikbetrieb, Theater, Literatur, Architektur und Filmkunst stehen heute ausnahmslos im Dienst der Vermittlung eines woken Gesellschaftsbildes. Wer hier aus der Reihe tanzt, wird mundtot gemacht, erhält keine öffentlichen Ämter, keine Fördermittel oder verliert seinen Verleger.
Doch Kunst und Kultur können ihrem Auftrag nur dann gerecht werden, wenn ihre Schöpfer freie Individuen sind und nicht nach gruppenspezifischen Merkmalen (wie Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder ethnischer Herkunft) kategorisiert und entsprechend gefördert oder diskriminiert werden. Wer kulturelle Vielfalt zu fördern vorgibt, darf Künstler nicht aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit entweder als geborene und daher förderungswürdige ‚Opfer‘ oder als deshalb zu benachteiligende Täter betrachten. Genau das aber tut woke Kulturpolitik.
Die Filmproduktion der Traumfabrik Hollywood sei an dieser Stelle als besonders krasses Beispiel genannt. Hier können künftig nur noch Filme in der Kategorie „Bester Film“ für den Oscar nominiert werden, wenn sie bestimmte „Repräsentationsstandards“ erfüllen. Künftig sind demnach Quoten für die Besetzung von Filmrollen mit „Angehörigen von Minderheiten“ (z. B. Menschen mit Behinderung oder Angehörige der wachsenden LGBTQ+-Gemeinde) zu erfüllen, sofern Regisseur und Produzent Wert auf den Gewinn der begehrten Trophäe legen. Selbstverständlich muss auch das behandelte Thema und die moralische Botschaft des Films woken Standards genügen. Zu erwarten ist also eine öde Uniformierung der Filmkunst. „Politisch unkorrekte“ Mafiaepen wie „Der Pate“ (in denen etwa Indigene keinen Platz haben) oder toxische Maskulinität verherrlichende Kriegsfilme wie „Das Dreckige Dutzend“ (in denen keine übergewichtigen ‚weiblich gelesenen Darstellerinnen‘ vorkommen) wird es künftig nicht mehr geben. Dafür aber ein inflationäres Angebot von radikalfeministischen, männerverachtenden Machwerken, wie beispielsweise „Barbie“. Der schrille Streifen konnte bei der Oscar-Vergabe 2024 allerdings nur den Oscar für die beste Filmmusik einheimsen, während „Oppenheimer“ gleich sieben der goldenen Statuetten abräumte.
Ein Umdenken in der Filmkunst wird erst dann eintreten, wenn woke Produktionen auch noch den letzten Kinosaal leergespielt haben, wie das mit Frauen besetzten Remakes einst von männlichen Protagonisten gespielten Blockbustern – als Beispiel sei die Horrorkomödie „Ghostbusters“ genannt – gelungen ist.
Auch Sport ist Teil der in einer Gesellschaft herrschenden Kultur. Auch auf diesem Terrain tobt der woke Kult. In Regenbogenfarben angestrahlte Fußballstadien, Trikots in rosa-pinken oder lilablassblauen Farben – ohne jeden Hinweis auf die Nationalität der Spieler – und zu Ehren der der BLM-Gemeinde gebeugte Knie vor einem Spiel gehören inzwischen zum Standard – zumindest im „besten Deutschland, das wir je hatten“. Dass bei olympischen Spielen im „Boxsport“ Männer Frauen verprügeln dürfen, wie „EMMA“ berichtete, und dafür auch noch mit Medaillen geehrt werden, ist nur noch als Irrsinn zu qualifizieren.
Während der Begriff „Misogynie“ allseits bekannt sein dürfte (schließlich wird im Tagesrhythmus die nach radikalfeministischer Lesart zum Himmel schreiende Benachteiligung von Frauen lautstark thematisiert), können mit „Misandrie“ nur wenige Zeitgenossen etwas anfangen. Dabei hat der nicht nur in den Zirkeln von woken Radikalfeministinnen zelebrierte Männerhass (explizite Aufrufe zur Tötung von Männern gehen hier vollkommen in Ordnung) inzwischen selbst in der Fernsehunterhaltung und in der Werbebranche Einzug gehalten. Kaum ein „Tatort“ in dem der stets männliche Täter nicht so gut wie jedes Klischee einer „toxischen Männlichkeit“ bedient, kaum eine Werbekampagne, die nicht zunehmend von staken Frauen und trotteligen Männern geprägt ist.
Fazit: ein absolut empfehlenswertes Buch, das den Blick für die zahlreichen Fehlentwicklungen schärft, die der kulturmarxistisch fundierten woken Kulturpolitik geschuldet sind.
*****
[1] Der Begriff „Bobo“ ist die Abkürzung der Wortzusammensetzung Bourgeoise-Bohemien. Damit ist eine Oberschicht gemeint, die einerseits einen bürgerlich-materialistischen Lebensstil pflegt, anderseits aber in ihrem Selbstbild auch idealistisch-künstlerische Werte pflegt, und die das politische und kulturelle Leben zunehmend prägt.
*****
In diesem, ebenfalls bei Misesde.org erschienen Artikel beschäftigt sich Philipp Bagus mit der ‚Verteidigung‘ im ‚woken‘ Kulturkampf: „Javier Milei und der ‚Kulturkampf‘“
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter ‚Austrian‘. Ende März 2022 ist sein Buch Inflation: Warum das Leben immer teurer wird (*) erschienen.
[(*) Mit * gekennzeichnete Links sind Partner-Links. Kommt über einen solchen Link ein Einkauf zustande, unterstützen Sie das Ludwig von Mises Institut Deutschland, das mit einer Provision beteiligt wird. Für Sie entstehen dabei keine Mehrkosten.]
Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Das Ludwig von Mises Institut Deutschland e.V. setzt sich seit Jahren für die Verbreitung der Lehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie ein. Freiheit gibt es nicht geschenkt, sie muss stets neu errungen und erhalten werden. Bitte unterstützen Sie daher das Ludwig von Mises Institut Deutschland mit einer Spende, damit wir uns weiterhin für unser aller Freiheit einsetzen können!
Spendenkonto:
Ludwig von Mises Institut Deutschland e. V.
IBAN: DE68 7003 0400 0000 1061 78
BIC: MEFIDEMM
Merck Finck A Quintet Private Bank (Europe) S.A. branch
Verwendungszweck: Spende
Titel-Foto: Adobe Stock Fotos (bearbeitet)