Lassen Sie sich den Konsum nicht vermiesen!

18. Juli 2018 – von Llewellyn H. Rockwell Jr.

Llewellyn H. Rockwell Jr.

Ich fange an zu glauben, dass die Bezeichnung „Konsumgesellschaft“ nur ein weiteres Wort für eine freiheitliche Marktordnung ist.

Richtig ist, dass es auf dem Markt nur so sprudelt vor Waren, Dienstleistungen und technologischem Fortschritt. Die Leute behaupten, sie werden von diesen Dingen so überflutet, dass sie nicht mehr weiterwissen. Sie sagen: „Ich brauche dieses neue Zeugs nicht!“

Aber wirklich ernst meinen sie das nicht. Niemand will seinen Zugang zum Internet verlieren. Und jeder will schnellere und bessere Zugangsmöglichkeiten. Wir wollen Musik, Filme und Bücher zu jedem Thema herunterladen. Es kann nicht genug an Informationen zu einem Thema geben, für das man sich brennend interessiert.

Und das ist noch nicht alles.

Wir wollen bessere Heizungen und Klimaanlagen in unseren Häusern und Unternehmen. Wir wollen mehr Auswahl an Lebensmitteln, Wein, Reinigungsmitteln, Zahnpasta und Rasierapparaten. Wir wollen unterschiedliche Stilarten für unsere Wohnungseinrichtung zur Verfügung haben. Wenn etwas kaputt ist, wollen wir Materialien zur Hand haben, um die Dinge zu reparieren. Wir wollen frische Blumen, frischen Fisch, frisches Brot und neue Autos mit mehr Ausstattung. Wir wollen Über-Nacht-Lieferung, gute technische Unterstützung und die neueste Mode aus aller Welt.

Die Bibliotheken gehen online, ebenso wie die weltweite Kunst. Der Handel hat einen Wandel vollzogen. Täglich öffnen sich uns neue Welten. Wir entdecken, dass Telefongespräche kostenlos sind. Wir können mit jedem auf der Welt über Sofortnachrichten kommunizieren und E-Mails sind zu dem Kommunikationsmedium schlechthin geworden. Wir lassen unsere Röhrenfernseher und Festnetztelefone hinter uns – Klammern aus dem Leben im 20. Jahrhundert – für weit überlegenere Formen der Informationstechnologie.

Wir wollen Geschwindigkeit. Wir wollen keine Kabel. Wir wollen Zugang. Und Verbesserungen. Sauberes und gefiltertes Wasser muss aus unseren Leitungen fließen. Wir wollen Energydrinks, Sportgetränke, sprudelnde Getränke, saftige Getränke und unterirdisches Quellwasser aus Fidschi. Wir wollen Häuser und Wohnungen. Wir wollen Sicherheit. Wir wollen Dienstleistungen. Wir wollen Auswahl.

Und wie bekommen wir all diese Dinge? Durch diese unglaubliche Fertigungs- und Vertriebsmaschine namens Marktwirtschaft, die aus nichts anderem besteht, als aus Milliarden von Menschen, die zusammenarbeiten und innovativ sind, um sich ein besseres Leben zu ermöglichen. Es gibt keinen Raubtierkapitalismus. Wettbewerb besteht schlicht und einfach aus nichts anderem als Unternehmer und Kapitalisten, die darum wetteifern, die Herzen und Köpfe des konsumierenden Publikums zu gewinnen.

Natürlich ist es einfach, sich das alles anzusehen und zu schreien: grässlicher Konsum! Aber wenn wir mit „konsumieren“ meinen, Produkte und Dienstleistungen mit unserem eigenen Geld zu kaufen, um unser Leben zu verbessern, wer kann sich dann nicht schuldig bekennen?

In der Ideengeschichte über die Gesellschaft wurde stets darüber nachgedacht, ein System zu finden, das dem einfachen Menschen und nicht nur den Eliten, den Herrschern und den Mächtigen dient. Als die Marktwirtschaft und ihre kapitalistischen Strukturen entstanden, wurde diese Institution endlich entdeckt. Mit dem Aufstieg der Wirtschaftswissenschaft konnte nachvollzogen werden, wie es dazu kam. Es wurde ersichtlich, wie Milliarden ungeplanter wirtschaftlicher Entscheidungen sich zu einem wunderschönen globalen Produktions- und Vertriebssystem zusammenschließen konnten, das allen diente. Und wie reagieren Intellektuelle darauf? Indem sie anprangern, es gibt zu viel für zu viele.

Aber kaufen Menschen überhaupt überflüssige Dinge, auf die sie verzichten können? Sicherlich. Wer aber soll mit Bestimmtheit sagen können, was ein Bedürfnis und was ein bloßer Lustkauf ist? Ein allwissender Diktator? Wie kann man wissen, dass seine Wünsche mit meinen und Ihren Bedürfnissen übereinstimmen? In einer Marktwirtschaft hingegen sind Wünsche und Bedürfnisse miteinander verknüpft, so dass die Bedürfnisse eines Menschen gerade deshalb befriedigt werden, weil die Bedürfnisse anderer Menschen befriedigt werden.

Ein Beispiel: Wenn meine Enkelin ernsthaft erkrankt ist, will ich sie zu einem Arzt bringen. Gott sei Dank sind die Notfallklinik ebenso wie die Spätapotheke nebenan bis tief in die Nacht geöffnet. Ich habe die Medikamente und Sachen, die nötig sind, um meiner Enkelin zu helfen, im Handumdrehen zusammen. Niemand würde sagen, dass es sich hierbei um ein oberflächliches Verlangen handelt.

Klinik und Apotheke aber können nur spät geöffnet bleiben, weil die Einrichtungen in einem Einkaufszentrum liegen, wo die Mieten niedrig und das Publikumsaufkommen hoch sind. Die Immobilie teilen sich Süßwarengeschäfte, Sportgeschäfte, die Tauchausrüstung verkaufen, eine Billardhalle und ein Geschäft, das sich auf Partygeschenke spezialisiert hat – allesamt Geschäfte, die „oberflächliche“ Dinge verkaufen. Alle diese Geschäfte zahlen Miete. Der Bauunternehmer, der das Einkaufszentrum gebaut hat, hätte es ohne diese weniger dringenden Bedürfnisse nicht gebaut.

Gleiches gilt für das Mobiliar und die technische Ausstattung in der Notfallklinik. Sie sind preiswerter und zugänglicher, als es sonst der Fall wäre, weil es Nachfrage nach entbehrlichen Verbrauchsgütern gibt. Die Rechner, die in der Praxis benutzt werden, sind technisch ausgereift, gerade weil Techniker und Unternehmer innovativ sind, um den Anforderungen von Computerspielen und -spielern und Personen zu entsprechen, die das Internet nutzen, um Dinge zu tun, die sie vermeintlich nicht tun sollten.

Dasselbe gilt für „Luxusgüter“ und Spitzentechnologien. Die Reichen erwerben sie und nutzen sie, bis die Kinderkrankheiten ausgemerzt sind, Nachahmer auf den Zug aufspringen, Kapitalisten nach billigeren Zulieferern suchen und schließlich die Preise fallen und dann eben jene Technologie den Massenmarkt erreicht. Außerdem sind es die Reichen, die für Wohltätigkeitsorganisationen, Kunst und Religion spenden. Sie stellen das notwendige Kapital für Investitionen zur Verfügung. Wenn man sich Dienstleistungen oder Güter genauer anschaut, die weithin als ein Bedürfnis angesehen werden, wird man feststellen, dass diese Produkte, Technologien und Dienstleistungen verwenden, die zuerst geschaffen wurden, um oberflächliche Wünsche zu erfüllen.

Vielleicht ist jemand der Annahme, Lebensqualität ist nicht wichtig. Ist es wirklich wichtig, ob Menschen Zugang zu riesigen Lebensmittelgeschäften, Drogerien, Fachabteilungen und Technologie haben? Ein Teil der Antwort liegt im Naturrecht: Menschen sollten nach ihrem eigenen Willen frei wählen und kaufen können, was sie wollen. Aber ein weiteres Argument für diese Annahme lässt sich in weniger offensichtlichen Tatsachen finden.

Schauen wir uns die Lebenserwartungen im Zeitalter der Konsumgesellschaft an. Frauen im Jahr 1900 starben typischerweise mit 48, Männer im Alter von 46,1 Jahren. Und heute? Frauen werden 80, Männer 77 Jahre alt. Dies ist auf eine bessere Ernährung, sicherere Arbeitsplätze, verbesserte sanitäre Einrichtungen und Hygiene, einem besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung und die gesamte Palette von Faktoren zurückzuführen, die zu unserem heutigen Lebensstandard dazugehören. Allein seit 1950 ist die Kindersterblichkeitsrate um 77 Prozent gesunken. Die Bevölkerungszahlen steigen dadurch exponentiell an.

Es ist einfach, sich diese Zahlen anzusehen und zu behaupten, dasselbe hätte sich auch mit einem zentralen Gesundheitsplan erreichen lassen, während man diesen ekelhaften Konsum, der damit einherging, hätte vermeiden können. Ein solcher zentraler Plan wurde aber in sozialistischen Ländern ausprobiert und die Ergebnisse zeigten genau den gegenteiligen Effekt in den Sterblichkeitsstatistiken. Während die Sowjets die anhaltende Armut inmitten der zügellosen Konsumgesellschaft verurteilten, wurde genau dort die Armut zurückgedrängt und die Lebenserwartung stieg, zum großen Teil gerade wegen der Konsumgesellschaft, für die der Westen so gescholten wurde.

Heutzutage wird uns gesagt, der Konsum ist ästhetisch unangenehm und wir sollten uns bemühen, zur Natur zurückzukehren: Hier und da nicht mit dem Auto mehr zu fahren, einen Komposthaufen anzulegen, unser eigenes Gemüse anzubauen, unsere Rechner abzuschalten und Nüsse von Bäumen zu essen. Diese Sehnsucht nach dem Unterentwickelten ist nichts anderes als der Versuch, die unvermeidlichen Auswirkungen der sozialistischen Politik in ein rosa Licht zu tauchen. Sie sagen uns, dass wir Armut lieben und Überfluss hassen sollen.

Aber das Schöne an der Marktwirtschaft ist, sie lässt jedem die Wahl. Für jene, die Plumpsklos gegenüber Spülkästen vorziehen, die sich ihre Zähne lieber ziehen lassen, anstatt zum Zahnarzt zu gehen, und Nüsse von Bäumen zu essen, anstatt eine Dose Nüsse im örtlichen Großsupermarkt zu kaufen – auch sie haben das Recht, diese Lebensweise zu wählen. Aber erlauben Sie es ihnen nicht, zu sagen, sie seien gegen die „Konsumgesellschaft“. Um überhaupt leben zu können, müssen wir kaufen und verkaufen. Gegen den Handel zu sein bedeutet, das Leben selbst anzugreifen.

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Aus dem Englischen übersetzt von Arno Stöcker. Der Originalbeitrag mit dem Titel In Defense of Consumerism ist am 9.7.2018 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.

Llewellyn H. Rockwell Jr. ist Gründer und Chairman des Ludwig von Mises Institute in Auburn, US Alabama.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.

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