Kollektive Hysterie vs. Meinungsfreiheit

Blick aus Österreich

9. Mai 2025 – von Andreas Tögel

Der herausragende Ökonom der Österreichischen Schule und Sozialphilosoph Ludwig von Mises (1881 – 1973) schrieb 1962 über die Meinungsfreiheit („Die Letztbegründung der Ökonomik“, deutsche Ausgabe von 2016, S. 167):

Niemals zuvor hatte die Menschheit unter Bedingungen wie jenen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelebt, als in den zivilisierten Ländern die bedeutendsten Probleme der Philosophie, Religion und Wissenschaft frei diskutiert werden konnten ohne jede Furcht vor Repressalien seitens höherer Mächte. Es war ein Zeitalter des fruchtbaren und heilsamen Dissens.

Ein solcher „fruchtbarer Dissens“ ohne Repressalien fürchten zu müssen, scheint heute in weite Ferne gerückt. Nach dem Ende der vom ‚politisch-medialen Komplex‘ und unter maßgeblicher Mithilfe regierungsaffiner ‚Experten‘ kontrafaktisch zur tödlichsten Seuche aller Zeiten aufgeblasenen „Corona-Pandemie“ (und allen zwecks Verängstigung der Massen in diesem Zusammenhang erfundenen Narrativen[1]), sind es folgende Phänomene, die von den über die Deutungshoheit gebietenden ‚Eliten‘ gegenwärtig zur Hysterisierung der Gesellschaft instrumentalisiert werden.

1. Die „Klimakrise“

Inzwischen ist es unmöglich geworden, eine Zeitung aufzuschlagen oder Fernsehgeräte und Radios einzuschalten, ohne mit Warnungen vor der angeblich menschengemachten „Erderhitzung“ belästigt zu werden. Das Thema ist omnipräsent, und wer es wagt, auch nur leise Zweifel am Narrativ der zeitgeistigen CO2-Vermeidungsreligion zu üben, läuft Gefahr, der Exkommunikation anheimzufallen. Dissidenten werden in keiner einschlägigen Fachpublikation zitiert, zu keiner Fernsehtalkshow eingeladen und wahlweise mit den Punzen Schwurbler, Esoteriker, Verschwörungstheoretiker oder Aluhutträger versehen. Von einem offenen Diskurs zur Frage des Klimawandels kann keine Rede sein.

Was zählt, ist alleine die Stimme der Hohepriester des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – einer Institution, deren selbst gestellte Aufgabe es ist, nicht etwa den aktuellen Klimawandel und dessen Ursachen zu untersuchen, sondern zu beweisen, dass menschliches Handeln – insbesondere der mit der Verbrennung fossiler Treibstoffe verbundene Ausstoß von Kohlendioxid – den Grund dafür bildet.

Wissenschaft hat indes zu untersuchen, was ist! Sobald sie zu dekretieren beginnt, was sein soll, wird sie zur Ideologie.  Bei der ‚Klimawissenschaft‘ handelt es sich um die Verbreitung und Bestätigung einer von mächtigen Interessengruppen beförderten, menschenfeindlichen Ideologie, die auf eine Dezimierung der Weltbevölkerung hinausläuft und für den überlebenden Rest der Menschheit ein Zurück-in-die-Steinzeit anstrebt.

Wer die Menschen zu beherrschen trachtet, der treibt Keile in die Gesellschaft: Veganer gegen Fleischesser, Autofahrer gegen Bahnreisende, Eigenheimbesitzer gegen Bewohner kommunaler Wohnsilos, etc. Wirksame Maßnahmen gegen ruchlose Fleischesser, Autofahrer und im freistehenden Eigenheim wohnende CO2-Emittenten können natürlich nur auf mindestens nationaler, am besten aber auf internationaler Ebene durchgesetzt werden. Der einzelne Bürger hat nichts zu melden. Entscheidungen fallen top-down, nicht bottom-up, für Subsidiarität ist kein Platz.

Einwände, wonach es erdgeschichtliche Zeiten gab, in denen eine globale Temperaturerhöhung dem Anstieg der Kohlendioxidkonzentration voranging (wie etwa während des Paläozän-Eozän-Temperaturmaximums, des Känozoischen Klimaoptimums und des Mittel-Äozen-Klimaoptimums) und dass in Europa gegenwärtig Baumreste aus Gletschern ausapern[2], die aus einer Zeit stammen, in der es weder Industrie noch Dieselmotoren gab, werden ignoriert. Dabei reicht alleine schon diese Tatsache aus, um eine CO2-Konzentrationserhöhung als alleinige oder entscheidende Ursache für die Erderwärmung als Hoax zu entlarven.

Die Hysterisierung der Menschen im Hinblick auf eine angeblich dräuende „Klimakatastrophe“ dient dem alleinigen Zweck, sie für geplante Zwangsmaßnahmen wie Enteignungen, Steuererhöhungen, Einschränkungen der individuellen Mobilität und andere Freiheitsbeschränkungen, gefügig zu machen.

2. Jagd auf ‚NS-Phantome‘

Wie der prominente deutsche Publizist Henryk M. Broder feststellt, nimmt der Kampf gegen Adolf Hitler und seine Spießgesellen immer mehr an Intensität zu, je länger dieser tot ist. Auf dem Feld des ‚Antifaschismus‘ lässt sich dieser Tage gefahrlos Courage demonstrieren. Zur Zeit des Nationalsozialismus wäre man mit Kritik am Regime schnell in die Fänge der Gestapo geraten. Heute aber kann man seiner lupenrein antifaschistischen Gesinnung ohne jedes Risiko Ausdruck verleihen.

Dass auf Sylt ein paar betrunkene Twens zu den Klängen der populären Popnummer „L´Amour Toujours“ „Deutschland den Deutschen / Ausländer raus“ singen, ist dieser Tage geeignet, die veröffentliche Meinung in Weißglut zu versetzen. Namhafte Politiker forderten für die jungen Leute prompt die Höchststrafe und die ‚soziale Vernichtung‘ der ‚Täter‘, die – im Gegensatz zum Beispiel zu gewalttätigen Zuwanderern – keinem Menschen je ein Haar gekrümmt, sondern einen politisch unkorrekten Text gesungen haben. Dafür wurden sie unverpixelt und mit voller Namensnennung an den medialen Pranger gestellt.

In Österreich existiert ein ganzer Katalog von Zahlen- und Buchstabenkombinationen, die auf Fahrzeugnummerntafeln nicht verwendet werden dürfen. Sollte es Ihnen bislang nicht bewusst gewesen sein: 88 steht nach den Erkenntnissen Gottlob stets wachsamer Antifaschisten für „Heil Hitler“ und 18 für „Adolf Hitler“.  Beides geht natürlich gar nicht und ist daher verboten.

Wer ernsthaft glaubt, dass derartige Maßnahmen dazu geeignet sind, antidemokratischen Tendenzen Einhalt zu gebieten, dem ist offenbar der Sinn für die Realität abhandengekommen!

Das hoheitlich oktroyierte Verbot, bestimmte Ausdrücke, Buchstaben- oder Zahlenkombinationen zu verwenden, eignet sich indes dazu, den Bürgern ihre Unfähigkeit zu bescheinigen, selbst beurteilen zu können, was richtig und falsch ist. Der ‚große Bruder‘ denkt für die dummen Untertanen und weist ihnen den rechten – Pardon – den linken Weg.

Die routinemäßig ergehende Aufforderung, allfällige Dissidenten nach bester Blockwartmanier zu denunzieren (einst hieß das etwa „der hört BBC“, während es heute darum geht „sie hat das N-Wort gesagt“), macht es gefährlich, seine Gedanken frei von Selbstzensur zu äußern. Was aber nicht mehr gesagt werden darf, wird am Ende auch nicht mehr gedacht. Die auf eine Gehirnwäsche hinauslaufende „Schere im Kopf“ funktioniert. George Orwell lässt grüßen.

Wie beim Kampf gegen die „Erderhitzung“ führt auch im Falle des Kampfes gegen die Verwendung von „NS-Vokabular“ kollektive Hysterie zum Machtzuwachs für die Regierung und die Staatsbürokratie. Schließlich ist es ausschließlich ihnen, ‚legitimiert‘ durch ihr Macht- und Zwangsmonopol, vorbehalten, nötigenfalls auch gewaltsame Maßnahmen gegen unliebsame Abweichler und Querdenker zu ergreifen.

3. ‚Gender- und Sexualisierungswahn‘

In vielen Gemeinden ist die Manie ausgebrochen, Zebrastreifen in Regenbogenfarben einzufärben. Einer Erhöhung der Verkehrssicherheit wird damit wohl nicht Vorschub geleistet. Mit dem Hissen bunter Fahnen Inklusion fördern oder Toleranz erzwingen zu wollen, ist aber nicht weniger abwegig, als mittels der Subventionierung von Elektrokarren CO2-Emissionen verringern zu wollen.

Eine auf einem populären TV-Sender laufende Dating-Sendung hat sich ebenfalls der ‚Propagierung‘ alternativer Partnerschaften verschrieben. Und wehe dem, der am ‚Genderkult‘ Kritik zu üben wagt. Um richtig verstanden zu werden: Ob sich einer etwa von einem  gleichgeschlechtlichen Menschen angezogen fühlt, geht niemanden etwas an, sofern gegenseitiges Einverständnis vorliegt. Allerdings ist es etwas gänzlich anderes, den Menschen langsam aber sicher das Gefühl zu vermitteln, dass ‚Heteros‘ quasi am Rande der Gesellschaft stünden.

Dass es die für die Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris Verantwortlichen für nötig befunden haben, das christliche Fundament Europas mit einer sexualisierten ‚Satire‘ des Abendmahls lächerlich zu machen, bildet den vorläufigen Höhepunkt dieses ‚Kultes‘.

4. „Kulturelle Aneignung“

In welch heiler Welt lebten Kinder zu einer Zeit, als sie sich noch Federschmuck auf den Kopf setzen und Indianer spielen konnten oder im Rahmen von Auftritten der Sternsinger als König Melchior verkleidete Knaben schwarz gefärbte Gesichter präsentieren durften. Heute ist das undenkbar. „Blackfacing“ wird als Teufelswerk gebrandmarkt und Indianerspiele bedeuten eine inakzeptable „kulturelle Aneignung“. Auf Wikipedia heißt es hierzu:

Kulturelle Aneignung (…) bezeichnet die Übernahme von Ausdrucksformen oder Artefakten, Geschichte und Wissensformen von Trägern einer anderen Kultur oder kulturellen Identität.“ Und weiter: „Die ethische Dimension kultureller Aneignung wird in der Regel nur dann thematisiert, wenn die übernommenen Kulturelemente einer Minderheit angehören, die als sozial, politisch, wirtschaftlich oder militärisch benachteiligt gilt.

Gelebte Praxis: Weiße Künstler, die Dreadlocks tragen, werden von Veranstaltungen ausgeladen[3]. Eine prominente, nichtjüdische Schauspielerin zieht Kritik auf sich, weil sie die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir darstellt[4]. Andererseits ist es aber überhaupt kein Problem, wenn Anne Boleyn, die zweite Ehefrau Heinrichs VIII., von einer farbigen Künstlerin dargestellt wird[5] – obwohl die „übernommenen Kulturelemente“ im genannten Fall der weißen Weltbevölkerungsminderheit angehören.

Auch im Falle der „kulturellen Aneignung“ sind es lautstarke linke Intellektuelle, die eine an derart willkürlich konstruierten Streitfragen desinteressierte Mehrheit vor sich hertreiben und ihnen ihre Sicht der Dinge oktroyieren. Selbstverständlich stehen die Regierungen allzeit bereit, strafbewehrte Maßnahmen zu ergreifen, um die Freiheit der Bevölkerung im Sinne der von ihr protegierten „Minderheiten“ schrittweise einzuschränken.

Fazit  

Ludwig von Mises schrieb („Im Namen des Staates oder die Gefahren des Kollektivismus“, Auflage 1982, S. 68):

Der Staatsapparat ist ein Zwangs- und Unterdrückungsapparat. Das Wesen der Staatstätigkeit ist, Menschen durch Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zu zwingen, sich anders zu verhalten, als sie sich aus freiem Antriebe verhalten würden.

Das Schüren von bis zur Hysterie gesteigerten Ängsten ist, neben der Spaltung der Gesellschaft, ein entscheidendes Herrschaftsinstrument. Wer in permanenter Angst lebt, ist leicht lenkbar. Wer Angst hat, trifft fragwürdige Entscheidungen – wählt etwa Demagogen, die ihm versprechen, gegen die angstauslösende Phänomene entschlossen vorzugehen.

Die Komplexität der die Menschheit gefährdenden Probleme übersteigt den Erkenntnishorizont des gemeinen Bürgers. Daher ist ‚der Wissenschaft‘ bedingungslos zu glauben und jeder Anordnung ihrer steuerfinanzierten Vertreter kritiklos zu folgen.

Angesichts des haarsträubenden Niedergangs unseres Bildungssystems, das einerseits immer mehr vergleichsweise schlecht ausgebildete Absolventen und andererseits immer weniger kritische und eigenständige Denker hervorbringt, ist eine Transformation unserer Gesellschaft hysterischer Untertanen in eine Gesellschaft eigenverantwortlicher, selbstbewusster Bürger nicht zu erwarten – jedenfalls nicht zu Lebzeiten der Generation der Babyboomer.

Andreas Tögel

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschinenbauer, ausübender kaufmännischer Unternehmer und überzeugter ‚Austrian‘. Ende März 2022 ist sein Buch Inflation: Warum das Leben immer teurer wird (*) erschienen.

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