Die sozial-ökologische Transformation als eine Anmaßung von Wissen
20. Januar 2025 – von Eduard Braun
Die ureigene Aufgabe von Unternehmen in der Sozialen Marktwirtschaft ist das Erzielen von Gewinn durch die Befriedigung von Kundennachfrage. Die aktuelle Klima- und Industriepolitik will diesen Mechanismus außer Kraft setzen.
Unverständnis für das Funktionieren von Märkten
Die Ampel-Koalition ist Geschichte. Jedoch haben sich bisher weder die Union noch die FDP dazu durchringen können, mit einer grundsätzlichen Absage an die aktuelle Klimapolitik in den Wahlkampf zu gehen. In ihrem Reformplan für eine starke Wirtschaft hat die Union bereits Anfang des Jahres klargemacht, daß sie zwar für Steuersenkungen und Bürokratieabbau steht, an der Transformation der deutschen Industrie hin zur Klimaneutralität aber offensichtlich nichts auszusetzen hat. Auch das Papier von FDP-Chef Christian Lindner zur Wirtschaftswende Deutschland stellt sich nicht grundsätzlich gegen diese Transformation. Vielmehr lehnt Lindner nur den deutschen Sonderweg beim Klimaschutz ab und strebt stattdessen europäische Lösungen an. Gemeinsam ist beiden Parteien, daß sie es – wie SPD und Grüne – für möglich und sinnvoll halten, den Markt zu dirigieren und in eine bestimmte, von ihnen gewünschte Richtung zu lenken. Offenbar fehlt es in diesen traditionell an sich marktfreundlichen Parteien mittlerweile an einem grundlegenden Verständnis dafür, wie der Markt funktioniert.
Unternehmen orientieren sich an Gewinnen. Ihre Wirtschaftsrechnung ist im Wesentlichen darauf ausgerichtet, profitable Investitionsmöglichkeiten aufzudecken und im Nachhinein zu überprüfen, ob die getätigten Investitionen auch tatsächlich gewinnbringend waren. Indem sich die Unternehmen in einer Marktwirtschaft am Gewinn orientieren, sorgen sie gleichzeitig dafür, daß das, was produziert wird, den Wünschen der Verbraucher entspricht. Das ist das Grundprinzip der unsichtbaren Hand des Marktes. Ein Unternehmen, das Konsumgüter herstellt, macht nur dann Gewinn, wenn es Kunden findet, die diese Produkte kaufen wollen und bereit sind, dafür mehr zu bezahlen, als das Unternehmen bei der Herstellung ausgegeben hat. Das Auftreten von Gewinnen bedeutet also grundsätzlich, daß das entsprechende Unternehmen die vorhandenen Ressourcen aus Sicht der Verbraucher sinnvoll verwendet hat.
Gleiches gilt natürlich auch für Gewinne von Unternehmen, die keine Konsumgüter herstellen, sondern zum Beispiel Vorprodukte für andere Unternehmen. Auch diese Gewinne entstehen nur, wenn die nachgelagerten Unternehmen bereit sind, diese Vorprodukte für einen höheren Preis zu kaufen, als ihre Herstellung gekostet hat. Das sind sie natürlich nur, wenn sie vermuten, daß ihre eigenen Produkte ebenfalls Abnehmer finden werden. Genau so denken wiederum diese Abnehmer. Am Ende dieser Kette aus vor- und nachgelagerten Unternehmen stehen die Käufer der Konsumgüter. Nur dann, wenn die Konsumgüter ausreichenden Absatz finden, erweisen sich die entsprechende Produktionskette und die darin operierenden Unternehmen als profitabel und stabil. Indem sich alle Unternehmen am Gewinn orientieren, sorgen sie also dafür, daß sich die hochkomplexe Struktur aus Millionen von Rohstoffen, Produktionsmitteln und Produktionsschritten letztendlich auf die Nachfrage der Konsumenten ausrichtet.
Was im Rahmen der sogenannten „sozial-ökologischen Transformation“ versucht wird, und wogegen weder Union noch FDP Einwände zu haben scheinen, ist nun, den Zusammenhang zwischen Konsumentenwünschen und Gewinnen aufzuheben. Durch Intervention des Gesetzgebers soll erreicht werden, daß Unternehmen nicht vorwiegend dann Gewinne machen, wenn sie sich an den Konsumentenwünschen orientieren, sondern dann, wenn sie klimafreundlich produzieren und dabei außerdem möglichst klimafreundliche Produkte herstellen.
Eingriff in die Konsumentensouveränität
Es ist dabei wichtig festzuhalten, daß die Marktwirtschaft allein schon durch diese Kappung des Zusammenhangs zwischen Verbrauchernachfrage und Gewinnen zweckentfremdet wird. Sie dient dann nicht mehr dem Interesse der Konsumenten, heißt der Bürger, sondern wird von Politikern dazu eingespannt, bestimmte Ziele oder Ideologien zu verwirklichen. Das gilt unabhängig davon, mit welchen wirtschaftspolitischen Mitteln die Gewinne der Unternehmen manipuliert werden. Der von der FDP befürwortete EU-Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten mag zwar von vielen als „marktkonformes“ Instrument angesehen werden. Es handelt sich jedoch um eine massive Verzerrung des Wettbewerbs. Beispielsweise macht der Automobilhersteller Tesla seit Jahren Milliardengewinne damit, dass er CO2-Zertifikate an andere Hersteller verkauft, die aus Sicht der Behörden nicht genügend E-Autos produzieren. Es ist bekannt, daß Tesla 2020 massive Verluste gemacht hätte, wenn es nicht diese Einnahmequelle gehabt hätte. Mit Gewinnen werden also selbst bei dem vermeintlich marktnahen Instrument des Emissionshandels nicht unbedingt die Unternehmen belohnt, die Konsumentenwünsche befriedigen, sondern diejenigen, die sich (zufällig oder absichtlich) an die ideologischen Vorgaben halten. Für die Verbraucher bedeutet das selbstverständlich einen Wohlfahrtsverlust. Unternehmen produzieren weniger von dem, was die Verbraucher wollen, und mehr von dem, was der Staat oder die EU vorgibt.
Der EU-Emissionshandel stört aber immerhin nicht die Funktionsweise des Marktes an sich. Die künstliche Verknappung und der Handel mit CO2 können vom Markt prinzipiell genauso gut verarbeitet und eingepreist werden wie die Verknappung jedes anderen Gutes. Die EU maßt sich damit zwar an zu wissen, wie viel CO2 von Unternehmen in ganz Europa jährlich emittiert werden sollte; aber sie übernimmt noch nicht die Rolle des zentralen Planers, der einzelnen Unternehmen oder Branchen konkret vorgibt, was sie produzieren sollen.
In diese Rolle scheint die EU jedoch immer mehr schlüpfen zu wollen. Um nur zwei Entwicklungen anzusprechen: Sie zwingt immer mehr Unternehmen zur sogenannten Nachhaltigkeitsberichterstattung. Unternehmen müssen aufdröseln, in welchem Umfang ihre Wirtschaftstätigkeiten nachhaltig sind im Sinne der sogenannten EU-Taxonomie. In einem nächsten Schritt können dann entsprechende Folgen an diese Berichterstattung geknüpft werden. Um ein Beispiel zu nennen, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) knüpft die Vergabe bestimmter Förderkredite an die Vereinbarkeit der Unternehmenstätigkeit mit der EU-Taxonomie. Kriterium für die Kreditvergabe ist also nicht mehr nur die Frage, ob sich das finanzierte Projekt lohnt, ob es also genügend zahlungsbereite Abnehmer findet, sondern ob es nachhaltig ist.
Verschlimmerung durch zentralplanerische Vorgaben
Ähnlich ist die neue Ökodesign-Verordnung einzuschätzen. Mit ihr möchte die EU nachhaltige Produkte zur Norm im EU-Binnenmarkt machen. Auf Grundlage der Verordnung möchte die EU für fast sämtliche Produktgruppen spezifische delegierte Rechtsakte erlassen, in denen dann Ökodesign-Anforderungen festgelegt werden. Insbesondere soll es Vorgaben zu Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit, zur Energie und Ressourceneffizienz und zum CO2– und Umweltfußabdruck geben. Mit dieser Verordnung soll also ganz konkret festgelegt werden, was innerhalb der EU noch produziert und gehandelt werden darf und was nicht. Die Konsumentenwünsche werden dadurch in einem hohen Maße als Richtschnur für Unternehmen ausgeschaltet. Wo Gewinne noch gemacht werden können oder dürfen, entscheidet nicht mehr der Verbraucher, sondern vorrangig die EU.
Durch diese sehr weitgehenden Eingriffe entsteht nicht nur, wie schon beim Emissionshandel, ein Wohlfahrtsverlust für die Bürger. Vielmehr wird die Signalfunktion von Gewinnen und die damit verbundene Koordinierungsleistung des Marktes untergraben. Im Grunde unterstellt die EU, sie wäre in der Lage, auf rationalem Weg und von zentraler Stelle aus festzulegen, welche Rohstoffe und welche Produktionsmittel auf welche Art und Weise und für welche Produkte verwendet werden können. Sie ersetzt an zahlreichen Stellen das Urteil des Marktes und maßt sich an, die Auswirkungen aller dieser Eingriffe nicht nur auf die direkt betroffenen Unternehmen, sondern auf die gesamte Produktionskette überblicken zu können.
Schlussbetrachtung
Wer weiter auf die Transformation der deutschen Industrie setzt und sich daher nicht grundsätzlich gegen die immer weitergehenden Interventionen der EU in den Markt stellt, wird letztlich die gleichen Probleme erzeugen, mit denen auch die DDR-Wirtschaft zu kämpfen hatte. Die zentrale Koordination der Produktion wird zu massiven Ineffizienzen und Wohlfahrtsverlusten führen. Den Politikern in Union und FDP sollte das eigentlich klar sein. Das Grundprinzip der von ihnen hochgehaltenen Sozialen Marktwirtschaft war die Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems vollständiger Konkurrenz als wesentliches Kriterium jeder wirtschaftspolitischen Maßnahme. Gemessen an diesem Kriterium bedeutet ein Festhalten an der sozial-ökologischen Transformation das Ende der Sozialen Marktwirtschaft. Es fragt sich, ob sich die beiden Parteien das wirklich auf die Fahnen schreiben wollen.
Dr. Eduard Braun hat im Jahr 2011 bei Professor Dr. Jörg Guido Hülsmann an der Universität Angers (Frankreich) promoviert und ist außerplanmäßiger Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Clausthal, (https://www.wiwi.tu-clausthal.de/ueber-uns/abteilungen/volkswirtschaftslehre/ueber-uns/team/dr-rer-pol-eduard-braun).
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