Messerverbote. Mehr Sicherheit durch Einschränkung der Freiheit?
28. Oktober 2024 – von Rainer Fassnacht
Am Freitag, den 18. Oktober 2024 hat eine Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages einen Teil eines umfassenderen Gesetzentwurfes angenommen (Artikel 5 der Drucksache 20/12805), der künftig einige gänzlich unverzichtbare alltägliche Handlungen verbietet beziehungsweise unter Strafe stellt. Es geht um solche Handlungen, welche den Einsatz eines Messers erfordern.
Da diese – ein Messer erfordernde – Handlungen aber tatsächlich (beispielsweise zum Schneiden eines Apfels) alternativlos sind – und dies auch dem Gesetzgeber klar ist –, steht im Gesetz auch eine Liste von Umständen, unter denen die Handlung mit dem Messer trotzdem ausgeführt werden darf.
Das klingt vielleicht nach einem Witz, ist es aber nicht. Und es wird leider noch ‚witziger‘, wie die ersten Zeilen dieses sogenannten „Sicherheitspakets“ zeigen:
Dieser Gesetzentwurf dient der Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems. Der islamistische Anschlag am 23. August 2024 auf einem Volksfest in Solingen hat zuletzt deutlich gemacht, dass die Sicherheit im öffentlichen Raum bedroht ist.
Man schränkt also die Freiheit jener Menschen ein, die sich an die Gesetze halten und keine extremistischen Absichten verfolgen, um zu verhindern, dass Extremisten unsere Freiheit einschränken. Logik sieht anders aus!
Es lässt sich zeigen, dass weitgehende Einschränkungen und Verbote von Messern – so wie diese im aktuellen deutschen Gesetzentwurf vorgesehen sind – Freiheit und Sicherheit weiter erodieren.
Was plant die Politik?
Mit dem Gesetzentwurf werden mehrere Gesetze (und eine Verordnung) geändert. Es beginnt mit Artikel 1 „Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes“ und endet mit Artikel 8 „Änderung der Verordnung über die Zuständigkeit der Bundespolizeibehörden“. Im Artikel 5 geht es um die „Änderung des Waffengesetzes“. Dort sind zahlreiche Modifikationen zu finden, die friedliebende Messernutzer betreffen.
Ohne großen Aufwand und Hintergrundwissen ist es für einen juristischen Laien fast unmöglich, zu verstehen, was diese Änderungen bewirken werden. Oft wird nur ein Wort in eine bestehende Regelung eingefügt oder ein Satzzeichen geändert. Da nur die Änderungen – aber nicht der neue Gesamtwortlaut – zu sehen sind, fällt nicht direkt auf, welche weitreichenden Auswirkungen selbst minimale Veränderungen haben können.
Die im Gesetzentwurf enthaltenen Änderungen im Waffenrecht erstrecken sich von Seite 10 bis zur Seite 18. Zusätzlich finden sich Erläuterungen zu diesen Änderungen auf den Seiten 31 bis 40. Es kommt hinzu, dass im Rahmen der Anhörung teils sehr umfangreiche und ausgesprochen kritische Stellungnahmen zum Entwurf abgegeben wurden.
Kondensiert man das Vorhaben (in Bezug auf Messer) auf das Wesentliche für friedliebende Menschen, die im Alltag Messer benötigen, zeigen sich drei Punkte:
– Messer werden verstärkt in das Waffenrecht einbezogen, obwohl es Werkzeuge sind.
– Messernutzer werden zahlreichen neuen Beschränkungen unterworfen und sind bei Kontrollen vermehrt auf Wohlwollen angewiesen (weil es mehr unklare Begriffe und Ermessenspielräume gibt).
– Friedliebende Bürger werden kriminalisiert beziehungsweise als suspekte Objekte betrachtet, die ihre Ungefährlichkeit beweisen müssen.
Um zu verstehen, wie einschränkend die beabsichtigten Änderungen sein können und welche Auswirkungen damit auf Freiheit und Sicherheit verbunden sind, ist es hilfreich, zunächst genauer darauf zu schauen, was ein Messer überhaupt ist.
Was ist ein Messer?
Messer sind unverzichtbar und gehören zu den ältesten Werkzeugen der Menschheit. Auch Ötzi, die Gletschermumie aus der Steinzeit, hatte ein Messer dabei. Das Messer, welches bei Ötzi gefunden wurde, ist das einzig vollständig erhaltene aus dieser Zeit. Eine Klinge aus Feuerstein wurde in einen gespaltenen Griff aus Holz geschoben, der mit Tiersehnen umwickelt war. Auch eine Scheide aus Lindenbast und ein Retuscheur zum Nachschärfen gehörte zur Ausrüstung.
Die Bestandteile eines Messers und das Zubehör sind bis heute prinzipiell gleichgeblieben. Trotzdem haben sich zahlreiche Details geändert, neue Materialien und technische Methoden werden eingesetzt. Die Auswahl hat zugenommen, unter anderem weil Messer nicht mehr ‚nur‘ unverzichtbares Überlebenswerkzeug sind, sondern auch Sammelobjekt oder Kunstwerk sein können. „Kulturgut Schneidwerkzeug“ beschreibt treffend, was ein Messer ausmacht.
Wie unverzichtbar das Schneidwerkzeug Messer auch heute ist, wird deutlich, wenn Sie sich vorstellen, ohne jegliche scharfe Klinge auskommen zu müssen. Sie können weder eine Scheibe Brot abschneiden noch ein Paket öffnen, ohne ein Messer zur Hand zu haben. Bei schweren Unfällen verdanken Menschen ihr Leben nicht selten dem Umstand, dass eine scharfe Klinge zur Hand war, um verklemmte Gurte zu kappen.
Freiheit im Messerkontext
Kann ein Straftäter, der mit einem Messer umherläuft und Menschen verletzt oder tötet, sich berechtigt auf seine Freiheit berufen? Nein! Die eigene Freiheit endet dort, wo die Freiheit inklusive der körperlichen Unversehrtheit anderer Menschen beginnt. Freiheit ist dadurch gekennzeichnet, keine Handlungen unter Zwang ausführen zu müssen.
Wie sieht es aus, wenn jemand aus Gewohnheit ein Messer dabeihat, es aber nie wirklich verwendet? Lässt sich ihm dies ohne Freiheitseinschränkung verbieten? Nein! Ob es tatsächlich genutzt wird, ist unerheblich. Es gibt keine Möglichkeit ihn zu zwingen, auf die Mitnahme zu verzichten, ohne damit seine Freiheit als friedlicher Bürger zu beeinträchtigen. Und auch wenn er sein mitgeführtes Messer bislang nie benötigte, der Augenblick kann später kommen.
Was ist, wenn jemand ein Messer mitführt, um sich gegen potenzielle Angriffe mit dem Messer wehren zu können? Die Praxis zeigt, dass dies keine gute Idee ist, weil Messerkämpfe in der Realität für beide Seiten blutig enden. Distanz halten und flüchten sind einem Kampf mit scharfer Klinge vorzuziehen. Das Motto könnte lauten: Siehst Du’s blitzen, besser flitzen!
Trotzdem wäre es eine Freiheitseinschränkung, diesem Menschen die Mitnahme eines Messers zu verweigern. Er würde sich sicherer fühlen und stellt als friedliebender Bürger keine Gefahr für seine Mitmenschen dar. Objektiv stellt nicht das Messer die Gefahr dar, sondern jener Mensch, der dieses verwendet, um damit Straftaten zu begehen – was auch mit zahlreichen anderen Werkzeugen als Tatmittel möglich wäre.
Es kommt hinzu, dass Freiheitseinschränkungen durch Zwang auf rechtschaffende Bürger Straftäter nicht davon abhalten, Körperverletzung oder Mord zu begehen. England hat derzeit die restriktivsten Messerverbote in ganz Europa, trotzdem ist die Anzahl der polizeilich erfassten Messerstraftaten ausgesprochen hoch.
In Deutschland wurde der Umgang mit Messern im Waffenrecht bereits mehrfach verschärft, was jedoch nicht zu einer Reduzierung der Straftaten mit diesem Tatwerkzeug führte. Außerdem kamen bei den besonders medienwirksamen ‚Messerstraftaten‘ (Mannheim, Solingen) solche Messer zum Einsatz, die auch schon nach altem Recht nicht hätten geführt – also in der Öffentlichkeit getragen – werden dürfen.
All dies zeigt, dass es wichtig ist, den Blick nicht auf das Werkzeug zu richten, sondern auf jene Menschen, die damit die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen verletzen; hier müssen Regelungen ansetzen – zumindest, wenn sie tatsächlich mehr Sicherheit bringen sollen, ohne die Freiheit rechtschaffender Bürger einzuschränken.
Der Ökonom und Sozialphilosoph Murray N. Rothbard (1926 – 1995) schrieb:
Und wie werden all diese Gegenstände [Messer etc.] verboten, und wenn sie verboten sind, wie wird das Verbot durchgesetzt? Anstatt unschuldige Menschen zu verfolgen, die verschiedene Gegenstände besitzen oder bei sich führen, sollte das Rechtswesen folglich damit befasst sein, wirkliche Kriminelle zu bekämpfen und zu ergreifen.
(For a New Liberty (2006), S. 140 f.)
Kriminalisierung rechtschaffener Bürger
Auch dem Gesetzgeber ist klar, dass Messer per se keine Waffen sind. Dies erkennt man beispielsweise an der gewollten Neuformulierung der Überschrift von § 42 des Waffengesetzes, die künftig lauten soll: „Verbot des Führens von Waffen und Messern bei öffentlichen Veranstaltungen; Verordnungsermächtigungen für Verbotszonen“ (die Messer werden explizit hinzugefügt). Diese Hinzufügung beziehungsweise Differenzierung zwischen Waffen und Messern ist eine Konsequenz des Umstandes, dass Messer Werkzeuge sind.
Die erweiterte Einbeziehung von Messern in das Waffenrecht hat weitreichende Auswirkungen. Beispielsweise dürfen Sie unter zahlreichen neu hinzugekommenen Umständen kein Messer dabeihaben. Es gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung beziehungsweise die Annahme, dass Sie ein rechtschaffender Bürger sind, der nicht vorhat, ein Messer missbräuchlich einzusetzen.
Stattdessen werden Sie als unzuverlässig eingestuft und in ihren Handlungen beschränkt, weil der Gesetzgeber ihnen misstraut. Weil einige wenige Menschen das Werkzeug Messer genutzt haben, um andere Menschen zu verletzten oder zu töten, wird die große Mehrzahl der rechtschaffenen Bürger kriminalisiert.
Wenn Sie sich beispielsweise mit Freunden zu einem Picknick treffen möchten, kann es bei einer Polizeikontrolle passieren, dass das Brotmesser im Picknickkorb zu einer drastischen Strafe führt. Dazu schreibt Dr. Philipp Wittmann (VGH Baden-Württemberg) in seiner schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen des Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages der 20. Wahlperiode am 23. September 2024 (Ausschussdrucksache 20(4)493 A neu):
Im Fall aus berechtigten Gründen mitgeführter Messer ergibt sich zudem ein ständiger Rechtfertigungsdruck, da diese Gründe auch gegenüber den kontrollierenden Personen individuell dargelegt werden müssen, wobei rechtliche Fehleinschätzungen des Betroffenen – wiederum vollständig unabhängig von eigener Gewaltneigung oder -potential – mit einer Bußgeldsanktion von (theoretisch) bis zu 10.000 € bedroht sind.
Außerdem belegen die zahlreichen im Gesetzentwurf explizit genannten Ausnahmetatbestände, wie unverzichtbar Messer tatsächlich sind. Doch wie sicher können Sie sein, dass ihr „berechtigtes Interesse“ bei Kontrollen tatsächlich anerkannt wird – auch wenn Sie ausdrücklich einen der genannten Gründe nennen?
Wer bei anlasslosen Kontrollen (die künftig möglich sein werden) ein Messer dabeihat – zum Beispiel, um auf dem Kirchenbasar Kuchen zu schneiden oder im Wald Pilze, vielleicht auf dem Weg zur Jagd oder zum Bergsteigen, möglicherweise auch einfach nur, weil das Messer von den Gartenarbeiten noch im Auto liegt – kann als friedliebender Bürger in den genannten Fällen und vielen weiteren Situationen künftig zum Straftäter werden.
Die Betroffenheit hängt von der Häufigkeit der Kontrollen und dem Wohlwollen der Kontrolleure ab. Auf dem Land ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer als in der Stadt. Ein gut gelaunter Polizist wird seinen Ermessensspielraum eher zu ihren Gunsten auslegen als ein schlecht gelaunter. So wird Recht zu einer Lotterie.
Die Messerrechtsänderungen im vorliegenden Gesetzentwurf schaffen keine zusätzliche Sicherheit, sondern vernichten diese durch unklare Rechtsbegriffe und unermessliche Ermessensspielräume. Sicher ist nur, dass mit den Messerrechtsänderungen im vorliegenden Gesetzentwurf ein weiteres Stück Freiheit verloren geht.
Das Argument, dass weniger Messer weniger extremistische Straftaten bewirken würden, ist nicht haltbar. Es kommt hinzu, dass man zwar bei einem Raketenwerfer oder einer Atombombe zurecht behaupten kann, dass es keinen Anwendungsfall gibt, der die körperliche Unversehrtheit nicht beeinträchtigt. Aber Messer sind Werkzeuge, auf welche sich dieser Gedankengang logisch nicht übertragen lässt.
Das Ziel der Messerrechtsänderungen wird nicht nur messerscharf, sondern meilenweit verfehlt. Extremistische Straftaten können damit nicht verhindert werden, den angepeilten Sicherheitsgewinn gibt es nicht. Was jedoch sicher ist, ist der Freiheitsverlust für friedliebende Menschen.
Ludwig von Mises (1881 – 1973) schrieb:
Der schwerste politische Irrtum unserer Zeit ist die Verkennung der Wurzeln der modernen Freiheitsrechte. Man glaubt, daß … alle … unter der Bezeichnung Menschen- und Bürgerrechte zusammengefaßten Freiheiten ihren Ursprung und Bestand Staatsgesetzen verdanken.
Die anstehenden Änderungen im deutschen Messerrecht sind ein plastisches Beispiel dafür, welche Folgen dieser Glauben haben kann.
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Rainer Fassnacht ist Diplom-Ökonom und schreibt für verschiedene Printmedien und Onlineplattformen im In- und Ausland. Hauptthema seiner Beiträge ist die Bewahrung der individuellen Freiheit.
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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.
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