Bürgergipfel für mehr Liberalismus | Interview mit Markus Krall

12. August 2024 – von LvMID

Am 7. September 2024 findet in der Liederhalle in Stuttgart der „Bürgergipfel 2024“ statt, bei welchem auch bekannte Vertreter liberaler Ideen zugegen sein werden. Gemäß der Website des Bürgergipfels (*) sind die Zielsetzungen unter anderem weniger Politik, weniger Kollektivismus und mehr Freiheit, also liberale Grundsätze, wie sie auch der herausragende Ökonom und Sozialphilosoph Ludwig von Mises (1881 – 1973) in Folge seiner handlungslogischen Erkenntnisse für die Gesellschaft forderte.

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Im Folgenden führen wir ein Gespräch mit einem der Redner des Bürgergipfels, dem promovierten Volkswirt und Bestsellerautor Dr. Markus Krall.

Ludwig von Mises Institut Deutschland (LvMID): Lieber Markus Krall, auf der Website des Bürgergipfels lesen wir sinngemäß, dass es nicht darum gehen kann, nur Politiker auszutauschen, sondern dass es einen grundlegenden Kurswechsel braucht. Wie sollte dieser Kurswechsel Ihrer Meinung nach aussehen?

Markus Krall (MK): Es ist zwar so, dass die Politiker unser Problem sind, weil sie mit einem System adverser Selektion an die Schaltstellen der Macht kommen, aber das ist nicht die Schuld der Politiker, sondern das Ergebnis ökonomischer Effekte unseres bestehenden politischen Systems. Diese Mechanismen der Auswahl der „Schlechtesten“[1] der Gesellschaft sind schnell erklärt:

Da ist zum einen das Bezahlsystem der Politik. Wer es im realen Leben, also in der freien (und mittlerweile nicht mehr so freien) Marktwirtschaft zu nichts bringt, weil er nichts kann und / oder zu bequem ist, etwas zu leisten, der kann in der Politik ein Mehrfaches des durchschnittlichen Einkommens der deutschen Bürger erzielen, ohne dafür etwas können zu müssen. Das zieht Berufs- und Leistungsversager natürlich magisch an.

Der zweite Effekt ist hervorgerufen durch das Listensystem der Parteien. Die Parteiführung bestimmt damit, wer Karriere macht und wer nicht. Selbständiges Denken, gar Widerspruch oder abweichendes Abstimmungsverhalten wird nicht toleriert. Das Ergebnis: Rückgrat ist karriereschädlich, Rückgratlosigkeit dagegen karrierefördernd. Das Ergebnis ist die Republik der Speichellecker und Sykophanten.

Diese Mechanismen haben über Jahrzehnte gewirkt und die noch einigermaßen fähige, patriotische, pflichtbewusste und liberal denkende politische Elite der Nachkriegszeit verdrängt und diejenigen, die an ihre Stelle getreten sind, stellen jetzt in allen wichtigen Institutionen die Mehrheit. Sie haben eine Wagenburg der inkompetenten Rückgratlosen errichtet und halten jeden vor der Tür, der auch nur den Anschein von Kompetenz und Geradlinigkeit erweckt.

Diese Kaperung des Systems ist ein Teil eines größeren Phänomens, nämlich der Kaperung des politischen Apparates durch die Altparteien, die sich den Staat quasi zur Beute gemacht haben, und in welchem sich Korruption und Schamlosigkeit aktuell völlig ungebremst austoben können, auch wegen des weitgehenden Fehlens von Gewaltenteilung insbesondere mit Blick auf die Vierte Gewalt im Lande, die Medien, die sich selbst gleichgeschaltet haben. Das Ganze hat zu einer Perversion der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geführt, eine Art Autoimmunerkrankung der verfassungsmäßigen Ordnung, bei der Institutionen, die dem Schutz des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates dienen sollten, diesen angreifen, zersetzen und ad absurdum führen. Alle, die dem entgegentreten, werden als angebliche Feinde der Verfassung gebrandmarkt und verfolgt.

Eine solch tiefgreifende Erkrankung und Verfassungskrise heilt man nicht durch eine Personalrochade, man heilt sie durch fundamentale institutionelle Reformen. Die Stichworte sind: Gewaltenteilung, Herrschaft des Souveräns durch Wahlen und Abstimmungen, also vor allem auch Volksabstimmungen zu allen wichtigen Fragen, Selbstbegrenzung des Staates und der Bürokratie, Rückkehr zu Marktwirtschaft, Schutz des Eigentums und der Leistung, Beendigung des Systems des Stimmenkaufs durch die Politik mit anderer Leute Geld. Da gibt es viel zu tun.

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LvMID: In Argentinien beobachten wir zurzeit, wie Präsident Javier Milei gegen die Widerstände der Leitmedien, Altpartien und NGOs ein staatliches Sanierungsprojekt vorantreibt, dass der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen soll und dem Individuum viele Freiheiten zurückgeben, indem Milei den Staat massiv zurückbaut und verkleinert. Erste Anfangserfolge sind dabei bereits sichtbar. Sehen Sie eine solche Möglichkeit auch für Deutschland und Europa?

MK: Die Antwort ist ganz klar: ja! Natürlich sind die Herausforderungen hier andere als in Argentinien. Das Land hat fast 100 Jahre sozialistischer Experimente hinter sich und seine Reserven sind ausgequetscht und bis in die hinterste Ecke ausgeleckt. Der Schmerz der Menschen war enorm, nachdem das Land in dieser Zeit von einem der vordersten Ränge der Welt beim Bruttosozialprodukt pro Kopf auf einen der hinteren Ränge abgestürzt ist und rund die Hälfte der Menschen im einstmals reichsten Land der Welt unter der Armutsgrenze leben müssen. Die Zeit war reif.

Doch denke ich, dass das auch in Deutschland möglich ist. Es war ja schon einmal möglich, als Ludwig Erhard nicht nur die Währungsreform durchgeführt hat, sondern auch tiefgreifende Wirtschaftsreformen, Abschaffung der Preiskontrollen etc. durchsetzen konnte. Für die von Philipp Bagus verfasste Biografie Javier Mileis (*), die wir am 12. August in Hamburg vorgestellt haben, habe ich in dem von mir verfassten Nachwort genau diese Frage beleuchtet, wie wir das auch in Deutschland bei den abweichenden verfassungsrechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen erreichen können. Fazit: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

Es war ja schon einmal möglich, als Ludwig Erhard nicht nur die Währungsreform durchgeführt hat, sondern auch tiefgreifende Wirtschaftsreformen, Abschaffung der Preiskontrollen etc. durchsetzen konnte. … Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!

LvMID: Nochmals zum Thema Milei. Ludwig von Mises meinte sinngemäß, dass das Regierungshandeln nicht dauerhaft im Widerspruch zur öffentlichen Meinung erfolgen kann. Deswegen betreibt Milei aktiv ökonomische Aufklärungsarbeit und verweist dabei auch immer wieder auf prominente Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie wie Ludwig von Mises, Murray N. Rothbard (1926 – 1995) und Friedrich August von Hayek (1899 – 1992). Wie könnte dieses „Mitnehmen der Bevölkerung“ für klassisch-liberale Politik in Deutschland Ihrer Meinung nach aussehen, was könnte noch verbessert werden, wie die Reichweite erhöht werden?

MK: Der Zustand der Wirtschaftswissenschaften ist sowohl hinsichtlich der Qualität der Lehre als auch hinsichtlich des Wissensstandes in der breiten Bevölkerung beklagenswert. Die Lehre und auch die mediale Präsenz werden geprägt von den keynesianischen und sozialistischen Schulen, deren logische Irrtümer ihr Markenzeichen sind. Ähnlich wie bei der Scharlatanerie der sogenannten „Klimawissenschaft“ wird mit komplexen mathematischen Modellen ohne Erklärungswert nach Art eines Zauberkunststücks vor den Leuten herumjongliert und so „Expertentum“ vorgetäuscht.

Dagegen muss die Österreichische Schule mit Aufklärung vorgehen und die Lehre aus dem Hörsaal auf die Straße und vor allem in die sozialen Medien tragen. Wir brauchen die Fähigkeit, auch komplexe Zusammenhänge einfach in wenigen Minuten zu erklären, und das in der Sprache der Menschen, die eben in ihrer Mehrheit keine Ökonomen sind. Dabei sollten wir so früh ansetzen wie möglich, also auch Schüler und Studenten in den Fokus der Aufklärungsarbeit bringen. Da uns die staatlichen Institutionen dies kaum im Hörsaal oder im Klassenzimmer erlauben werden, muss es vor den Schulen und in den Treffpunkten der sozialen Medien stattfinden. Dort sind die jungen Menschen erreichbar.

Ein solches Modell diskutieren wir derzeit in der Atlas-Initiative: Die Einrichtung einer Webseite mit Kerninformationen und Links zu Videos für junge Leute, die vor den Schulen mit kleinen Flugblättern und Aufklebern im Postkartenformat beworben werden, auf denen eine Kernbotschaft steht und ein QR-Code aufgedruckt ist, der zu dieser Webseite oder zu Videos zu bestimmten Themen führt. Dabei müssen wir die ganze Bandbreite der von den jungen Leuten genutzten sozialen Medien nutzen: X, Facebook, Telegram, Instagram, TikTok, usw.

Bei der Sprache und beim Format können wir nach meiner Meinung sehr viel von den erfolgreichen Kampagnen Javier Mileis lernen. Es darf ruhig etwas kerniger, lutherischer und aggressiver sein.

LvMID: Heute haben wir es beim „Kampf um die besseren Ideen“, wie Mises sich ausdrückte, vielfach mit Zensur im weiteren Sinne zu tun, also etwa Shadow banning, Cancel Culture, Lawfare und Schmierenkampagnen bis hin zu einem kompletten Zeitschriftenverbot. Meinen Sie, dass es in diesem Umfeld zunehmend schwieriger werden wird, aufzuklären, oder sehen Sie auch Chancen?

MK: Es wird in einem Umfeld der Zensur und Verbotskultur, wie sie von den Regierenden betrieben wird, zunächst einmal schwieriger werden. Wir brauchen mehr Fantasie, um unsere Botschaft erfolgreich auszustrahlen. Allerdings gibt es mittel- bis langfristig auch Vorteile: Wir werden gezwungen, eigene Plattformen aufzubauen, auf denen sich Menschen registrieren können. Das ermöglicht ein intensives „Community Building“ und macht es dem politischen Gegner und den Zensoren viel schwerer, die Plattform anzugreifen, insbesondere wenn man diese im Ausland etabliert.

Auch hier experimentiere ich aktuell mit einem völlig neuen Format: Mein Unternehmen GoldRevolution.com ist in der Schweiz ansässig, und obwohl es sich dabei primär um ein kommerzielles Unternehmen zur Vermarktung von Dienstleistungen rund um Edelmetalle handelt, wird der Webshop zugleich eine Plattform für ökonomische Informationen, Videos, Analysen und Botschaften im Sinne der Österreichischen Schule beinhalten. Hier haben wir nach wenigen Monaten aktuell bereits 20.000 registrierte Nutzer, denen wir in Bälde nicht nur Informationen zur Verfügung stellen, sondern auch die Möglichkeiten geben, durch Herunterladen von Dokumenten und den Erwerb von Botschaften auf T-Shirts, Tassen, Plakaten und Büchern selbst als Multiplikatoren aktiv zu sein.

Die Zensur ist also eine klassische Staatsintervention, die eine Spirale in Gang setzt. Der Zensierte wehrt sich, der Staat dreht die Schraube weiter. Aber die globale Infrastruktur des Internets kann mit dieser Methode durch den Staat nicht ausgehebelt werden und der Staat entkleidet sich auf diese Weise zunehmend der Vortäuschung, im Interesse der Menschen und der Bürger zu handeln. Die Maske fällt und das erzeugt mehr Staatsskeptizismus als jedes Argument und jede Analyse dies je könnten.

Was wir also brauchen, ist Fantasie, Ausprobieren, Versuch und Irrtum, Resilienz und Entschlossenheit.

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LvMID: Könnten Sie uns zum Schluss noch einen kurzen Ausblick geben, was Sie sich vom „Bürgergipfel“ erwarten?

MK: Ich glaube, dass der Bürgergipfel eine wunderbare Gelegenheit sein wird, den demokratisch-rechtsstaatlich-freiheitlichen Widerstand zu vernetzen und zugleich wichtige Botschaften an ein breites Publikum zu senden. Wir besetzen die Themen von Geld und Wirtschaft, über Klima, Frieden, Corona und Migration bis zu den grundsätzlichen Fragen unserer gesellschaftlichen Ordnung.

Von Hayek forderte, dass ein guter Ökonom übergreifend und interdisziplinär denken und formulieren muss. Die Vernetzung kritischer Köpfe mit unterschiedlichen Themen bringt das voran und sie schafft bei unseren Adressaten Glaubwürdigkeit. Wir sind als Libertäre eben gerade keine „Fachidioten“, sondern wir haben die besseren Erklärungs- und auch Therapieansätze für die unterschiedlichsten Aspekte und Probleme, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist.

Der Grund ist, dass wir die Logik der Freiheit, nämlich die Praxeologie, die Wissenschaft vom Handeln des Menschen auf all diese Probleme konsistent anwenden können. Das macht die Österreichische Schule intellektuell überlegen, und wenn wir es in verständliche, mundgerechte Häppchen verpacken, dann werden wir damit auch den Sieg über die menschenfeindlichen sozialistischen Ideologien davontragen, ganz gleich wo.

… wir haben die besseren Erklärungs- und auch Therapieansätze für die unterschiedlichsten Aspekte und Probleme, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist.

Der Grund ist, dass wir die Logik der Freiheit, nämlich die Praxeologie, die Wissenschaft vom Handeln des Menschen auf all diese Probleme konsistent anwenden können. Das macht die Österreichische Schule intellektuell überlegen …

LvMID: Lieber Markus Krall, herzlichen Dank für dieses Interview!

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[1] Siehe hierzu ‚Hoppes “Der Wettbewerb der Gauner – Vom Unwesen der Demokratie und dem Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft” ist intellektuelle Gegenwehr und Lesevergnügen zugleich‘, von Professor Dr. Thorsten Polleit, Vorwort zu Professor Dr. Hans-Hermann Hoppes „Wettbewerb der Gauner“ (*).

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Das Interview für das Ludwig von Mises Institut Deutschland führte Dr. Andreas Tiedtke.

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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

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