Freihandel: Die Lösung für das Migrationsproblem der USA
17. Juli 2019 – von Ryan McMaken
Der frühere US-Außenminister George Shultz hat eine Idee, wie man mit der zunehmenden Einwanderung aus der Region des nördlichen Dreiecks Zentralamerikas, zu der auch El Salvador, Guatemala und Honduras gehören, umgehen könnte: Er will mehr Geld für Auslandshilfe ausgeben.
Vor wenigen Tagen schrieb Schultz im Wall Street Journal, dass „die Länder des nördlichen Dreiecks ihr ‚Angebot‘ an guter Regierungsarbeit erhöhen könnten, indem mittels ausländischer Unterstützung ein besseres Polizeiwesen, Transparenz und qualitativ hochwertigere Dienstleistungen finanziert wird – und indem internationaler Druck ausgeübt wird, um Korruption zu bekämpfen und politische Reformen zu fördern”.
Und wer könnte diese Auslandshilfe leisten? Laut Shultz sind die „USA die einzige Nation mit der wirtschaftlichen, technologischen und politischen Führungsautorität”, und „die Interamerikanische Entwicklungsbank könnte dies tun, indem sie vorhandene Mittel ohne neue US-Ausgaben umleitet, und mit einem Telefonat in Washington könnte es beginnen.“
Shultz erwähnt klugerweise keine Dollarbeträge. Warum sollte er auch? Sein Vorschlag ist eindeutig als eine Art Versuchsballon gedacht: Verlangt jetzt mehr Staatsausgaben und arbeitet später alle Details in den Hinterzimmern aus.
Aber wir wissen, wie so etwas funktioniert. Und man sollte auch nicht erwarten, dass die Auslandshilfe die Wirtschaft des nördlichen Dreiecks tatsächlich wiederbeleben würde.
In Wirklichkeit handelt es sich nur um ein weiteres Verplempern von Auslandshilfe: Freunde des US-Regimes werden die Mittel erhalten. Und es wird wenig Kontrolle darüber geben, wie das Geld ausgegeben wird. Das Geld kann sogar zur Finanzierung von Despoten verwendet werden, die das Geld einsetzen, um ihre Feinde zu ermorden. George Shultz’ persönliche Freunde und Kollegen werden zweifellos ihren Anteil bekommen. So funktioniert das US-Auslandshilfe-Spiel.
Es ist interessant, dass Shultz nicht das erwähnt, was das Potenzial hätte, den Zugang der Region zu Kapital zu ermöglichen und somit den dortigen Lebensstandard revolutionieren würde und wodurch gleichzeitig der Anreiz zur Auswanderung aus der Region in die USA stark gemindert würde: Uneingeschränkter Handel mit den Vereinigten Staaten.
Um dies zu erreichen, müssen die USA keine neuen Steuern erheben. Es müssen auch keine neuen Vorschriften erlassen und keine internationalen „Koalitionen“ gebildet werden. Stattdessen muss sie nur das nördliche Dreieck zu einer echten Freihandelszone mit vollem Zugang zu den US-Märkten machen.
An dieser Stelle mögen einige Beobachter behaupten: „Die USA haben doch bereits ein Freihandelsabkommen mit Zentralamerika! Die Region ist doch weitgehend zollfrei.“
Doch dieser Einwand verdeutlicht, wie sehr der Begriff „Freihandel“ durch den Begriff „Freihandelsabkommen“ verdorben wurde. In der Praxis dürfen nämlich nur ‚qualifizierte‘ Waren aus Mittelamerika zollfrei in die USA eingeführt werden. Und um sich zu qualifizieren, müssen die Waren eine Vielzahl von bürokratischen Anforderungen erfüllen, die sich aus der „Rule of Origin“ ergeben. Diese Regeln bestehen, um eine „Umlenkung von Handelsströmen“ und andere Arten von Handel zu verhindern, bei denen ein mittelamerikanisches Land Teile von außerhalb der Freihandelszone importiert, diese Teile zusammenbaut und dann das fertige Produkt in die USA exportieren könnte. So ist der Handel zwischen Mittelamerika und den USA nicht wirklich frei, und die Handelsabkommen verhindern insbesondere, dass mittelamerikanische Länder zu Handels- und Schifffahrtszentren werden, in denen Waren und Dienstleistungen weltweit frei ein- und ausgeführt werden können.[1]
Wenn Mittelamerika jedoch ein echtes Freihandelsabkommen mit den USA hätte, hätten sowohl US-amerikanische als auch ausländische Hersteller einen enormen Anreiz, sich in der Region niederzulassen und dort Waren für den US-Markt herzustellen.
Im Laufe der Zeit würde das Kapital in die Region strömen und den Lebensstandard der Menschen in Mittelamerika stark erhöhen und gleichzeitig würden neue Waren- und Dienstleistungsquellen für amerikanische Unternehmer und Verbraucher erschlossen.
Natürlich gibt es keine Garantie für den Erfolg eines solchen Plans. Die Regimes von El Salvador, Guatemala und Honduras könnten die Gelegenheit vertun. Sie könnten auf hohen inländischen Steuern beharren oder kein sicheres, rechtliches Umfeld bieten und private Unternehmer hätten Grund zur Sorge vor einer Enteignung durch das Regime.
Aber wenn man sich der Möglichkeit eines echten Freihandels mit den USA gegenübersieht, würde der Einsatz in der Tat sehr hoch werden, und das Regime stünde vor der Wahl zwischen garantierten, moderaten Steuereinnahmen oder einer katastrophalen Enteignungspolitik.
Aber egal wie es am Ende ausgeht, der US-Steuerzahler muss dafür nicht gerade stehen. Es besteht keine Gefahr, dass Auslandshilfe verschwendet wird. Stattdessen ist der Vorteil beträchtlich: der Zugang zu kostengünstigen Waren und Dienstleistungen von amerikanischen, asiatischen und europäischen Unternehmen, die alle darauf aus sind, die Vorteile dieser neuen „Freihandelszone“ in der westlichen Hemisphäre zu nutzen. Amerikanische Unternehmer wären in der Lage, Waren und Dienstleistungen zu niedrigeren Preisen anzubieten. Sie könnten mehr Arbeiter einstellen. Sie könnten mehr von ihrem Gewinn reinvestieren.
Darüber hinaus wären die geopolitischen Vorteile erheblich. Die Regimes des nördlichen Dreiecks würden sich für die Aufrechterhaltung freundschaftlicher Beziehungen zu den USA einsetzen, und der Druck der starken Migration aus der Region würde abnehmen.
In seinem Essay „Für Freihandel und beschränkte Einwanderung – eine ökonomische Analyse“ würdigt Hans-Hermann Hoppe die Vorteile des Freihandels in der Einwanderungspolitik:
Die Beziehung zwischen Handel und Migration ist eine von elastischer Substituierbarkeit (und nicht von starrer Exklusivität): je mehr (oder weniger) man von dem einen hat, desto weniger (oder mehr) braucht man vom anderen. Wenn alle anderen Bedingungen gleich sind, ziehen Firmen eher in Niedriglohngegenden, und Arbeiter in Hochlohngegenden, was effektiv zu einer Angleichung der Löhne (für gleiche Arbeit) und einer optimalen Kapitalverteilung führt. Diese natürlichen Tendenzen in Bezug auf Einwanderung und Kapitalexport werden durch Freihandel abgeschwächt und durch Protektionismus verstärkt, da politische Grenzen Hoch- von Niedriglohngebiete trennen und staatliche (landessweite) Handels- und Einwanderungspolitik existiert.
Solange mexikanische Waren – aus einem Niedriglohngebiet – unbeschränkt in ein Hochlohngebiet wie die USA eingeführt werden können, bestehen weniger Anreize für Mexikaner, in die USA einzuwandern. Wenn dagegen mexikanischen Waren der Zugang zum US-Markt verwehrt wird, besteht ein viel höherer Anreiz für Mexikaner, in die USA einzuwandern. Genauso gibt es weniger Anreize für Kapitalexport aus den USA nach Mexiko, wenn US-Produzenten uneingeschränkt mit mexikanischen Produzenten und Konsumenten handeln dürfen; wenn den US-Produzenten dies allerdings verwehrt wird, besteht ein viel höherer Anreiz, die Produktion aus den USA nach Mexiko zu verlagern.
Bizarrerweise verfolgen Protektionisten einen umgekehrten, selbstzerstörerischen Ansatz: Sie wollen den Handel mit anderen Nationen unterbrechen, wodurch der Lebensstandard gesenkt wird. Dies erhöht natürlich den Anreiz für Ausländer, in Richtung der Vereinigten Staaten auszuwandern. Die Protektionisten beklagen sich dann darüber, dass es zu viel Einwanderung gibt, und die Regierung muss noch mehr intervenieren, um sowohl den Handel als auch die Migration zu kontrollieren.
Kein Wunder, dass Ludwig von Mises (1881-1973) die Lächerlichkeit dieser Position sah. In meinem Artikel „Wenn Sie die Einwanderung nicht mögen, sollten Sie den Freihandel lieben“ schrieb ich:
Gegner und Befürworter der Einwanderung können endlos über die potenziellen Nachteile und Vorteile der Einwanderung streiten. (Für einen besonders differenzierten und aufschlussreichen Blick auf die Nachteile siehe Ludwig von Mises’ Arbeit zu Nationalismus und Einwanderung…)
Beim Freihandel gibt es jedoch keinen Nachteil, weshalb Mises, der eine Reihe von Einschränkungen bei der Einwanderung zuließ, keine Ausnahmen beim Freihandel machte.
Für viele moderne Protektionisten ist der Wunsch, den Handel abzuschotten, jedoch nicht nur auf wirtschaftliche Unwissenheit zurückzuführen, sondern auch auf den emotionalen Wunsch, anderen Ländern aus nationalistischen Gründen tatsächlich zu schaden. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Politiken werden dann gegenüber anderen ideologischen Agenden zweitrangig. Mises verstand dies gut und in „Human Action“ schloss er:
Wir können um der Argumentation willen die Tatsache ignorieren, dass Protektionismus auch den Interessen der Nationen schadet, die darauf zurückgreifen. Aber es besteht kein Zweifel daran, dass der Protektionismus darauf abzielt, die Interessen ausländischer Völker zu schädigen, und er schadet ihnen wirklich. … Die Philosophie des Protektionismus ist eine Philosophie des Krieges.
George Shultz hat Recht in dem Sinne, dass ein wohlhabendes Mittelamerika ein Mittelamerika ist, dass weniger Anreiz hat, seine Arbeiter und Familien nach Nordamerika zu schicken. Aber die wirkliche Lösung besteht nicht darin, ein paar zusätzliche Dollar an die zentralamerikanischen Regimes zu verteilen in der Hoffnung, dass sie damit ein paar neue Highways bauen. Die eigentliche Lösung liegt in der Ausweitung von Handel, Investitionen usw. Nur so kann eine nachhaltige Lösung für die Armut in der Region gefunden werden.
[1] Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Belastung durch die Erlangung der „Zertifizierung“ für die Qualifikation im Rahmen der Freihandelsabkommen kleine Unternehmen im Vergleich zu größeren Unternehmen relativ benachteiligt. Weitere Informationen darüber, wie sich diese Regeln auf die Handelsströme auswirken, finden Sie hier: “Preferential Rules of Origin in Regional Trade Agreements.” https://www.wto.org/english/res_e/reser_e/ersd201305_e.pdf
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Der Originalbeitrag mit dem Titel Free Trade, Not Foreign Aid, Will Reduce the Incentive to Flee Central America ist am 11.7.2019 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.
Ryan McMaken ist Editor von Mises Daily und The Free Man. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der University of Colorado.
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Hinweis: Die Inhalte der Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Ludwig von Mises Institut Deutschland wieder.
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